Читать книгу Tage mit Turmalin - Ronja Potstawa - Страница 11
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Die Werkstatt
Wir fuhren an diesem Sonntagnachmittag durch die verregnete kleine Stadt unter grauem, wolkenschwerem Himmel bis zur Werkstatt, stiegen aus und gingen hinein.
Um all die alten Wagen und Motorräder war es still; der Geruch von Benzin und Diesel so vertraut, der Boden leicht staubig, vereinzelte Neonröhren, vielmehr alte Glühlampen, kleine Leuchtfeuer in der regnerischen Dämmerung, die von draußen sanft hineinsickerte.
Sie wandte mir den Rücken zu und schwieg, ebenso wie ich. Das einzige Geräusch, das die Stille zwischen uns füllte, war unser Atmen.
Ich holte tief Luft, konnte fast hören, wie ihre vollen Lippen sich zu einem Lächeln formten und ihre weißen Zähne entblößten, die sich wählerisch nicht jedem zeigten. Und endlich zog sie die Klammer aus ihrem Haar. Es war keine Klammer, es war ein Stift. Augenblicklich brachen sich ihre hellen Haare ungezähmt Bahn. Jede einzelne feine Strähne befreit vom Zwang des Stiftes, der sie gehalten hatte.
Ich wusste, dass sie noch immer lächelte, auch wenn ich ihr Gesicht nicht sah.
Die vielen hellen Strähnen bäumten sich auch gegen ihren groben Schal auf, revoltierten gegen die miteinander verwobenen Baumwollfasern in diesem dunklen Tannengrün, das sich auch in ihren klaren Augen wiederfand.
Ich schob meine Fingerspitzen vorsichtig unter das grobe Textil, ohne ihre Haut darunter zu berühren. Dann ließ ich meine Hände wieder sinken, bis sie sich wieder zu beiden Seiten meines Körpers befanden.
Noch immer war nur unser Atem zu hören, ihrer und meiner.
Ich hätte ewig so hinter ihr stehen können, so nah zu ihr und doch so fern, ihren ruhigen, gleichmäßigen Atemzügen lauschend, dem Lebenspuls, gegen die meine eigenen so laut und grob klangen.
Doch in dem Moment, als ich mich in meiner stillen Haltung fast festgefroren fühlte, drehte sie sich zu mir um, so schnell, dass ich nur ein Meer aus hellem Haar und Grün sah, nahm meine kühlen Hände und führte sie zu ihren schmalen Schultern, bis sie leicht auf ihnen lagen, ohne sie zu beschweren.
Ich fühlte das Blut stärker und schneller durch meine Adern fließen, als meine so einfachen Fingerkuppen ihre Haut berührten. Sie wartete einen Moment lang, ihr Blick traf meine Augen, wie um meine Reaktion zu erkennen, in ihnen zu lesen, was sie schon wusste.
Dann legte sie ihre zarten Hände auf die meinen, die noch immer auf ihren Schultern lagen, und ihre zierlichen Fingerspitzen drückten die Oberflächen meiner Hände, meine grobe Haut mit den hervorstehenden Sehnen. Sie sah mir unentwegt mit demselben Gesichtsausdruck in die Augen.
Ich spürte, wie sich meine Mundwinkel hoben. Und endlich einmal lächelte ich.
Mit ihr als Grund.
Und wir verließen die Werkstatt und wussten, dass wir immer wiederkommen würden.