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III

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Dennoch oder gerade deshalb bleibt die Periode, von der dieses Buch handelt, wichtig, weil sie einerseits zeigt, wie schwierig es war, in einer Epoche konkurrierender absoluter theologischer Wahrheitsansprüche zu einem dauerhaften modus vivendi zu finden, weil andererseits aber deutlich wird, dass die verfeindeten Lager durchaus dazu in der Lage waren, eine gemeinsame Sprache für das Gespräch über die Fronten hinweg zu entwickeln oder auch wiederzubeleben. Das unterschied die innerchristlichen Konflikte, so erbittert und brutal sie zeitweilig auch sein mochten, dann eben doch von den Auseinandersetzungen zwischen den christlichen Mächten und dem Osmanischen Reich, deren heiße Phase 1606 mit dem Frieden von Zsitvatorok freilich zumindest in Südosteuropa ein vorläufiges Ende fand.19 Sicherlich, auch in den Beziehungen zu den Osmanen gab es Perioden des relativen Friedens. Bestimmte christliche Mächte wie Frankreich oder Venedig hatten auch immer wieder erfolgreich die Zusammenarbeit mit dem Osmanischen Reich gesucht, insbesondere auf dem Gebiet des Handels, aber – jedenfalls im Fall Frankreichs – unter Umständen auch im Kontext einer politisch-militärischen Kooperation, die sich gegen gemeinsame Gegner wie Spanien richtete. Dennoch blieben hier deutliche Unterschiede zu den Beziehungen innerhalb des christlichen Europa: Hier sahen sich die großen Dynastien trotz aller Konflikte doch als Teil einer Familie von Fürsten, einer societé des princes, und in der Tat waren ja viele der Dynastien miteinander verwandt,20 bis zu einem gewissen Grade auch über die Konfessionsgrenzen hinweg, da Konversionen und gelegentlich auch konfessionell gemischte Ehe weiterhin Verbindungen schufen. Solche Verbindungen christlicher Fürsten zum Haus Osman, das in Konstantinopel herrschte, gab es naturgemäß nicht. Umgekehrt hielt man aufseiten der Hohen Pforte bis ins späte 17. Jahrhundert durchaus an der Vorstellung fest, es sei grundsätzlich die Aufgabe der Sultane, das „Haus des Islam“ immer weiter durch erfolgreiche Kriege auszudehnen und möglichst viele ihrer christlichen Untertanen unter Umständen auch durch sozialen Druck, wenn auch meist ohne direkten Zwang, zur Konversion zum Islam zu bewegen.21 Wie stark dieses Ideal dann in die politische Praxis umgesetzt wurde, hing sicherlich auch von der jeweiligen machtpolitischen Konstellation ab, aber immerhin war noch die Herrschaft Mehmeds IV. (1648–1687) durch solche Vorstellungen bestimmt, wie auch jüngere Forschungen noch einmal hervorgehoben haben.22 Erst nach den Niederlagen des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts mussten solche Ambitionen, die sich noch von dem Fernziel einer Universalherrschaft des Hauses Osman leiten ließen, aufgegeben werden. Erst jetzt wurden christliche Fürsten und Mächte wirklich als gleichberechtigte Vertragspartner bei Friedensschlüssen anerkannt, wie dies in den Verträgen von Karlowitz (1699) und Passarowitz (1718) geschah, auch wenn der Friede von Zsitvatorok (1606) bereits ein erster Schritt in diese Richtung gewesen war.23

Trotz aller innereuropäischen Konflikte und der phasenweise durchaus ausgeprägten Zusammenarbeit einzelner christlicher Mächte wie der Republik Venedig oder des französischen Königs mit dem Osmanischen Reich gab es am Ende auf christlicher Seite im frühen 17. Jahrhundert doch wichtige Grundlagen eines spezifischen Bewusstseins der Zusammengehörigkeit. Diese Beobachtung kann der Hinweis auf den durchaus relevanten kulturellen Austausch, die Handelsbeziehungen oder die nicht wenigen Grenzgänger zwischen den beiden Welten – der christlichen und der muslimisch-osmanischen – nicht grundsätzlich relativieren.24 Nicht zuletzt schufen selbst die permanenten konfessionellen Auseinandersetzungen eine Art „Streitgemeinschaft“, in der die Konfliktparteien sich als Teil eines größeren Ganzen verstanden, wie dies schon Friedrich Schiller in seiner Geschichte des Dreißigjährigen Krieges hervorhob.25 Dazu kam in Europa eine gemeinsame Adelskultur, deren Kohärenz durch die Institution der adligen Bildungsreise, die auch wohlhabende protestantische Adlige im 17. Jahrhundert zunehmend nach Italien führte, noch verstärkt wurde. Wie wichtig diese gemeinsame Kultur war, wird auch in bildlichen Darstellungen der Epoche deutlich. Betrachtet man die bekannte Darstellung der Somerset House Conference von 1604 (also der Friedenskonferenz zwischen Spanien und England, die den seit 1585 geführten Krieg beendete),26 so fällt auf, wie wenig sich die elf hier dargestellten Politiker und Diplomaten voneinander in Kleidung und Habitus unterscheiden, unabhängig davon, ob es sich um Engländer oder Spanier oder um die Vertreter der spanischen Niederlande, also um Wallonen oder Flamen, handelte. So unterschiedlich die Interessen und Überzeugungen waren, alle Beteiligten hatten doch Anteil an einer gemeinsamen europäischen Standeskultur.

Das galt wohl noch stärker mutatis mutandis für die Gelehrten und Intellektuellen der Epoche, für die Mitglieder der europäischen res publica litteraria, auch über die konfessionellen Grenzen hinweg.27 Gerade hier war die Wirkung der konfessionellen Konfrontation ambivalent; es wurden Gräben aufgerissen; aber der Konflikt konnte auch dazu führen, dass die Zeitgenossen umso intensiver nach einem intellektuellen Vokabular suchten, das die Verständigung über die Lagergrenzen hinaus erlaubte. Dieses Vokabular konnte das der späthumanistischen Bildungswelt und ihres Wissenskanons sein oder es konnte einer juristischen Sprache entstammen, die ihre Wurzeln zu wesentlichen Teilen im Römischen Recht hatte, oder es konnte geprägt sein von den ethischen Begriffen der antiken Philosophie oder der – allerdings in ihrer Interpretation umstrittenen – christlichen Tradition selbst.

Allerdings war nicht jede Aufforderung zur Mäßigung in theologischen Auseinandersetzungen, nicht jede sich erasmianisch-friedlich gebende Auslegung des christlichen Glaubens wirklich so tolerant, wie es auf den ersten Blick scheinen mochte. Oft ging es auch darum, eine scharfe Grenze zwischen den „Moderaten“ und denjenigen zu ziehen, die in keine wie immer geartete Friedenslösung einbezogen werden konnten, weil ihnen der Wille zum Frieden vermeintlich fehlte. Dabei konnte es sich je nach Standpunkt ebenso um militante Calvinisten wie um Jesuiten handeln. Faktisch kamen die wenigsten irenischen Diskurse, an denen es in dieser Epoche keineswegs fehlte, ohne die Abgrenzung gegenüber einem gemeinsamen Feind aus. Das konnten für die Christenheit insgesamt die Osmanen sein, deren Bedrohungspotenzial die Gegensätze zwischen Protestanten und Katholiken relativierte. Es konnten aber auch die vermeintlichen Fanatiker auf der Gegenseite sein, für die Katholiken die Anhänger Calvins, für die Protestanten die allzu papsttreuen Anhänger Roms oder spanische Inquisitoren. Auch dort, wo innerhalb eines gegebenen politischen Systems, etwa des Heiligen Römischen Reiches, die Hoffnung auf Frieden beschworen und die Gegensätze zwischen den feindlichen Lagern relativiert wurden, kam man ohne solche Feindbilder nicht aus.

Wie etwa Alexander Schmidt gezeigt hat, gab es gerade im Reich durchaus Ansätze für einen transkonfessionellen Patriotismus, auch wenn Protestanten stärker als Katholiken auf diese Option setzten. Vor allem humanistisch gesinnte Gelehrte versuchten, an einen solchen Patriotismus zu appellieren, und stellten die Diskurshoheit der Theologen nachdrücklich infrage.28 Mit noch größerem Nachdruck verwarf der niederländische Jurist Hugo Grotius den Anspruch der Theologen, die weltliche Obrigkeit ihren Dogmen dienstbar machen zu können (siehe unten, S. 156–158). Dem setzte er die Überzeugung entgegen, dass Dogmen, die dem bürgerlichen Frieden abträglich seien, abgelehnt werden müssten. Am Ende sei es wichtiger, ein guter Bürger zu sein als ein guter Christ.29 Diese Aussage stammt aus einem Spätwerk des Niederländers, aus einer Auseinandersetzung mit dem Theologen André Rivet, die er in den 1640er Jahren führte (Rivet hatte ihm vorgeworfen, Socinianer zu sein und mit dem Judentum zu sympathisieren); so radikal hätte sich Grotius 20 oder 25 Jahre früher wohl nicht geäußert. Aber unabhängig davon bleibt festzuhalten, dass auch das postdogmatische, erasmianische Christentum, für das Grotius hier eintrat, einem wirklichen Frieden nicht immer so zuträglich war, wie es auf den ersten Blick erscheinen mochte. Auch Humanisten wie Grotius oder Theologen, die wie er für eine erasmianische Zurückhaltung in konfessionellen Auseinandersetzungen eintraten, zogen, wie bereits hervorgehoben, Grenzen. Grenzen zwischen denen, die noch als friedensfähig galten, und denen, die es eben nicht mehr waren, mit denen ohnehin kein Ausgleich und kein modus vivendi möglich war. Damit wurden potenziell immer auch neue Gräben aufgerissen und neue Konflikte ausgelöst. Das galt vor allem für innerkirchliche Konflikte wie in der reformierten Kirche der Niederlande zu Beginn des 17. Jahrhunderts oder in der Church of England, aber in einem weiteren Sinne auch für die Suche nach Kompromissen auf der europäischen Ebene.30 Wir dürfen daher nicht den Fehler machen, in den Debatten der Zeit allzu schnell zwischen friedfertigen Humanisten und pragmatischen Politikern auf der einen Seite und theologischen Fanatikern und Zelanten auf der anderen Seite zu unterscheiden.31 Auch Friedensvisionen und -entwürfe konnten und können in sich den Keim des Konfliktes tragen, weil sie sich fast immer auch gegen die vermeintlich nicht Friedensfähigen und Intoleranten richteten und richten. Ein Problem, das uns aus den Debatten der Gegenwart nur allzu vertraut ist.

Vor dem großen Krieg

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