Читать книгу Seewölfe Paket 23 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 37
7.
ОглавлениеEr hatte jetzt vollends die Beherrschung verloren und war kaum noch Herr seiner Sinne. Er sprang zurück, riß die Pistole hoch und schwang sie hin und her.
„Ihr Bastarde!“ brüllte er. „Ich werde euch standrechtlich erschießen!“
„Überlegen Sie sich, was Sie tun, Señor“, sagte der Sargento. „Nehmen Sie doch endlich Vernunft an.“
„Er verliert den Verstand“, sagte der Alte.
„Ihr Feiglinge!“ stieß Gomez hervor. „Ihr Ratten! Euch mache ich fertig, wenn ihr nicht gehorcht! Ihr kehrt nicht nach Potosi zurück!“
„Das tun wir auch nicht, wenn wir Ihre Befehle befolgen, Teniente“, sagte der alte Soldat. „Jedes Ding hat seine Grenze. Wir wären bereit gewesen, über den Stein zu klettern und die Brustwehr da oben zu stürmen, wenn wir wenigstens ein Deckungsfeuer gehabt hätten. Aber doch nicht so!“
Sie standen empört und in lauernder Haltung vor ihm, den Rücken dem Felsquader zugewandt. Zwei oder drei von ihnen schienen auch verwirrt zu sein, aber die Mehrheit war eindeutig gegen ihn.
Dummerweise hatte Gomez seine Muskete gegen den Quader gelehnt, so daß er sie jetzt nicht zur Verfügung hatte. Sie war nicht mehr erreichbar für ihn. Der Sargento brauchte nur die Hand auszustrecken, dann hatte er sie.
Gomez richtete die Pistole langsam auf den Sargento.
„Wenn ihr feiges Pack euch einbildet, ihr könnt mich reinlegen, dann habt ihr euch getäuscht!“ zischte er.
Hasard hatte Ribault und Carberry unterdessen ein Zeichen gegeben.
„Wir müssen da eingreifen“, sagte er gedämpft. Den anderen Männern warf er noch einen raschen Blick zu. „Ihr wißt ja, was ihr zu tun habt.“ Dann verließ er die Brustwehr und huschte über den Pfad, gefolgt vom Profos und dem Franzosen.
Sie schlichen am Rand des Plateaus entlang, gelangten an die Felsen und arbeiteten sich vorsichtig darin vorwärts. Immer noch waren die Stimmen der Spanier zu vernehmen und rückten allmählich etwas näher.
Der Sargento sagte genau in diesem Moment: „Sie haben nur eine Kugel, Teniente, vergessen Sie das nicht.“
Gomez wollte lachen, aber es wurde nur ein Krächzen daraus. „Ich denke daran. Und ich denke auch, wie es aussehen wird, wenn du Hund ein häßliches Loch in deinem Schädel hast.“
„Wen von uns Sie auch erschießen“, fuhr der Sargento fort, „gegen die neun anderen haben Sie nicht die geringste Chance.“
„Ich lege dich um!“ zischte Gomez.
Der alte Soldat versuchte, sich vor den Sargento zu stellen. „Das ist noch nicht gesagt.“
„Aus dem Weg!“ brüllte Gomez ihm zu.
„Was Sie von uns verlangen, ist gegen jede Vernunft, Teniente“, sagte der Alte. „Wir sind Soldaten, und wir wollen nicht rebellieren, aber verheizen lassen wir uns auch nicht.“
„Weg! Oder ich erschieße dich!“ schrie Gomez.
Der Sargento sorgte selbst dafür, daß der alte Mann nicht gefährdet wurde. Trotz seines Protestes packte er ihn am Arm und zerrte ihn zur Seite. Der Alte stolperte und prallte mit einem der anderen Soldaten zusammen, der mit völlig entgeisterter Miene auf Gomez blickte.
„Teufel“, murmelte der Soldat. „Der tut’s wirklich.“
Gomez hielt die Pistole mit beiden Händen und war in seiner grenzenlosen Wut im Begriff, auf den Sargento abzudrücken. Doch genau in diesem Augenblick tauchte Hasard oben auf dem Felsquader auf.
Von den Steilfelsen aus hatten Hasard, Ribault und der Profos einen bisher unentdeckten Abstieg entdeckt, der sie auf den Pfad hinunterführte. Sie waren fast steckengeblieben, doch die Mühe hatte sich gelohnt – unbemerkt waren sie bis an den Felsklotz herangelangt, während sich auf der anderen Seite die Lage zuspitzte.
Jetzt war Gomez völlig überrascht, als der „schwarzhaarige Bastard“ seine Pistole auf ihn richtete und den Hahn spannte. Deutlich war das Knacken zu vernehmen.
„Lassen Sie die Pistole fallen, Teniente, oder ich schieße“, sagte Hasard.
„Der Bastard!“ brüllte Gomez wie von Sinnen.
Vergessen war der Sargento. Er richtete die Pistole auf den Seewolf und zog durch. Im selben Moment feuerte auch Hasard. Gleichzeitig wich er zur rechten Seite aus.
Gomez’ Kugel pfiff haarscharf an ihm vorbei. Hasard vermutete im ersten Hinsehen, daß auch seine Kugel fehlgegangen war. Aber er irrte sich. Gomez war getroffen.
Gomez wurde zurückgestoßen. Er taumelte quer über den Pfad und verlor die leergeschossene Pistole aus der Hand. Seine Hände griffen ins Leere und schienen irgendwo nach einem Halt zu suchen. Er röchelte und faßte sich an die Brust. Jetzt war auch der dunkle Fleck an seinem ungeschützten Hals zu sehen, der sich allmählich vergrößerte.
Nur noch einen einzigen Schritt tat Alvaro Gomez, dann hatte er – unter den Blicken seiner Männer – den Rand des Pfades erreicht. Keiner traf Anstalten, ihn festzuhalten. Er kippte über den Rand und verschwand in der Finsternis. Sein gellender Schrei tönte durch die Nacht und verebbte, dann war nichts mehr zu vernehmen, nicht einmal ein Aufprall.
In der Zwischenzeit war auch Jean Ribault neben Hasard aufgetaucht. Hasard wandte sich halb um. Carberry warf ihm einen Blunderbuss zu, Hasard fing ihn geschickt auf, spannte den Hahn und richtete ihn auf die Soldaten.
„Weg mit den Waffen!“ befahl er ihnen.
Der Sargento gehorchte als erster. Die anderen folgten seinem Beispiel.
Der Alte grinste sogar und sagte: „Na also. Jetzt sind wir Gefangene, aber wenigstens ist es Gomez nicht gelungen, dich abzuknallen, Sargento.“
„Damit wäre auch ich nicht einverstanden gewesen“, sagte Ribault mit ernster Miene.
„In Ordnung, Señores“, sagte Hasard. „Sie marschieren jetzt nach Potosi zurück.“
„Sie wollen uns – wirklich laufen lassen?“ fragte der Sargento erstaunt.
„Ja, das habe ich vor. Haben Sie etwas dagegen?“
„Natürlich nicht. Aber ich …“
„Señor“, sagte Ribault. „Sie können auch bleiben, wenn Sie wollen. Vielleicht ziehen Sie es vor, Don Ramón de Cubillo Gesellschaft zu leisten?“
„Auf keinen Fall!“
„Sargento“, sagte der alte Soldat. „Ich glaube, es wird Zeit, daß wir verschwinden.“
„Die Maultiere bleiben natürlich hier“, sagte Hasard. „Sie müssen es schon auf sich nehmen, den Rückweg zu Fuß anzutreten. Ich glaube aber, daß es Ihnen keine allzu große Mühe bereiten wird.“
„Danke“, sagte der Sargento, der jetzt seine Fassung wiedererlangte. „Sie haben mir das Leben gerettet, Señor. Und meinen Kameraden auch.“
„Dafür brauchen Sie sich nicht zu bedanken“, sagte der Seewolf kühl. „Ich habe etwas dagegen, wenn man guten Männern keine Chance läßt. Und zu den guten Männern zähle ich vor allem jene, die in den Minen von Potosi für Ihren König von Spanien krepieren müssen.“
Der Sargento senkte unwillkürlich den Blick.
„Ich verstehe“, murmelte er.
„Vielleicht denken Sie darüber einmal nach“, sagte Hasard. „Mein Gott – kein Vizekönig, kein Provinzgouverneur und kein Luis Carrero hat das Recht, unschuldige Menschen zu versklaven, auszurotten, zu schinden oder zu demütigen. Und auch Indios sind Menschen, Señores. Sie haben dieselben Rechte wie wir. Man hat sie ihres Landes beraubt, und jetzt sollen sie ausgerottet werden. Kann man einem Volk etwas Schlimmeres antun?“
„Wer sind Sie, Señor?“ fragte der Sargento.
„Ein Feind Ihres Königs“, erwiderte Hasard.
„Das merkt man“, sagte der alte Soldat. Hölle, er konnte es einfach nicht verbergen: Dieser schwarzhaarige Riese imponierte ihm!
„Und ein Feind aller derer, die sich anmaßen, über andersfarbige Menschen zu herrschen und die Peitsche zu schwingen“, fuhr der Seewolf fort.
Der Sargento blickte zu ihm auf und versuchte, mehr aus den Zügen dieses Mannes zu lesen. Was für ein sonderbarer Mann, dachte er, aber er hat doch recht, dieser Fremde. Wer sind wir eigentlich? Gott auf Erden? Eines Tages gibt es einen gewaltigen Knall, und das spanische Königreich existiert nicht mehr.
Auch der Sargento mußte sich eingestehen, daß er eine ungeheure Achtung vor dem schwarzhaarigen Riesen hatte. Unglaublich: Dieser Mann hatte das Unmögliche fertiggebracht und Potosi mit einem Schlag aus den Angeln gehoben – mit nur elf Männern! Das bewies einerseits, wie verletzlich Spanien doch war, und andererseits, daß auch Städte wie Potosi vor dem Zugriff eines Feindes nicht sicher waren. Ein starker Gegner – er war nicht zu überwältigen. Wenn man ihm fünfzig Soldaten nachgesandt hätte, wäre er auch mit diesen fünfzig fertig geworden.
„Noch etwas“, sagte Hasard. „Nehmen Sie Ihren Kameraden mit. Ich habe nicht das geringste Interesse daran, ihn hierzubehalten.“
Carberry verschwand auf sein Zeichen hin und kehrte über den Pfad zu der Brustwehr zurück, wo die anderen mit gespannten Mienen warteten.
„Ihr habt es ja gehört“, sagte der Profos. „Wir lassen die Dons verduften. Es ist aber auch richtig so. Was sollen wir mit so vielen Gefangenen?“
Pater David hatte den Gefangenen bereits aus der Höhle geholt. Er nahm ihm den Knebel ab, und der Mann stammelte: „Was habt ihr vor? Was wollt ihr mit mir machen?“
„Du kehrst nach Potosi zurück“, entgegnete der Gottesmann.
„Ich … Wer hat mich niedergeschlagen?“
„Ich.“
„Dafür wird der Teniente Gomez mich zu Tode peitschen.“
„Der Teniente Gomez lebt nicht mehr“, sagte Pater David. „Er wird keinen Menschen mehr mißhandeln, Soldat. Wie heißt du?“
„Hernan Tores.“
„Gut, Hernan Tores. Geh hin, bete zu Gott und danke ihm dafür, daß du mit einem blauen Auge davongekommen bist.“
„Ihr seid – Spanier, Padre?“
„Ja. Einen schönen Gruß auch an Potosi, und man soll es aufgeben, gute Soldaten für sinnlose Unternehmen zu verheizen.“
„Ja, ja“, sagte Hernan Tores. „Ich wußte nicht, daß ein Padre so hart zuhauen kann.“
„Ein Padre kann dies und anderes mehr“, erwiderte Pater David mit gütiger Miene. „Aber jetzt geh endlich, mein Sohn, sonst verpaßt du den Anschluß.“
Er übergab Hernan Tores Carberry, und dieser führte ihn bis zu dem Felsbrocken. Hier durfte der Soldat zu seinen Kameraden klettern – vorbei an dem schwarzhaarigen Riesen und dem grinsenden Franzosen, die er in einer Mischung aus Entsetzen und Bewunderung anstarrte.
„Es ist alles meine Schuld“, sagte Tores.
„Nein“, entgegnete der Sargento. „Wir wären so oder so in die Falle gelaufen. Und wenn der Teniente seinen Wahnsinn weiter getrieben hätte, wären wir jetzt alle tot.“
„Wir haben Glück“, sagte Tores.
„Und wir haben Gnade gefunden“, sagte der alte Soldat mit einem neuerlichen Blick zu Hasard. Er nahm seinen Helm ab und deutete eine Verbeugung an. „Danke, Señor. Auch ich werde nicht vergessen, was Sie getan haben.“
Wenig später zogen die Soldaten ab und ließen die fünf Maultiere, die sie noch bei sich gehabt hatten, zurück.
Hasards Männer räumten in mühsamer Arbeit den Felsquader weg. Carberry legte sich mächtig ins Zeug, und er war es schließlich, der dem Klotz den entscheidenden Stoß versetzte. Donnernd rumpelte der Felsen über die Kante und raste in die Tiefe. Als er unten aufprallte, war ein grollender Laut zu vernehmen.
Hasard und seine Männer räumten noch einige kleinere Gesteinsbrocken aus dem Weg, dann begaben sie sich zu den fünf Maultieren.
„Feine Tierchen“, sagte Carberry. „Gesund und munter sehen sie aus. Na, dann haben wir also dreißig Maultiere.“
„Sicher“, sagte der Seewolf. „Aber diese zehn Viecher, die wir heute nacht erbeutet haben, werden wir bei der Indio-Familie lassen, bei der sich Fred befindet.“
„Fred Finley“, sagte Ribault grinsend. „Den hätte ich glatt vergessen, wenn du mich nicht an ihn erinnert hättest. Ob sein Knöchelbruch wohl geheilt ist?“
„Mit Sicherheit“, entgegnete der Seewolf. „Und vielleicht hat er inzwischen geheiratet.“
Ribault mußte lachen. „Ach, du meinst, er ist auch, ein Indio geworden? Warum nicht?“
„Ihr spinnt“, sagte der Profos. „Und ich habe keine Lust, mir das noch länger anzuhören.“ Er packte die Zügel der Maultiere. Sie sträubten sich ein wenig, folgten ihm dann aber brav und friedlich. „Euer Glück“, brummte er, „daß kein so störrisches Biest wie dieser Diego unter euch ist. Das hätte uns noch gefehlt.“
Sie kehrten auf das Plateau zurück. Die Brustwehr wurde beseitigt, die Maultiere konnten passieren und wurden in die Höhlen gebracht. Jetzt war der Weg wieder frei.
Hasard und die anderen Männer beobachteten noch einige Zeit den Pfad, aber die Soldaten tauchten nicht wieder auf. Sie waren wirklich froh, alles hinter sich zu haben, und sie dachten nicht im entferntesten daran, sich irgendeines Tricks zu bedienen.
Tores schritt neben dem Sargento und dem alten Soldaten.
„Wer ist dieser schwarzhaarige Kerl?“ fragte er, während sie mit raschen Schritten dem Verlauf des abfallenden Pfades folgten.
„Das weiß keiner“, erwiderte der Sargento. „Er Spricht ohne jeden Akzent wie ein Spanier.“
„Aber er ist keiner“, sagte der Alte. „Dafür lasse ich mir notfalls die Hand abhacken.“
„Nicht nötig“, sagte der Sargento. „Ich bin selbst davon überzeugt, daß er ein Fremder ist. Vielleicht ein Italiener.“
„Nein. Ein Engländer.“
„Was?“ Der Sargento glaubte, nicht richtig gehört zu haben. „Ist das dein Ernst?“
„Mein voller Ernst. Aber am besten vergeßt ihr das gleich wieder. Wir sollten es für uns behalten.“
„Engländer in Potosi“, sagte der Sargento. „Das ist wirklich ungeheuerlich.“
„Ich bin froh, daß ich mit heiler Haut davongekommen bin“, sagte Tores. „Damit hätte ich nicht mehr gerechnet. Ich hatte schon mein letztes Gebet gesprochen. Jetzt kann ich mich vom Pfarrer neu taufen lassen.“
„Hast du eigentlich Don Ramón irgendwo gesehen?“ fragte ihn der Alte.
„Nein. Aber in einer Höhle jammerte jemand. Vielleicht war er das.“
„Ich kann ihn nicht bedauern“, sagte der Sargento. „Er ist ein widerlicher Sadist und ein perverser Hund. Wenn sie ihn ein bißchen piesacken, geschieht es ihm ganz recht.“
„Wie gut, daß der Teniente das nicht hören kann“, sagte der Alte. „Nun, er hat sein Fett bekommen. Recht so. Keiner weint ihm eine Träne nach. Oder?“ Er wandte sich um und blickte die anderen an. „Täusche ich mich?“
Sie schüttelten die Köpfe. Gomez hatte auch sie in den Tod treiben wollen. Statt dessen hatte er ins Gras gebissen. Er hatte es selbst so haben wollen, es war seine eigene Schuld. Man konnte ihn wirklich nicht bedauern, beim besten Willen nicht.