Читать книгу Seewölfe Paket 18 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 56

6.

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Die vier Seewölfe, die mit Musketen, Degen und Entermessern bewaffnet an Land gegangen waren, hegten nicht gerade besondere Sympathien für die unübersichtliche Sumpflandschaft.

Die Bayous steckten voller Geheimnisse und Gefahren. Der Morgenwind, der durch das Schilf- und Rohrdickicht strich, klang wie das Wispern und Raunen eines unsichtbaren Geisterheeres. Gelegentlich raschelte es, wenn sich Sumpfhühner und andere Tiere einen Weg durch das oft mannshohe Schilf bahnten, oder es war ein dumpfes Klatschen zu hören, wenn sich ein Alligator beutehungrig ins Wasser schob.

Oft konnten die Arwenacks nicht sehen, was vier oder fünf Yards von ihrem eigenen Standort entfernt vor sich ging. Der Boden war an vielen Stellen feucht und schwammig, so daß jeder Schritt ein schmatzendes Geräusch erzeugte. Fast überall roch es nach Moder und Fäulnis.

Ja, vielleicht hatte Paddy doch recht, und sie hatten tatsächlich ein überirdisches Wesen gesehen, denn was sollte schon ein Mensch aus Fleisch und Blut in dieser düsteren Moorlandschaft verloren haben?

Ferris Tucker, Nils Larsen sowie Blacky und Matt Davies hatten sich etwa zweihundert Yards von der Jolle entfernt. Still und schweigsam, aber mit wachsamen Augen arbeiteten sie sich durch das Dickicht.

Da hörten sie plötzlich ein gedämpftes Kichern.

Ferris legte Nils Larsen, der ihm am nächsten war, die Hand auf die linke Schulter. Wie auf Kommando blieben alle stehen und lauschten.

„Das ist ein Vogel“, sagte Blacky flüsternd und wollte weitergehen.

Doch Ferris hielt ihn durch eine rasche Geste zurück.

„Das sind menschliche Laute“, sagte er mit leiser Stimme. „Wie es scheint, halten sich mehrere Kerle hier auf. Vielleicht haben sie auf den komischen Kauz, den wir gesehen haben, gewartet, und er berichtet ihnen jetzt von der ‚Isabella‘ und der Jolle.“

Das Kichern verstummte, dafür war jetzt ein undeutliches Murmeln zu hören. Sekunden später vernahmen die Seewölfe ein schrilles Lachen. Sie blickten sich fragend an. Ferris schien recht zu haben, es mußte sich um mehrere Personen handeln, denn wer lachte oder redete schon mit sich selber.

Vorsichtig setzten sie ihren Weg fort und spannten die Hähne ihrer Musketen. Sie wollten kein Risiko eingehen, es reichte schon, wenn Hasard und seine Mannen – wie es schien – spurlos verschwunden waren. Aber vielleicht führten sie gerade diese merkwürdigen Geräusche auf die Spur ihrer verschollenen Kameraden.

Das Kichern, Murmeln und Lachen wurde lauter. Es vermischte sich jetzt mit einem Rascheln und Klopfen. Die Arwenacks wußten, daß sie nicht mehr weit von der Quelle der Geräusche entfernt waren.

Ferris drehte sich zu Blacky um.

„Du bleibst besser hier zurück und übernimmst unsere Rückendeckung“, sagte er im Flüsterton. „Wenn man uns in eine Falle tappen läßt, ziehst du dich zurück und alarmierst unsere Leute auf der ‚Isabella‘. Sollte nichts passieren, hörst du den bekannten Pfiff und folgst uns.“

Blacky zeigte verstanden und postierte sich sofort hinter dem knorrigen Stamm eines weidenähnlichen Baumes.

Ferris, Nils und Matt pirschten weiter voran. Doch schon nach höchstens zwanzig Schritten mündete das schwammige Gelände unvermittelt in eine kleine, grasbewachsene Lichtung, die sich inmitten des Schilfs wie eine Insel ausbreitete.

Mitten auf dieser Lichtung sahen sie die merkwürdige Gestalt, die sie schon von der Jolle aus wahrgenommen hatten. Es handelte sich um einen verwildert aussehenden Mann, der in zerlumpter Kleidung steckte und gebückt über die Lichtung lief. Von Zeit zu Zeit stoppte er abrupt seine Schritte, kicherte und hieb dabei mit einem langen Aststück auf den Boden.

Die Seewölfe sahen sich entgeistert an. Sie hatten mehrere Personen erwartet, aber dieser Mann dort war allein. Und er war ohne Zweifel der Urheber all der eigenartigen Geräusche. Sprach und lachte er etwa mit sich selber? Handelte es sich um einen Verrückten? Und was hatte sein seltsames Treiben zu bedeuten?

„Er darf uns nicht entwischen!“ stieß Ferris Tucker hervor.

Nachdem sie sich mit raschen Blicken davon überzeugt hatten, daß sich sonst niemand in der Nähe aufhielt, schwärmten sie aus und brachten ihre Musketen in Schußposition.

„Halt, bleib stehen!“ rief Ferris den Mann an. Die Läufe von drei Musketen waren drohend auf die zerlumpte Gestalt gerichtet.

Der Mann hörte auf, mit dem Knüppel auf den Boden zu schlagen, und richtete sich auf. Er zeigte sich jedoch weder erschrocken noch sonderlich beeindruckt. Im Gegenteil, er kicherte und winkte den drei Seewölfen zu, als seien sie gute Freunde, deren Ankunft er längst erwartet hatte.

Auf das Zeichen Ferris Tuckers hin gingen sie mit langsamen Schritten auf den Mann zu. Er zeigte keinerlei Anstalten zu fliehen. Sie zogen ihren Kreis immer enger und verharrten schließlich in einem Abstand von wenigen Yards.

„Bist du allein?“, fragte Ferris Tucker.

Der Mann, dessen Alter schwer zu schätzen war und der abgerissen und verwahrlost aussah, nickte eifrig.

„Es ist sonst niemand hier“, erwiderte er, sehr zum Erstaunen der Arwenacks, in einwandfreiem Englisch. Seine Augen wanderten etwas unruhig von einem zum anderen. Mehrmals blieb sein Blick auf der spitzgeschliffenen Hakenprothese haften, die Matt Davies die fehlende rechte Hand ersetzte.

„Wer bist du?“ setzte Ferris Tucker seine Befragung fort. „Und was tust du hier inmitten der Sümpfe?“

Der Fremde zuckte mit den Schultern.

„Ich heiße Hank“, antwortete er, „Hank Turpin. Ich bin Engländer, lebe hier allein im Sumpf und kümmere mich um niemanden.“

„Aha“, sagte Ferris mit grimmigem Gesichtsausdruck. „Du vertreibst dir wohl die Zeit, indem du am Ufer herumfuchtelst und ehrsamen christlichen Seeleuten Rätsel aufgibst, wie? Und die restliche Zeit hüpfst du hier wie eine Vogelscheuche im Kreis herum und klopfst mit einem Prügel den Boden weich. Kein Wunder, wenn hier alles so schwammig ist.“

Hank Turpin grinste blöde.

„Der Boden ist immer weich“, sagte er. „Das hat nichts mit meinem Klopfen zu tun.“

„Was du nicht sagst!“ entfuhr es Nils Larsen. „Warum haust du dann zu wie ein Irrer? Verprügelst du etwa das Gras?“

Der verluderte Kerl grinste noch immer.

„Nein, aber ich jage Frösche und Schlangen. Meist kriege ich sie, indem ich sie mit meinem Knüppel totschlage. Es gibt hier viele Ochsenfrösche.“

Die Seewölfe waren verblüfft.

„Und was machst du mit dem Viehzeug?“ fragte Matt Davies.

„Frösche kann man essen“, lautete die lapidare Antwort. „Bei den Franzosen sind sie ein Leckerbissen.“

Matt schüttelte sich.

„Teufel noch mal, willst du uns vor dem Backen und Banken den Appetit verderben, he?“

„Nein, will ich nicht.“ Hank Turpin kicherte. „Du brauchst ja keine Frösche zu essen, wenn du nicht willst.“

Ferris Tucker schaltete sich ein.

„Jetzt laßt mal die Frösche in Ruhe“, sagte er knurrend. „Mir brennen ganz andere Fragen unter den Nägeln. Wir haben zwar mit Leuten, die in den Bayous leben, schon einschlägige Erfahrungen gesammelt, aber ich hoffe, daß du, Mister Turpin, da eine Ausnahme bildest und meine Fragen wahrheitsgemäß beantwortest. Wenn du aber versuchen solltest, uns aufs Kreuz zu legen, wirst du feststellen, daß wir verdammt ungemütlich werden können. Und vielleicht wird dann hier ausnahmsweise mal ein Engländer von den Ochsenfröschen gefressen statt umgekehrt.“

Turpin stützte sich auf sein Aststück und ließ wiederum sein merkwürdiges Kichern hören.

„Weißt du, an wen du mich erinnerst?“ fuhr Ferris fort.

„Nein.“

„An meine Großmutter, die hat nämlich auch immer so albern gekichert, wenn ich sie als kleiner Junge gekitzelt habe.“

Jetzt steigerte sich das Kichern Hank Turpins zu dem bereits wohlbekannten schrillen Lachen. Dieser Mann konnte unmöglich alle Mucks im Schapp haben, darüber waren sich Ferris Tucker und seine Mannen längst im klaren.

„Hör schon auf!“ befahl Ferris. „Erzähle uns lieber, was es mit diesem ‚schwebenden Haus‘ auf sich hat, das nachts auf dem Lake herumspukt.“

Turpins Gesicht wurde ernst.

„Ein schwebendes Haus? Willst du mich auf den Arm nehmen, Mister? Ich habe hier noch nie ein schwebendes Haus gesehen, weder bei Tage noch bei Nacht.“

„So genau mußt du das auch nicht nehmen“, fuhr Ferris fort. „Natürlich gibt es keine Häuser, die schweben. Es hat nur so ausgesehen. Höchstwahrscheinlich war es ein Kahn, der bei Nacht und Nebel über den See gefahren ist. Die Besatzung, von der nichts zu sehen war, hat gesungen und getrommelt. Manchmal hat es sich angehört, als würde jemand jammern und klagen. Du mußt das doch schon gesehen haben, wenn du hier lebst! Oder steckst du etwa selber dahinter, he?“

Hank Turpin schüttelte den Kopf.

„Ich weiß nicht, von was du redest, Mister, wirklich nicht. Vielleicht – vielleicht habt ihr ein Geisterschiff gesehen?“

„Danke“, sagte Ferris trocken. „Diese Version kenne ich schon. Vielleicht bist auch du nur ein Geist, der Geisterfrösche totschlägt, um sie auf eine höchst irdische Weise in die Pfanne zu hauen!“

Turpins Gesicht verzog sich wieder zu einem blöden Grinsen.

„Ich bin kein Geist, Mister!“

„Was du nicht sagst!“ Ferris trat von einem Fuß auf den anderen. „Ist dir wenigstens eine Jolle aufgefallen, die sieben Männer an Bord hat? Bei ihnen kann ich dir versichern, daß es sich nicht um Geister handelt, sondern um Kameraden von uns, die seit dem Auftauchen dieses ‚Spuk-Kahns‘ spurlos verschwunden sind. Wenn du wirklich Engländer bist und einen Funken Anstandsgefühl gegenüber deinen Landsleuten hast, dann wirst du uns helfen, diese Jolle samt ihrer Besatzung zu finden!“

„Tut mir leid, Mister“, erklärte Hank Turpin. „Ich würde dir gern helfen, aber ich habe nichts gesehen. Wie gesagt, kümmere ich mich um niemanden, und meistens bin ich irgendwo in den Sümpfen unterwegs …“

„… um Frösche und Schlangen totzuschlagen“, unterbrach ihn der rothaarige Schiffszimmermann. „Na schön, Mister Turpin, du wirst uns als Gefangener zu unserem Schiff, der ‚Isabella‘, begleiten. Es könnte ja sein, daß du irgendwann einen lichten Moment hast. Vielleicht fällt dir dann doch etwas ein, was uns weiterhilft. Mister Brighton, unser Erster Offizier, versteht sich durchaus darauf, mit Leuten umzugehen, die an Gedächtnisschwund leiden.“

Der verluderte Kerl ging den Seewölfen mit einem erneuten Kichern auf den Nerv.

„Da muß ich wohl gehorchen“, sagte er. „Vielleicht kann ich eurem Koch mal zeigen, wie man die Frösche …“

„Willst du wohl das Maul halten!“ rief Matt Davies. „Mir dreht sich sonst der Magen um, verdammt!“

„Dann behalte ich es eben für mich“, sagte Turpin und setzte eine beleidigte Miene auf.

Ferris, Matt und Nils konnten nicht umhin, ihn für einen Irren zu halten. Sein Benehmen ließ zumindest darauf schließen. Trotzdem stiegen manchmal Zweifel in ihnen auf. Wußte er nun etwas über das „schwebende Haus“ und die verschwundene Jollenbesatzung oder nicht? Täuschte er am Ende seine Verrücktheit nur vor? Ben Brighton wußte sicherlich besser mit ihm umzugehen. Der würde ihn ordentlich in die Mangel nehmen. Sie wollten auf jeden Fall nicht riskieren, ihn voreilig laufenzulassen, denn schließlich wollten sie Hasard und ihre Kameraden finden, koste es, was es wolle.

Der kleine Trupp setzte sich in Richtung Ufer in Bewegung.

Blacky, der die Stimmen gehört hatte, war längst am Rand der kleinen Lichtung aufgetaucht und hatte dort Stellung bezogen. Immer wieder hatte er neugierig zu seinen Kameraden und ihrem Gefangenen hinübergeäugt. Den größten Teil dessen, was gesprochen worden war, hatte er mitgekriegt.

Hank Turpin begleitete die Seewölfe offenbar bereitwillig. Leicht nach vorn gebeugt marschierte er zwischen Ferris Tucker und Nils Larsen. Seinen Knüppel hatte ihm Nils vorsichtshalber weggenommen, ebenso das Messer, das er im Gürtel getragen hatte. Man wußte ja nicht, auf welche Gedanken dieser Irre noch verfiel. Am Ende verwechselte er sie noch mit Ochsenfröschen und zog ihnen den knorrigen Knüppel über den Schädel. Sie wollten da gar nicht erst ein Risiko eingehen.

„Paddy wird die Klüsen aufreißen, wenn er das Gespenst sieht“, sagte Blacky feixend. „Hoffentlich springt er nicht vor Schreck ins Wasser und schwimmt davon, wenn wir mit diesem Kerl am Ufer auftauchen.“

„Das tut er sicher nicht“, sagte Nils. „Wenn Paddy auch abergläubisch ist, so findet er sich doch meist erstaunlich schnell mit den Realitäten ab.“

Die Seewölfe hatten mit ihrem Gefangenen ungefähr die Hälfte des Weges zurückgelegt, da blieben sie plötzlich wie festgenagelt stehen.

Aus der Ferne dröhnte eine donnernde Stimme durch den Sumpf.

„Ich werd’ nicht mehr!“ stieß Matt Davies hervor. „Das ist doch Ed!“

Sie konnten zwar kein Wort verstehen, aber der Klang sowie der Tonfall der Stimme überzeugten sie.

„Unverkennbar Edwin Carberry“, bestätigte nun auch Ferris Tucker.

Die vier Männer atmeten erleichtert auf und verzogen die Gesichter zu einem vielsagenden Grinsen. Wenn Ed irgendwo im Sumpf Zeder und Mordio brüllte, dann konnte das ihrer Meinung nach nur Gutes bedeuten.

Seewölfe Paket 18

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