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9. Kapitel

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Wenn die Leute mitkriegen, dass Tammy und ich Zwillinge sind, heißt es manchmal: »Könnt ihr gegenseitig eure Gedanken lesen?« Weil die Frage so bescheuert ist, spielen wir immer ein bisschen Theater. Ich sage: »Klar. Tammy, an welche Zahl denke ich gerade?« Und ganz egal, welche Zahl Tammy nennt, rufe ich: »Stimmt haargenau!«

Auf jeden Fall fanden wir’s witzig. Manche sind auch tatsächlich drauf reingefallen, so wie Tammys neue Freundin Nadia, aber die glaubt sowieso alles.

Also, nein, wir stehen nicht in telepathischer Verbindung. Doch als ich an dem Abend Tammys Rad am Wegrand sah, wusste ich gleich, dass etwas passiert war. Es war wie ein Schlag in die Magengrube. Sofort hielt ich an. Mir lief es eiskalt den Rücken runter, als hätte mir jemand Eiswürfel in den Halsausschnitt geschüttet.

»Tammy?« Anfangs rief ich noch nicht so laut, weil ich zwar irgendwie wusste, dass was passiert war, aber nicht ganz sicher sein konnte. »Tam?«

Der Mond wurde von einer dicken Wolke verdeckt, und ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie dunkel es dann in Kielder ist. Das einzige Licht stammte von den Fahrradlampen.

»TAMMY!«, brüllte ich und legte den Kopf schief, um zu horchen. Es ging nur ein leichter Wind, der lautlos zwischen den Bäumen hindurchstrich.

Tammys Rad lag an der Stelle, an der ein überwucherter Pfad die Böschung hinunter zum See und dem kleinen Holzsteg führt. Ich schnappte mir mein Vorderlicht und folgte dem Pfad.

Das macht doch keinen Sinn!, schoss es mir durch den Kopf. Warum sollte sie da runtergehen?

»Tammy! Tam!«, rief ich immerzu.

An dieser Stelle geht es steil bergab und ich stolperte durch die Dunkelheit, bis ich an den kleinen Kiesstrand gelangte. Schwarz wie Tinte lag Kielder Water vor mir. In dem Moment hörte ich dieses Geräusch, dieses Surren – erst tiefer und dann immer höher.

OOOOOOMMMMMMMM ooooooooommmmmmmm. Es erinnerte an ein Flugzeug, war aber garantiert kein Flugzeug. Oder an ein Motorboot, war aber garantiert auch kein Motorboot.

Hier unten am Wasser war der Himmel etwas heller, der wolkenverhangene Mond gab ein wenig graues Licht ab. Mit zusammengekniffenen Augen spähte ich auf den See hinaus, über dem eine seltsame Nebelsäule erschienen war, die bis in den Himmel hinaufragte. Sie stand ein paar Augenblicke in der Luft, bevor der Wind sie davonwehte.

Dazu hing so ein Geruch in der Luft. Ein Gestank nach Schweiß und verstopftem Abfluss, der sich aber auch bald verflüchtigt hatte.

Ob Tammy vielleicht zum Steg gegangen war, um Steine ins Wasser zu werfen? Vielleicht schlug sie mich deshalb immer, weil sie heimlich übte? Natürlich war das eine total bekloppte Idee, aber das kam wahrscheinlich schon von der Panik.

Mir schlug das Herz bis zum Hals, als ich die Böschung wieder hochkletterte. Tammys Rad lag noch an Ort und Stelle.

Wieder rief ich nach ihr und hoffte, dass sie aus dem Wald gestapft kam und irgend so was sagte wie: »Iii-than, was brüllst du denn so? Ich war doch nur kurz pinkeln!«

Aber sie kam nicht und mir wurde klar, dass ich Hilfe holen musste. Ich zog das Handy raus. Kein Empfang. Typisch! Rund um den See ist Niemandsland.

Ich schwang mich aufs Fahrrad und strampelte, so schnell ich konnte, zur alten Sheila. Dabei schrie ich die ganze Zeit nach Tammy, bis ich fast heiser war.

Das Kind vom anderen Stern

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