Читать книгу Die Wahrheit schafft sich ab - Romy Jaster - Страница 7
Trump und Fake News
ОглавлениеAuf die Spitze getrieben wurde die Missachtung der Wahrheit im kurz darauf folgenden US-Wahlkampf. Donald Trumps Tweets über steigende Mordraten, vergewaltigende Mexikaner, Chinas Erfindung des Klimawandels, die Besucherzahlen bei seiner Amtseinweihung oder massenhaften Wahlbetrug zugunsten seiner Rivalin Hillary Clinton umfassen inzwischen Tausende nachweisbarer Falschaussagen. Immer wieder befeuerte Trump das Gerücht, Clinton sei gesundheitlich ungeeignet für die Präsidentschaft. Zudem trug er maßgeblich zur Verbreitung der sogenannten »Birther-Verschwörungstheorie« bei, der zufolge sein Vorgänger im Präsidentenamt, Barack Obama, kein amerikanischer Staatsbürger sei. Auch als Präsident ist Trumps Umgang mit der Wahrheit bis heute so lax, dass Journalisten in Washington verzweifeln. So sagte Zachary Wolf, der Digital Director von CNN Politics, in einem Interview: »Das ist es, was es so schwierig macht, über Trump zu berichten: Was meint er, wenn er Worte sagt?«1
Auch Trumps Anhänger verbreiteten Fake News und Verschwörungstheorien. Ein besonders extremes Beispiel ist die sogenannte »Pizzagate-Verschwörung«: Der Legende nach waren Mitglieder der Demokraten und die Besitzer einer Washingtoner Pizzeria in die Geschäfte eines Kindersexrings involviert. Die erfundene Geschichte wurde vom Verschwörungstheoretiker Alex Jones auf seiner Seite Infowars und einer Reihe weiterer, überwiegend russisch geführter Webseiten geteilt. Sie erregte unter anderem deshalb großes Aufsehen, weil der Fall einen bewaffneten Zivilisten auf den Plan rief, der in der fraglichen Pizzeria auftauchte, um auf eigene Faust Ermittlungen anzustellen.2
Der Hunger nach Fake News, Verschwörungstheorien und anderen Falschinformationen war groß in dieser Zeit. Im Laufe des Wahlkampfes wurde offensichtlich, dass deren Verbreitung nicht nur politisches, sondern auch erhebliches kommerzielles Potenzial hat. Ein Großteil der Fake News zum US-Wahlkampf 2016 kam aus Osteuropa. Das kleine Dorf Veles in Mazedonien machte aus der Erfindung und Verbreitung von Fake News ein florierendes Geschäftsmodell und verdiente mit Pro-Trump-Webseiten Tausende Dollars.3
Und die Tatsachen? Die hatten es schwer gegen die emotionsgeladenen Falschmeldungen. Trump und sein Team vertraten sogar ganz offen den Standpunkt, Gefühle seien wichtiger als Fakten. Symptomatisch dafür ist die Diskussion des republikanischen Politikers Newt Gingrich und der Journalistin Alisyn Camerota über die niedrigen Verbrechensraten in den USA:4
CAMEROTA. Das Land ist sicherer, und [die Verbrechensrate] ist niedrig.
GINGRICH. Nein, das ist Ihre Meinung.
CAMEROTA. Es ist eine Tatsache.
GINGRICH. Nein. Was ich gesagt habe, ist auch eine Tatsache. […] Die derzeitige Ansicht ist, dass Liberale eine ganze Reihe von Statistiken haben, die theoretisch richtig sein mögen, aber nicht dort, wo Menschen sind. Die Leute haben Angst. […]
CAMEROTA. […] Mr. Speaker, Sie sagen, indem Liberale diese Zahlen verwenden, verwenden sie eine Art magischer Mathematik. Aber das ist die FBI-Statistik. Das FBI ist keine liberale Organisation.
GINGRICH. Nein, aber was ich gesagt habe, ist ebenso wahr. Die Leute fühlen es.
CAMEROTA. Sie fühlen es, ja, aber die Fakten unterstützen es nicht.
GINGRICH. Als politischer Kandidat werde ich mich daran halten, wie sich die Menschen fühlen. Halten Sie sich gern an die Theoretiker.
Ähnlich selbstbewusst wie Gingrich präsentierte Trumps Beraterin Kellyanne Conway den offen nachlässigen Umgang des Trump-Teams mit der Wahrheit. In einem Interview wurde Conway auf eine falsche Aussage von Trumps Pressesprecher Sean Spicer angesprochen. Dieser hatte behauptet, es seien mehr Besucher auf Donald Trumps Amtseinweihung gewesen als auf der von Barack Obama. Mit der Lüge konfrontiert, antwortete Conway, Spicer habe mit seiner Aussage lediglich »alternative Fakten« angeboten.5
Trump selbst begegnet seit seiner Wahl Fake-News-Vorwürfen, indem er den Spieß umdreht und seinerseits sowohl einzelne Berichte als auch ganze Medienhäuser wie CNN und MSNBC als »Fake News« bezeichnet. Einen vorläufigen Höhepunkt fanden diese Entwicklungen, als Trumps Anwalt Rudy Giuliani in einem Interview den bemerkenswerten Satz »Truth isn’t truth« von sich gab.6