Читать книгу Seewölfe Paket 18 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 48

8.

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Die „Santa Teresa“ schien ein bedrohliches Eigenleben entwickelt zu haben. Denn tief im Innern des Schiffes ächzte und knackte es an allen Ecken und Kanten, obwohl sich die See längst beruhigt hatte.

Gemeinsam mit seinem Ersten Offizier und dem Teniente, der die Seesoldaten befehligte, unternahm Don José Isidoro einen Inspektionsrundgang über die Decks.

Im untersten Stauraum waren die von den Deserteuren eingeschlossenen Männer inzwischen befreit worden. Isidoro gewährte ihnen indessen keine Pause. Er hatte ihnen lediglich ein halbes Dutzend weitere Decksleute zur Verstärkung geschickt damit sie weiter pumpten.

„Es muß einen Weg geben, die ‚Santa Teresa‘ flottzukriegen“, sagte Isidoro, während er sich mit dem Ersten zurück auf das Achterdeck begab. Der Teniente blieb bei dem Rest seiner Leute auf der Kuhl. „Die Sturmschäden an Deck können wir mit Bordmitteln beheben. Damit wird beim ersten Tageslicht begonnen.“

„Und dann, Capitán?“ entgegnete der Erste mit einem Anflug von Spott. „Ist Ihnen klar, daß wir bei Flut auf das Riff gebrummt sind? Was meinen Sie, was passiert, wenn die Ebbe einsetzt!“

„Das weiß ich selber“, fauchte Isidoro. „Wenn ich sage, daß wir einen praktikablen Weg finden müssen, dann vor Einsetzen der Ebbe.“

„Das wird aber bereits vor der Morgendämmerung der Fall sein“, sagte der Erste beharrlich. Beinahe klang es, als fände er Gefallen daran, daß die „Santa Teresa“ dem Untergang geweiht war. Zumindest gefiel es ihm, seinem stets besserwisserischen Kapitän in diesem Punkt um eine Nasenlänge voraus zu sein.

„Na und?“ Isidoro starrte ihn an. „Wozu haben wir die Männer an den Pumpen? Wozu haben wir einen Schiffszimmermann, der Lecks abdichten kann? Und wozu haben wir Leute, die ein Beiboot bemannen können?“

„Stimmt alles“, sagte der Erste trocken, „nur haben wir kein Beiboot mehr.“

Don José Isidoro verschluckte sich fast. Der Denkfehler war ihm in der Aufregung unterlaufen, und, verdammt noch mal, er gönnte dem Ersten diesen Triumph nicht. Er setzte zu einer Erwiderung an.

Doch ein warnender Schrei von der Kuhl ließ ihn stumm bleiben.

„Achtung! Fremde Schiffe! An Steuerbord!“

Isidoro und der Erste Offizier wirbelten herum. Ihnen gefror das Blut in den Adern.

Wie Schemen tauchten sie aus dem Nebel auf.

Sieben Einmaster waren es, die in gestaffelter Formation heranglitten – lautlos und siegessicher wie Schakale, die sich auf einen todkranken und hilflosen Tiger stürzen.

Und sie waren so nahe, daß sie fast schon herüberspucken konnten.

„Alarm!“ brüllte Isidoro. „Klar Schiff zum Gefecht!“

Auf der Kuhl gerieten die Seesoldaten in Bewegung. Doch ihre Zahl war erbärmlich, verglichen mit der Übermacht, die von Steuerbord herannahte. Zwei Männer hasteten zu den Luken, um die anderen aus dem Stauraum zu holen.

Der Erste Offizier zog seinen Säbel.

„Sie sind ein Optimist“, sagte er grimmig, „das Pulver in den Kartuschen ist feucht geworden. Glauben Sie, wir schaffen es noch, die Geschütze zu entladen und nachzuladen?“

Er sollte recht behalten.

Nicht einmal die Musketen und Pistolen konnten sie noch einsetzen. Und es blieb keine Zeit, trockenes Schwarzpulver aus der Pulverkammer herbeizuschaffen.

Die Männer, die an den Pumpen geschuftet hatten, stürzten in panischer Hast an Deck. Der Stückmeister warf ihnen Säbel und Entermesser zu, die sie im Vorbeilaufen auffingen, während sie an die Steuerbordverschanzungen eilten.

Unterdessen gingen die beiden ersten Einmaster bereits auf Enterkurs. Wildes Gebrüll ertönte an Bord der Piratenschiffe.

Don José Isidoro, der ebenfalls seinen Säbel gezogen hatte, beobachtete zähneknirschend das Geschehen. Er fluchte auf sich, daß er die Deckslaternen hatte anzünden lassen. Eine bessere Orientierungshilfe hatte er diesen Küstenhaien nicht geben können. Aber jetzt war es für solche Überlegungen zu spät. Es half auch nichts mehr, die Laternen noch zu löschen. Im bevorstehenden Enterkampf war es da schon besser, wenn man den Gegner sehen konnte.

Auch die übrigen Offiziere hatten sich mittlerweile auf dem Achterdeck versammelt und die Säbel blankgezogen. Wie es ihrem Rang entsprach, würden sie nicht gemeinsam mit den Mannschaften auf der Kuhl und auf der Back kämpfen.

Immer lauter brüllten sich die Piraten ihren vorzeitigen Triumph aus dem Leib, und sie trafen damit die Verteidiger an Bord der „Santa Teresa“ auf den entscheidenden Nerv.

Mit killenden Segeln glitten die beiden ersten Schaluppen auf die Steuerbordseite der spanischen Galeone zu. Capitán Isidoro und seine Männer konnten bereits das Weiße in den Augen der Piraten sehen – und ihre blitzenden Zähne, während sie ihr siegessicheres Gebrüll ausstießen.

Und noch eins wurde deutlich: Die Übermacht der Schnapphähne war erdrückend. Den zwei Dutzend Männern, über die Isidoro – einschließlich der Seesoldaten – noch verfügte, standen mehr als doppelt so viele Piraten gegenüber.

Mit dumpfem Dröhnen stießen die beiden ersten Schaluppen nacheinander gegen die Bordwand der „Santa Teresa“. Mit gellenden Angriffsschreien und blitzenden Blankwaffen enterten die Kerle, indem sie mit federnden Sprüngen aus den Wanten der Schaluppen über das Schanzkleid der Galeone schnellten.

Heftige Kämpfe Mann gegen Mann entbrannten auf der Kuhl der „Santa Teresa“. Noch waren Isidoros Decksleute und Seesoldaten in der Überzahl. Doch das änderte sich innerhalb von wenigen Minuten.

In kurzen Abständen, schon fast gleichzeitig, legten sich die restlichen Schaluppen Bordwand an Bordwand, und die gesamte wilde Meute der Piraten stürmte grölend über die Decks.

Als waffenstarrende Woge flutete dann die Masse der Angreifer über das Schanzkleid der Galeone.

Don José Isidoro schloß für eine Sekunde entnervt die Augen. War dies das Ende?

Nein, es durfte nicht sein. Er war entschlossen, zu kämpfen. Ebenso die anderen Offiziere, die mit angespannten Muskeln auf dem Achterdeck ausharrten.

Schon gellten die ersten Todesschreie. Die Männer der „Santa Teresa“ hielten sich tapfer, und sie kämpften mit dem Mut der Verzweiflung. Aber es hatte schon von Anfang an keinen Zweifel gegeben, daß sie der Übermacht niemals gewachsen waren.

Aus dem Getümmel auf der Kuhl löste sich unvermittelt eine Gruppe von Piraten. Ihre Säbel blitzten im Laternenlicht, als sie über beide Niedergänge zum Achterdeck aufenterten.

Isidoro vermochte nicht zu zählen, wie viele es waren. Alles ging viel zu schnell.

Der Dritte Offizier starb mit einem markerschütternden Schrei, als er die massierte Attacke von drei Angreifern zu parieren versuchte und dabei ins Stolpern geriet. Der Zweite wich zurück, als sich die Angriffswelle auf ihn konzentrierte. Ein einziger unsicherer Schritt von ihm genügte, und einer der Piraten schmetterte ihm den Säbel aus der Hand.

„Wartet nur“, knurrte Isidoro voller Grimm, „ein paar von euch schicken wir noch in die Hölle.“ Er verständigte sich durch einen Blick mit seinem Ersten Offizier. Da waren keine Differenzen mehr zwischen ihnen. Sie würden kämpfen, Seite an Seite, bis zum Letzten.

In kürzeren Abständen gellten jetzt die Schreie der Sterbenden auf dem Hauptdeck.

Isidoro sah sich plötzlich einem katzenhaft gewandten Burschen mit dunklem, breitkrempigem Hut gegenüber. Wollte der Bursche es tatsächlich allein mit ihm aufnehmen?

Aus dem Stand heraus riskierte Isidoro einen blitzschnellen Ausfall. Grenzenloses Erstaunen packte ihn, als der andere ihn leerlaufen ließ. Er hatte ihn unterschätzt. Dieser Mann gehörte zur Spitzenklasse.

Isidoro schaffte es nicht mehr, aus seinem Fehler zu lernen.

Als er herumwirbelte, um zu einem neuen Angriff anzusetzen, spürte er einen harten Schlag, der von seiner rechten Faust in den rechten Arm hinaufzuckte. Mit geweiteten Augen sah er, wie sein Säbel durch die Luft torkelte und über Bord fiel.

Auch der Erste und der Zweite Offizier waren entwaffnet worden und wurden jetzt von den Piraten in Schach gehalten.

Isidoros Gegner zog seinen breitkrempigen Hut, grinste und deutete eine Verbeugung an.

„Gestatten, mein Name ist Duvalier. Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Capitán. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß Sie und Ihre beiden Offiziere meine Gefangenen sind. Wenn Sie Glück haben, bleiben Sie am Leben – vorausgesetzt natürlich, daß Ihre Vorgesetzten in Pensacola ein hübsches Lösegeld zahlen.“

„Woher wissen Sie das?“ zischte Isidoro.

„Fünf Vögel haben es uns gezwitschert“, erwiderte Duvalier feixend. „Aber seien Sie unbesorgt: Die fünf zwitschern nicht mehr.“

Isidoro hatte das Gefühl, vor Wut platzen zu müssen. Er hatte es geahnt. Diese verdammten Deserteure waren verantwortlich für alles.

Hilflos mußten der Capitán und die beiden Offiziere mit ansehen, wie ihr Schiff ausgeplündert wurde. Außer ihnen gab es keine Überlebenden. Bereits eine halbe Stunde später hatten die Galgenstricke ihre Arbeit erledigt.

Isidoro und die Offiziere wurden auf eine der Schaluppen gebracht. Schwerbeladen setzten die Einmaster Segel und gingen auf Nordkurs. Mit brennenden Augen blickte Isidoro zurück. Erst jetzt sah er, daß der Morgen zu grauen begann. Und die Ebbe hatte eingesetzt.

Sie befanden sich noch in Sichtweite, als es geschah.

Vom Sturm zermürbt, brach die „Santa Teresa“ auseinander, als ihr die Fluten keinen Auftrieb mehr gaben. Innerhalb von Minuten waren die zersplitterten Wrackteile verschwunden.

Auch Duvalier sah es, und er fand seine Entscheidung bestätigt: Als Prise hatte diese Galeone nichts getaugt. Dafür standen lohnendere Objekte in Aussicht. Im Lake Borgne oder im Lake Pontchartrain waren diese beiden Objekte zu suchen, das hatten die Deserteure berichtet. Duvaliers Augen leuchteten voller Vorfreude.

Totenstille hatte sich über den Lake Pontchartrain gesenkt.

Mit dem Beginn des Morgengrauens hatten sich die Nebelschwaden nur ein wenig gehoben, waren aber nicht höher als die Schanzkleider der Galeonen gestiegen. Ben Brighton hatte deshalb kurzentschlossen das große Beiboot abfieren lassen, um nach Hasard und seinen Männern suchen zu lassen, die noch nicht zurückgekehrt waren.

Rufe wurden auf der „San Donato“ laut.

Wenige Minuten später sahen auch die Männer an Bord der „Isabella“ die große Jolle, die mit der Suchmannschaft unter dem Kommando von Ferris Tucker herannahte.

Atemlose Spannung entstand, niemand mochte auch nur einen Laut von sich geben. Ben Brighton lief hinunter zur Pforte im Schanzkleid, als die Jolle längsseits ging.

Ferris enterte als erster über die Jakobsleiter auf. Schon an seiner niedergeschlagenen Miene war abzulesen, wie die Suche ausgegangen war. Auch die übrigen Männer sahen deprimiert aus.

„Nichts“, sagte Ferris kopfschüttelnd, „vom Boot aus ist die Sicht wirklich hervorragend. Aber die ganze See ist wie leergefegt. Keine Spur von dem verdammten Spuk und keine Spur von Hasard und den anderen.“

Ben atmete tief durch.

„Hier geht es wirklich nicht mit rechten Dingen zu“, sagte er und preßte die Lippen aufeinander. Er war sich darüber klar, daß er einen schnellen Entschluß fassen mußte.

Nachdem die Jolle an Deck gehievt worden war, hielt er mit den Männern einen kurzen Kriegsrat. Die Entscheidung war schnell getroffen.

Sie würden ankeraufgehen und den gesamten Uferbereich des Sees absuchen. Die „San Donato“ mußte an ihrem Liegeplatz bleiben. Kanonenschüsse sollten bei Gefahr als Verständigung dienen.

Das rätselhafte Geschehen bedrückte Ben Brighton und die Arwenacks gleichermaßen.

In welche teuflische Falle waren sie diesmal geraten?

ENDE

Seewölfe Paket 18

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