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Kapitel 12 SUMMER LOVE

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Jahrelang war Joe Bryant von Julius Erving fasziniert, ja beinahe eifersüchtig auf ihn gewesen. Als Teamkollege des berühmten Doctor J lernte er etwas, das durch den schnellen Aufstieg Magic Johnsons bestätigt wurde. Was Joe Bryant aus seiner Zeit in der NBA mitgenommen hatte, war, dass du ein Star sein musst, wenn du im Pro-Basketball wirklich ganz oben stehen willst – du musstest eine Kombination aus Talent und Selbstbewusstsein mitbringen, die Einstellung, der beste Spieler in einem Team zu sein. Ein Star wird einfach anders behandelt als der Rest.

Jellybean brachte sicherlich eine gewisse Begabung mit. Wie viele gute Athleten hatte Joe auch ein großes Ego, das befriedigt werden wollte. Doch die Besten der Besten, Elitespieler wie Erving und Johnson, hatten einen Weg gefunden ein Team ihrem Willen und besonderem Talent unterzuordnen. Fast alles im Verein drehte sich um sie.

Jellybean fehlte dieses letzte bisschen Talent, beziehungsweise die Zielstrebigkeit, um ein Starspieler in einem NBA-Team zu werden. Doch genau das wurde nun Teil des Mantras, das er als Vater seinem Sohn weitergeben wollte. Ginge es nach Joe, so würde es seinem Sohn niemals an Selbstbewusstsein mangeln.

Ganz gleich ob Basketball oder Rap, im Laufe der Zeit wurde Kobe Beans eigener, angeborener Ehrgeiz, der Beste zu sein, immer deutlicher – auch ohne Joes Zutun. Egal auf welchem Niveau oder bei welchem Team Kobe Bean spielte, er setzte seine Dominanz durch. War er einmal in einer Situation, wo das nicht der Fall war, so versuchten er und seine Familie diese Situation zu verändern.

Gregg Downer erlebte es selbst an der Highschool. Zwar war er anfangs besorgt, dass Bryant an eine Schule mit einem prestigereicheren Programm wechseln könnte, doch es wurde bald klar, dass dies niemals passieren würde, da Bryant mit der Lower Merion den Platz gefunden hatte, an dem er den Ton angeben konnte.

Mit dieser Gewissheit begann Bryant gegen Ende seiner ersten Saison an der Highschool vom Undenkbaren zu sprechen, nämlich einer State Championship, einem Landesmeistertitel. Die Aces machten einen großen Schritt vorwärts in diesem Jahr mit 16 Siegen und nur sechs Niederlagen. Dabei erzielte Bryant im Schnitt 22 Punkte und 10 Rebounds, eine recht beachtliche Statistik, bedenkt man, dass ein Spiel in der Highschool nur 32 Minuten dauert.

Trotz des Erfolgs könnte man argumentieren, dass Kobe Bryants eigentliche Entwicklung ganz woanders stattfand, weit weg von der Lower Merion und Highschoolbasketball. Die wachsende Popularität von Basketball auch in der spielfreien Zeit war vor allem ein Verdienst der Amateur Athletic Union, die in den 1990ern eine wichtige Rolle bei der Entdeckung und Entwicklung von Elitetalenten spielte und die später sogar noch viel bedeutender werden sollte.

Es war nicht allein die AAU, sondern eine Reihe an Eliteturnieren, bei denen die besten und größten Talente des Landes zusammenkamen. In einem Interview 2015 erklärte Sam Rines, der Coach von Bryants AAU-Team, den Sam Rines All-Stars, dass er Joe Bryants Sohn jedes Jahr von März bis Oktober trainierte, während Gregg Downer ihn nur relativ kurze Zeit bei sich hatte, nämlich von Ende Oktober bis Anfang März.

Bryant hätte laut Rines auch bei bekannteren, stärkeren AAU-Teams spielen können, doch er bevorzugte Rines’ weniger bekanntes und weniger ambitioniertes Team, da er dort der Starspieler in der Mannschaft war. Als sich die Bryants auf die Suche nach AAU-Teams machten, war Rines ein junger Trainer, der ein Team übernommen hatte, das 1992 von seinem Vater – auch ein Sam Rines – gegründet worden war. Rines Sr. hatte als Pennsylvania Highschoolcoach in den 1970ern eine Landesmeisterschaft gewonnen und war dann 12 Jahre lang als Assistenzcoach an der La Salle University tätig, bis er 1992 in Pension ging.

Doch bevor Kobe bei Rines’ Team spielen konnte, musste Joe erst sicherstellen, dass sein Sohn dort auch der Star sein würde. Der Status eines Spielers wurde unter anderem an der Anzahl der Würfe, die er in einem einstündigen AAU-Spiel nehmen durfte, gemessen. Je mehr Würfe, desto besser die Chance, Interesse bei den Colleges zu wecken.

„Joe und mein Vater unterhielten sich darüber, wie Kobe in einem für ihn geeigneten Umfeld spielen konnte“, erklärt Rines. „Es gibt einen Unterschied, ob du zwanzigmal wirfst oder nur fünfmal.“

Kobe brauchte diese fünfzehn zusätzlichen Würfe für seine Entwicklung. Die Trainer und anderen Spieler müssten eben einsehen, dass Kobe an der Spitze der Hierarchie stand.

Rines lernte sehr schnell, dass Bryant es hasste vom Feld genommen zu werden, genauso wie schon auf der Lower Merion. Der AAU-Coach erinnert sich, dass Bryant so extrem auf Auswechslungen reagierte, dass sich das Team im Endeffekt dazu entschloss, nur neun Spieler in der Mannschaft zu haben, um weitere Konflikte zu vermeiden. Doch selbst dann kam es nach jeder Auswechslung zu heftigen Konfrontationen.

„Wir hatten nur neun Spieler, da wir versuchten Kobe drinnen zu lassen“, gab Rines 2015 in einem Interview zu. „Er liebte es zu spielen, wir wussten das. Wir wussten auch, dass wir nicht fünf Spieler austauschen konnten, wie es sonst üblich war, denn er wollte nicht runter vom Feld. Kobe war einfach Kobe. Er war ein Showman. Ich habe nie jemanden anderen gesehen, der so konzentriert war am Feld wie Kobe, wenn er auf seiner Bühne stand. Kein Nonsens, kein auf die leichte Schulter nehmen. Er machte kein freundliches Gesicht. Er zerstörte dich in jedem Viertel und zeigte keine Gnade. Es war ihm scheißegal.“

„Er war ein reines Alphatier“, so Rines weiter. „Jedes Mal, wenn er auf dem Platz stand, war er das absolute Alphatier. So war er schon mit dreizehn, vierzehn und fünfzehn.“

In seinem AAU-Team waren Bryants Proteste über seine Auswechslungen noch viel heftiger, wenn nicht sogar irrational, denn AAU-Teams waren eine Ansammlung der besten Spieler von verschiedenen Schulen, nicht nur von einer, wie der Lower Merion. Trotz aller Ärgernisse half die Verpflichtung eines Spielers wie Bryant, Rines’ Verein, der als Wochenendklinik begonnen hatte, weiter zu wachsen.

„Wir holten einen Spieler von hier und einen von da, um das Team stärker zu machen“, erklärt Rines. „Nachdem wir dann besser waren, kamen andere auch zu uns, vor allem auch, weil jemand wie Kobe bei uns spielte. Kobe war wertvoll. Davor waren wir vielleicht ein zweitklassiges AAU-Team mit gerade einmal zwei oder drei Spielern in der Mannschaft, die bei den schlechteren Teams der Division I mitspielen hätten können. Mit Kobe hatten wir plötzlich ganz andere Möglichkeiten.“

AAU-Turniere standen im Ruf, das Spiel in den Vordergrund zu stellen und weniger auf das Erlernen von Grundkompetenzen zu achten, doch der alte Rines wollte junge Talente entwickeln indem er sich auf die Grundlagen und regionale Bewerbe konzentrierte. Das Format erlaubte Rines Jr. sich seine ersten Sporen als Headcoach zu verdienen, während Rines Sr. ihm als älterer, erfahrener Assistent zur Seite stand.

Kobe respektierte den älteren Rines und krachte bald mit dem jüngeren Headcoach zusammen.

„Wir sind 25 Punkte vorne“, erinnert sich Rines an eines der ersten Spiele mit Kobe. „Er meinte, er hätte nicht gut genug gespielt, um sich eine Pause zu verdienen. Er wollte wieder aufs Feld. Wir stritten uns.“

„Wechsle mich wieder ein“, schrie Kobe ihn an.

„Nein“, antwortete Rines, „du spielst heute nicht mehr, nachdem du so mit mir geredet hast.“

Und Jellybean war immer da, um seinen Sohn zu unterstützen.

„Joe und ich gerieten auch schon einmal aneinander“, erzählt Rines. „Er hatte dieses typische Elternverhalten.“

Die Eltern von AAU-Spielern waren bekannt dafür, recht aggressiv gegenüber den Coaches zu werden, wenn es um Spielzeit für ihre Kinder ging. AAU-Basketball war damals dazu da, dass Collegetrainer sich Spitzentalente ansehen konnten. Um gesehen zu werden, musste man natürlich spielen. Außerdem kostete es Geld, bei einem Team spielen zu dürfen. Die Eltern wollten, dass ihre Söhne auch etwas für ihr Geld bekamen. „Wenn Kobe und ich wieder einmal stritten, begann Joe auf Italienisch mit ihm zu reden“, sagt Rines über seine Streitereien mit Kobe. „Niemand von uns verstand, was er sagte, aber Kobe beruhigte sich wieder. Es muss aber auch gesagt werden, dass Kobe ein echtes Problem hatte, seine Wut zu kontrollieren.“

Woher diese Wut stammte, blieb ein Geheimnis, doch ein Teil kam anscheinend von Bryants Unvermögen wie ein Elitespieler mit dem Ball umzugehen. Dennoch gab es so viel Gutes an seinem Spiel, das den Trainern gleich gefiel, wenn sie ihn zum ersten Mal im Einsatz sahen. Rines erinnert sich, als er Bryant das erste Mal bei einem Eliteturnier sah.

„Es war in Delaware“, erzählt er. „Ich beobachtete ihn aufmerksam, ich kannte ihn damals noch nicht. Ich stand dort und sah ihn mir an. Da war dieser schlaksige 1,96 oder 1,98 m große Junge, der Jumpshots warf. Er war phänomenal, speziell da er bei den Zwölftklässlern mitspielte. Natürlich fehlte ihm damals die Physis, um sich unterm Korb gegen die anderen durchzusetzen, doch er hatte die Athletik und einen tollen Wurf.“

An diesem Tag sah Rines nichts, das ihn glauben machte, dass er hier einen zukünftigen NBA-Spieler vor sich hatte. „Du konntest sehen, dass er einer der besseren Freshmen war, aufgrund seiner Größe und seiner Athletik“, sagt er.

Er kam zum Schluss, dass Bryant ein sehr guter Highschoolspieler werden könnte.

„Kobe war noch so jung und bereits so gut“, erklärt Rines. „Ballkünstler war er keiner. Doch in den Bereichen, wo er Aufholbedarf hatte, arbeitete er hart und entwickelte sich.“

Je mehr Zeit er mit Bryant verbrachte, desto mehr sah er einen Teenager, der beinahe jede freie Minute mit Basketball verbrachte. „Am Morgen begann er sein Training mit den Profis im Bellevue Hotel und am Nachmittag ging es dann an der St. Joseph’s University auf die Laufbahn, samt Sprintfallschirm und Balltraining. Am Abend ging er dann ins jüdische Gemeindezentrum und trainierte dort allein weiter.“

Die Spiele im Sommer waren eine Art Testlabor für ihn. Als mehr Geld in den Sport zu fließen begann, versuchten die Coaches in der AAU, Spitzenspieler für ihre Teams zu rekrutieren, was wiederum andere Topspieler anzog und das Interesse von Sportschuhherstellern und anderen Firmen weckte. Es stellte sich schnell heraus, dass Kobe die oberste Priorität in Rines’ Team war. „Wenn Kobe einen schlechten Wurf nahm, dann war es Teil seines Lernprozesses, um besser zu werden“, sagt Rines. „Wir mussten eben akzeptieren, wer er war und was er war.“

„Er machte eine Phase durch, in der er wirklich ganz egoistisch spielte“, fügt Rines an. „Dann durchlief er eine Phase, in der er lernte zu dribbeln und wie man Crossovers macht, auch wenn er dabei den Ball sieben- oder achtmal hintereinander ins Seitenaus kickte, nur weil er einen bestimmten Move trainieren wollte. Wie soll man das coachen? Wenn er irgendetwas einstudieren wollte, dann tat er es, egal, was um ihn herum geschah. Am Ende sagte ich dann: ‚Was zum Teufel soll das? Können wir das Spiel bitte gewinnen? Lass uns erst das Spiel gewinnen, dann kannst du jeden verdammten Move ausprobieren, den du willst.‘ Denn ehe wir es uns versahen, waren wir 12, 14 oder 16 Punkte hinten, nur weil er an einem bestimmten Crossover-Move in einem AAU-Spiel arbeiten wollte.“

Bryants Konzentration auf seine eigene Entwicklung schadete dem Team einige Male und entsprach ganz und gar nicht der Idee der AAU, denn die Spiele waren ja im Grunde eine Plattform für Spieler, sich den Spielerbeobachtern der Colleges zu präsentieren.

„Die Spieler waren darauf angewiesen, dass Collegescouts zu den Spielen kamen“, erklärt Rines. „Aber wenn du ein Mitspieler bist, der darauf wartet einen Sprungwurf zu machen und Kobe sieht dich nicht oder spielt den Ball ins Aus, dann kommst du nicht auf die Anzahl der Würfe, die du haben solltest, nur weil jemand den Ball nicht passen wollte oder schlechte Entscheidungen traf. Das hat natürlich Auswirkungen auf beide, den Ballträger und den Werfer, denn die Scouts denken sich dann: Er ist gut, aber irgendetwas fehlt.“

„Bryants Defizite in der Ballbehandlung mussten auf diesem Niveau ausgeglichen werden“, erklärt Rines. „Wir mussten ihm andere Guards hinstellen, damit er besser aussah.“

Ein Spieler wie der Elite Point Guard Shaheen Holloway konnte Bryants Schwächen schonungslos aufzeigen, was wiederum Kobe weiter darin bestärkte, diese Mankos zu eliminieren.

„Das Beste aber war, dass alle Teams gute Spieler hatten, da gab es keine einfachen Gegner. Das schlechteste Team hatte vielleicht sieben Division I Spieler“, so Rines.

Im Laufe der Saison identifizierten die Trainer ein Problem, welches immer wieder in Bryants Karriere auftauchen würde. „Viele seiner Probleme kamen daher, dass er zu viel nachdachte oder überanalysierte. Joe und ich hatten schon früher darüber gesprochen. Joe selbst war immer recht entspannt. Er sagte zu Kobe: ‚Denk nicht drüber nach, spiel einfach. Spiel einfach. Du bist hier, um dich zu verbessern. Wir sind nicht gekommen, damit du dich hysterisch aufführst.‘“

Natürlich war Joe immer anwesend, so wie schon sein Vater immer zu seinen Spielen gekommen war, mit dem Unterschied, dass Joe seine ganze Erfahrung nutzen konnte, Kobe durch die Tücken des Spiels zu geleiten und dabei das besonders ausgeprägte Selbstbewusstsein seines Sohnes nie anzukratzen. Normalerweise würden solche elterlichen Einmischungen zu heftigen Debatten führen, doch Joe Bryant war ein Meister der Subtilität. Pam hingegen, die selbst einen eisernen Willen besaß, schien sich von der AAU völlig fernzuhalten. Auch wenn Kobe für die Lower Merion spielte, blieb sie immer im Hintergrund und fokussierte ihre ganze Aufmerksamkeit auf die anderen Dinge in Kobes täglichem Leben.

Der noch junge und unerfahrene Rines sah sich immer wieder mit diesem eigenwilligen Teenager konfrontiert, der sich andauernd bei ihm über andere Spieler beschwerte, „Warum schreit mich der Typ an? Warum rempelt er mich an?“.

Es dauerte einige Zeit, bis Rines Bryant so weit hatte, dass dieser sich mit dem Konzept zurechtfand, dass es bei dem Spiel nicht darum ging, sich allein durchzudribbeln, so wie er es aus Italien gewohnt war. „Er brauchte sich nicht in drei oder vier Gegner hineindribbeln und festlaufen, wenn er sowieso wieder den Ball bekam. Es brauchte eine Weile, bis er begriff, dass er unser Go-to-Guy war.“

„Komm schon, du bist besser als das. Der Ball kommt sowieso zu dir“, sagte Rines ihm immer wieder.

Kaum hatten sie dann einige grundlegende Teamregeln etabliert, kam das nächste Problem auf Rines zu.

Die Gegner begannen eine sogenannte Box-and-One-Verteidigung zu spielen, bei der Bryants Mitspieler mittels Zonenverteidigung gedeckt und er von einem guten Verteidiger in Manndeckung genommen wurde. Das war nicht gerade üblich in einem AAU-Spiel, doch den anderen Coaches ging es darum zu gewinnen. „Einmal schafften wir es, ihn anzuspielen und sofort stellten die Gegner auf die Box-and-One-Verteidigung um“, sagt Rines. „Sie wollten zwar nicht, aber sie wollten gewinnen, denn es geht nur ums Gewinnen. Da muss ich Kobe echt loben. Ihm war das Ergebnis nicht so wichtig. Er kümmerte sich nur um seinen eigenen Fortschritt. Irgendwann ließ er sich dann auch vom Spiel ohne Ball überzeugen, denn er wusste ja, dass er den Ball wieder bekommen würde.“

„Ganz ehrlich, Bryants Egoismus muss man gesehen haben“, sagt Rines. „Das war schon bemerkenswert, aber er lieferte ab, das war zu respektieren.“

Der ganze Prozess verlangte den Bryants einiges ab, doch Joe wusste, dass sein Sohn noch viel zu lernen hatte, nämlich dass es sich auch auszahlte, wenn er seinen Willen den Bedürfnissen des Teams unterordnete.

„Das verrückte war, dass er in seinem zweiten Highschooljahr begann, sich darauf einzulassen. Wenn ich einen Spieler sah, der begann nachzulassen und nicht so gut war, wie er sein sollte beziehungsweise sein Potenzial nicht ausschöpfte, das er in meinen Augen hatte, dann puschte ich ihn, bis er es tat“, erzählt Rines.

Damals sah Rines aber keinen Basketballprofi in Kobe. Als er dann mehr mit Bryant arbeitete, revidierte er seine Meinung und schätzte ihn als einen top College-Prospect, jemanden den ein richtig gutes Collegeprogramm nehmen würde, wie etwa die University of North Carolina. Der junge Coach fühlte, wie sich langsam ein gegenseitiger Respekt zwischen ihm und seinem pflegeintensiven Spieler aufzubauen begann.

„Ich glaube, ich habe ihm die Latte so hoch gelegt, dass er mich einfach respektieren musste“, sagt Rines. „Er war wahrscheinlich der am härtesten arbeitende Basketballspieler, den es je gab. Er wollte es so sehr, mehr als jeder andere.“

Das wiederum brachte weitere Themen mit sich. Die Personen rund um Joe Bryant, seine Frau miteingeschlossen, hatten immer behauptet, dass Joe viel zu sehr auf Basketball fixiert war und fast nie aufhörte darüber zu reden. Doch Kobes Fixiertheit auf den Sport stellte alles Dagewesene in den Schatten.

„Wenn wir über Basketball sprachen, verstanden wir uns großartig“, sagt Rines über seine persönliche Beziehung zu Kobe. „Aber wie lange kann man über Basketball reden? Sein ganzes Leben drehte sich nur um den Ball.“

Die meisten Menschen, die mit Bryant durch Basketball zu tun hatten, wussten so gut wie nichts über sein Interesse an Rapmusik. Wenn man die Geschichten hört, wie viel Zeit er in sein Basketballtraining steckte, kann man sich schwer vorstellen, dass er überhaupt Zeit fand an Musik zu denken. Ein Reporter fragte Bryant in den ersten Jahren bei den Lakers über sein Leben außerhalb des Sports. Kobe antwortete darauf: „Basketball, es gibt nichts anderes.“

Wenn man nicht davon besessen ist, in einem Bereich perfekt sein zu müssen, mag diese Antwort lächerlich erscheinen und eine solche Mentalität nur der traurige Beweis eines nicht gerade lebenswerten Lebens sein. So mancher, der Kobe in seinen jungen Jahren sah, ist der Meinung, dass Kobe nie ein Leben hatte.

Rines wunderte sich immer über Bryants Versessenheit und seine anscheinend unerklärliche Wut.

„Die Wut kam wahrscheinlich davon, dass er versuchte ein ganz Großer zu sein und eine bestimmte Vision hatte, während seine Coaches Dinge bei ihm sahen, die er besser machen konnte. Kobe hatte immer Schwierigkeiten mit seinen Trainern, er ließ sich einfach nicht von anderen helfen. Er hatte seinen eigenen Weg, die Dinge zu tun, seinen eigenen Stil, seine eigene Philosophie“, sagt Rines.

So gesehen hatte das intensive Studium der Videos unterschiedlicher Basketballgrößen eine Art Wand aufgebaut. Wenn man die Videos von Magic Johnson und Michael Jordan bis ins kleinste Detail studiert und diese Spieler als seine Lehrer betrachtet, zusammen mit so einem Vater, einem ehemaligen Pro, was soll einem da ein kleiner Highschool- oder AAU-Coach noch Wichtiges beibringen können? Andere waren der Meinung, dass Joe Bryant einen fantastischen Job machte, einen so starrköpfigen Sohn in die richtigen Bahnen zu lenken.

„Wir hätten eine viel angenehmere Zeit haben können, als wir im Endeffekt hatten“, erinnert sich Rines an diesen ersten Sommer mit dem Jungstar, „doch irgendwie mussten wir die Zeit mit ihm einfach durchstehen.“

Kobe Bryant

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