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7.

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Mit sieben Faden Wassertiefe unter dem Kiel dümpelte die Schaluppe sanft im Wellengang. Der Einmaster lag jetzt etwa fünfzig Yards achteraus von der Karavelle. Stopforth und seine Männer warteten darauf, Segel zu setzen und sich der „War Song“ auf der Suche nach der „Isabella“ anzuschließen.

Gleich nachdem sie die Schaluppe vom Riff freigezogen hatten, war es Thomas Canter ohne große Mühe gelungen, die Dehnungsfugen in der Bodenwegerung abzudichten. Durch das Bergungsmanöver waren am Rumpf des Seglers keine weiteren Schäden entstanden.

Sullivan und Canter pullten mit dem Beiboot zum „War Song“ zurück. Die Trosse war inzwischen wieder eingeholt worden.

„Ein Segen“, sagte Canter lächelnd, „daß wir endlich die verdammte Killigrew-Sippe vom Hals haben.“

Sullivan wiegte bedenklich den Kopf.

„Ich weiß nicht recht. Irgendwann und irgendwie müssen wir den Alten und sein Söhnchen loswerden. Und ich garantiere dir, daß die beiden danach Himmel und Hölle in Bewegung setzen werden, um uns Verdruß zu bereiten.“

Canters Lächeln schwand.

„Wahrscheinlich hast du recht“, sagte er düster. „Teufel, ich mag noch nicht daran denken, wie die Sache mal ausgehen könnte.“

Sullivan zuckte mit den Schultern.

„Sobald wir uns mit der Isabella-Crew zusammengetan haben, werden wir einen Ausweg finden, denke ich. Die Burschen haben uns eine Menge voraus, und sie wissen, wie man mit Bastarden vom Schlage eines Sir John Killigrew umzuspringen hat.“

Thomas Canter nickte wortlos, doch aus seiner Miene war der zweifelnde Ausdruck noch nicht gewichen.

Zügig manövrierten sie das Beiboot zu die Backbordseite der „War Song“ heran. Da sie zu sehr ihren Gedanken nachhingen, fiel ihnen die ungewöhnliche Ruhe an Bord nicht auf. Es waren Männer von der Stammcrew der „War Song“, die die Taue herabwarfen und schweigend das Beiboot emporhievten.

Als Sullivan und der Schiffszimmermann über das Schanzkleid stiegen, traf sie der Schock.

Die Fassungslosigkeit nagelte sie förmlich auf den Decksplanken fest.

Breitbeinig und grinsend stand Sir John Killigrew neben dem Großmast. In seiner Rechten ruhte eine schwere Steinschloßpistole, deren großkalibrige Laufmündung ohne das geringste Zittern auf Sullivan gerichtet war.

Auch die übrigen Männer der Killigrew-Meute waren bewaffnet – einige mit Handfeuerwaffen, die restlichen mit Entermessern und Spaken und Belegnägeln. Und sie hielten die Stammcrew der Karavelle in Schach, die es nicht riskierte, einen Kampf gegen die zahlenmäßig überlegenen Halunken aufzunehmen.

Wie ein Hofhund auf dem Sprung stand der narbengesichtige Corduroy neben dem alten Killigrew. Der Blick des Narbigen war leicht glasig, doch in seinen Augen glomm überdeutlich die Mordlust, und das funkelnde Messer in seiner Faust unterstrich dies noch.

„Aus der Traum, Sullivan“, sagte Sir John höhnisch. „Wir beide hätten eher abrechnen sollen. Aber der Zeitpunkt ist jetzt vielleicht gerade richtig.“

Killigrew hob die Pistole mit ausgestrecktem Arm und visierte Sullivan voller Ruhe an. Der Bootsmann war in seinen Augen jetzt nicht mehr als ein in die Enge getriebenes Stück Wild, das nur noch den Fangschuß brauchte.

Sullivan brachte kein Wort hervor. Er preßte die Lippen aufeinander, daß sie einen dünnen Strich bildeten. Er spürte, wie die Wut übermächtig in ihm emporkochte, und es gab nichts, womit er diese grenzenlose Wut noch unterdrücken konnte. Es war zu spät, die eigene Pistole zu ziehen und zu feuern. Ohnehin waren seine Gedanken wie ausgelöscht.

Nur noch der instinktive Überlebenswille und der unbändige Zorn auf dieses alte Schlitzohr bestimmten seine Reaktion.

Sullivan sah, wie sich der Zeigefinger Sir Johns langsam zu krümmen begann.

In dem stämmigen Bootsmann brannte die Lunte durch.

Mit einem heiseren Schrei schnellte er vorwärts und überbrückte die Distanz von drei, vier Schritte traumhaft schnell.

Sir John zog durch. Dumpf wummernd entlud sich die Steinschloßpistole, nachdem das Pfannenpulver zischend gezündet hatte.

Aber ein bewegliches Ziel ist immer ein schlechtes Ziel, das mußte Sir John in dieser Sekunde feststellen.

Sullivan fühlte einen glühenden Schmerz, der wie ein Brenneisen über seinen Schädel strich. Es brachte ihn nicht aus der Fassung, sondern stachelte seinen Zorn nur noch mehr an.

Sir John fand keine Zeit mehr, die Pistole am Lauf zu packen und dem Bootsmann das eisenbewehrte Griffstück auf den Kopf zu schmettern.

Sullivans Faust traf ihn wie ein Rammstoß gegen die Brust.

Sir John taumelte rückwärts, seine Schritte wurden schneller, und er ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht einzufangen.

Sullivan setzte sofort nach.

„Macht sie fertig!“ brüllte er wild.

Es war das Signal, das alles auslöste.

Thomas Canter stürzte sich auf den narbengesichtigen Corduroy, der seine Verwirrung und seine Benommenheit noch nicht vollends überwunden hatte.

Indem sie sich mit wildem Gebrüll gegenseitig anfeuerten, stürmten die Männer der Stammcrew auf die Killigrew-Meute los. Das Zeichen, das ihr Bootsmann gesetzt hatte, gab ihnen neuen Mut und die wilde Entschlossenheit, das Blatt nun doch noch zu wenden.

Schüsse krachten, doch der Feuerzauber war nur von kurzer Dauer. Die Männer der „War Song“ hatten das Überraschungsmoment auf ihrer Seite, und so richteten die Kugeln der Killigrew-Meute keinen nennenswerten Schaden an, abgesehen von den Holzsplittern, die sie aus Spanten und Masten fetzten.

Rufus war es, der sich allen voran jener Front entgegenwarf, durch die sie auf dem Vordeck abgeriegelt worden waren. Ohne daß es eines Kommandos bedurfte, wußten Rufus und die anderen, daß es für sie jetzt nur ein Ziel gab, das von entscheidender Bedeutung war: zum Achterkastell durchzudringen.

Die Männer der „War Song“ verfügten lediglich über Belegnägel und Spaken. Aber da die Schußwaffen der Gegner abgefeuert waren und keine Zeit zum Nachladen blieb, hatte sich die Lage ausgeglichen.

Sullivan trieb den alten Killigrew mit gnadenlosen Fausthieben vor sich her. Ein Schlag, den er von unten herauf führte, schleuderte die Pistole Sir John in hohem Bogen über das Steuerbordschanzkleid. Durch den Kampfeslärm war es nicht zu hören, wie die Waffe klatschend ins Wasser fiel.

Ein letzter Hieb brachte Sir John endgültig aus dem Gleichgewicht. Die Kraft, die hinter Sullivans Faust saß, hob den alten Killigrew um etliche Zoll von den Planken und ließ ihn der Länge nach auf den Rücken krachen.

Der Bootsmann kreiselte auf dem Absatz herum.

Eine torkelnde Gestalt flog ihm entgegen. Dorduroy, der Narbige, von unbarmherzigen Rammstößen des riesenhaften Schiffszimmermanns getrieben. Angesichts der Körperkraft Canters wirkte das Messer, das Corduroy noch immer krampfhaft in der Faust hielt, geradezu lächerlich.

Sullivan empfing den Narbigen, indem er kurzerhand das Knie hob und es ihm ins verlängerte Rückgrat stieß.

Corduroy knickte fast nach hinten zusammen. Er warf die Arme hoch, ruderte und suchte nach einem Halt, den es nicht gab. Canter war zur Stelle, bevor Sullivan ein zweites Mal eingreifen mußte.

Ein brettharter Faustschlag des Schiffszimmermanns traf den Messerarm des Narbigen. Klirrend landete die Klinge auf den Decksplanken. Sofort schickte Canter einen zweiten Hieb hinterher, der Corduroys Kopf in den Nacken rucken ließ.

Sullivan packte den Narbigen, nutzte dessen Schwung aus und schleuderte ihn in Richtung Vordeck. Zwei, drei Männern der Killigrew-Meute wurden durch den heranschliddernden Bewußtlosen die Beine unter dem Leib weggerissen.

Reaktionsschnell setzten ihre Gegner aus der Stammcrew der „War Song“ nach, und wiederum war es Rufus, der wie ein hagerer Teufel voranstürmte und seine Kameraden mit gellenden Kampfesschreien anfeuerte.

Sullivan und Canter verständigten sich durch ein Handzeichen. Aus den Augenwinkeln heraus sahen sie noch, wie Hornblows strohblonder Haarschopf im Niedergang zur Kapitänskammer auftauchte. Ohne darüber nachdenken zu müssen, wußten sie in diesem Moment, was passiert sein mußte. Es war erleichternd und ermutigend zugleich, daß die Killigrew-Strolche es in der Eile offenbar versäumt hatten, den blonden Hünen umzubringen.

Und Hornblow stürmte mit langen Sätzen herbei, als Sullivan und Canter der bereits zurückweichenden Killigrew-Mannschaft in den Rükken fielen.

Die Fäuste der drei Männer schlugen eine Bresche. Ihr mit Vehemenz geführter Angriff verfehlte seine demoralisierende Wirkung nicht. Die bislang verbissen kämpfende Front der Killigrew-Meute bröckelte auseinander.

Rufus und die anderen stießen mit Triumphgeschrei in die entstandene Lücke vor und trieben die Gegner nach beiden Seiten auseinander. Nur wenige von der Stammcrew hatten sich in der Eile Entermesser verschaffen können, mit denen sie jetzt erbarmungslos auf die Gefolgsleute Sir Johns einstachen.

Sullivan und Canter ließen ihre Fäuste wirbeln, daß die Schädel krachten. Hornblow sah unvermittelt einen der Kerle vor sich, die ihn am Fuß des Niedergangs zur Kapitänskammer überwältigt hatten – Flanagan, ein hochgewachsener Rotschopf mit ungesunder bleicher Gesichtsfarbe. Und dieser Flanagan war es gewesen, der Hornblow den fast tödlichen Hieb mit dem Belegnagel versetzt hatte.

Der blonde Hüne konnte seinen Zorn nicht mehr stoppen. Von wilder Entschlossenheit getrieben, griff er sich den Rotschopf, bevor dieser ausweichen konnte. Hornblow zog ihn aus dem Gewühl der Kämpfenden heraus, zerschmetterte seine verzweifelte Abwehr mit einem einzigen Fausthieb und gab ihm im nächsten Moment den Rest. Zwei blitzartige Schläge, hinter denen Hornblows ganze urgewaltige Muskelkraft saß, trafen Flanagan in den Nakken und brachen ihm das Genick. Der Mann war tot, noch bevor er auf die Decksplanken stürzte.

Irgendwo im Kampfgetümmel schrie einer der Killigrew-Männer mit sich überschlagender Stimme seinen Schmerz hinaus. Blut rann auf die Planken. Die Männer der Stammcrew verstanden es, ihre Entermesser wirkungsvoll einzusetzen.

Die entstandene Bresche vergrößerte sich.

Sullivan sah den vierschrötigen Hanks vor sich auftauchen und schickte ihn mit zwei trockenen Schlägen zu Boden.

„Durch zum Achterkastell!“ brüllte Sullivan, und seine Donnerstimme übertönte den Kampfeslärm. „Zeigt es den Hundesöhnen! Macht sie fertig!“

Ein freudiges Johlen der Stammcrew war die Antwort. Das Beispiel, das ihnen ihr Bootsmann gegeben hatte, verursachte eine nachhaltige Wirkung. Die Männer waren jetzt nicht mehr aufzuhalten. Und Sir Johns Crew, ohnehin bereits stark dezimiert, vermochte der wilden Angriffswut der zuvor noch zahlenmäßig unterlegenen Mannschaft Sullivans nur noch wenig entgegenzusetzen.

Während sich die Männer der „War Song“ bereits ihren Weg durch die beiseite weichenden Gegner bahnten, war Sir John unvermittelt wieder auf den Beinen. Vor dem Steuerbordschanzkleid, durch seine kämpfenden Gefolgsleute abgeschirmt, rappelte er sich auf und schüttelte die Benommenheit schlagartig ab, als er die Lage zu überblicken begann. Seine Schläfenadern schwollen an.

„Packt die elenden Dreckskerle!“ brüllte er. „Verdammt nochmal, laßt sie nicht durch! Wollt ihr ihnen wohl Zunder geben! Sonst mache ich euch Beine!“

Noch einmal flackerte der Widerstandswille der Killigrew-Mannschaft auf. Mit neuer Entschlossenheit, und auch aus Angst vor dem Zorn Sir Johns, versuchten die Männer, zu retten, was zu retten war.

Aber der überwiegende Teil der Stammcrew hatte bereits das Achterkastell erreicht. Sullivan, Canter, Hornblow und Rufus standen in vorderster Front, noch auf dem Deck der Kuhl, und lieferten den nachsetzenden Killigrew-Männern ein Rückzugsgefecht, gegen das kein Kraut gewachsen war.

Die Fausthiebe von Sullivan und seinen Getreuen trieben einen Angreifer nach dem anderen zurück.

Sir Johns Wutgeschrei, das vom Steuerbordschanzkleid herüberscholl, half nichts mehr. Der zusammengeschmolzene Haufen seiner Männer wich endgültig zurück.

Sullivan und die anderen erreichten das Deck des Achterkastells. Sie hatten einen unschätzbaren Teilerfolg errungen. Aber sie wußten auch, daß ihnen nur eine kurze Verschnaufpause gewährt werden würde.

Noch unsicher auf den Beinen, beschloß Sir John, seinen Befehlsstand auf dem Vordeck einzurichten. Auf dem Weg dorthin traktierte er seine Männer ununterbrochen mit heiser gebrüllten Befehlen.

„Laßt die Bastarde nicht vom Achterdeck herunter! Schafft die Bewußtlosen weg! Los, los, bewegt euch, ihr Lahmärsche! Kümmert euch um die Leute, daß sie wieder auf die Beine kommen! Sherrard, Morse, trabt an! Aufs Vordeck mit euch, an die Drehbassen!“

Die beiden Männer beeilten sich, dem Befehl ihres Kapitäns Folge zu leisten.

Schnaufend unterbrach Sir John Killigrew sein Gebrüll. Die ohnmächtige Wut, die ihn gepackt hatte, bescherte ihm eine nie gekannte Atemnot. Dieser Hurensohn von einem Bootsmann hatte es tatsächlich geschafft, wieder einmal Oberwasser zu behalten. Aber dabei sollte es nicht lange bleiben. Das schwor sich Sir John, wobei er die Fäuste zusammenpreßte, daß die Knöchel weiß hervortraten.

Halbwegs beruhigt stellte er fest, daß Sullivan und die Stammcrew auf dem Deck des Achterkastells offensichtlich noch beratschlagten. Ein sofortiger neuer Ausfallversuch war also nicht zu erwarten.

„Sir, die Schaluppe!“ rief Morse, der die Drehbasse an Steuerbord besetzt hatte, aufgeregt.

Der alte Killigrew wandte sich ruckartig um.

Tatsächlich segelte der Einmaster schräg von achtern auf die Steuerbordseite der Karavelle zu und war kaum noch dreißig Yards entfernt. Deutlich zu erkennen war die gespannte Haltung der Männer an Deck.

Sir John dachte nicht daran, erst lange abzuwarten, für welche Seite sie sich entscheiden würden. Mit beiden Fäusten stützte er sich auf die Balustrade des Vordecks, beugte sich vornüber und blies ihnen den Marsch, daß sie die Köpfe einzogen.

Zur Bekräftigung der Worte Sir Johns schwenkte Morse die Drehbasse herum und richtete sie auf die Mannschaft der Schaluppe. Jeder dort unten wußte, welche verheerende Wirkung das gehackte Blei aus dem Lauf der schweren Waffe anrichten würde.

„Laßt euch keine Schwachheiten einfallen!“ brüllte der alte Killigrew. „Wenn ihr Drecksäcke euch nicht augenblicklich besinnt, welchem Kommando ihr untersteht, dann lasse ich euch in Fetzen schießen! Habt ihr das kapiert?“

Stopforth wollte aufmucken, aber die anderen packten ihn an den Schultern, zogen ihn zurück und redeten beschwörend auf ihn ein. Für sie sah es so aus, als beherrsche Sir John die Lage an Bord der Karavelle. Der kleine Haufen Sullivans auf dem Deck des Achterkastells war nicht ermutigend genug, um sich gegen die Drohungen des alten Killigrew aufzulehnen.

Und Sullivan verhielt sich abwartend. Er konnte es nicht verantworten, die Mannschaft der Schaluppe gegen Sir John aufzuwiegeln. Denn immerhin war Sullivan selbst noch nicht hundertprozentig davon überzeugt, daß sie im Kampf gegen die Killigrew-Meute auch weiterhin bestehen würden.

„Was ist mit meinem Sohn?“ schrie Sir John. „Ihr verdammten Bastarde, hoffentlich kriege ich bald eine Antwort!“

Deutlich war der Crew auf der Schaluppe die wachsende Nervosität anzusehen. Noch immer standen sie dichtgedrängt um Stopforth und redeten auf ihn ein.

Sullivan und seine Getreuen beobachteten es mit wachsender Spannung. Wie würde Stopforth entscheiden? Und auf welche Seite würden sich seine Crewmitglieder schlagen?

„Ich gebe euch noch eine Minute!“ rief der alte Killigrew wutentbrannt. „Dann …“

Er brach ab, denn unvermittelt löste sich Stopforth aus dem Haufen der anderen und trat an das Backbordschanzkleid der Schaluppe.

„Ihrem Sohn ist kein Haar gekrümmt worden, Sir!“ rief er. „Aber ich muß gestehen, daß ich ihm das Kommando abgenommen habe, weil er die Schaluppe durch ein völlig unsinniges Mannöver vom Riff ziehen wollte. Dabei wären noch weitaus größere Schäden entstanden. Deshalb konnte ich nicht anders als …“

„Fasele nicht herum, Mann!“ unterbrach ihn Sir John. „Ich will Simon Llewellyn sehen, und ihr unterstellt euch meinem Kommando. Sonst reiße ich euch den Arsch auf, darauf könnt ihr Gift nehmen.“

„Es gibt da noch eine Sache, Sir“, entgegnete Stopforth kleinlaut. Er zögerte, weiterzureden.

„Was, verdammt noch mal?“ brüllte der alte Killigrew ungeduldig.

„Ihr Sohn hat gedroht, mich wegen Meuterei zu verurteilen“, antwortete der Bullige. „Dabei habe ich doch nur das Beste gewollt. Ich wollte, daß wir unser Schiff nicht unnötig beschädigen. Ich konnte es einfach nicht verantworten, das mitzumachen, was Ihr Sohn Vorhatte. Aber wenn ich deshalb zum Tode verurteilt werden soll …“ Er sprach nicht weiter.

Sir John überlegte nur einen Moment. Ihm war klar, daß er jetzt nicht lange fackeln durfte, wenn er eine Entscheidung herbeiführen wollte. Es schien offenkundig, daß die Crew der Schaluppe hinter Stopforth stand. Deshalb mußten sie besänftigt werden. Denn für einen Sieg über Sullivan und seine hirnrissigen Bastarde konnten sie von ausschlaggebender Bedeutung sein.

„Vergiß es, Mann! rief Sir John deshalb in seiner gut gespielten gönnerhaften Art. „Wir werden die Angelegenheit später klären. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich weiß, daß Simon Llewellyn manchmal durchdreht und die verrücktesten Sachen anstellt. Also, was ist jetzt?“

Freudige Rufe ertönten an Deck der Schaluppe.

„Wir stehen unter Ihrem Kommando, Sir!“ schrie Stopforth strahlend. Die Furcht vor der angedrohten Todesstrafe war stärker gewesen als all seine anderen Überlegungen.

Sir John Killigrew lächelte zufrieden und voller Selbstherrlichkeit.

Die Männer auf dem Deck des Achterkastells waren fassungslos.

„Schweinehunde“, sagte Rufus zornig, „die drehen sich wie ein Blatt im Wind.“

„Ist das ein Wunder?“ entgegnete Hornblow. „Alles, was irgendwann mal unter einem Killigrew-Kommando gestanden hat, ist Abschaum. Wir hätten damit rechnen müssen.“

Sullivan drehte sich um.

„Das stimmt nicht ganz, was du sagst, Hornblow. Auch der Seewolf ist ein Killigrew, und auf seine Mannschaft treffen deine Worte weiß Gott nicht zu.“

Der blonde Hüne senkte den Kopf.

„Natürlich nicht. Ich meine doch nur diesen alten Halunken und seinen widerwärtigen Sproß.“

Sullivan nickte, doch ein Lächeln brachte er nicht zustande. Er und die anderen beobachteten erbittert, was sich an Deck der Schaluppe abspielte.

Stopforth und seine Männer befreiten Simon Llewellyn Killigrew von seinen Fesseln. Sie mußten den Ferkelgesichtigen stützen, nachdem sie ihm auf die Beine geholfen hatten. Er war noch nicht in der Lage, sich aus eigener Kraft aufrecht zu halten. Und er brachte es ebenfalls noch nicht fertig, seinen Mund aufzureißen und das gewohnte Geschrei anzustimmen.

Die Crew der Schaluppe führte ihn zum Backbordschanzkleid, damit Sir John ihn sehen konnte.

„Simon Llewellyn!“ brüllte der alte Killigrew. „Bist du so weit bei Verstand, daß du mich hören kannst?“

„Zum Teufel, ja“, antwortete sein Sohn krächzend. „Diese Dreckskerle haben meine Befehle mißachtet. Sie werden wegen Meuterei …“

„Nichts werden sie! Halt endlich den Rand! Sieh dich um, vielleicht kapierst du dann, was hier los ist! Du tust ab sofort nur noch das, was ich dir sage. Ist das klar?“

„Ja“, sagte Simon Llewellyn mit dümmlichen Gesichtsausdruck.

Sullivan und die anderen hatten genug gehört. Für den Bootsmann gab es keine Illusionen darüber, was die geänderte Lage an Konsequenzen bringen konnte. Aber er war fest entschlossen, diesen Killigrew-Bastarden einen harten Kampf zu liefern. Und Sullivan wußte, daß seine Crew wie ein einziger Mann hinter ihm stand.

Denn für sie alle ging es jetzt nur noch um Leben oder Tod.

Die Meute des alten Killigrew hatte das Deck der Kuhl abgeriegelt. Soweit Sullivan es überblicken konnte, verfügten sie über drei Musketen und etwa die gleich Anzahl von Pistolen, außerdem über Entermesser, Spaken und Belegnägel. Die beiden Drehbassen auf dem Vordeck mußten natürlich ebenfalls in die Rechnung mit einbezogen werden.

Aber es gab einen unschätzbaren Vorteil, den die Stammcrew der „War Song“ auf ihrer Seite hatte.

Sullivan drehte sich zu den Männern um, behielt jedoch gleichzeitig die Killigrew-Mannschaft und auch die Schaluppe im Auge.

„Wir haben die Pulverkammer“, sagte der Bootsmann leise, „und wir haben die Waffenkammer. Das ist jetzt verdammt wichtig für uns. Mahoney!“

„Sir?“ Der Rudergänger trat vor.

„Deine Aufgabe ist es, für Nachschub aus der Pulverkammer zu sorgen. Ich will kein Pulverfaß hier auf Deck haben, damit wir womöglich alle in Fetzen gerissen werden. Deshalb sorgst du dafür, daß wir ständig genügend gefüllte Pulverflaschen für die Handfeuerwaffen und fertige Pulvermaße für die Drehbassen haben. Kugeln und gehacktes Blei werden vorher heraufgeschafft. Rufus und Hornblow, ihr unterstützt Mahoney bei den Vorbereitungen. Viel Zeit haben wir wahrscheinlich nicht mehr. Wenn ihr fertig sei, meldet ihr euch sofort wieder bei mir. Mahoney, du bleibst selbstverständlich in der Pulverkammer.“

„Aye, aye, Sir“, antworteten die Männer wie aus einem Mund und hasteten den Niedergang hinunter.

Mit schmalen Augen blickte Sullivan zum Vorschiff, wo der alte Killigrew breitbeinig in Herrscherpose stand und halblaute Anweisungen an seine Leute gab.

Sullivan war sich darüber im klaren, daß die Lage festgefahren war. Aber wenn die Schaluppe nicht zum Zug kam, standen die Chancen immer noch fünfzig zu fünfzig.

Seewölfe Paket 3

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