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3.

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Die Entfernung von der Flußmündung des Tacna bis nach Arica betrug nach den Berechnungen, die die Männer angestellt hatten, etwa fünfundzwanzig Meilen, wenn man dem Verlauf der Küste folgte. Le Testu und sein Trupp fanden bald heraus, daß sie sich nicht verkalkuliert hatten.

„Kurz nach Mitternacht werden wir dort sein“, sagte Ferris Tucker. „Vorausgesetzt, der Wind schläft nicht ein.“

„Den üblen Streich wird er uns ja wohl nicht spielen“, sagte Grand Couteau. „Er ist die ganzen Tage über nicht eingepennt, warum sollte er es jetzt tun?“

„Die Natur ist unberechenbar, das weißt du wohl“, sagte Roger Lutz. „Aber auf ein bißchen Glück dürfen wir ja wohl hoffen.“

Bei stetigem Südwestwind erreichten sie ihr Ziel tatsächlich, als Mitternacht gerade verstrichen war, am 16. Dezember also. Schweigend beobachteten sie die Lichter, die sie schon aus einiger Entfernung sehen konnten. Sie glitzerten und schienen sich zu bewegen, aber das war eine optische Täuschung.

„Da hätten wir also Arica“, sagte Le Testu. „Die Lage scheint ruhig zu sein. Patrouillenboote der Dons kann ich nicht entdecken.“

„Die können immer noch auftauchen“, murmelte Montbars. „Beschwör es lieber nicht.“

„Oder sie kontrollieren die Küste mit Spähtrupps“, sagte Al. „Möglich ist alles.“

„Das glaubst du doch selber nicht“, sagte Donald Swift. „Die Dons sitzen um diese Zeit lieber in ihren Kaschemmen und lassen sich mit Wein vollaufen.“

Le Testu entblößte seine weißen Zähne. „Zu der Version neige ich auch. Das heißt aber noch lange nicht, daß wir unvorsichtig sein dürfen. Wir sind jetzt noch eine Meile von Arica entfernt, schätze ich. Wir sollten uns einen geeigneten Landeplatz suchen.“

Sie nahmen Kurs auf das Ufer und stießen wenig später auf eine kleine Bucht. Sie bargen das Segel und legten an, und dann unternahmen Le Testu und Montbars einen kurzen Erkundungsgang.

Rasch kehrten sie wieder zu den anderen Männern zurück.

„Wir haben eine Hütte gefunden“, sagte Le Testu. „Sie ist leer. Für uns dürfte sie der ideale Unterschlupf sein.“

„Nichts wie hin“, sagte Ferris. „Aber wir sollten uns auch die nähere Umgebung ein wenig anschauen. Es wäre dumm, in eine Falle von irgendwelchen Küstenhaien zu stolpern.“

Die Hütte, die sich nur knapp zwanzig Schritte vom Ufer entfernt in einem Dickicht befand, wurde von dem gesamten Trupp inspiziert.

Als sie im Inneren standen, sagte Al leise: „Der Bau scheint in Ordnung zu sein.“

„He, hier hängen ja Netze!“ raunte Grand Couteau.

„Sicherlich haben hier einmal Fischer gewohnt“, sagte Le Testu.

„Hier ist eine Tür“, sagte Donald Swift. „Wo geht’s denn da hin?“

Er öffnete die Tür. Sie führte in einen Anbau, in dem sie auf zerrissene Netze, Reusen und Angelgeschirr stießen. Ihre Augen hatten sich inzwischen gut auf die Dunkelheit eingestellt, und sie untersuchten alles eingehend.

„Also, das eine ist sicher“, sagte Le Testu. „Die Hütte steht schon seit Monaten leer.“

„Was den Bewohnern wohl zugestoßen ist“, sagte Albert. „Ob sie in einem Sturm umgekommen sind? Möglich ist es.“

„Wir werden es nie erfahren“, sagte Al. „Aber ungewollt erweisen sie uns noch einen großen Dienst. Dann mal los! Richten wir es uns so gemütlich wie möglich ein.“

Ferris war wieder ins Freie getreten und sah sich aufmerksam überall um. Er kehrte zu den Kameraden zurück und meldete: „Es gibt einen kleinen Bach, nicht weit entfernt. Er fließt in die Bucht. Ich habe das Wasser probiert, es schmeckt gut.“

„Und wenn es vergiftet ist?“ fragte Albert.

„Dann fällt Ferris gleich tot um“, sagte Roger Lutz. „Und dich stecke ich dann mit dem Kopf nach unten in den Bach, weil ich deine dusseligen Reden nicht mehr hören kann.“

Albert zog es vor, zu schweigen.

Die Hütte eignete sich wirklich hervorragend als Standquartier, wenn sie auch etwas baufällig war. Allein die Tatsache, daß sie in einem Gebüsch stand, war von großem Vorteil, denn Le Testu und seine sieben Begleiter konnten sicher sein, daß sie auch bei Tag nicht entdeckt wurden, weder von der Wasser- noch von der Landseite. Der Bach versorgte sie mit dem erforderlichen Trinkwasser. Was wollten sie mehr? Besser hätten sie es nicht treffen können.

Sie kehrten zu der Jolle zurück, legten den Mast um und zogen das Boot an Land. Mit vereinten Kräften schleppten sie es in das Dickicht und hinter die Hütte, so daß es von See aus ebenfalls nicht zu sehen war.

Die Männer setzten sich in der Hütte zusammen, und Le Testu ließ eine Flasche Wein kreisen, die er von Bord der „San Lorenzo“ mitgenommen hatte.

„Wir bleiben erst mal hier“, sagte er. „Nach Mitternacht noch in Arica Erkundungen vorzunehmen, ist zu riskant.“

„Ja“, pflichtete Montbars ihm bei. „Wenn es etwas früher gewesen wäre, hätten wir uns in die eine oder andere Kneipe schleichen und den Gesprächen lauschen können.“

„Oder eine Señorita anquatschen können“, sagte Donald Swift. Sofort bekam er seinen üblichen verträumten Blick.

„Schlag dir das aus dem Kopf“, sagte Le Testu. „Wir sind nicht deswegen unterwegs, vergiß das nicht.“

„Einen Vorteil hätten wir, wenn wir jetzt noch aufbrechen würden“, sagte Al. „Wir hätten den Schutz der Dunkelheit.“

„Morgen früh müssen wir darauf verzichten“, sagte Le Testu. „Aber dann herrscht in den Straßen und Gassen mehr Betrieb, und wir fallen weniger auf als jetzt.“

„Ja, das sehe ich ein“, sagte Al.

„Außerdem haben wir Zeit“, sagte Ferris.

„Ich schlage vor, wir genehmigen uns eine Mütze voll Schlaf“, sagte Le Testu. „Morgen – oder vielmehr heute früh – sind wir dann frisch und ausgeruht.“

„Und munter“, sagte Grand Couteau. „Und wir finden die Pulverdepots der Dons auf Anhieb, wetten?“

„Ich an deiner Stelle würde nicht zu optimistisch sein“, warnte ihn Roger Lutz. „Sobald wir Arica betreten, kann es unliebsame Überraschungen geben. Keiner wird uns auf Anhieb entlarven, aber wenn wir Pech haben, kriegt man leicht heraus, daß wir keine Spanier sind.“

„Los, schlaft jetzt erst mal“, sagte Le Testu. „Macht es euch so bequem wie möglich. Wer übernimmt die erste Wache?“

„Ich“, erwiderte Montbars.

„Gut. Auf einen Posten wollen wir nicht verzichten, sicher ist sicher.“ Le Testu legte noch fest, wer die nächsten Wachen übernehmen sollte, dann baute er sich ein einfaches Lager zurecht und rollte sich darauf zusammen. Binnen kurzer Zeit war er eingeschlafen.

Neben ihm streckten sich auch die anderen auf ihren Schlafstellen aus. Montbars, der vor der Hütte seinen Posten bezog, lauschte ihrem Schnarchen und grinste ein bißchen. Wer schläft, sündigt nicht, dachte er, und mit den Señoritas ist nichts, ihr habt’s ja gehört.

Etwas später unternahm er einen kleinen Rundgang. Er konnte den kleinen Bach gurgeln und plätschern hören. Einmal vernahm er auch ein Knacken im Unterholz eines nahen Waldes und ging in Lauerstellung. Dann sah er einen Nachtvogel, der aufstieg und kurz darauf verschwand. Er grinste wieder und beendete seinen Rundgang.

Vampire, dachte er, hier soll es sie geben. Richtige Blutsauger, die nachts ihre Verstecke verlassen und nicht nur Tiere, sondern auch Menschen anfallen.

Gibt es sie oder gibt es sie nicht? Er beschloß, die anderen danach zu fragen. Diese Neue Welt war ein seltsames Land, das immer neue Rätsel und Wunder bot. Nur die Spanier waren hier fehl am Platze, wie sie auch in Le Testus, Montbars’ und Alberts Heimat, der Bretagne, nichts zu suchen hatten.

Man sollte sie ins Meer treiben, dachte Montbars, als er sich in der Nähe der Hütte niederließ und auf das schwärzliche Wasser der Bucht blickte.

Le Testu war früh auf den Beinen und trat zu Grand Couteau hinaus, der inzwischen Wache hatte.

„Wie sieht’s aus?“ fragte er ihn.

„Die ganze Nacht ist ruhig verlaufen.“

„Und es wird ein schöner Tag, was?“

„Schön sonnig“, brummte Grand Couteau. „Zu Hause liegt jetzt Schnee, und die Leute schlagen sich im Wald ihre Weihnachtsbäume. Hier gibt es nicht eine einzige lausige Tanne, scheint mir.“

„Hast du Heimweh?“

Grand Couteau blickte Le Testu an und grinste. „Das nicht. Aber ich kann mir Weihnachten nun mal schlecht ohne Schnee vorstellen. Und ohne Nadelbaum. Das ist alles.“

Le Testu ging zum Bach und wusch sich. Als er zur Hütte zurückkehrte, waren fast alle aufgestanden, bis auf Donald Swift und Albert.

Donald beugte sich über Albert, berührte dessen Schulter und flüsterte: „He – bist du tot?“

Albert wandte den Kopf und sah ihn böse an. „Ich bin sehr lebendig und fühle mich sauwohl. Das paßt dir wohl nicht, was?“

„Kannst du keinen Spaß vertragen?“

„Gib mir mal einen Zweig, damit ich mich unter der Achselhöhle kratzen kann.“

Montbars blickte die beiden nachdenklich an. „Was meint ihr, gibt es hier Vampire?“

„Was für Dinger?“ fragte Albert entsetzt. „Diese Biester, die einem das Blut aussaugen?“

„In Tacna hat’s sie nicht gegeben, warum sollen sie hier sein?“ fragte Donald ziemlich verständnislos.

„Ist nur so ’ne Frage von mir“, sagte Montbars. „Ist mir heute nacht eingefallen.“

„Die Tiere soll es geben“, sagte Le Testu, der gerade eintrat. „Karl von Hutten hat es mir mal gesagt. Das sind größere Fledermäuse mit dolchspitzen Zähnen. Sie übertragen die schlimmsten Krankheiten wie Pest und Cholera.“

„Das reicht mir“, sagte Albert. Er stand auf und schüttelte sich. „Warum brechen wir nicht endlich nach Arica auf?“

„Nach dem Frühstück geht es los“, sagte Le Testu.

Sie wagten es, in dem Steinofen der Hütte ein Feuer zu entfachen und Wasser zu kochen. Jeder hatte seine Muck dabei, und zu dem heißen Wasser gab es einen kräftigen Schuß Rum. Ferris Tucker verteilte Schiffszwieback und Speck. Schweigend kauten die Männer darauf herum.

„Wir bilden Zweiergruppen“, sagte Le Testu anschließend. „Die Gruppen brechen nacheinander auf. Montbars, du bist mit mir zusammen. Ferris, du gehst mit Al. Roger und Grand Couteau bilden die dritte Gruppe. Albert und Donald, ihr bleibt hier bei der Hütte als Wachtposten zurück.“

„Was?“ stieß Albert erbost aus. „So war das aber nicht vereinbart!“

„Willst du gegen meine Befehle motzen?“ fragte Le Testu – und Montbars sah Albert derart durchbohrend an, daß dieser es wieder mal vorzog, seinen Mund zu halten.

Die Männer traten vor der Hütte zusammen, und Le Testu gab seine vorläufig letzten Anweisungen. „Ferris und Al – ihr werdet euch speziell mit dem Morro de Arica beschäftigen.“

„Klarer Fall“, sagte Ferris. „Morros sind unsere Spezialität.“

„Denkt auch an die sonstigen Hafenbatterien.“

„Uns entgeht so leicht nichts, keine Sorge“, sagte Al.

„Montbars und ich richten unser Augenmerk auf Munitions- und Vorratslager“, sagte Le Testu. „Roger und Grand Couteau, ihr habt festzustellen, wie stark das Stadtgefängnis besetzt ist und wie es bewacht wird.“

„Ja, Monsieur“, sagte Roger Lutz. „Und vielleicht läuft uns bei der Gelegenheit auch unser Freund, der Hurensohn von einem Sargento, über den Weg.“

„Du weißt, wie meine Order lautet“, sagte Le Testu noch einmal. „Jeder Ärger muß vermieden werden. Was das Stadtgefängnis betrifft, ist es wichtig für uns, zu erfahren, ob die Dons wieder Arbeitskräfte für den Transport nach Potosi sammeln.“

„Was sehr wahrscheinlich ist“, sagte Ferris. Von dem Unternehmen zur Sklavenerfassung im Tacna-Tal wußten sie ja, daß Trupps aus Arica losgeschickt worden waren – oder noch unterwegs waren –, um Sklaven einzutreiben. Irgendwo mußten die armen Teufel zusammengepfercht werden, und da tippte Le Testu eben ganz einfach auf das Gefängnis von Arica.

„Spätestens vor Einbruch der Dunkelheit sollten die drei Trupps wieder bei der Hütte sein“, sagte Le Testu. „Dann können wir hier weitere Schritte beraten. Das ist alles. Viel Erfolg, und paßt auf euch auf.“

Sie zogen nacheinander los, als erste Le Testu und Montbars, dann Ferris und Al, dann Roger Lutz und Grand Couteau. Es war inzwischen ungefähr zehn Uhr.

Albert blickte ihnen nach, bis sie im Gebüsch verschwunden waren.

„Na, dann wünsche ich einen schönen Tag“, sagte er zu Donald. „Wollen wir hier über Vampire quatschen oder uns blöd anglotzen – oder hast du einen besseren Vorschlag?“

Donald grinste. „Ich habe Würfel dabei. Wie wär’s mit einer Runde?“

Alberts Augen nahmen einen besonderen Glanz an. „Das hättest du aber auch gleich sagen können. Um was würfeln wir?“

„Meinetwegen um deinen Buckel.“

„Ich hab’ doch gar keinen richtigen – ach, hör auf. Mußt du mich auch noch auf den Arm nehmen?“

„Ich werde es nicht tun“, versprach Donald. „Los, ich stifte einen Silberling als Einsatz. Aber aufgepaßt, unsere Wachsamkeit darf nicht nachlassen.“

„Das tut sie auch nicht“, sagte Albert. Er blickte sich aufmerksam nach allen Seiten um, ehe er nach den Würfeln griff und sie in den hohlen Händen durcheinanderschüttelte. Dann ließ er die Würfel in den Sand fallen. Alle drei zeigten die Eins.

„Wie findest du das?“ fragte Albert.

„Das fängt ja gut an“, sagte Donald. Er hob die Würfel auf. „Aber wenn ich zwei Sechsen und eine Eins werfe, was ist dann?“

„Du kriegst sie nicht.“

Donald würfelte – zwei Sechsen und eine Fünf. Albert stieß einen leisen Pfiff aus. Wieder nahm er die Würfel auf – und so ging es weiter, während die sechs anderen Männer sich anschickten, Arica zu betreten.

„Wir sind Seeleute, vergiß das nicht“, sagte Le Testu, als sie sich den Hafenanlagen von Arica näherten. „Wer dich auch anspricht, du antwortest auf spanisch.“

„Ich vergesse es nicht“, sagte Montbars. „Aber dieser Hafen ist größer, als ich ihn mir vorgestellt habe.“

„Arica soll an die dreißigtausend Einwohner haben“, sagte Le Testu. „Das hat Pater Franciscus mir erzählt, als wir in seinem Tal waren.“

„Donnerwetter.“ Montbars verfolgte aus wachen Augen den regen Betrieb, der am Kai herrschte. Nein, dort konnten sie wirklich nicht auffallen. Sie blieben völlig unbeachtet, als sie sich unter die Männer und Frauen mischten, die unterwegs waren und ihren verschiedenen Tätigkeiten nachgingen.

In einiger Entfernung entdeckten sie auch zwei Soldaten der Stadtgarde, aber die waren sehr schnell wieder in einer der Gassen verschwunden. Der Patrouillendienst schien lax zu sein, kein Mensch wurde kontrolliert.

„Die fühlen sich sehr sicher, was?“ zischte Montbars seinem Freund zu. „Aber das ändert sich noch.“

„Da vorn“, sagte Le Testu. „Könnte das nicht ein Waffendepot sein?“

Sie näherten sich einem wuchtigen Bau aus Quadersteinen, der festungsähnlich zwischen den anderen Häusern am Hafen aufragte. Hier verharrten sie eine Weile und konnten beobachten, wie ein Soldat erschien, das Tor des Gebäudes öffnete und darin verschwand. Kurz darauf schob ein anderer Soldat das Tor von innen auf, sprach ein paar Worte zu dem Mann, der eingetreten war, und verließ das Gebäude. Er schritt davon, ohne sich umzusehen.

„Das war die Wachablösung“, sagte Le Testu. „Hast du was erkennen können?“

„Ja, durch den Torspalt“, erwiderte Montbars leise. „Der Bau ist voll mit Waffen. Schuß-, Hieb- und Stichwaffen. Lafetten und Geschützrohre. Kugeln aller Kaliber. Mehr habe ich nicht sehen können.“

Le Testu grinste. „Das reicht ja auch. Es ist also wirklich ein Depot. Vielleicht sind im Inneren noch mehr Soldaten, nicht nur der eine.“

„Ja, das ist möglich.“

Das Depot befand sich in der südlichen Hälfte des Hafens – also ganz in der Nähe des Morro de Arica. Zu diesem Gemäuer schauten Le Testu und Montbars eine Weile auf, dann schritten sie weiter.

Kurze Zeit darauf entdeckten sie nördlich des Depots, etwa in der Mitte des Hafens, hinter dem Kai mehrere Holzschuppen, in denen Lebensmittel, Fässer und Schiffsausrüstungen gelagert waren.

Montbars stieß Le Testu mit dem Ellenbogen an.

„Da könnte man ein bißchen zündeln“, murmelte er. „Keine schwierige Arbeit. Aber das Depot müssen wir sprengen, daran führt kein Weg vorbei.“

„Die Ladungen müssen entsprechend stark sein, sonst stürzen die Mauern nicht ein“, sagte Le Testu. „Na, das werden wir noch ausgiebig genug mit Ferris und Al besprechen.“

Ferris Tucker und Al Conroy hatten sich unterdessen in die Nähe des Morros begeben und setzten sich dort unter einen Baum, von dem aus sie nahezu die ganze Anlage überblicken konnten. Sie wirkten wie zwei harmlose Seefahrer, die gerade erst eingetroffen waren und sich die Stadt ansahen.

Mit gleichmütigen Mienen verfolgten sie, wie Soldaten das Gemäuer verließen und andere es betraten. Ein Marketenderwagen rollte heran, das Tor wurde ganz geöffnet, und Ferris und Al hatten eine günstige Gelegenheit, in den Hof zwischen den verschiedenen Festungsgebäuden zu blicken.

„Sieh dir die dicken Mauern an“, sagte Ferris.

„Es sind nicht nur die dicken Mauern, die mir zu denken geben“, sagte Al.

„Mein lieber Mann“, sagte der rothaarige Riese. „Diese Befestigungsanlage ist eine ziemlich harte Nuß. Sie ähnelt einem kleinen Küstenfort, ist ganz von der Mauer umgeben und gespickt mit Kanonen.“

„Kanonen ziemlichen Kalibers“, brummte Al.

Sie betrachteten die Rohre der Geschütze, die zwischen den Zinnen hervorragten.

„Ja, das sind wohl alles Culverinen“, sagte Ferris. „Auch ein paar Demiculverinen, aber die sind nicht der Rede wert. Auch die zwei Minions da oben nicht.“

„Es sind Falkons“, sagte Al.

„Ist mir auch recht“, sagte Ferris. „Hast du gesehen, daß innen, am Fuß der Anlage ein Steinturm aufragt?“

Al pflückte eine kleine Blume und lächelte. „Klar. Ein trutziges Ding. Das Flachdach ist ebenfalls mit Zinnen und Schießscharten versehen. Und dort oben sind Drehbassen aufgebaut.“

Das Tor war inzwischen wieder geschlossen worden, der Marketenderwagen befand sich im Inneren der Festung. Ferris hatte den Turm aber noch deutlich in Erinnerung: viereckig und aus dicken Steinquadern gemauert, mit länglichen Schlitzen, wahrscheinlich an allen vier Seiten, die als Schießscharten dienten.

„Jawohl“, murmelte er. „Es ist der Pulverturm.“

„Feine Sache“, brummte Al. „Da kommt keiner ran.“

„Scheiße“, sagte Ferris.

„Genau das“, pflichtete Al ihm bei.

Die ganze Anlage stand auf einer felsigen Landzunge, die zur Insel geworden war – durch menschliche Hand. Um ihren Morro zusätzlich zu sichern, hatten die Spanier einfach ein Stück der Landzunge weggesprengt und sie somit unterbrochen. Das fehlende Stück war durch eine Zugbrücke ersetzt worden, die vom Fort aus bedient wurde. Zur Zeit war sie heruntergelassen.

„Die Zugbrücke“, sagte Ferris leise. „Nachts ziehen sie sie garantiert hoch. Aber das müssen wir noch feststellen.“

„Wenn es dunkel wird“, sagte Al.

„Na schön“, sagte Ferris. „Und wenn wir wissen, daß die Dons ihre verdammte Zugbrücke hochkurbeln, was haben wir dann gewonnen?“

„Verlierst du schon die Geduld?“

„Nein. Ich frage mich nur, wie wir an den Klotz herankommen.“

„Mit einem Boot natürlich“, sagte Al. „Die einzige Möglichkeit ist, nachts an den Morro heranzupullen, um ihn zu knacken. Wir müssen über die Mauer weg und bis zum Pulverturm vordringen.“

Ferris grinste dünn. „Bestens, dein Plan. Du vergißt nur die Wachtposten und die Kanonen. Bilde dir bloß nicht ein, daß die Dons pennen. Darauf können wir uns nicht verlassen.“

„Das tue ich auch nicht“, entgegnete Al. „Und uns wird schon noch was Besseres einfallen.“

Sie erhoben sich wieder und schlenderten davon, um nicht aufzufallen. Langsam lenkten sie ihre Schritte dem Hafen entgegen, als seien sie im Begriff, zu ihrem Schiff zurückzukehren. Dabei dachten sie unablässig darüber nach, wie man am besten in den Morro de Arica eindringen konnte. Aber es schien keinen anderen Weg zu geben – sie würden im Schutz der Dunkelheit mit einem Boot landen und die Mauer überklettern müssen.

Seewölfe Paket 23

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