Читать книгу Entferntes Glück - Ronja Riedel - Страница 7
3.
Оглавление„Scheiße!“
Ich trete mit Wucht gegen den Korb voller Äste und Holzscheite, der neben dem Kamin im Wohnzimmer steht. Mit einem heftigen Ruck rutscht er ein Stück über den Boden und hinterlässt eine Spur an kleinteiligen Holzabfällen. Mein rechter großer Zeh rächt meinen Wutausbruch sofort mit pochenden Schmerzen. Seufzend knie ich mich vor die Kaminluke und blicke durch die verrußte Scheibe ins Innere. Das Feuer, das soeben noch verheißungsvoll züngelte, ist erneut ausgegangen. Das Holzscheit, das jetzt, nachdem die Flammen Papier, Äste und Tannenzapfen gierig verschlungen haben, völlig nackt und verloren auf dem Aschegitter liegt, produziert nur noch Qualm.
Bevor ich die Luke öffne, stelle ich alles auf Durchzug. Trotzdem schlägt mir sofort eine beißende Rauchwolke entgegen. Mit der rechten Hand, die in einem Kaminhandschuh steckt, greife ich nach dem Scheit und hebe es auf. Hastig laufe ich zur Balkontür, öffne sie und werfe das Stück Brennholz auf die Holzplanken der Veranda. Als ich die Tür wieder schließen will, bleibt mein Blick an etwas auf der anderen Straßenseite hängen. Jemand steht neben der Straßenlaterne, die dort an der Straßenkreuzung nachts verunsicherten Ortsfremden den Weg weist. Da ich aus meinem Blickwinkel nicht erkennen kann, wer es ist, verändere ich meine Position leicht, achte allerdings darauf, nicht zu auffällig nach draußen zu schauen. Ich ahne, wer da steht und als ich endlich volle Einsicht habe, weiß ich nicht, ob es Verärgerung oder Erschrecken ist, was in mich fährt.
Maik lehnt an der Laterne und schaut in meine Richtung. Unbeweglich, außer der Hand, die eine Zigarette zum Mund führt. Eigentlich ist er zu weit weg, als dass ich es wirklich sehen könnte – trotzdem bin ich mir sicher, dass er, während seine Augen mein Haus ins Visier nehmen, nicht einmal blinzelt. Ich entferne mich langsam, ohne Hast, von der Tür und damit aus Maiks Sichtfeld. Als ich sicher bin, dass er mich nicht mehr sehen kann, setze ich mich auf den Fußboden und lege beide Hände schützend vor mein Gesicht. Diese Begrenzung hilft mir, meinen Atem zu spüren und drosselt ihn damit automatisch herunter. Mit wird warm. Ich fühle mich wie ein Tier in der Falle und habe keine Idee, wie ich dieser Ohnmacht begegnen soll. Also atme ich ruhig weiter und bleibe vorerst in meinem Versteck.
Irgendwann merke ich, wie sich aus meiner jämmerlichen Verzagtheit etwas herausschält, das ich ebenso gut kenne. Trotz. Steh auf, befehle ich mir selbst. Ich tue es, lasse meine Hände sinken und beginne, die Situation zu analysieren. Ich bin erwachsen, ich habe seine Nähe gesucht, trotz des Tattoos. Trotz dessen, was meinen Körper auch nach all der langen Zeit noch so stark reagieren lässt. Als mir dieser Gedanke durch den Kopf geht, bemerke ich, wie sich mein Trotz in Richtung Wut aufmacht. Ohne mir groß im Klaren über meinen nächsten Schritt zu sein, verlasse ich das Wohnzimmer, schlüpfe in meine Gartenschuhe und reiße die Haustüre auf. Ich bin bereit, loszubrüllen, wenn es sein muss, ihn zu beschimpfen oder sogar auf ihn einzuschlagen. Aber der Impuls, der mich so plötzlich gepackt hat, verpufft auf der Stelle, als ich sehe, dass die Straßenecke sich mir menschenleer präsentiert. Weg. Die Laterne steht wieder verlassen da, wie ein Mahnmal einer langsam verschwindenden Infrastruktur in einer sterbenden Gegend. Ich verharre, meine rechte Hand umklammert noch immer den Türgriff. Langsam löst sich die Anspannung. Was willst du? Meine Augen suchen die Fassade seines Hauses, als könnte mir von dort eine Antwort entgegenschallen.
Mein Blick löst sich von Maiks Haus und wandert erneut mein näheres Umfeld ab. Noch einmal muss ich mich vergewissern, dass ich wirklich alleine bin. Da entdecke ich vor mir auf dem Boden etwas, das meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ein zusammengeschlagenes Taschentuch liegt vor meiner Tür, auf einer Seite mit einem kleinen Stein beschwert. Ich bücke mich und nehme den Stein auf. Dann schlage ich die eine Hälfte des Tuches zur Seite. Darunter finde ich, akkurat gerollt, eine selbstgedrehte Zigarette.