Читать книгу RAG MEN - Rocky Alexander - Страница 9
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Der kleine Junge steht mit seinem Stiefvater in der Schlange. Er ist acht Jahre alt und kann es kaum erwarten, seine zweite Baseball-Saison in der Little League anzutreten. Er hat im Laufe des letzten Jahres hart trainiert, um sich zu verbessern, und möchte unbedingt jedermann zeigen, wie viel dabei herausgekommen ist. Seine Mutter betet ihm ständig vor, er könne, wenn er weiter an sich arbeitet, sogar gut genug werden, um irgendwann einmal mit den Profis zu spielen. Er glaubt ihr, weil er weiß, dass sie ihn liebt und ihn niemals belügen würde. »Ja, Mom, ich werde eines Tages zu den Profis gehören«, sagt er zu ihr. »Ich weiß, dass ich werden kann, was ich will, wenn ich gute Noten schreibe und mich anstrenge, nicht wahr?« »Richtig, mein Sohn, ganz richtig.«
Sie kommen nur langsam voran, weshalb Lyle, sein Stiefvater, ungeduldig wird. Er fängt an, leise vor sich hin zu fluchen. Der kleine Junge betet, Gott möge Bewegung in die Schlange bringen, bevor Lyle ausfallend wird, doch mehrere Minuten vergehen, und die Anmeldung sieht immer noch unheimlich weit entfernt aus. Einige der anderen Eltern unterhalten sich und lachen miteinander, wohingegen Lyle auf der Stelle trippelt, sich über die Stirn fährt und so leise mit sich selbst spricht, dass der Knabe nicht versteht, was er sagt. Letzten Endes packt der Erwachsene ihn am Arm und kündigt an, dass sie aufbrechen werden. Der Kleine möchte aber nicht gehen. Falls sie das tun, ohne die Formulare auszufüllen, darf er nicht in der Little League spielen, was Lyle aber egal ist. »Du kannst nächstes Jahr mitmachen«, behauptet er.
Der Junge weint, während der Stiefvater ihn nach draußen auf den Parkplatz schleift. Überall stehen Leute, und ihm fallen ein paar seiner Klassenkameraden auf, die auf dem Gehweg Fangen spielen. Einer von ihnen fragt, ob er sich für die Little League eingetragen hat, und als er verneint, dreht er den Kopf zur Seite, um seine Tränen zu verbergen. Er bettelt Lyle an, nur noch ein bisschen länger zu warten; doch der Mann hört ihm nicht zu. Dem Knaben ist klar, dass seine Mutter, wäre er mit ihr hier, so lange ausharren würde, wie es sein muss, aber leider ist sie nicht da, und er sehnt sich nach der Zeit zurück, als er noch keinen Stiefvater hatte – früher, als alles besser war.
»Ich hasse dich«, bekennt er. Lyle schlägt ihm vor allen Augen mit der Faust gegen die Wange, was den Jungen benommen macht, und das einzige, was ihn am Zusammenbrechen hindert, ist die schmerzhaft zudrückende Hand des Mannes an seinem Arm. Er schaut sich unter all den glotzenden Gesichtern um und fragt sich, warum keiner der Erwachsenen hilft. Einige tun so, als bekämen sie nichts mit, aber der Kleine erkennt anhand ihrer Mienen, wie unangenehm es ihnen ist. Er lässt beschämt den Kopf hängen, während Lyle ihn zum Wagen zerrt. »Sag nie wieder, dass du mich hasst«, droht er mit zusammengebissenen Zähnen.
Auf dem Nachhauseweg herrscht vollkommenes Schweigen. Als er ins Haus läuft, fragt seine Mom, warum er weint. Er schildert ihr, was geschehen ist, und bemerkt dabei, wie rot sie vor Zorn wird. »Keine Bange, ich fahre mit dir zurück und melde dich für die Little League an.« Sie tut es wirklich, und der Junge ist ganz hingerissen, doch als sie wieder daheim ankommen, fängt Lyle sie auf dem Hausflur ab und schlägt seiner Mutter ins Gesicht. Als sie zu Boden geht, tritt er wieder und wieder auf sie ein, während sie schreit. Zuletzt zieht er sie hoch und versetzt ihr einen weiteren Fausthieb. Blut rinnt von ihrem Kinn, während Lyle sie dafür verantwortlich macht, dass er ihr dies antun muss. Der Junge schaut abseits dastehend zu und wünscht sich, er könne seiner Mom helfen, weiß aber zugleich, dass er bei dem Versuch, sich einzumischen, ebenso verdroschen wird. Er schließt die Augen, hält sich die Ohren zu und träumt vom Baseballspielen in der Little League.
***
Ross fuhr aus einem Albtraum hoch, in welchem er über das aufgesprungene Pflaster einer Straße in einer längst verlassenen Stadt am Fuß eines Gebirges gegangen war, während sich Dutzende von geisterhaften Armen durch die Fenster zerfallener Gebäude zu beiden Seiten des Wegs nach ihm ausgestreckt hatten.
Rums! Das Geräusch rührte von dem großen Panoramafenster neben dem Sofa her, auf dem er schweißgebadet trotz der Kälte lag. Es stand im rechten Winkel zu der Wand, und nachdem sich der Knall noch zweimal wiederholt hatte, zwang sich Ross zum Aufstehen, weil er wissen wollte, was los war. Er glaubte, jemand habe irgendetwas hoch gegen das Fenster im Obergeschoss geworfen, um ihn aufmerksam zu machen, sah aber dann, dass es sich um einen Vogel handelte – einen kleinen braunen Spatz, der mit dem Kopf gegen eine der Scheiben flog.
Rums!
»Hau ab!«, rief Ross heiser. »Es ist zu früh für diesen Scheiß.«
Rums! Abermals prallte das Tier vom Fenster ab und hinterließ einen Blutfleck. Ross beobachtete verwirrt, wie die kleine Kreatur weiterhin alle paar Sekunden gegen dieselbe Stelle am Glas schlug und jedes Mal mehr Blut, mehr glibberige Masse zurückließ, bis sie außer Sicht abstürzte und nicht mehr wiederkehrte. Einen Moment lang fragte sich Ross, was um alles in der Welt dort draußen den Vogel dazu bewog, so dringlich zu versuchen, ins Gebäude zu gelangen, dann glaubte er, die Antwort wohl zu kennen: Es ist das verdammte Ende der Welt.
Er biss von einem Protein-Schokoriegel ab, der annähernd so hart war wie ein Backstein, während er die Treppe hinunter in die Trainingshalle ging. Gewohnheitsmäßig schnappte er sich einen Kehrbesen aus dem Putzschrank und fing an, die 2.000 Quadratmeter Betonboden des Raumes zu fegen, besann sich dann jedoch eines Besseren. Der Club war seit einer Woche geschlossen, und wie lange es dauern würde, bis Ross ihn wieder öffnen konnte – falls überhaupt – ließ sich nicht abschätzen. Niemand außer ihm selbst machte sich einen Kopf über Staub am Boden.
Er stellte den Besen beiseite und nahm ein Springseil sowie je ein Paar schwarze Bandagen und schwarz-weiße Grant-Boxhandschuhe aus seinem Spind im Duschraum. Nachdem er letztere mit dem Seil auf eine Bank zum Gewichtheben gelegt hatte, verband er sich die Hände, stellte eine Stoppuhr auf drei Minuten ein und begann sein tägliches Trainingsritual. Obwohl er vor über sechs Jahren zum letzten Mal professionell geboxt hatte, waren solche Work-outs schon seit seiner Zeit als Teenager eine Konstante in seinem Leben – genaugenommen die einzige überhaupt, zumindest bis er Monica kennengelernt hatte.
Er wusste noch genau, wie es war, als er sie vor acht Jahren zum ersten Mal gesehen hatte. Damals trainierte er regelmäßig im Boxclub Cam's in Seattle, wo er sechs Tage die Woche drei bis vier Stunden zur Vorbereitung auf seine Kämpfe verbracht hatte. Eines Abends war sie hereingekommen, um sich für ein paar Boxstunden anzumelden, die ihr Cam zu einem unschlagbaren Preis anbot. Er hatte sich ständig beschwert, nicht genügend Frauen im Verein zu haben, und eine hübschere Person als Monika war noch nie durch die Eingangstür gekommen. Allein ihr Aussehen zog gewiss mehr männliche Mitglieder an, und sie versprach, ihre Freundinnen zu ermutigen, es ebenfalls einmal zu versuchen. Ross hatte nicht erwartet, dass sie weitere Frauen mitbringen würde, doch nach ein paar Tagen erkannte er stets, wenn sie zugegen war, weil fast jeder der anwesenden Kerle sie umschwärmte wie Bienen eine Honigwabe. Ross selbst, ein üblicherweise sehr fokussierter und disziplinierter Mensch, ließ sich einmal von ihr ablenken, während er gegen einen schlagfertigen Profi aus einem anderen Club antrat. Im Nu schlug ihn ihr Anblick in den Bann, als sie etwa drei Meter neben dem Ring auf einen Sandsack einschlug. Sie hatte ihr blondes Haar zum Pferdeschwanz zusammengebunden, sodass man die sexy Linien ihres Halses sah, und ihre strahlend blauen Augen funkelten vor Entschlossenheit, die helle Haut glänzend vor Schweiß …
Dann war alles schwarz geworden.
Ross hatte den linken Haken nicht gespürt, der sein Kinn erschütterte, genauso wenig wie den Aufprall seines Schädels am Boden des Rings. Nur die Stimme von Big Al, seinem Coach, hörte er, der schrie: »Was machst du da, verdammt nochmal, du Trottel? Sieh zu, dass du den Arsch von der Matte kriegst und dich auf die Siegesprämie konzentrierst!« Dies war einer von Big Als Lieblingssprüchen – die Siegesprämie im Auge zu behalten, aber Monica war viel begehrenswerter, weshalb Ross den Blick nicht von ihr abwenden konnte. Mit der Zeit bemerkte er mit Freude, dass auch sie ihn immer wieder beäugte.
Irgendwann ging er dazu über, ihr Lektionen im Boxen zu erteilen, eine Gelegenheit für die beiden, sich besser kennenzulernen. Wie sich herausstellte, war sie genauso intelligent wie hübsch, hatte ein abgeschlossenes Masterstudium in Psychologie und arbeitete an der Universität von Washington auf einen Doktortitel hin. Es dauerte nicht lange, da ging Ross mit ihr aus. 20 Monate später, nachdem Monica ihr Programm an der Universität abgeschlossen hatte, heirateten sie. Zur gleichen Zeit zog sich Ross, damals 35 Jahre alt, aus dem Profisport zurück, weil er mit seinen Knieproblemen nicht mehr boxen wollte. Sie zogen nach Wenatchee, um der Hektik Seattles zu entkommen, und Ross eröffnete einen eigenen Club, während Monica eine Stelle im Reha-Zentrum des Valley Hospital annahm. Die folgenden sechs Jahre verliefen so wunderbar, wie es sich Ross nicht im Traum vorgestellt hätte, doch dann änderte sich alles in einem einzigen Augenblick mit jenem Telefonanruf vor sieben Tagen.
Jetzt stand er auf dem kalten Betonboden und versuchte, nicht in Selbstmitleid zu ertrinken. Leiden war ihm nicht fremd, doch Monicas Tod überstieg alles, was er zu verkraften in der Lage war. Mit ihr waren seine Träume und Vorstellungen für die Zukunft gestorben. Jetzt fand er sich allein in einem turbulenten Chaos voller Unwägbarkeiten wieder und betrachtete das schiere Dasein als Marter. Was bist du?, drängte eine Stimme tief in seinem Unterbewusstsein. Diese Frage stellte er selbst für gewöhnlich den Boxern, die er betreute, wenn er bemerkte, dass das Feuer in ihren Augen erlosch. »Ich bin ein echter Fighter, Mann«, gab er sich selbst laut zur Antwort. Allerdings fühlte er sich nicht so, sondern eher wie ein Verlierer, der auf einer Bahre aus dem Ring getragen wird.
Seine Gedanken wanderten zu der Epidemie, die gegenwärtig die gesamte Menschheit in Dunkelheit tauchte. Er versuchte sich vorzustellen, wie es sei, wenn man sich infiziert hatte. Die Sprecher aller Nachrichtensender verglichen die ersten Symptome grob mit jenen der Grippe, doch Kranke wurden innerhalb von drei bis vier Tagen rasend vor Wahnsinn und starben. Er dachte wieder an den Spatz am Fenster. Konnten Vögel das Virus übertragen? Vielleicht waren sie sogar für den Ausbruch verantwortlich – irgendeine Vogelgrippe, die zu einem Supervirus mutiert war und sich nun daran machte, die Bevölkerung zu dezimieren, bis niemand mehr lebte, den es infizieren und töten konnte. Die Wissenschaft hielt dies für ausgeschlossen, aber Ross war überzeugt davon, dass niemand wirklich Bescheid wusste.
Er schaltete das Radio ein, das auf einem Regal in der Nähe der Tür zur Servicetheke im Empfangsbereich stand. Die gesichtslose Stimme des Live-Ansagers dröhnte aus allen Wandlautsprechern im Gebäude: »Das Heimatschutzministerium dementiert Vorwürfe, denen zufolge die Sperrung aller Video-Webseiten, Filesharing-Plattformen und Sozialen Netzwerke einen Versuch darstelle, Informationen und freie Meinungsäußerung zu zensieren, denn die Maßnahme sei in Wirklichkeit ergriffen worden, um die für wichtige Dienste wesentliche Nutzbandbreite zu erhöhen. Im Rahmen einer Pressekonferenz im Laufe des Nachmittags wird sich der Präsident in einer Ansprache zu diesem Problem äußern. Zu den Lokalnachrichten: Ein Polizist in Wenatchee erschoss heute einen Mann, der ihn laut eigener Aussage auf dem Wohnwagenstellplatz Shady Groves in der Crawford Avenue angegriffen hatte. Gemäß Präsidiumssprecher Cheryl Rodriguez habe der Beamte früh am Morgen einen seltsamen Anruf erhalten, als er von jemandem angefallen und niedergerungen worden sei. Während der Auseinandersetzung soll er seine Waffe gezogen und mehrmals auf den Mann geschossen haben, der daraufhin noch vor Ort starb. Der Beamte wurde ins Valley Hospital befördert, doch über seine Verletzungen ist nichts bekannt. Rodriguez versichert, die Ermittlungen in diesem Fall liefen bereits, und bislang könne von Verschulden des Beamten keinerlei Rede sein.«
Die Stimme des Moderators hätte beim Vorlesen der Speisekarte eines Fastfood-Restaurants nicht emotionsloser klingen können, als er sich Berichten über Nahrungs- und Kraftstoffknappheit sowie der erhöhten Rate von Verbrechen und zivilen Unruhen widmete. Ferner gab er die Bitte des Bürgermeisters an die Bevölkerung vor Ort weiter, sich zusammenzureißen und einander zu helfen in dieser unvorhergesehen, aber bald überwundenen Krise.
Ross hörte zu, bis er es nicht mehr ertragen konnte. Dann schob er eine CD in den Player und betäubte seinen Kummer mit den treibenden Industrial-Rhythmen von Caustics ›White Knuckle Head Fuck‹, doch auch trotz der kraftvollen Musik, die durch die Wandboxen polterte, wirkte der Club unheimlich ruhig. Ross vermisste die lärmige Geräuschkulisse eines vollen Hauses: 20 bis 30 Paar Boxhandschuhe, die gegen pendelnde Ledersäcke klatschten; das Knirschen der Holzbohlen, wenn die Kämpfer über den Boden des Rings schlurften oder rutschten, der in der Mitte der geräumigen Halle stand; der Stakkato-Rhythmus von Boxbällen, die auf ihren Platten aus Kunstharz federten; das Klappern von Eisengewichten und verchromten Langhanteln; das Grunzen, Ächzen und Schnaufen von Männern, Frauen und Jugendlichen jeglicher Couleur mit jeweils unterschiedlichen, einzigartigen Beweggründen, die sich zu einer kollektiven Symphonie der Träume verdichtete. An solchen Tagen war die Musik bloß Hintergrundrauschen, egal in welcher Lautstärke.
Nach einer halben Stunde Training hörte Ross jemanden an die Eingangstür klopfen. Er zog seine Handschuhe aus, drehte die Musik leiser und ging in den vorderen Bereich des Gebäudes. Durch das Schaufenster am Empfang sah er, dass neben seinem Van ein dunkelblaues Polizeiauto parkte. Der Beamte an der Tür trug einen weißen Mundschutz und winkte, als er Ross durch die Scheibe erblickte.
»Guten Morgen, Coach«, grüßte er, nachdem ihm geöffnet worden war.
Auch mit der Gesichtsmaske ließ sich seine Stimme eindeutig identifizieren: Es war Mickey Rivera, ein Amateurboxer und schon seit fast zwei Jahren Kunde im Club, der bei einigen von Ross ausgerichteten Turnieren als Sicherheitsmann gearbeitet hatte. Mickey gehörte der Polizei Wenatchee seit fünf Jahren an, seit kurzem auch dem Sondereinsatzkommando des County.
»Was machst du mit diesem BH-Körbchen vorm Gesicht, Mann?«, fragte Ross. »Weißt du nicht, dass sich das Virus auch durch die Augenschleimhäute überträgt?«
Mickey kicherte. »Ich bin mir nicht sicher, ob irgendjemand das faktisch bestätigen kann, aber wie dem auch sei: Die Maske dient eher deinem Schutz als meinem.«
Ross ließ diese Bemerkung ein paar Sekunden auf sich wirken, ehe er fortfuhr: »Bist du krank?«
»Kein bisschen, im Gegenteil. Fit wie ein Turnschuh.«
»Dann nimm das beknackte Ding ab.«
Mickey zog den Mundschutz bis ans Kinn herunter und schenkte Ross ein breites Lächeln. »Wir haben uns eine ganze Weile nicht gesehen, Coach. Als ich deine Kiste vor dem Studio sah, dachte ich: Schau doch mal bei ihm vorbei. Wie geht’s dir?«
»Hab definitiv schon bessere Zeiten erlebt«, antwortete Ross. Er bat Mickey herein und schloss dann die Metalltür hinter sich.
»Ich kann nicht sonderlich lange bleiben«, entschuldigte sich Mickey. »Mir ging's einfach darum, zu sehen, wie du klarkommst.«
»Wie gesagt, es ging schon besser.«
Mickey trat nervös auf der Stelle und wich seinem Blick aus. »Ich habe das mit Monica gehört; tut mir schrecklich leid.«
Ross nickte schwermütig und kratzte sich an seinem stoppeligen Kinn. »Dass du mit mir fühlst, weiß ich zu schätzen. Momentan versuche ich einfach, es geistig zu verarbeiten, verstehst du? Das … alles … ist starker Tobak, den man erst einmal verkraften muss.«
»Versteh ich total, Coach. Ist echt ein hartes Brot. Ich kann mir nicht annähernd vorstellen, was du durchmachen musst, aber falls ich irgendetwas für dich tun kann, halt nicht damit hinterm Berg, sondern lass es mich wissen.«
»Vielen Dank, Mickey, aber du brauchst dir meinetwegen keinen Kopf zu machen. Ich werde damit fertig, wie ich bisher mit allem fertig geworden bin. Was ist mit dir selbst? Diese Epidemie kann dich und deine Familie doch nicht unberührt gelassen haben.«
»Uns geht es ganz gut. Mein Sohn genießt die schulfreie Zeit, und was meinen Job betrifft, läuft es nicht allzu übel – nur wenige Leute auf den Straßen. Heute Morgen wurde allerdings jemand erschossen; irgendein Typ stürzte sich auf einen Kollegen und unterschrieb damit sein Todesurteil.«
»Hab im Radio davon gehört. Was genau ist passiert?«
»So gegen drei Uhr heute Morgen wurde Officer Morris, ein Freund von mir, angewiesen, auf den Campingplatz in der Nähe von Lincoln Square zu fahren, wo jemand eine verdächtige Person gesehen haben wollte. Als er dort ankam, sprang ihn der Kerl an. Er trug nur seine Unterwäsche und versuchte, Morris die Waffe zu entreißen. Sie rangen am Boden miteinander, wobei mein Kumpel ordentlich einstecken musste, bis er endlich die Gelegenheit bekam, auf den Typen zu schießen, was er dann auch vier- oder fünfmal tat. Zeugen sagten aus, der Mann habe den Eindruck gemacht, auf Meth oder so zu sein. Er soll sogar weitergekämpft haben, als Morris das Feuer eröffnete.«
»Klingt reichlich verrückt«, erwiderte Ross. »Du denkst nicht, der Mann sei mit dem Virus infiziert gewesen, oder?«
»Oh Gott, hoffentlich nicht. Wir werden es bald herausfinden.«
»Wie bald?«
»Ich weiß nicht, wie die Tests ablaufen, denn schließlich bin ich Cop, nicht Arzt. Der Gerichtsmediziner wird dem Fall aber Vorrang einräumen, da bin ich zuversichtlich.«
»Und was geschieht, wenn sich herausstellt, dass er infiziert war?« Ross spürte, wie sein Magen verkrampfte. »Was würde das für Wenatchee bedeuten?«
»Falls es sich bewahrheitet, ist die Stadt darauf vorbereitet.«
Szenen des Chaos in Seattle, Los Angeles, Chicago sowie zahllosen anderen Städten überall im Land und darüber hinaus zogen an Ross' geistigem Auge vorüber. »Wenn du da mal bloß Recht behältst, Mickey …«