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Bonn

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Die Stadt Bonn sieht ihre Gründungszeit ähnlich wie Mainz oder Andernach: vor der Zeitwende. Menschen lebten hier schon in vorgeschichtlichen Epochen, vermutlich seit der Steinzeit. Sicher weiß man, dass Menschen hier vor 14 000 Jahren siedelten; man fand Skelette – auch vom ersten Haustier der deutschen Geschichte: einem Hund. Der wurde mit einem Menschenpaar begraben.

Vor 4000 Jahren entstanden primitive Befestigungen mit Gräben und Holzpalisaden. Im 1. vorchristlichen Jahrhundert waren hier beide Rheinufer besiedelt: rechts die Sugambrer, links die Eburonen. Diese waren vermutlich ein keltischer Stamm, den Caesar in den Jahren 53 und 51 v. Chr. in seinen Feldzügen entweder ausrottete oder vertrieb oder unterwarf – da widersprechen sich die antiken Chronisten. Auf jeden Fall machten die Eburonen am rechten Ufer Platz für die Ubier, einen westgermanischen Stamm, der sich mit den Römern gut vertrug, und am linken Ufer für die ebenfalls germanischen Tungerer. Die lebten zunächst auch rechtsrheinisch, ließen sich dann aber am anderen Ufer nieder, nachdem sie dort die Kelten verjagt hatten. Sie waren die ersten, so schreibt Tacitus, die von den Römern „Germanen“ genannt wurden – wonach dieser Begriff alsbald für alle Stämme rechts des Rheins galt. Auch die Ubier waren erst nur am rechten Rheinufer zu Hause, in der „Germania Libera“. Caesar hielt viel von ihnen, denn sie waren erstaunlich modern. Sie trieben von Anfang an Handel mit den Römern, ließen ihre Söhne von Römern ausbilden und dienten alsbald auch als römische Hilfstruppen. Vor allem ihre Reiter fanden großen Respekt bei den Römern. Das alles hatten allerdings die germanischen Nachbarn der Ubier nicht gern; es kam zu vielen Auseinandersetzungen, bis der Feldherr Agrippa die nützlichen Ubier zwischen 40 und 20 v. Chr. einfach aufs linke Ufer umsiedelte. Dort waren sie bald bei Aachen, Köln (ihrem Hauptort) und auch bei Bonn zu Hause.

Im Jahre 13 v. Chr. bekam der Feldherr Drusus von seinem Vater, dem Kaiser Augustus, den Befehl, am Rhein 50 Kastelle zu errichten. Im Jahre 9 v. Chr. starb Drusus. Innerhalb dieser vier Jahre wurde auch in dem ubischen Fischerdorf, das bei den Ubiern schon ähnlich wie „Bonna“ hieß, ein Lager angelegt. Das war ganz praktisch, weil es hier eine Furt durch den Rhein gab. Diese Epoche betrachtet Bonn als die Zeit seiner Stadtgründung. „Da das genaue Jahr nicht zu ermitteln ist“, sagte der Oberbürgermeister Hans Daniels 1989 bei der 2000-Jahr-Feier der Stadt, „haben wir uns für das Jahr 11 entschieden, die Mitte zwischen 13 und 9.“ Wie weit die ubische Siedlung damals tatsächlich schon einen irgendwie in Stadtrichtung zielenden Charakter hatte – das konnte allerdings auch der OB nicht sagen. Fest steht, dass die Römer ihr Lager um das Jahr 17 n. Chr. ausbauten und 43 n. Chr. ein neues anlegten. Dort wurden eine Legion und zwei Hilfstruppen untergebracht. Das waren rund 7000 Mann, die ihr Lager in den nächsten Jahren immer weiter ausbauten. Bald war es, fast quadratisch, 430 mal 425 Meter groß. Der römische Historiker Florus, der allerdings erst um das Jahr 120 n. Chr. lebte, beschreibt einen Ort am Rhein namens Bonna, bei dem es eine römische Flotte und angeblich auch eine Brücke ans rechte Ufer gegeben habe. Dass die Römer dort einen Hafen hatte, kann man heute noch sehen: bei sehr niedrigem Flusswasser erkennt man seinen Grundriss. Nach und nach ließen sich viele Händler und Handwerker in der Nähe des Lagers nieder. Im „Vicus Bonnensis“ dürften bald an die 10 000 Menschen gewohnt haben. Es ist das große Gelände westlich des Bundeshauses, auf dem jetzt das neue Bonner Kongresszentrum entsteht. Bei diesen Grabungsarbeiten kam ungeheuer viel zutage. Seit 1818 weiß man, dass fast das ganze moderne Bonn auf römischen Grundmauern steht. Der Graf von Solms Laubach, preußischer Oberpräsident und Kurator der Rheinischen Universität, machte damals Versuchsgrabungen und wurde so schnell fündig, dass er weitere intensive Grabungen anordnete. Nach mehreren reichen Münzfunden sagte er: „Wenn unser Schatz in dieser Weise anwächst, so könnten wir einer ganzen römischen Legion, die hier durchzöge, den Sold in ihrer eigenen Münze auszahlen.“ Man fand alte Ziegel, viele Grabsteine, aber auch Gefäße und anderes Hausgerät. Tacitus schrieb mehrfach über das „Castra Bonnensia“ und über den 69 ausgebrochenen Bataver-Aufstand, bei dem auch das Bonner Lager zerstört wurde. Das war aber auch kaum zu verteidigen, es war nur mit Holz und Erde gesichert. Ein neues wurde gebaut, aus Stein, und fürs Trinkwasser gab es jetzt einen Aquädukt. Im Jahre 274 fielen Franken über die Ansiedlung her. So gab man die Wohngebiete auf; der überlebende Rest der Zivilbevölkerung und die römischen Truppen – jetzt nur noch 1000 Mann – quälten sich gemeinsam in das Gemäuer des Militärlagers. 353 wurde von den Franken auch dieses Lager zerstört. Ein neues entstand, aber das wurde ab der Mitte des 5. Jahrhunderts nicht mehr gebraucht: Die Römer zogen ab.

Nun zogen die Franken ganz ein. Die alte Römerfestung, die sie jetzt auch bewohnten, nannten sie „Bonnburg“. Sie richteten dort eine Münzstätte ein. Und im Jahr 921 geschah auf dem Rhein vor Bonn politisch Bedeutsames: Heinrich I., König des Ostfrankenreichs, und Karl III., „der Einfältige“, König von Frankreich, trafen sich auf einem Schiff, um das inzwischen sehr große Fränkische Reich eindeutig in einen westlichen und einen östlichen Abschnitt zu teilen und die Grenzen zumindest für einige Jahre festzulegen.

Zwischen dem 7. und 10. Jahrhundert wuchs nach und nach das bürgerliche Bonn heran. Allerdings wurde es 881 und dann wieder 892 von den Normannen überfallen und angezündet. Das wiederholte sich: 1198 steckte König Philipp der Staufer die Stadt in Brand, 1239 tat Herzog Heinrich von Brabant das Gleiche.

Und das wurde jedes Mal schmerzlicher, weil Bonn inzwischen schon sehr reputierlich war. Vor allem dort, wo im 11. Jahrhundert das Münster gebaut wurde und wo schon im 6. Jahrhundert ein mächtiger, eindrucksvoller kirchlicher Saalbau stand, und dann dort, wo heute der Marktplatz liegt. Der Marktbetrieb nahm von Jahr zu Jahr zu, Handwerker und Kaufleute siedelten sich an, reisende Händler – oft die reinen Abenteurer – kamen aus allen Ländern. Bonn wurde so auch eine Art von Einkaufszentrum für Wohlhabende. Um diese erfreuliche Entwicklung nicht weiter zu gefährden, ließ der Kölner Erzbischof, Konrad von Hochstaden, 1244 eine solide Stadtmauer bauen, die den Raum zwischen dem Münster und dem Rhein umschloss – der Marktplatz mittendrin. Die Bonner waren begeistert: „Glühend vor Eifer“, wie ein Chronist schrieb, zogen sie Gräben und bauten Mauern. So wurde Bonn nach und nach auch die Lieblingsstadt der Kölner Kurfürsten und später, 1597, sogar ihre Residenz. Salentin von Isenburg, von 1567 bis 1577 Kölner Erzbischof, baute das neue Residenzschloss, einen Renaissace-Bau im Süden der Stadt. Doch der Bau kam zunächst nicht so richtig voran, denn mehrfach wurde Bonn belagert und eingenommen: einmal vom Herzog Ernst von Bayern, dann durch Martin Schenk von Nideggen; die beiden hatten untereinander Streit. Im Dreißigjährigen Krieg ging es so weiter – die Holländer kamen und die Schweden, dann die Hessen und wieder die Schweden. Aber es ging immer ganz leidlich ab. Schlimmer war es in den Jahren 1673 wie 1689 und 1703. Da gab es weitere Belagerungen. 1689 besetzten französische Truppen die Stadt; die wurden dort ein Dreivierteljahr lang von ihren preußischen, holländischen und münsterschen Gegnern bombardiert, bis sie kapitulierten. Bonn machte das nicht unbeschadet mit; viele Häuser, Kirchen und das kurfürstliche Schloss wurden halb oder ganz zerstört. Ähnliches geschah 1703, als wieder Franzosen die Stadt besetzt hatten und von kaiserlichen wie von holländischen Truppen erneut vertrieben werden mussten.

Aber Bonn erholte sich, und mit dem 18. Jahrhundert brach in der Stadt eine große Zeit an. Feudale Fürsten regierten hier und bauten um die Wette. Zunächst begann Kurfürst Joseph Clemens 1697 mit dem Bau eines riesigen neuen Schlosses. Man vertrieb ihn zwar 1702, und der Schlossbau ruhte eine Weile, aber der Kurfürst kam 1714 zurück und baute weiter. Im Südwesten der Stadt, in Poppelsdorf, entstand zwischen 1715 und 1730 ein weiteres, großes und prächtiges Schloss, das noch heute wunderschön in einer grünen Landschaft steht. Am charmantesten ging es in der Residenzstadt Bonn von 1723 bis 1761 beim Kölner Kurfürsten Clemens August von Bayern zu. Der hielt den glänzendsten Hof weit und breit und sah viele Gäste, Herrn Casanova ebenso wie den Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. mit seinem Sohn, der später Friedrich der Große wurde. Schon 1777 war die Bonner Akademie gegründet worden. Die machte der gescheite Kurfürst Maximilian Franz im Jahre 1786 zur Universität, die von Anfang an einen sehr guten Namen und ausgezeichnete Professoren hatte. Dieser Sohn der Österreicherin Maria Theresia arrangierte auch, dass der Bonner Vorort Godesberg zum vornehmen Badeort wurde. 1794 war Bonns feudale Zeit zu Ende. Der Kurfürst musste vor den französischen Revolutionstruppen fliehen, die Universität wurde geschlossen, viele wohlsituierte Bonner verließen die Stadt. Die vornehme Residenz-Metropole kam zu Frankreich und wurde ein Provinzstädtchen innerhalb des „Département Rhin-et-Moselle“ mit der Hauptstadt Koblenz. 1804 kam Napoleon zum ersten Mal nach Bonn und untersuchte, ob man es zu einer französischen Festung ausbauen könnte. Aber daraus wurde nichts. 1811 reiste Napoleon noch einmal zu einer Truppenparade her. Nach dem Wiener Kongress war die französische Zeit vorbei. Bonn kam als Kreisstadt, dann als Kreisfreie Stadt zu Preußen. Und man gründete 1818 eine neue Universität: die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, die viele berühmte Professoren hatte, aber auch vielversprechende Studenten wie Heinrich Heine. Bonn gefiel sich nun viele Jahrzehnte lang als gelehrte, charmante, wohlhabende Universitätsstadt. Viele noble Bürger nahmen hier Wohnung, und Bonn war um 1900 Preußens viertreichste Stadt. Man zählte 200 Millionäre. Der Erste Weltkrieg und die Weimarer Republik änderten an alledem nur so viel, als Bonn zunehmend ärmer wurde. In den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs wurde das vorher unversehrte Bonn dann auch noch zu einem Drittel zerstört. Dennoch freute sich die Stadt, als 1948 – Bonn gehörte zur Britischen Besatzungszone und kam zum Land Nordrhein-Westfalen – der deutsche Parlamentarische Rat dort zusammenkam, aber natürlich auch untergebracht werden musste – was einiges kostete. Der Rat bildete ein Gremium aus Abgesandten der elf westlichen Bundesländer, das den Vorläufer einer Verfassung für die Bundesrepublik ausarbeiten sollte. Zum Vorsitzenden nahm der Rat den nordrhein-westfälischen CDU-Vorsitzenden Konrad Adenauer. Der wurde im Jahr darauf ganz knapp zum Deutschen Bundeskanzler gewählt – was er bis 1963 blieb.

Für Bonn geschah 1949 wieder einmal etwas Bedeutendes. Vier Städte hatten sich beworben, die deutsche Hauptstadt zu werden: Bonn, Frankfurt/Main, Kassel und Stuttgart. Wegen seiner baulichen Vorteile, vor allem aber auf Betreiben Adenauers, der ja im benachbarten Rhöndorf wohnte, wurde Bonn gewählt. Man hatte in Bonn zwar einiges umzubauen, aber das hielt sich zunächst in Grenzen. Die Pädagogische Akademie wurde zum Bundestag, die Villa Hammerschmidt und das Palais Schaumburg nahmen die Regierung auf, in zwei Kasernen konnte man die Ministerien unterbringen. Man wollte die provisorisch gedachte Verwendung Bonns als Bundeshauptstadt nicht auf lange Zeit festlegen und war deshalb sparsam mit neuen Gebäuden. 1969 entschied sich der Bundestag sogar strikt gegen alle Neubauten. Doch dabei blieb es nicht. Man brauchte neue Amtsgebäude. Als Wohnquartiere entstanden mehrere Trabantenstädte. Elf Orte wurden eingemeindet, darunter Bad Godesberg, das zum Diplomatenviertel wurde. Bonn gedieh vom Bundesdorf zur Großstadt. Und Bundeskanzler Willy Brandt erklärte 1973 eindeutig, die Bundeshauptstadt Bonn müsse weiter ausgebaut werden. So entstand auf einem weitgehend freien Gelände zwischen Bonn und Bad Godesberg ein neues Regierungsviertel. Aber 1990 änderte sich die Situation erneut. Nach der Wiedervereinigung wurde Berlin zur deutschen Hauptstadt. Die Regierung und der Bundestag zogen dorthin um. Und man fragte sich hochoffiziell: Was ließ sich noch mit einem regierungsamtlich verwaisten Bonn überhaupt noch anfangen? Man beriet und stritt, fand Kompromisse und legte es dann 1994 im Berlin-Bonn-Gesetz fest: Nicht alles wandert nach Berlin ab. Zwischen Berlin und Bonn wird die Arbeit aufgeteilt: Bonn sorgt auch künftig für Bildung und Wissenschaft, Umwelt und Gesundheit, Landwirtschaft und Ernährung sowie für Bereiche der Verteidigung. Für Belange internationaler Entwicklungspolitik soll es sogar ausgebaut werden. Sechs der 15 Bundesministerien blieben in Bonn; sie haben nur Außenstellen in Berlin. 20 Bundesbehörden kamen neu an den Rhein. Und die ehemalige Bundeshauptstadt Bonn bekam offiziell den bisher unbekannten Titel „Bundesstadt“.

Die Entwicklung ging positiv weiter. Bonn wurde die deutsche UNO-Stadt mit 19 Einrichtungen der Vereinten Nationen. Wirtschafts- und Dienstleistungsunternehmen, aber auch internationale Organisationen sahen gute Gründe, in Bonn zu bleiben oder dort neu Fuß zu fassen. Das Deutsche Post World Net und die Telekom haben ihre Zentralen in Bonn; der „Post-Tower“, ein attraktiver Turmbau, wurde zu einem neuen Zeichen der Stadt. Ein „UN-Campus“ entstand und, nach der Erweiterung des „World Conference Center Bonn“ (zu dem heute der ehemalige Plenarsaal des Bundestages gehört) entsteht hier auch das größte deutsche Kongresszentrum. Bonn gewinnt immer mehr Bedeutung in der Informations- und Kommunikations-Technologie. Die Umstellung von der Bundeshauptstadt zur Bundesstadt ist rundum geglückt. Die Bonner, nach wie vor in einer Stadt mit 314 000 Einwohnern, sind damit recht zufrieden.

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