Читать книгу Was auch immer wir hatten - Robin Lang - Страница 9
- Chris -
ОглавлениеGott sei Dank hatte ich einen direkten Draht zu David und Micha. Seit Jahren waren die beiden meine Haus- und Hoftätowierer und wo man normalerweise Wochen auf einen Termin bei einem der beiden warten musste, bekam ich immer sofort Zeit eingeräumt. Sie hatten mich für heute Morgen zum Vorgespräch eingeplant, dann konnten wir mein neuestes Tattoo vorbesprechen und planen. Was genau es werden sollte, wusste ich noch nicht, diesmal vielleicht eine Gitarre, denn ich hatte diesem Instrument und der Tatsache, dass meine Eltern mich auch in der „ich hab keinen Bock zu üben – Phase“ in den Hintern getreten hatten, viel zu verdanken. Ohne sie wäre ich nicht da, wo ich jetzt war.
Ein paar Ideen hatte ich skizziert und wollte sie auch gleich mitnehmen – sofern mein Sohn in die Gänge kam, denn der wollte von mir in den Kindergarten gebracht werden. Anschließend hatte ich einen Termin im Tonstudio, ganz für mich alleine, die anderen drei schliefen bestimmt noch! Aber ich genoss diese Zeit nur mit mir, meinen Texten und meiner Musik.
„Papa, wir können, kommst du? Hier ist noch meine Vorschulmappe, wir hatten Hausaufgaben für heute, die muss noch mit, sie passt aber nicht in den Rucksack. Kannst du sie tragen?“
So verließen wir endlich das Haus, die fein säuberlich beschriftete Mappe packte ich unter meine Unterlagen und los ging's in Richtung Kindergarten und dann zum „Mr. Van T.“.
Im Kindergarten hielt ich mich nicht länger als nötig auf, denn Bens Erzieherin ging mir mächtig auf die Nerven – ich war ja nicht oft dort, aber jedes Mal, wenn ich im Lande war und Ben in den Kindergarten brachte, machte sie mich an, wollte sich mit mir verabreden und das ist in den letzten Monaten immer schlimmer geworden. Aber unabhängig davon, dass sie so gar nicht mein Typ war, ich hatte mit Sicherheit Besseres zu tun, als mich mit der Erzieherin meines Sohnes einzulassen!
Das Studio hatte normalerweise um acht Uhr morgens nicht auf, aber für mich galt das zum Glück nicht. Scheinbar auch nicht für einen Handwerker, der gerade dabei war, Material ins Gebäude zu tragen. Aber ich machte mir wirklich keine Gedanken, dass mich heute irgendwer erkannte und das, obwohl ein Foto von mir hinter der Theke hing. Meine Haare waren geschoren, der Bart ab, die Klamotten mehr als konservativ, einzig die Tattoos verrieten, dass ich nicht mehr der Bankangestellte war, den sie hier vor sich sahen.
Innen erwarteten mich schon David und Micha und wir gingen in die Küche, wo es zum einen eine wunderbare Kaffeemaschine und zum anderen jede Menge Ruhe für eine Vorbesprechung gab. Nachdem ich anhand meiner Skizzen meine Ideen ausgebreitet hatte, versprachen die beiden, sich Gedanken über eine Umsetzung zu machen. Danach blieb ich noch eine halbe Stunde, bevor ich mich auf den Weg ins Tonstudio machte. Die nutzten wir, um uns über die Neuigkeiten in unseren Leben auszutauschen. Wobei in deren Leben bedeutend mehr passiert war als in meinem, mir schwirrte immer noch der Kopf von all den Verwicklungen der letzten Monate. Da konnte die beste amerikanische Soap nicht mithalten. Von toten Vätern, aufgetauchten Brüdern, Fast-Schwagern, neu gefundenen Neffen, Stalkern, es war wirklich nicht langweilig gewesen in unserer kleinen Stadt. Da wirkten meine Goldene Schallplatte, ein halb nacktes Fotoshooting und der Nr. 1 Hit schon fast blass.
Ich verließ die beiden und machte mich auf dem Weg zum Tonstudio, wo ich von dem „Security/ Portier/Mädchen für alles“ - Mann Luis enthusiastisch begrüßt wurde. Er war ein netter Mann, aber immer etwas zu viel, er bezeichnete sich als unser größter Fan und übertrieb es oft mit seinem guten Willen. Eigentlich war er nicht zur Sicherheit der hier arbeitenden Künstler eingestellt. Denn im Grunde gab es keine Prominenz in unserer kleinen Stadt, die hier aus und ein ging. Es waren einige lokale Bands, aber nichts wirklich Bekanntes, das hatte sich erst durch uns geändert. Aber auch wir wollten nicht bewacht werden – doch das konnte man Luis nicht so ganz erklären. Also ließen wir ihn in dem Glauben und hofften immer, dass er nicht allzu viel Schaden anrichten würde.
Und so verging der Vormittag mit Arbeit, Musik und Ideen für neue Lieder.