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Kirchenspaltung und Reichsfreiheit – Das Konstanzer Konzil und seine Bedeutung für die Schweizer und Glarner Geschichte Peter Niederhäuser
ОглавлениеDer Verstocktheit des Pharaos folgend, habe Herzog Friedrich von Österreich seine Ohren wie die Schlange verstopft und die heilige Synode, ebenso die Bitte und Warnung seiner Freunde und die Vorladung des Königs übersehen. Deshalb komme die Synode zum Schluss, diesem Übel entgegenzutreten.
In blumiger Sprache und fantasievollem Inhalt schilderte der Chronist Aegidius Tschudi ausführlich die Vorgänge am Konstanzer Konzil, die dazu geführt hätten, dass der Habsburger in Bann getan und als ein abtrünniger Christ geächtet worden sei.1 Glarus kommt in diesen Ausführungen nur am Rand vor, immerhin notierte Tschudi den Freiheitsbrief von 1415. Weit wichtiger war dem Chronisten der grosse schweizergeschichtliche Rahmen mit der Eroberung des Aargaus, die auf Bitte des Königs erfolgt sei.
Warum diese Gewichtung? Wie bereits andere Chronisten vor ihm legte Tschudi mit seinem Blick auf eine «Freiheitsgeschichte» der Schweiz eine ausgesprochen politische Lesart des Konstanzer Konzils vor. Die Eroberung des habsburgischen Aargaus bedeutete für die Landesgeschichte eine Zäsur. Die Folge davon, nämlich die Entstehung eines gemeinsamen Untertanengebietes, blieb allerdings ein Kapitel, das in der Historiografie aus naheliegenden Gründen eher übergangen wurde. Für den Aargau waren die Eidgenossen alles andere als Vorkämpfer der Freiheit. Gehörte das Jahr 1415 mit der Verdrängung Habsburgs fortan zum traditionellen schweizergeschichtlichen Schlachtenkanon, so erhielten die langfristigen gemeinschaftsbildenden Auswirkungen dieses Krieges erst in jüngster Zeit stärkere Aufmerksamkeit. Das Aneinanderrücken der einzelnen Orte und die gemeinsame Verwaltung eines Untertanengebietes waren als «verbindende Elemente» (Thomas Maissen) wichtige Faktoren bei der «Suche nach einem gemeinsamen Nenner» (Bernhard Stettler).2
Innerhalb der nationalen Leitplanken gingen – und gehen – die grösseren Zusammenhänge weitgehend unter. Und doch war das Konstanzer Konzil zuerst einmal eine kirchenpolitische Grossveranstaltung. Der (Reichs-) Krieg von 1415, der den eidgenössischen Orten ein gemeinsames Untertanengebiet, gemeinschaftliche Aufgaben sowie zahlreiche Freiheitsbriefe brachte, gehört in ein reichspolitisches Umfeld, das vom Spannungsfeld zwischen König und Fürsten bestimmt wurde. Diese Verbindung von Kirchen- und Reichspolitik macht die Eigenheit des Konstanzer Konzils und die Bedeutung des Jahres 1415 aus – mit Folgen gerade auch für Glarus. Warum also versammelten sich im Herbst/Winter 1414 führende Leute aus ganz Europa ausgerechnet in Konstanz? Und was hat die Glarner Reichsfreiheit mit diesem Konzil zu tun?