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»Ihr seid Fake News!«

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Jetzt denken Sie vielleicht: Schön und gut, aber ist eine solche Checkliste nicht etwas naiv? Wird »Fake News« nicht einfach als Beschimpfung benutzt, die sich Menschen an den Kopf werfen, wenn ihnen die Berichterstattung der anderen Seite nicht in den Kram passt?

Noch bevor Donald Trump seine Präsidentschaft antrat, lieferte er sich bei einer Pressekonferenz einen verbalen Schlagabtausch mit dem CNN-Reporter Jim Acosta. Erbost über die negative Berichterstattung auf CNN, schrie Trump Acosta entgegen: »Euch gebe ich keine Frage, ihr seid Fake News!«1 Die Rede von Fake News war auf einen Schlag berühmt. Seither bezichtigen sich Rechte wie Linke gegenseitig, Fake News über die jeweils andere Seite zu verbreiten.

Viele Politiker, Journalisten und Wissenschaftler halten die Rede von Fake News deshalb für unbrauchbar. Wenn »Fake News« ein Kampfbegriff ist, scheint er gar keine beschreibende Funktion zu haben. Er ist dann eine diskursive Waffe, erfunden und genutzt, um Politik zu machen – nicht jedoch, um die Realität zu beschreiben. Jede Checkliste ginge in diesem Fall am eigentlichen Punkt vorbei.

Auf den ersten Blick hört sich das sehr überzeugend an. Auf den zweiten Blick jedoch zeigt sich, dass Beschimpfungen und Beschreibungen auch zusammenfallen können. Das liegt daran, dass manche Beschreibungen Eigenschaften zuschreiben, die niemand gerne sein eigen nennen mag. Sie umfassen negative Bewertungen, mit denen man andere beleidigen kann.

Viele Begriffe funktionieren so: Wenn wir Heike als »Rassistin« oder Paul als »Mörder« bezeichnen, hat das ebenfalls sowohl eine beschreibende als auch eine wertende Komponente. Einerseits können wir in die Welt schauen und prüfen, ob die Zuschreibung stimmt. Hat Paul tatsächlich jemanden ermordet? Andererseits ist klar, dass es nicht moralisch neutral ist, jemanden als »Mörder« zu bezeichnen.

So verhält es sich auch bei dem Begriff »Fake News«. Wenn man einen Bericht als Fake News bezeichnet, dann sagt man damit nämlich auch etwas über den Verfasser aus. Fake News, das wissen wir inzwischen, werden von Menschen verbreitet, die täuschen wollen oder der Wahrheit gegenüber gleichgültig sind. Eine solche Einstellung verurteilen die meisten Menschen. Zu sagen, etwas sei Fake News, bedeutet, immer auch zu sagen: »Wer das hier veröffentlicht hat, der hat etwas falsch gemacht.« Für die Checkliste heißt das: Sie ist nicht nur alles andere als naiv, sie hilft uns sogar dabei zu verstehen, wieso man sich mit Aussagen wie »Das sind Fake News!« beschimpfen kann.

Und wie steht es mit Trumps Aussage »Ihr seid Fake News!«? Immerhin werden hier ganze Medien, und nicht nur einzelne Berichte, als Fake News bezeichnet. Auch hier können wir die Checkliste gewinnbringend anwenden. Ein Medium ist Fake News, wenn dort Menschen, denen es an Wahrhaftigkeit mangelt, regelmäßig falsche oder irreführende Berichte publizieren. Dies ist der Maßstab für die Angemessenheit des Vorwurfs »Ihr seid Fake News!«, wie ihn Trump gegen CNN gerichtet hat. Der Vorwurf hat Wahrheitsbedingungen. Man kann ihn prüfen. In einem Klima der Emotionalisierung liegt darin ein Mehrwert.

Die Wahrheit schafft sich ab

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