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Wie entsteht die Angst vor Ablehnung?

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Von klein auf machen wir Tag für Tag eine Menge Erfahrungen, die unser Denken, Fühlen und Handeln prägen. Versetzen wir uns einmal in die Lage, als wir zwei, drei oder fünf Jahre alt waren. Konnten wir in diesem Alter bereits für uns sorgen? Waren wir in der Lage, ohne unsere Eltern zu überleben? Nein! In den ersten Jahren sind wir in hohem Maße von unseren Eltern abhängig. Wir wissen in diesem Alter instinktiv, dass wir unsere Eltern brauchen, um leben, ja, überleben zu können. Nichts ist für uns schrecklicher gewesen als die Androhung unserer Eltern, sie würden uns nicht mehr lieb haben. Nichts versetzte uns mehr in Angst als die Drohung, sich von uns abzuwenden. Jeden strafenden Blick und jede Zurechtweisung empfanden wir damals als Gefahr, als eine „tödliche“ Gefahr. Diese Hilflosigkeit und Unselbständigkeit machten sich unsere Eltern zunutze – in der besten Absicht, aber leider zu unserem Nachteil. Sie machten ihre Liebe zu uns von der Erfüllung bestimmter Bedingungen abhängig. Vielleicht hast du dir in deiner Kindheit oft anhören müssen: „Ich mag dich nicht, wenn du so unartig bist.“, „Solange du dir deine Haare nicht schneiden lässt, bist du bei mir unten durch.“, „Ich habe dich lieb, wenn du deine Schulaufgaben machst.“

Durch solche Worte entwickeln wir die Einstellung: „Nur wenn ich so bin, wie andere mich haben wollen, dann bin ich liebenswert und bekomme deren Liebe und Anerkennung. Tue ich, was ich möchte, dann muss ich Angst haben, dass das den anderen nicht gefällt. Und wenn den anderen nicht gefällt, was ich mache, dann lassen sie mich vielleicht im Stich, und das wäre mein Ende.“ Was blieb uns anderes übrig, als brav zu sein, wenn wir nicht die Liebe unserer Eltern verlieren wollten? Wir hatten keine andere Wahl, als ein braver Junge oder ein liebes Mädchen zu sein. Nun sollte man meinen, dass sich die Angst, verlassen oder nicht mehr gemocht zu werden, verliert, wenn wir älter werden. Denn schließlich sind wir als Erwachsene in der Lage, für uns selbst zu sorgen. Wir sind anderen nicht mehr auf Gedeih und Verderben ausgeliefert.

Doch weit gefehlt. Das Kind von damals und seine Ängste wohnen immer noch in uns. Wir tragen immer noch die Zwangsjacke des Nett-Sein-Müssens und Andere-Nicht-Enttäuschen-Dürfens und trauen uns nicht, sie auszuziehen. Wir tun vieles nur, um andere zufriedenzustellen und bei diesen anzukommen.

Tun wir, was wir möchten und für richtig halten, und jemand sagt uns, wir seien egoistisch, dann haben wir Schuldgefühle und fühlen uns wie ein Schwerverbrecher. Dies war jedoch nicht die einzige Lektion, die uns unsere Eltern – wohlgemerkt in den besten Absichten – verpassten.

Eine andere Lektion bestand darin, uns auf persönliche Weise auf unsere Fehler und Schwächen aufmerksam zu machen und uns mehr zu tadeln, als zu loben. Weisst du, wie häufig du vermutlich bis zum Alter von fünf Jahren im Durchschnitt getadelt wurdest? Ein Psychologe hat errechnet, dass Kinder bis zum fünften Lebensjahr häufig schon mehr als 40.000 mal getadelt wurden! Das bedeutet: Ein Kind, das bis zum Alter von fünf Jahren 40.000 mal getadelt wurde, wurde im Monat im Durchschnitt ca. 666 mal und pro Tag 22 mal getadelt.

Wen wundert es da, wenn wir als Erwachsene unsicher und voller Selbstzweifel sind? Wenn wir häufig kritisiert werden, und das in einer so verletzenden Art und Weise wie „Taugenichts“, „Idiot“, „Versager“, „Dumme Gans“ usw., dann werden unser Selbstvertrauen und unser Selbstwertgefühl stark in Mitleidenschaft gezogen. Wir lernen, an uns zu zweifeln, und entwickeln in Folge davon Ängste und Hemmungen. Damit nicht genug. Unsere Eltern, Lehrer und die anderen Erwachsenen gaben uns eine Menge Verhaltensregeln mit auf den Weg, die es – unter Androhung von Liebesentzug – galt, einzuhalten, und die heute dazu beitragen, dass wir Angst vor Ablehnung haben.

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