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Andernach

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So alt wie Mainz fühlt sich auch das Städtchen Andernach. Es liegt 17 Kilometer rheinabwärts von Koblenz, am Ostrand der Vulkaneifel, und hat jetzt 31 000 Einwohner. 1988 feierte es sein 2000-jähriges Bestehen. Auch hier lebten vor 500 000 Jahren schon Menschen. Und ab 1500 v. Chr. war die Gegend bereits gut besiedelt. Dort, wo heute Andernachs Zentrum ist, lebten Kelten – ab dem 3. vorchristlichen Jahrhundert. Im Gallischen Krieg kam Caesar in die Gegend. Im Jahr 55 v. Chr. ließ er ein Stückchen rheinaufwärts, bei den heutigen Orten Neuwied (auf dem rechten) und Weißenthurm (auf dem linken Ufer) innerhalb von zehn Tagen eine Brücke bauen – und zwei Jahre später eine weitere, noch ein kleines Stück rheinaufwärts. Sie nannten den Ort „Antunnacum“, was wohl bedeuten sollte, dass es das Dorf eines Kelten namens Antunnus war. Um das Jahr 20 n. Chr. entstand dort ein römisches Kastell, aber die Andernacher gehen davon aus, dass Drusus schon dreißig Jahre vorher die bereits vorhandene Siedlung ausbaute und auch einen Hafen anlegte. Nach dem Bau des Limes, als man sich in Antunnacum sicher fühlte, war das Kastell nicht mehr unbedingt nötig; es wurde aufgegeben. Die zivile Siedlung nutzte nun den Hafen, in dem vor allem Mühlsteine aus den Steingruben der Gegend verladen wurden, und wurde ein beachtlicher Handelsort. Doch als um 260 der Limes fiel, musste die Siedlung neu befestigt werden. Um 360 war wieder eine neue Befestigung nötig. Das römische Lager war nun recht groß. Es hatte vier Tore und 14 runde Türme. Doch fünfzig Jahre später zogen die Römer ab; man brauchte sie dringend in Italien. Sie überließen Antunnacum den fränkischen Merowingern. Die machten Andernach zu einem ihrer Königssitze. Venantius Fortunatus, Bischof von Poitiers und ein erfolgreicher Dichter, machte 588 mit dem erst 18 Jahre alten Merowingerkönig Childebert II. eine Rheinreise von der Mosel bis nach Andernach. Er dichtete darüber ein schönes Poem: „De Navigio Suo“ („Seine Schiffsreise“), in dem auch Andernach sehr gelobt wird. Dort stand inzwischen – wohl am Platz der alten römischen Kommandantur – eine Königsburg. Im 9. Jahrhundert wurde der Ort eine königliche Pfalz und kam dann an den ostfränkischen König Ludwig II. „der Deutsche“. Als dieser 876 starb, wollte sein Halbbruder Karl II. „der Kahle“, der Herrscher in Westfranken, auch die ostfränkischen Gebiete links des Rheins haben. Die gab man ihm aber nicht. So wollte Karl sie mit Gewalt holen. Es kam zur „Schlacht bei Andernach“, in der Ludwig III., der Sohn von Ludwig dem Deutschen, seinen Onkel Karl komplett besiegte. Im Jahre 883 wurde Andernach von Normannen überfallen und weitgehend zerstört. In den folgenden Jahrhunderten musste es sich gegen Köln und Trier wehren, denn beide Erzbistümer wollten die bis dahin reichsunmittelbare Stadt haben. Dabei wurde 1114 der alte Königshof zerstört. Und dann, 1167, schenkte Kaiser Barbarossa – sehr gegen die Vorstellungen der Andernacher – seinen Königshof Andernach dem Kölner Erzbischof Rainald von Dassel, der Barbarossas Reichskanzler war. Es gab nun wieder allerlei Auseinandersetzungen. 1198 entstand Streit zwischen dem Braunschweiger Otto IV. und dem Barbarossa-Sohn Philipp dem Staufer, denn unguterweise waren beide gleichzeitig zum römischen König gekrönt worden; das gab Ärger. Der Papst musste wählen und entschied sich für Otto; Philipp war wütend und ließ Andernach anzünden, weil dessen Herr, der Erzbischof von Köln, Otto gekrönt hatte. Andernach brannte weitgehend ab – auch die alte Stadtkirche, die dem Trierer Erzbischof Johann I. gehörte. Johann ließ auf den Grundmauern der alten Kirche eine neue bauen: den Mariendom, der 1220 fertig wurde, eine dreischiffige Empore-Basilika, die noch heute steht. Sie ist eines der schönsten Beispiele kölnisch-rheinischer Architektur. 2006 entdeckte man bei Bauarbeiten neben dem Dom die Reste einer römischen Badeanlage aus dem 4. Jahrhundert. Die wird gegenwärtig gesichert und soll dann für jedermann zugänglich sein. Um 1200 entstand auch die älteste Doppeltor-Anlage im Rheinland: das Rheintor, der Zugang zur Stadt vom Fluss her. Der mächtige Bau mit seinem spätgotischen Rundbogen-Fries, den zwei Wehrerkern und dem dreistöckigen Turmaufbau steht ebenfalls noch heute. Man musste nur 1899 den vorderen Teil vorsichtig abbrechen und anderthalb Meter höher wieder anbauen. Die Durchfahrt war zu niedrig; die Stadtverwaltung wollte damals schon das ganze Tor abreißen. Nach und nach wuchs die Stadt. Die ursprünglich römische Stadtmauer wurde zu eng. Im 14. und 15. Jahrhundert entstand eine neue, große Befestigung mit 15 Türmen und fünf Doppeltoren, von der noch heute große Teile zu sehen sind. Zu der Zeit war Andernach in allerlei kriegerische Streitigkeiten verwickelt, mit denen die Stadt eigentlich gar nichts zu tun hatte. In jener Zeit entstand aber auch, von 1440 bis 1453, das Wahrzeichen der Stadt: der „Runde Turm“, an der nordwestlichen Ecke der Stadtmauer. Das ist ein mächtiges Bauwerk, 15 Meter breit und 33 Meter hoch mit drei Stockwerken und einem Wehrgang. Er ist der höchste Wehrturm am Rhein. Der Türmer musste nicht nur nach Feinden Ausschau halten. Er hatte auch auf dem Rhein ankommende Schiffe zu melden, damit die Andernacher Zoll kassieren konnten. Seit etwa 1400 hatte Andernach für den Umgang mit Schiffsladungen einen Hafenkran, einen recht primitiven hölzernen Apparat, der auf einem angeketteten Floß im Rhein schwamm. Der musste irgendwann ersetzt werden. Der Kölner Erzbischof gestattete es 1554. So entstand für 6700 Gulden ein für die damalige Zeit hochmoderner Apparat: ein steinerner Turm-Drehkran mit gewaltigen Auslegern aus Eichenholz, mit einem Flaschenzug, großen hölzernen Treträdern, die von jeweils zwei Männern angetrieben wurden, und einem drehbaren Kegeldach. Er hatte sogar Schießscharten, damit man ihn notfalls verteidigen konnte. Einen besseren Kran gab es lange Zeit in ganz Deutschland nicht; bis ins Jahr 1911 verlud er Weinfässer und schwere Mühlsteine. Er würde heute noch funktionieren, aber man braucht ihn nicht mehr. Doch der imponierende „Alte Krahnen“ steht nach wie vor gewichtig da.

Im 16. Jahrhundert gab es in Andernach dann allerlei innerstädtische Probleme. Doch das war noch verhältnismäßig harmlos, bis 1632 die Schweden kamen. Deren General von Baudissin verlangte von Andernach Geld für seine Armee. Die Andernacher wollten nicht; so wurde ihre Stadt besetzt, ausgeplündert und angezündet. Dadurch ließen sich die Andernacher aber nicht kleinkriegen. Als die Schweden im Jahr darauf wiederkamen, wurden sie so energisch zurückgewiesen, dass die abziehen mussten. Ähnliches ereignete sich 1646. Da wollte der französische Marschall Turenne die Stadt einnehmen. Fünf Tage lang ließ er sie beschießen, aber die Andernacher blieben hart; die Franzosen mussten wieder verschwinden. Leider kam es fünfzig Jahre später weit schlimmer. Im Pfälzer Erbfolgekrieg – es ging um das Erzbistum Köln – besetzten Truppen des Franzosen Ludwig XIV. im Jahre 1689 die Stadt, plünderten sie aus, zerstörten das kurfürstliche Schloss und stecken alles in Brand, nachdem sie vorher sämtliche Löschwerkzeuge unbrauchbar gemacht hatten. Nur 74 von 400 Häusern überlebten. Die Stadt brauchte lange, um sich zu erholen, verschuldete sich schwer und hatte 1790 nur noch 1800 Einwohner. Dann kamen, nach der Französischen Revolution, die Koalitionskriege. In deren Verlauf gab es 1801 den Frieden von Lunéville, in dem Frankreich nach einem Streit mit Österreich die von ihm längst besetzten linksrheinischen Gebiete bekam. Andernach wurde mit 22 umliegenden Gemeinden zu einem Kanton zusammengeschlossen. Die Vorrechte der Kirche und des Adels verschwanden ebenso wie das mittelalterliche Recht. Es ging nun moderner zu. Die Andernacher hatten aber gar nichts gegen den Gewinn von Freiheit und Fortschritt.

Nach dem Wiener Kongress, 1815, wurde Andernach preußisch. Mit der Preußischen Städteordnung bekam es wieder selbstständiges Stadtrecht. Andernach begann, sich auszudehnen. Aber die wirtschaftliche Entwicklung war nicht erfreulich. Nur ganz allmählich siedelten sich Betriebe an. Und das hörte mit dem Ersten Weltkrieg und der anschließenden schweren Zeit fast völlig auf. Im Zweiten Weltkrieg wurden wieder Teile der Stadt zerstört. Doch nach 1949 begann auch in Andernach das Wirtschaftswunder. Neue Stadtbezirke entstanden, ebenso ein neuer Rheinhafen. Und seit 2000 gibt es in Andernach auch einen Containerhafen.

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