Читать книгу Das Kind vom anderen Stern - Ross Welford - Страница 20

13. Kapitel

Оглавление

Es waren zwei Stunden vergangen, seitdem ich mit der Nachricht von Tammys Verschwinden hereingeplatzt war, und inzwischen wimmelte es im Pub von Leuten, die aufgeregt miteinander redeten oder telefonierten. Nach und nach trudelten auch die Suchtrupps ein, die alle Straßen nach Norden oder Süden und überall sonst in der Umgebung abgefahren waren, stets mit einem traurigen Kopfschütteln. Mam drückte mich fest an sich und dann musste ich ihr die ganze Geschichte noch mal von vorn erzählen.

Kurz darauf hielt ein Streifenwagen vorm Pub und zwei Beamte stiegen aus. Ich hatte schon gehört, dass die kleine Polizeiwache in Bellingham, dreißig Kilometer entfernt, über Weihnachten geschlossen war.

Dad nahm die Polizisten in Empfang.

»Ja, Sir, wir sind aus Hexam gekommen.«

»Sind Sie nur zu zweit?«, fragte Dad. Er trug noch immer die Spielzeugsoldatenuniform, aber keiner sagte was.

»Es ist Heiligabend, Sir. Da sind wir dünn besetzt. Aber wir haben die Autobahnpolizei um Hilfe gebeten, die werden gleich hier sein. Als Erstes müssen wir klären, womit wir es überhaupt zu tun haben.«

Und so begannen die Befragungen, die sich mit Unterbrechungen über die nächsten Tage hinziehen sollten. Leute kamen und gingen. Dad versuchte, alles im Griff zu haben. Ständig klingelte das Telefon: »Gibt es schon was Neues?« Und überall summten und bimmelten Handys.

Iggy und seine Mutter hatten uns viel Glück gewünscht und waren gegangen, nachdem Cora noch eine Weile mit geschlossenen Augen dagesessen und für gute Energie meditiert hatte. Nett eigentlich, wenn auch ein bisschen befremdlich.

Ich saß mit Gran in der Sofaecke, im Kamin brannte ein Feuer und Gran trank zitternd ihren Tee. Während ich den Polizisten, einer Frau, die offenbar das Sagen hatte, und ihrem jüngeren Kollegen, alles erzählte, machten sie sich Notizen.

Dann kam ich zu der Stelle mit dem Surren am See …

»Stopp mal, Ethan«, sagte die Polizistin, die ich ganz nett fand. »Was wolltest du denn überhaupt am Wasser?«

Ich zuckte die Achseln. »Ich bin einfach dem Weg gefolgt. Ich habe mich … gewundert. War besorgt, hatte Angst um Tammy. Und dann war da dieses Geräusch.«

Ich versuchte, das Geräusch nachzuahmen, aber es gelang mir nicht so recht. Die beiden Beamten sahen sich stirnrunzelnd an und machten sich Notizen.

»Schnellboot?«, fragte der Polizist seine Kollegin.

Sie überlegte eine Weile, bis ich sagte: »Ein Schnellboot war es auf keinen Fall.«

»Dann vielleicht eine Drohne?«

Eine Drohne könne es schon gewesen sein, meinte ich daraufhin. Aber wer würde schon im Dunkeln eine Drohne fliegen lassen?

»Gut, vielen Dank, Ethan«, sagte die Polizistin und stand auf. Sie wandte sich an ihren Kollegen: »Kareem, wir nehmen das Auto und sperren den Weg und das Ufer ab. Das ist ein möglicher Tatort.« Sie sprach in ihr Funkgerät. »Mike zwo Lima Bravo hier, gibt es ein Lebenszeichen von der Autobahnstreife, die wir für die vermisste Person in Kielder angefordert haben?«

»Sind in zehn Minuten bei Ihnen, Sergeant«, kam die prompte Antwort.

Dad fuhr mit einem Mann los, um den Irrgarten abzusuchen. Im Winter ist er eigentlich geschlossen, aber wenn man wollte, konnte man da problemlos reingelangen. Nur warum sollte Tammy das wollen?

Mam, die neben mir auf dem verschlissenen Sofa saß, drückte meine Hand so fest, dass es wehtat, aber ich gab keinen Mucks von mir.

Die Polizistin sagte: »Mrs Tait, ich würde mit Ethan gern noch mal zu der Stelle fahren, wo er das Fahrrad Ihrer Tochter gefunden hat. Haben Sie jemanden, der Ihnen so lange Gesellschaft leisten kann?«

»Ich bleib bei ihr«, sagte Gran. »Noch ein wenig Tee, Mel?«, fragte sie. »Oder hättest du lieber was Stärkeres?«

Mam nickte.

Draußen kletterte ich in den Streifenwagen. Kurz darauf holperten wir über den Waldweg, den ich vorhin genommen hatte. Eine kleine Menschenansammlung hatte sich an der Stelle eingefunden, wo Tammys Rad lag. Die Polizistin stieg als Erste aus und sprach die Leute an.

»Bitte machen Sie Platz. Wir müssen hier alles absperren. Fassen Sie nichts an.«

»Schon geschehen.« Ihr Kollege zeigte auf einen Mann im grünen Tarnanorak mit kurzem weißem Bart, der Tammys Rad aufgehoben hatte.

»Bitte legen Sie das wieder hin, Sir. Das ist ein Beweisstück, da müssen wir Fingerabdrücke nehmen.«

Scheppernd ließ er es zu Boden fallen.

Nur zu gern hätte ich gerufen: »He, passen Sie doch auf!«, aber die Leute bombardierten die Polizistin schon mit Fragen.

»Gibt es was Neues, Officer?«

»Kommt noch mehr Polizei?«

»Wird die Gegend abgesucht?«

Sie überhörte die Fragen geflissentlich und begleitete mich mit ihrem Kollegen die dunkle Böschung hinunter zum See, beide hatten Taschenlampen dabei. Doch bevor wir den kleinen Kiesstrand erreichten, brachte uns ein lautes, wütendes Knurren zum Stehen. Es raschelte im Gebüsch, etwas kam auf uns zugeschossen, bellte.

»Sheba! Sheba!«, rief jemand verärgert. Doch da war es schon zu spät, der Hund versperrte uns knurrend den Weg. Ich suchte hinter dem Polizisten Schutz, der ebenfalls zurückwich.

Nur der Sergeant hielt die Stellung und brüllte: »Rufen Sie Ihren Hund zurück! Hier spricht die Polizei!«

Da tauchte in der Dunkelheit ein Mann auf. Es war derselbe, der auch Tammys Rad in der Hand gehabt hatte. »Sheba! Komm her! Sheba! Sheba! She-baaa! Komm her!«

Irgendwann gehorchte der Hund und lief zu seinem Herrchen. Wir alle schienen im selben Moment aufzuatmen.

»Tut mir leid«, sagte der Mann. »Sie ist ein wenig …«

Die Polizistin schnitt ihm das Wort ab. »Bitte nehmen Sie Ihren Hund an die Leine, Sir«, sagte sie scharf. Und als der Mann zögerte: »Auf der Stelle!«

Es war eine große Schäferhündin mit einer Narbe über der Schnauze und einem zerrupften Schwanz. Sie machte Platz, während der Mann sie mit einem Strick anleinte. Ich kannte den Mann, also zumindest vom Sehen. Geoff Soundso. Er ist Wachmann in der Sternwarte oben im Moor. Manchmal kommt er mit seinem erwachsenen Sohn in den Pub.

»Gibt’s schon was von dem Mädchen?«, fragte Geoff. »Wir suchen hier unten nach ihr.«

Wir hatten den kleinen Strand erreicht, wo Geoffs Sohn stand und eine Zigarette rauchte. Argwöhnisch behielt ich die Hündin im Blick, die an dem Strick zog.

»Nein, Sir«, sagte der Polizist. »Und das ist jetzt ein Tatort. Bitte verlassen Sie das Gelände und fassen Sie auch nichts mehr an.« Er zückte sein Notizbuch. »Sagen Sie mir bitte noch, wie Sie heißen?«

Geoffs Sohn warf den Zigarettenstummel ins Wasser, wo er zischend erlosch. Dann blies er eine große Rauchwolke aus und fragte: »Wozu wollen Sie das wissen?«

Die Polizistin sah ihn verwundert an. »Das ist doch reine Routine. Haben Sie ein Problem damit?«

Geoff warf seinem Sohn einen scharfen Blick zu. »Überhaupt nicht, Officer. Wir helfen gern. Ich heiße Geoffrey Mackay. G-E-O-F-F-R-E-Y. Aus, Sheba! Und das ist Geoffrey Mackay junior …«

Während Geoffrey seine Angaben machte, lief ich ein Stück am Ufer entlang bis zum alten Holzsteg. Da sah ich es mit der Unterseite nach oben im schwarzen Kies liegen, halb vom Wasser überspült.

Das Schildchen von der Wodkaflasche, die ich eingepackt hatte: Miss Sheila Osborne.

Das Kind vom anderen Stern

Подняться наверх