Читать книгу Das Regenbogentor - Ron. F. Landis - Страница 5

Altabs Scheitern

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Die Erste Norwyrde lachte laut auf. Ihr Gelächter klang glockenhell, und es brach sich tausendfach in einem Echo, obwohl es hier weit und breit keine Reflexionsfläche gab. Unerträglich für Altabs Ohren! Gleichzeitig schwebte diese verführerische Fee mithilfe eines Antigravitations-Feldes hin zu Altab, um sich gleich wieder zurückfallen zu lassen. Synchron zu diesem merkwürdigen Tanz schwoll ihr Lachen an und wieder ab. Dazu noch dieses Echo.

Altabs faltiges Gesicht zog sich zusammen und bildete eine Landschaft aus Furchen und Gräben, umrahmt von strähnigem, wirrem Haar, das auf seine Schultern fiel. Jeder einzelne Gesichtszug drückte eine Mischung aus Beklommenheit, Faszination und Widerwillen aus. Er war innerlich zerrissen, wollte sich abwenden und dann doch wieder hinsehen. Vor allem hatte er seine Mission vor Augen, die er unbedingt erfüllen wollte. Darauf musste er sich konzentrieren!

Im Hintergrund der Szenerie wölbte sich der gewaltige Regenbogen über teils wellenförmig wogende, teils kubische Formen. Er umrahmte das Geschehen, das sich unmittelbar vor Altab abspielte. Sein Licht ließ die Fee mal in kühlem Blau und mal in warmem Rot erscheinen. Das Regenbogentor, das Ziel seiner Wünsche! Herrlich! Wie oft hatte er sich in seiner Fantasie vorgestellt, durch dieses Tor zu schreiten. Immer wieder malte er sich im Geiste diesen Triumph aus. Niemand hinderte ihn daran, wie er ganz alleine auf die andere Seite gelangte.

Es war so greifbar nah. Nur ein paar Schritte trennten ihn von seinem Ziel. Aber nun schwebte direkt davor diese verführerische Norwyrde, um ihn von seinem letzten Schritt abzuhalten. Ihre attraktive Schönheit erregte den Alb. Ein schlankes Wesen, das in einem ihre Figur betonenden, silbrig glänzenden Overall steckte. Langes, hellblondes Haar wehte um ihr vornehm blasses Gesicht. Die blauen Augen strahlten ihn höchst amüsiert, fast spöttisch an. Nur dieses schier unerträgliche Gelächter war Altab zuwider. Dieser unangenehme Ton und das außerordentlich eindrucksvolle Erscheinungsbild dieser Norwyrde passten nicht zusammen.

Dabei hatte er sich alles sorgfältig ausgedacht, bevor er hierherkam. In seiner Vorstellung ging sein Plan voll auf. Altab wollte die schönen Norwyrden umgarnen und umschmeicheln. Ein paar Worte, die er sich zurechtgelegt hatte, sollten ihre verführerische Wirkung entfalten: „Ich bin von weit her gereist, um eure unübertreffliche Schönheit zu bewundern. Euer goldenes Haar schimmert heller und schöner, als mir von vielen Seiten berichtet wurde. Eure Anmut kann ich gar nicht in Worte kleiden. Ich bin ein einsamer Wanderer, der sich an eurem Anblick ergötzen will. Lasst euch nicht stören. Ich will hier nur kurz verweilen, um euch zu huldigen und dann meinen Weg fortsetzen. Ich strebe weiter – weiter durch dieses Tor, so wie es mir die Ewige Macht aufgetragen hat.“

Gut, er gestand sich ein, dass dies alles ein wenig gekünstelt und geschwollen klang. Vielleicht ein wenig tölpelhaft. Aber so eine beleidigende Reaktion auf sein intensives Werben von diesem garstigen Weib?

„Belwyr! Galwyr! Kommt her!“ Die Erste Norwyrde ging gar nicht auf Altab ein. „Schaut her, Schwestern! Kommt schnell! Den müsst ihr euch ansehen. Was für ein abgrundtief hässlicher Zwerg! Und wisst ihr, was er will? Stellt euch vor, er will durch das Tor!“

Die Zweite und Dritte Norwyrde materialisierten neben Alwyr und schauten erstaunt auf Altab, bis auch sie in ein Gelächter ausbrachen, das sich mit dem Alwyrs zu einem disharmonischen Dreiklang vermischte. Altabs Kopf dröhnte. Die Norwyrden fassten sich an den Händen und schwebten vor und zurück, auf und ab. „Er will durch das Tor!“ sangen die drei im Chor. „Er will durch das Tor!“

Dann verstummten sie, bewegten sich auseinander und ließen eine riesige, dreidimensionale Projektionsfläche erscheinen, auf der Altab zunächst nur undeutlich seine Konturen wahrnahm. Eine kleine, bucklige Gestalt, nach vorne gebeugt. Langsam schärften sich seine Umrisse. Sie füllten sich allmählich mit seinem Bild. Ein Vexierbild? Nein, Altab schaute in sein Spiegelbild, das die brutale Realität wiedergab. Ein gebeugter Alter mit Buckel glotzte ihm aus wimpernlosen Augen entgegen. Sein faltiges Gesicht war mit Warzen übersät und von wirren, langen Haaren umrahmt.

Die Norwyrden mochten bei der Reflexion wohl etwas nachgeholfen, die Darstellung manipuliert haben. Aber es stimmte schon. Altab war kein Bild von einem Mann, weit davon entfernt, was man sich unter einem Verführer vorstellte. Wie sollte er da sein Ziel erreichen! Dieses bestand nicht darin, eine dieser fantastisch schönen Norwyrden zu besitzen. Das wäre nur ein angenehmer Nebeneffekt gewesen. Es ging um viel mehr. Es ging um den Besitz des Terrastrums, um Macht, um Gleichheit mit den Göttern, um die Beherrschung der Welt.

Altabs Lebensspanne neigte sich dem Ende zu. Er gehörte nicht zu den Unsterblichen wie die Götter. Hätte er diesen Vorstoß zum Regenbogentor in jüngeren Jahren gewagt, wäre es wohl einfacher gewesen, an diesen Norwyrden vorbeizukommen. Er hatte nie den Mut dazu aufgebracht und die Hierarchie dieser Welt so hingenommen, wie sie war, nichts hinterfragt. Oben auf dem Hochplateau residierten die herrschenden Götter und unten in den Tälern lebten die gemeinen Völker, die sich nach der höheren Gewalt zu richten hatten.

Doch jetzt war die letzte Gelegenheit, an dieser Situation etwas zu ändern. Diese durfte nicht ungenutzt verstreichen. Hinter dem schemenhaft sichtbaren Regenbogentor lag der Schlüssel zu Macht, zur Gleichheit mit den Göttern und zur Unsterblichkeit. Altab wollte auch hinauf, hinauf auf das Hochplateau und so leben, wie ihm das zustand.

Nachdem Altabs Reflexion sich langsam auflöste, gewannen die Farben des Regenbogens an Leuchtkraft. Sie umrahmten die schwebenden und tanzenden Norwyrden. Altabs Begierde nach dem Terrastrum wurde wieder angefacht. Nur die Norwyrden hatten Zugang zum Tor. Sie bewachten das Terrastrum. Dies war ihr Auftrag. Noch nicht einmal die Götter hatten darauf Einfluss. Hier war die Ewige Macht am Werk. Das Ultimative! Jeder, der sich unbefugt Zutritt durch das Regenbogentor verschaffen wollte, spielte mit seiner Existenz. So wurde es in verschiedenen Mythen kolportiert. Altab hatte seinen ganzen Mut zusammengenommen. Er wollte das Terrastrum um jeden Preis.

Der Alb war deshalb um Beherrschung bemüht. Er musste unbedingt ruhig bleiben, um seine Mission nicht zu gefährden, aber es gelang ihm nicht, denn nachdem sein Spiegelbild langsam verblasst war, begannen die drei Wächterinnen wieder so zu lachen, dass es Altab durch Mark und Bein ging.

„Was soll das? Wozu dieses alberne Lachen?“ Ihm platzte der Kragen. Er wurde ungeduldig und zornig. „Ich will jetzt durch dieses Tor gehen. Lasst mich einfach passieren!“

„Lasst mich einfach passieren“, sangen die drei Schönheiten im Chor, um sogleich wieder in Gelächter auszubrechen.

Altab ging einige Schritte vorwärts. Aber er kam nicht weiter. Eine unsichtbare Wand baute sich vor ihm auf, die er nicht überwinden konnte.

„Verflucht!“

Seine Mission war gescheitert. Altab stand betreten da. Er wusste, dass er hier und jetzt nicht weiterkam. Die unsichtbare Wand vor ihm war unüberwindbar. Nur diese garstigen Geschöpfe konnten das Tor öffnen. Heute zog er den Kürzeren! Diese verdammten Norwyrden! Aber an ihnen führte kein Weg vorbei. Sie hatten im Augenblick die Macht, und er konnte nichts dagegen ausrichten. Altab musste anders vorgehen. Viel raffinierter und weniger plump. Er musste dieses verdammte Weibervolk überlisten. Aber, wie sollte er das nur anstellen?

Er fühlte sich aufs Tiefste gedemütigt und stapfte grummelnd davon. Die Norwyrden würdigte er keines Blickes mehr und verzichtete auf weitere völlig zwecklose Diskussionen.

Das Gelächter der drei Wächterinnen begleitete ihn. „Oje, er geht fort, unser göttergleicher Verführer. Komm doch zurück, bitte, komm!“

Warum hörte er diese Weiber immer noch, obwohl er sich schon ein Stück weit vom Regenbogentor entfernt hatte? Seltsam! Plötzlich traf in die Erkenntnis wie ein Hammerschlag. Es war nicht sein Gehör, durch das er dieses höhnische Lachen aufnahm. Es entstand direkt in seinem Kopf. Telepathie – das war die Erklärung!

Er musste sich vorsehen, denn Telepathie ist keine Einbahnstraße. So schwer es ihm fiel, er musste seine Gedanken ablenken. Diese Weiber durften keinesfalls erfahren, was er ausheckte. Nicht auszudenken, wenn ihm jetzt eine zündende Idee käme, wie er dieses Pack übertölpeln könnte! Sie wäre sofort verraten!

Endlich wurde dieses unsägliche Lachen leiser und verstummte schließlich ganz. Scheinbar wurde es den Norwyrden nun langweilig. Sie hatten ihren Spaß ausgekostet und wendeten sich nun wieder ihren alltäglichen Gesängen und Tänzen zu. Das hieß aber nicht, dass sie ihre Gedankenschnüffelei aufgegeben hätten, weshalb sich Altab nicht traute, weiter über seine Rachepläne nachzusinnen. Es konnte ja sein, dass sie immer noch lauschten.

Altab musste seine Gedanken ablenken. Er versuchte, sich auf seine Umgebung zu konzentrieren. Auf die Bäume des Waldes, den er gerade durchquerte und die Lianen, die sich von Baum zu Baum schlangen. Ab und zu kroch ein kleines Tier fast geräuschlos durch das Unterholz. Auf dem Geäst der Bäume mit ihren dicken, zylinderartigen Stämmen saßen Vögel, neugierig, aber stumm.

Obwohl Bagh hoch oben am Himmel stand, drang sein bläuliches Licht nur spärlich durch die belaubten Baumwipfel und das dichte Gewirr von Schlingpflanzen. Kaum ein Strahl traf den von Flechten, Farnen und Moosen bedeckten Waldboden. Es war nun seltsam still und friedlich, fast ein wenig unheimlich.

Der Alb achtete genau auf den schmalen Weg, der sich in weiten Serpentinen nach unten wand und sich in einer Senke verlief. Nur nicht stolpern und sich verletzen. Das würde seiner Blamage noch die Krone aufsetzen! So war er wenigstens abgelenkt, und die Weiber würden dann wirklich von seinen Gedanken ablassen. Wahrscheinlich hatten sie das schon längst getan.

Altab war nun schon fast eine Bagh-Einheit unterwegs. Diese vollkommene Stille hier unten konnte sein Gemüt nicht beruhigen. Er musste nun endlich seiner Wut freien Lauf lassen und trat gegen einen Stein, der auf dem Weg lag. Er flog in hohem Bogen in das Unterholz. Ein kleines, hellbraunes Pelzwesen huschte aufgeschreckt hervor und verschwand gleich wieder hinter einem Felsbrocken. Hier musste der Eingang einer Höhle sein!

Genau, das ist sie! Die Idee, nach der Altab suchte! Er schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. Natürlich! Jetzt wusste er, wie er die Norwyrden überlisten könnte. Der Plan war relativ einfach. Warum war ihm das nicht schon früher eingefallen?

„Wartet nur“, flüsterte er in sich hinein. „Euch Weiber kriege ich noch. Das schwöre ich!“ Er malte sich im Geiste aus, wie er unbehelligt und triumphierend durch das Regenbogentor schritt und das Terrastrum in Besitz nahm. Nun sollte ihm die Macht gehören.

Das Regenbogentor

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