Читать книгу Seewölfe Paket 3 - Roy Palmer - Страница 47

5.

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Das Knirschen ging durch Mark und Bein.

Jedem Seefahrer, der im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war, hätte es das Blut in den Adern kochen lassen.

Die Mannschaft der Schaluppe reagierte indessen mit schlaftrunkener, alkoholseliger Trägheit. Die Männer lagen an Deck, hatten sich dort zusammengerollt, wo sie in der Nacht zuvor randvoll in sich zusammengesunken waren. Keiner von ihnen hatte es noch geschafft, in die Kojen zu kriechen. Um so spürbarer fiel jetzt die morgendliche Kälte über sie her. Gähnend und frierend richteten sich die Männer halb auf, kniffen die Augen zusammen, rissen sie wieder auf, starrten in die Helligkeit des Tages und begriffen nicht, was dieses höllische Knirschen zu bedeuten hatte.

Simon Llewellyn Killigrew, der am Steuerbordschanzkleid kauerte, war als erster auf den Beinen. Die frische Seeluft ließ sein gerötetes Ferkelgesicht wie Feuer brennen. Er schwankte und mußte sich festhalten. Krächzend spie er aus.

Jäh ging ein Ruck durch den Schiffsrumpf.

Simon Llewellyn verlor das Gleichgewicht und schlug vornüber auf die feuchten Decksplanken. Schmerz stach durch sein Nasenbein, und der Geruch von Teer und Holz umnebelte seine ohnehin noch vom Alkohol beeinträchtigten Sinne. Er hörte die erschrockenen Stimmen der Männer und nahm wie durch Nebenschleier das Durcheinander wahr, das plötzlich entstand.

Keuchend wälzte er sich auf den Rücken und versuchte, sich aufzurappeln. Er schaffte es nicht, die Welt um ihn herum drehte sich noch immer.

„Elende Bastarde!“ schrie er schrill. „Hoffentlich trabt ihr bald an!“

Die beiden Männer, die sich ihm widerwillig näherten, unterdrückten ein Grinsen, als sie ihn auf die Beine stellten, Sie wollten ihn stützen und ihm helfen, das Gleichgewicht zu behalten.

„Weg, weg, verdammt noch mal!“ sagte Simon Llewellyn zischend. „Haltet ihr mich für einen Schwächling, der seine Knochen nicht allein senkrecht halten kann?“

Achselzuckend kehrten die Männer zu den anderen zehn Crewmitgliedern zurück, die noch ratlos herumstanden und versuchten, sich über die Lage klar zu werden.

Simon Llewellyn Killigrew lehnte sich mit dem verlängerten Rückgrat gegen das Schanzkleid. Er schnaufte, schluckte, schüttelte den Kopf, um die Benommenheit loszuwerden. Mit den Fingerkuppen der Rechten betastete er sein Nasenbein, das anzuschwellen begann, aber offensichtlich nicht gebrochen war.

Dann fiel sein Blick auf den Mast.

Die Segel waren aufgegeit, der Wind ließ die Takelage knarren, und die Wellen schmatzten gegen den Schiffsrumpf.

Aber die Schaluppe lag so ruhig wie eine eiserne Kanonenkugel im knöcheltiefen Uferwasser.

Simon Llewellyn stutzte, wirbelte herum und mußte sich abermals festhalten, um das aufkommende Schwindelgefühl zu bezwingen. Blinzelnd starrte er in die kabbelige See. Flecken von unterschiedlichen Schattierungen waren knapp unter der Wasseroberfläche zu erkennen. Der Blick des jungen Killigrew wanderte weiter, und im nächsten Moment erschrak er.

Zwanzig, dreißig Yards entfernt an Steuerbord ragten schroffe, scharfkantige Gesteinsformationen aus den dunklen Fluten.

Simon Llewellyn begriff. Und die Wut kochte so siedend heiß in ihm hoch, daß er sich am liebsten selbst in den Hintern gebissen hätte. Hölle und Teufel, sie waren auf eins dieser verdammten Riffs gelaufen! Das bedeutete, daß sie mehrere Seemeilen von der Nordküste Cornwalls entfernt sein mußten.

Wie, zum Teufel, war das passiert? Simon Llewellyn ballte die Hände in ohnmächtigem Zorn. Weder die Kriegskaravelle seines Vaters war zu sehen, noch die Küste.

„Ich will wissen, was hier los ist!“ schrie Simon Llewellyn mit sich überschlagender Stimme. „Was ist mit dem Anker? Wieso sitzen wir auf diesem verdammten Riff? Was fällt euch ein, einfach zu pennen und euch einen Scheißdreck um den Kahn zu kümmern? Bewegt euch gefälligst, ihr Drecksäcke, oder ich hänge euch eigenhändig am Mast auf!“

Wutentbrannt wippte Simon Llewellyn auf den Zehenspitzen, ohne jedoch seinen Platz zu verlassen.

Die Männer waren nüchtern geworden. Zwei von ihnen liefen zum Vorschiff. Drei andere hasteten unter Deck, und die übrigen begannen, Trossen und Taljen zusammenzutragen. Verächtliche Blicke trafen den aufgeblasenen Killigrew-Sproß, der mit ungeduldig verkniffenem Ferkelgesicht das Geschehen verfolgte.

Einer der Männer kehrte vom Vorschiff zurück.

„Die Ankertrosse ist gekappt worden, Sir.“

Simon Llewellyn schluckte. Sein Gesicht färbte sich dunkelrot. Einen Moment lang sah es aus, als wollte er sich auf den Mann stürzen.

„Willst du mich zum Narren halten?“ flüsterte er gefährlich leise, und dann steigerte sich seine Stimme zu einem schrillen Diskant. „Das gibt es doch überhaupt nicht, Mann! Wer von euch Bastarden hatte Ankerwache? Los, heraus damit!“

„Niemand, Sir. Sie hatten keine Ankerwache eingeteilt.“

„Was nimmst du dir heraus!“ schrie Simon Llewellyn. „Willst du mich verscheißern? Ich werde dir zeigen ...“

Er wurde unterbrochen.

Einer der Männer, die unter Deck nach dem Rechten gesehen hatten, lief auf ihn zu.

„Sir, der Kahn fängt an zu lecken! Spanten und Planken sind nicht gebrochen, aber es suppt ziemlich wild herein. Ich denke, wir sollten ...

„Hier denkt nur einer!“ fauchte Simon Llewellyn. „Ich brauche Kerle, die parieren. Nichts anderes. Ist das klar?“

Der Mann, bullig, untersetzt und aschblond, preßte die Lippen aufeinander und schwieg.

„Ist das klar?“ wiederholte Simon Llewellyn drohend.

„Aye, Sir“, antwortete der Bullige mit mühsam unterdrücktem Zorn.

„Na also. Warum nicht gleich so, Stopforth. Ich werde dieses Schiff jetzt wieder flottmachen, und zwar im Handumdrehen.“

„Aye, aye, Sir“, sagte der bullige Stopforth gepreßt. „Wie lauten Ihre Befehle?“

Simon Llewellyn Killigrew verschränkte die Arme auf dem Rücken und beugte sich wippend vor.

„Bin ich ein Hellseher?“ fragte er spöttisch und herablassend. „Wo hast du dein Handwerk gelernt, Stopforth? Hast du noch nicht kapiert, daß ein Kapitän genaue Informationen braucht, bevor er eine Entscheidung treffen kann?“

„Doch, Sir, ich ...“

„Siehst du, Stopforth“, sagte Simon Llewellyn ölig. „deshalb wäre ich dir jetzt sehr zu Dank verpflichtet, wenn du mir mitteilen würdest, an welcher Stelle unser hübsches Schiff Wasser zieht.“

Der Bullige schluckte die Demütigung, ohne mit der Wimper zu zukken. Nur in seinen eisgrauen Augen entstand ein böses Glimmen.

„Dehnungsfugen in der Bodenwegerung, Sir. An Steuerbord, etwa mittschiffs. Ich nehme an, daß wir auf einem ziemlichen Brocken festsitzen. So leicht wird es nicht sein ...“

„Was du annimmst, interessiert nicht, Stopforth. Du hast Feststellungen zu treffen und mir zu melden. Mehr nicht. Was dann passiert, ist meine Sache. Klar?“

„Aye, aye, Sir“, sagte Stopforth knurrend. In einem Anflug von bissiger Herausforderung fügte er hinzu: „Und was passiert, Sir?“

Simon Llewellyn Killigrew reckte das fleischige Kinn und zog die Augenbrauen hoch. Er ahnte nicht, daß er sein Gegenüber damit bis aufs Blut reizte, ihm die Blasiertheit aus dem Gesicht zu prügeln.

„Beiboot abfieren. Anker fünfzig Yards nach achtern ausbringen. Und dann hol euch der Teufel, wenn ich den Kahn nicht in einer halben Stunde von diesem lächerlichen Felsklumpen gezogen habt!“

Stopforth und seinem Nebenmann klappten die Kinnladen herunter.

„Das kann nicht Ihr Ernst sein, Sir“, sagte der Bullige entgeistert. „wenn wir so verfahren, wie Sie sagen, reißen wir der Schaluppe glatt den Bauch auf. Außerdem müssen wir erstmal die Pumpen einsetzen, bevor wir überhaupt ...“

Simon Llewellyn Killigrew stieg auf die Zehenspitzen und ballte wutentbrannt die Hände.

„Ich habe einen klaren Befehl gegeben, Stopforth! Was erdreistest du dich, daran Kritik zu üben? An die Arbeit, Mann! Oder muß ich dir und den anderen erst Beine machen?“

Stopforth schüttelte ungläubig den Kopf und wechselte einen fassungslosen Blick mit seinem Nebenmann. Dann gab sich der Bullige einen entschlossenen Ruck.

„Sie können mich mal, Killigrew. Sie können mich mal sonstwo. Wir sind doch nicht verrückt und halten uns an diesen Blödsinn, den Sie da verzapfen.“ Er legte seinem Nebenmann die Hand auf die Schulter, und beide wandten sie sich ab, ohne den jungen Killigrew noch zu beachten.

Simon Llewllyn schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Dann riß er den Mund auf, und seine Stimme klang so schrill und geifernd wie das Zetern eines Waschweibs im Hafen von Plymouth.

„Sofort hierher, Stopforth! Stehenbleiben, Mann! Das ist Meuterei! Glatte Meuterei! Du wirst dich dafür verantworten müssen! Jetzt und auf der Stelle! Wer sich meinen Befehlen widersetzt, ist ein Meuterer! Und jeder von euch dreckigen Bastarden weiß, welche Strafe auf Meuterei steht! Zum Teufel, Stopforth, hoffentlich bist du bald hier und stellst dich deiner Aburteilung wie ein Mann!“

Stopforth drehte sich nur kurz um.

„Im Augenblick haben wir Wichtigeres zu tun, Mann. Später können Sie Ihr idiotisches Urteil fällen. Aber nicht jetzt.“

Simon Llewellyn verschlug es die Sprache. Auf seiner roten Gesichtshaut entstanden weiße Flecken, er brachte kein Wort hervor, obwohl er sich bemühte, seine Wut hinauszuschreien. Mit kreisrunden Augen sah er, wie Stopforth die Leute einteilte.

„Vier Mann an die Pumpen! Porter und Mevyn, ihr nehmt das Beiboot und bringt einen Anker nach Backbord aus. Irgendwo in den Riffs findet ihr eine passende Stelle. Alle anderen an den Handläufer! Aber gezogen wird erst auf mein Kommando!“

Die Männer spritzten los und beeilten sich auf geradezu freudige Weise, die Anordnungen auszuführen. Dabei bedachten sie den wutschnaubenden Killigrew-Sproß mit unverhohlenem abfälligem Grinsen.

Simon Llewellyn hatte unterdessen seine Stimmbänder wieder in der Gewalt.

„Stopforth!“ keifte er, stemmte die Fäuste in die Hüften und wippte in zunehmend heftigerem Rhythmus auf den Zehenspitzen. „Stopforth, du meldest dich auf der Stelle bei mir! Du wirst dich für deine Unverschämtheit verantworten! Verdammter Hurensohn, willst du wohl parieren? Mit welchem Recht nimmst du dreckige Kreatur es dir heraus, dich meinen Befehlen zu widersetzen? Du und alle anderen, ihr werdet dafür zur Rechenschaft gezogen! Das schwöre ich euch, so wahr ich Kapitän dieses Schiffes bin!“

Stopforth, der beim Abfieren des Beibootes mit zugepackt hatte, drehte sich abrupt um und stapfte auf den ferkelgesichtigen Killigrew zu. Zornesadern schwollen an den Schläfen des bulligen Mannes.

Simon Llewellyn erbleichte, als Stopforth ihn mit beiden Fäusten am Kragen packte.

Unbändiger Haß funkelte in den Augen des gedemütigten Mannes, seine wutverzerrte Miene ließ keinen Zweifel darüber, daß er nicht mehr gewillt war, sich wie ein verdammter Narr behandeln zu lassen.

„Jetzt reicht es, Mann“, sagte er leise, beinahe flüsternd. „Wie war das? Hurensohn? Dreckige Kreatur? Oder habe ich mich verhört?“

Simon Llewellyn keuchte. Der harte Griff des Mannes raubte ihm den Atem.

„Stopforth“, entgegnete er ächzend. „reiß dich zusammen. Es wird dir später verdammt leid tun, wenn du jetzt ...“

Blitzartig löste der Bullige die Rechte vom Kragen des jungen Killigrew, holte aus und schlug mit der flachen Hand zu.

Es hatte den Anschein, als würde Simon Llewellyns Kopf durch die Wucht des Hiebes vom Rumpf getrennt. Er schrie gellend auf, schüttelte sich und versuchte vergeblich, sich aus den abermals erbarmungslos zupackenden Fäusten Stopforths zu befreien. Die linke Wange Killigrews schwoll in Sekundenschnelle mit glühender Röte an.

„Elendes Miststück!“ brüllte Stopforth in überschäumender Wut. „Drekkiger Leuteschinder! Noch dazu mit Stroh im Kopf! Wenn einer hier an Bord krepiert, dann bist du es! Bilde dir nicht ein, daß du auf uns herumtrampeln kannst, wie es dir gerade paßt!“

Der Bullige stieß den Ferkelgesichtigen gegen das Schanzkleid.

Erneut schrie Simon Llewellyn auf, diesmal in nackter Todesangst, Er zweifelte nicht mehr daran, daß Stopforth allen Ernstes vorhatte, ihn über Bord zu stoßen.

Unvermittelt wurden Rufe laut. Die Männer, die ihre Arbeit für Minuten unterbrochen hatten, gaben dem Bulligen aufgeregte Handzeichen.

„Mastspitzen!“ rief einer. „Steuerbord voraus!“

Stopforth wandte den Kopf nach links. Mit schmalen Augen spähte er in die angegebene Richtung.

In der Tat.

Lateinersegel schoben sich über die durch den morgendlichen Dunst verschwommene Kimm. Kurz darauf war eindeutig zu erkennten, daß es sich um eine Dreimastkaravelle handelte.

Stopforth lockerte seinen Griff, als er sah, daß die Karavelle ihren Kurs änderte und mit vollem Zeug auf die havarierte Schaluppe zurauschte.

Simon Llewellyn Killigrew sank in sich zusammen wie ein aufgeschlitzter Mehlsack. Mit dem Rücken an das Schanzkleid gelehnt, blieb er schnaufend liegen. Die Todesängste und die nervliche Anspannung der letzten Minuten waren mehr gewesen, als er verkraften konnte.

Seewölfe Paket 3

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