Читать книгу Seewölfe Paket 11 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 12

8.

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Die in der Vorpiek eingesperrten Piraten begannen am nächsten Morgen mit einem Höllenkonzert. Sie schrien und brüllten durcheinander und rasselten mit den Ketten.

Smoky brachte ihnen etwas zu essen und frisches Trinkwasser.

Auch der Profos erschien mit einer Lampe in der Hand. Als sie sein narbiges Gesicht sahen, begann das Brüllen erneut.

„Laßt uns endlich raus, ihr Hunde!“ brüllte der Anführer.

Carberry musterte ihn lange im Schein der flackernden Lampe.

„Wenn du noch einmal dein Maul aufreißt“, drohte er, „dann ziehe ich dir als erstem die Haut von deinem Rattenarsch! Es bleibt dabei: Ihr werdet auf eine Insel gebracht, und dort könnt ihr tun und lassen, was ihr wollt. Dort könnt ihr auf den nächsten Kahn warten, falls in diesem Jahrhundert einer die Insel anläuft. Und jetzt will ich nur noch freundliche Nasenlöcher sehen, sonst hole ich die Neunschwänzige und lasse euch Halunken tanzen!“

Carberrys entschlossenes und grimmig verzogenes Gesicht beruhigte die Kerle augenblicklich.

Der Anführer schwieg, und damit verhielten sich auch die anderen ruhig.

„Ich bin froh, wenn wir diese verlauste Satansbrut endlich von Bord haben“, sagte er zu Smoky.

„Du sprichst mir aus der Seele. Ein anderer hätte die Kerle längst einen nach dem anderen an die Rah gehängt.“

Nach dem Essen wurde Wasser gemannt, und ein paar Eingeborene brachten Körbe voller Reis an den Strand, von dem es hier soviel gab wie im Land des Großen Chan.

Der Balian, der in Begleitung zweier Mädchen am Strand erschienen war, erklärte dem Seewolf, gegen Mittag, wenn die Sonne ihren höchsten Stand erreiche, würde das Fest des Affengottes beginnen. Sie hätten es schon zu lange hinausgeschoben und Hanuman würde sonst grollen und seinen Zorn nach ihnen schleudern.

Hasard hielt auch das für eine Einladung und nahm an.

Dann blickte er zum Wassertempel hinüber und wunderte sich über das große Bambusgerüst, das da am Strand stand.

„Für den Priester Atun“, erklärte der Balian. „Es ist seine Totenstätte. Nach dem Fest wird er verbrannt.“

Das Gerüst hatten sie anscheinend noch vor Sonnenaufgang gebaut.

Es war ein Turm aus Bambus und dem Holz des Wracks, von dem sie zersplitterte Planken genommen hatten.

Links, ganz dicht am Palmenwald, wo es zu den kleinen Geistertempeln der verstorbenen Ahnen ging, befand sich eine Bale, eine kleine Pfeilerhalle, die von allen Seiten offen war.

Der Balian führte den Seewolf und Ben Brighton darauf zu.

Er deutete auf holzgeschnitzte Tierköpfe, die die Bale zierten und prächtig bemalt waren.

„Das ist die Schlange Naga“, sagte der Balian, „das der Adler Garuda, das Schwein, die Schildkröte und der Stier. Atun kann nun eingehen in das Reich der Götter.“

Der Balian streckte die Arme aus, als wolle er alles umarmen. Doch damit deutete er an, daß es ein großes Fest werden würde.

„Die feiern hier anscheinend nur große Feste“, meinte Ben. „Mit kleinen fangen die gar nicht erst an.“

Sie sahen sich alles an, was der Balian ihnen erklärte, und immer wieder neue Eindrücke stürmten auf sie ein.

Mit den paar Brocken Polynesisch konnten sie sich mehr schlecht als recht verständigen, und immer wieder blieben Fragen offen, die nicht geklärt werden konnten. Aber es ging auch mit Gesten und umständlichen Beschreibungen.

Der Balian versuchte, den Seewölfen die Geschichte der Insel zu erklären, langsam und geduldig. Er erzählte von Göttern und Dämonen, von dem Tempel der Elefanten und dem heiligen Fluß, einem Blutstrom der Dämonen.

Dann vergingen noch einmal drei Stunden, und das Fest für Hanuman, den Affenkönig, begann. Wie alle Feste auf Bali wurde es in unmittelbarer Nähe des Strandes gefeiert.

Kecak wurde getanzt, und die Insulaner fungierten dabei wiederum als Helfer des Affenkönigs.

Immer lauter und wilder erscholl ein Ruf, der sich pausenlos wiederholte.

„Kecak! Kecak!“

Die Tänzer saßen in Fünferreihen auf dem Boden und streckten die Hände über ihre Köpfe. Sie beschworen den Affenkönig und deuteten Gesten der Versenkung an, die sich Hasard nicht erklären konnte. Der ganze Tanz blieb geheimnisvoll und fremd. Sie erfuhren lediglich, daß das Fest dazu diente, Gefahren oder drohendes Unheil abzuwenden, wie den zornigen Ausbruch des Gunung Agung, von dem immer noch leichter Rauch in den Himmel quoll.

Das Kecakfest würde am anderen Abend erst richtig weitergefeiert werden, erläuterte der Balian. Dies war nur eine Vorstufe davon, um den Gott zu besänftigen.

Die Seewölfe mußten essen und trinken, und immer wieder wurden fremdartige Speisen gereicht, bis sogar der Profos stöhnte.

„Wann nimmt denn das ein Ende?“ fragte Ed. „Wenn das noch lange weitergeht, habe ich mich restlos überfressen und kann nicht mehr laufen. Aber abschlagen darf man auch nicht, oder?“

„Ich glaube, es würde ihren Stolz verletzen“, sagte Hasard. „Ich selbst kriege auch nichts mehr runter.“

Sie saßen im Schatten unter einem riesigen Banyonbaum. Die Hitze, die hohe Luftfeuchtigkeit, das viele Essen und Trinken ließen sie matt und träge werden.

Der Balian war unermüdlich unterwegs, und etwas später herrschte unnatürliche Ruhe. Kein Insulaner war mehr zu sehen.

„Die werden ihr Mittagsschläfchen halten“, meinte Dan O’Flynn. „Kein Wunder bei den vielen Festen.“

„Das ist ziemlich unwahrscheinlich. Ich glaube, sie treffen immer noch ihre Vorbereitungen, um den Priester zu verbrennen.“

Mit der Vermutung behielt Hasard recht, denn es dauerte nicht mehr lange, und in der Luft lagen wispernde Stimmen, die sich anhörten wie ein Sprechgesang. Sie waren noch weit entfernt, aber die kehligen Laute ertönten zweifelsfrei aus dem Wald der vielen Tempel.

Hasard stand auf, seine Schläfrigkeit war verflogen. Die anderen folgten seinem Beispiel.

Geheimnisvolle Gamelanmusik erklang, von Instrumenten erzeugt, die vorerst noch unsichtbar blieben. Gleichzeitig schwoll auch der Sprechgesang an und wurde lauter.

Die ersten Eingeborenen erschienen, an ihrer Spitze der Balian und zwei weitere, im Rang niedriger stehende Medizinmänner. Ihnen folgte ein endlos langer Zug brauner Leiber.

Voran gingen buntgekleidete Mädchen. Auf ihren Köpfen trugen sie hohe Schalen, die mit allen Früchten gefüllt waren, die auf der Insel wuchsen. Zwischen den Früchten waren leuchtende Blumen gesteckt. Die Menge bewegte sich unter leisem Gesang in Richtung der kleinen Bale.

Es war kein Fest der Traurigkeit, wie es die Seewölfe aus anderen Ländern kannten. Die Beerdigung des Priesters hatte eindeutig fröhlichen und unbeschwerten Charakter.

Eine Gruppe junger und alter Männer folgte den Mädchen. Sie murmelten etwas, jemand sprach ein paar Worte vor, und gleich darauf erklang wieder die Gamelanmusik. Die Prozession wirkte unglaublich bunt und quirlte durcheinander, ohne daß scheinbar eine gewisse Ordnung eingehalten wurde.

Andere Männer trugen eine hölzerne Schlange, die aus einem Baumstamm geschnitzt war. Sie war mit Leder und bunten Tüchern geschmückt, und um die heilige Naga hatte man außerdem noch flatternde Bänder geschlungen und Blumen herumgewunden.

In feierlicher Handlung wurde die Schlange zum Totentempel geleitet, wo man sie niederlegte.

Opfergaben wurden bereitgelegt, eine bestimmte Gruppe eng beieinanderstehender Insulaner nahm vor der Bale Aufstellung.

Da Hasard keine Erläuterungen mehr erhielt, mußte er sich das meiste selbst zusammenreimen.

„Das sind vermutlich die engeren Verwandten des Priesters“, sagte er auf Carberrys unausgesprochene Frage.

„Glaubst du, es ist ihnen nicht lästig, Sir, wenn wir hier herumstehen?“ wollte Ed wissen.

„Nein, ganz bestimmt nicht. Wir verletzen nicht ihre Pietät, sonst hätte der Balian uns nicht ausdrücklich eingeladen.“

„Ein Stier“, sagte Smoky, kaum das der Seewolf zu Ende gesprochen hatte. „Was hat das denn zu bedeuten?“

Das wußte auch Hasard nicht, er nahm jedoch an, es handele sich dabei um einen ähnlichen Götzen wie die Schlange Naga oder den Affengott Hanuman.

Es war allerdings kein richtiger Stier, das sahen sie sofort. Aber er war verblüffend echt nachgebildet, auch was die Größe betraf.

Etliche Männer schleppten ihn und brachten ihn in die Nähe des Bambusturmes, wo sie ihn auf den Boden stellten.

Der Stier war schwarz mit großen aufgemalten Augen, silbern schimmernden Hörnern und einem gebleckten Gebiß, das freundlich zu grinsen schien. Ein sanftmütiger Stier also. Um den Hals trug er eine reich verzierte Decke, das gleiche über dem Hinterleib.

Zwei Männer gingen auf den Stier zu und hantierten an ihm herum. Eine Öffnung entstand im Stierleib, und in dem Halbdunkel erkannte man Bambusstangen und Felle. Das Gerüst verlieh dem Stier Halt und ließ ihn ungewöhnlich groß erscheinen.

Was es damit allerdings auf sich hatte, wußten die Seewölfe nicht, sie sollten es aber bald erfahren.

Vor der Bale wurden immer mehr Opfergaben niedergelegt. Die jungen Mädchen begannen laut zu beten.

Anschließend hielt der Balian eine feierliche Ansprache, breitete die Arme aus und zeigte zu dem Pagodenwald hinüber, wo die kleinen Geistertempel geheimnisvoll herüberschimmerten.

Dann wurde es still, so still, als hätte die ganze Insel Bali den Atem angehalten.

Fasziniert sahen die Seewölfe auf eine weitere Prozession, die sich dem Bambusturm und dem Stier näherte.

Sechs farbenprächtig gekleidete ältere Männer trugen den toten Priester Atun. Seine Leiche war in ein weißes Gewand gehüllt und mit Bändern umwickelt.

Stumm und mit mechanischen Schritten wurde der Tote in die offene Bale getragen und ebenso lautlos auf einen quadratischen Stein gelegt.

Es war ein merkwürdiges Zeremoniell, fanden die Seewölfe, denn statt mit den Totenfeierlichkeiten fortzufahren, schien es, als hätte jedermann das Interesse an dem toten Priester verloren.

Die Insulaner gingen herum und verteilten Früchte, setzten sich auf den Boden und aßen. Auch die Angehörigen, die in einer Gruppe eng beisammen waren, nahmen allerlei Speisen und Getränke zu sich.

Auch die Seewölfe kriegten wieder ihren Teil, und kaum jemand war in der Lage, noch einen Bissen zu schaffen.

Die Speisung dauerte nochmals eine Stunde, dann war sie beendet, und die Totenfeier ging weiter und nahm ihren Lauf.

Jetzt ertönten laute Gebete, Sprechgesänge und fremdartige, seltsam hohl klingende Musik.

Die Priester gingen auf und ab, der Balian trug eine Schale mit geweihtem Wasser in seinen Händen und benetzte damit den Toten. Dazu sprach er unverständliche Worte. Dann stellte er die Schale auf den Boden und gab den anderen Priestern ein Zeichen mit der Hand.

Daraufhin näherten sich die niedrigen Priester dem Leichnam und wickelten ihn aus dem weißen Gewand, bis sein eingefallenes Gesicht sichtbar wurde.

Die nächsten Angehörigen traten feierlich und hölzern hinzu, blickten in das welke Antlitz des Toten, wie es ihre Pflicht war, und zogen sich dann etwas zurück.

Das Tuch wurde wieder zurückgeschlagen und über den Leichnam Atuns eine bunte Decke gebreitet. Auch die wurde von dem Balian noch einmal mit ein paar Spritzern Wasser geweiht.

„Ich glaube, sie tragen die Leiche jetzt in den Stier“, flüsterte Hasard seinen Männern zu, die mit großen Augen auf das seltsame und ungewohnte Ritual sahen und nie wußten, wie es weiterging.

„Und dann?“ fragte Dan leise zurück.

„Wird er verbrannt, nehme ich an, einschließlich Turm und Stier.“

Der Tote wurde tatsächlich aufgehoben und unendlich vorsichtig in die Öffnung des hölzernen Stieres gelegt. In einem feierlichen Akt wurde die klappenähnliche Öffnung dann verschlossen.

Nun strömten immer mehr Männer hinzu, stellten sich um den Stier herum und hoben ihn auf ein leises Kommando hoch. Während die Priester laut sangen, wurde der Stier mit dem Toten zum Bambusturm getragen und dort wieder abgesetzt.

Um den Turm herum war Holz aufgeschichtet worden, und es wurde immer noch mehr herangetragen. Auch trockene Palmwedel wurden gebracht und so hoch aufgeschichtet bis nur noch der grinsende Kopf des Stieres und seine großen, weithin leuchtenden Augen zu sehen waren, die starr auf die Menge blickten.

Wieder murmelte der Balian unverständliche Worte, weihte den Stier und den Verbrennungsturm und nahm dann aus einer Schale glühende Holzkohle. Sechs Becken wurden gefüllt, aus denen leichter Rauch wehte.

Sechs niedere Priester erhielten die Schalen und nahmen rings um dem Stier Aufstellung.

Dann folgte wieder Gesang, der Balian entfernte sich, und in den Totengesang stimmte der ganze Chor der Insulaner ein, bis der Gesang mächtig anschwoll und sogar das Rauschen des Meeres überlagerte.

Der Balian ging direkt auf Hasard zu und verneigte sich leicht. Er versuchte Hasard den Sinn der rituellen Handlung zu erklären und sagte sinngemäß: „Atun wird jetzt verbrannt. Zum Priestergesang wird der Todesturm entzündet, und die Schlange Naga wird die Seele des Priesters mit in den Himmel nehmen. Aber Atun ist noch nicht frei. Er ist erst dann rein und befreit, wenn seine Asche in der folgenden Nacht dem Meer übergeben wird.“

Hasard und auch die Seewölfe, die in seiner unmittelbaren Nähe standen, hatten begriffen.

„Dann ist er frei für alle Ewigkeit“, sagte Hasard.

Doch der Balian schüttelte den Kopf.

„Nein, noch nicht. Atun ist erst dann frei, wenn das Ritual nach vierzig Sonnenaufgängen wiederholt wird.“

„Das ganze Ritual?“ fragte Hasard mit einer allumfassenden Bewegung seiner Hände.

Der Balian erklärte umständlich, daß das Ritual auf Palmenblättern nachvollzogen würde. Auf die Blätter würden Abbilder gemalt und die Handlung noch einmal nachvollzogen. Erst dann sei Atun wirklich frei und würde in die höchsten Gefilde eingehen.

Der Seewolf erfuhr auch, daß die Angehörigen und die Bewohner des Dorfes augenblicklich noch unrein seien, solange die Handlung nicht zum zweiten Male nachvollzogen wäre. Erst danach wäre jedermann frei von Verunreinigung.

Der Balian fragte, ob sie verstanden hätten, und als Hasard das bejahte, verneigte er sich wieder und ging davon.

„Das ist noch komplizierter als bei den Chinesen“, sagte Dan. „Das kann sich ein Fremder kaum vorstellen.“

„Nicht mehr reden jetzt“, sagte Hasard. „Die für die Insulaner heilige Handlung nimmt ihren Anfang!“

Die Seewölfe schwiegen, als die Priester, die bis dahin mit den Schalen um den Holzstoß herumgestanden hatten, ein Zeichen erhielten.

Glühende Holzkohle ergoß sich wie Blut über den Stier, den Turm und das angehäufte Holz.

Es begann sogleich zu brennen, kleine Flammen schlugen hoch, wurden größer und größer, und bald darauf brannte der Turm wie eine riesige Fackel.

Fauchend fraß sich das Feuer weiter, bis es den Stier einhüllte, aus dessen Schädel jetzt helle Flammen schlugen.

Der Gesang wurde noch lauter, und eine seltsame Ergriffenheit lag über dem Platz in Strandnähe.

Von überall her liefen Kinder zusammen und sangen mit.

Etwas später stand der Turm lichterloh in Flammen, und nun wurde die brennende Fackel noch größer, die den Stier und den darin eingebetteten Priester gierig verschlang. Es knackte und prasselte, die erhitzte Luft fauchte über die Prozession hinweg. Es schien, als würde der Priester bis in alle Ewigkeit brennen und seine Seele durch die Glut immer mehr geläutert.

Langsam stürzte das große Gerüst in sich zusammen. Funken stoben davon und prasselten auf die Körper der Umstehenden. Aber seltsamerweise schien niemand die Glut zu spüren, wie es auch der Fall bei den Feuertänzern gewesen war.

Zwei Stunden lang brannte es, dann blieb ein glühender Aschehaufen übrig, der langsam in sich zusammenfiel.

Von dem toten Priester war innerhalb der relativ kurzen Zeit nichts mehr zu sehen.

Als auch die Asche sich abzukühlen begann, wurde sie zusammengetragen und in eine große Schale gefüllt.

Spät in der Nacht, wie es der Balian vorausgesagt hatte, wurde die Asche dann dem Meer übergeben.

Damit hatte Atun die erste Stufe der Reinkarnation erreicht und befand sich auf dem Weg ins Nirwana.

Damit endete auch für die Seewölfe der Tag, der anstrengend genug gewesen war und an den sie noch lange denken würden.

Die Verabschiedung begann und drohte noch einmal in eine Feier auszuarten.

Noch vor dem ersten Morgengrauen ging die „Isabella“ ankerauf und setzte Segel.

Trotz der frühen Morgenstunde ließ es kaum jemand der Insulaner nehmen, ihr Grüße nachzuwinken. Noch in der letzten Nacht hatten die Balinesen weitere Körbe an Bord geschleppt.

Auf der „Isabella“ gab es Früchte und so viel Reis, daß der Kutscher befürchtete, sie würden nie wieder Land anlaufen müssen, um ihre Vorräte zu ergänzen.

Als sie auf Ostkurs ging, brach in der Vorpiek wieder der Radau los, und die Piraten grölten und klirrten mit den Eisen.

„Laß sie raus, Ed“, sagte der Seewolf. „Sie haben keine Chance gegen uns. Sie sind waffenlos und haben ihre Lektion erhalten. Es dauert nicht lange, bis wir die Insel anlaufen, auf der sie dann bleiben werden.“

Smoky und der Profos ketteten die Kerle los, die es eilig hatten, an Deck zu gelangen. Einer nach dem anderen erschien auf der Kuhl.

Der Anführer sah sich lauernd um.

Der Profos stand vor ihm, hatte die Neunschwänzige in der Hand und zog die neun Lederriemen langsam durch seine Finger.

„Bleib schön stehen wo du bist, du Kanalratte“, sagte er drohend. „Und begehe keine Dummheit. Sieh dir das Ding hier an! Wenn einer von euch Lausekerlen auch nur das Maul aufreißt, dann lasse ich ihn über alle Decks tanzen, verstanden?“

„Wir wissen, wann wir verloren haben“, sagte der Stiernackige.

„So seht ihr aber gar nicht aus. Vergeßt also meine Worte nicht, sonst geht ihr mit wundgescheuerten Affenärschen von Bord.“

Der Anführer grinste verschlagen, aber er sah auch, daß die Seewölfe bereitstanden und nur darauf warteten, daß einer von ihnen loslegte.

Nein, sie hatten keine Chance, das sah der Kerl mit dem roten Gesicht und dem Stiernacken auch ein. Sie hatten einmal erbärmliche Prügel bezogen, und beim zweitenmal würde es noch schlimmer enden. Sie erhielten Früchte und Trinkwasser.

Während der Anführer immer wieder auf Carberrys Neunschwänzige starrte und gierig in die Früchte biß, fragte er: „Wie steht’s mit Waffen, eh? Wir können ja auf der Insel schließlich nicht verhungern oder wilden Tieren zum Opfer fallen.“

„Waffen kriegt ihr natürlich, soviel ihr wollt“, sagte Ed höhnisch. „Wir lassen euch alle Culverinen zurück, auch Musketen und Pistolen. Wollt ihr die schon gleich haben?“ fragte er freundlich. Dabei zog er wieder die Peitsche durch die Finger und sah den bulligen Kerl verächtlich an.

„Messer auch nicht?“ fragte der.

„Keine Waffen“, sagte Ed entschieden. „Euch würde ich nicht mal Zahnstocher geben. Auf der Insel könnt ihr so leben wie die Insulaner auch und euch von dem ernähren, was da wächst. Seid froh, daß man euch Galgenvögel nicht aufgeknüpft hat.“

Carberry, Big Old Shane und ein paar andere behielten die Burschen im Auge, bis der Ausguck nach etwas mehr als zwei Stunden eine Insel voraus meldete.

Das brachte die Piraten wieder auf die Beine, und sie starrten sich die Augen nach dem Eiland aus.

Die „Isabella“ segelte darauf zu. Die Insel wies auf der Westseite eine langgeschwungene Bucht auf, die dicht von Palmen bestanden war. Gleich dahinter begannen Hügel und dichte Wälder. Auf dem Hochplateau folgte eine freie Fläche die nur von Gras bewachsen war.

Die Insel war unbewohnt, und wie Hasard wußte, gab es auf ihr auch genügend Trinkwasser.

„Eigentlich ist die viel zu schade für euch“, sagte der Profos. „Hier habt ihr Stahl und Flintstein, mehr kriegt ihr nicht. Damit könnt ihr Feuer entfachen. Holz werdet ihr schon finden.“

Dicht vor der Bucht drehte die „Isabella“ bei. Hasard ließ Tiefe loten, die vier Faden betrug. Sie konnten noch ein Stück näher heransegeln, denn die Tiefe blieb ziemlich konstant und nahm erst dicht am Strand wieder ab.

Haßvolle Gesichter sahen die Seewölfe an.

„Dann setzt endlich das Boot aus!“ schrie der Anführer.

„Den Teufel werden wir tun“, sagte Ed ruhig. „Ihr geht über die Jakobsleiter in den Bach. Die zehn Yards bis zum flachen Wasser werdet ihr schwimmen. Und nun verzieht euch, damit ich eure Rattenvisagen nicht länger sehen muß, sonst kommen mir noch die Bananen hoch.“

Ferris Tucker nahm auf Geheiß des Seewolfs zwei Entermesser und eine kleine Axt und warf sie schwungvoll über Bord, wo sie im flachen Wasser deutlich sichtbar auf den Grund sanken.

„Damit könnt ihr euch gegenseitig abmurksen, ganz wie ihr wollt“, sagte er laut.

Die ersten kletterten unter lautstarken Verwünschungen die Jakobsleiter hinunter und sprangen ins Wasser. Sie hatten nur ein paar Yards zurückzulegen, bis sie Grund unter den Füßen hatten.

Der letzte, der die „Isabella“ fluchend verließ, war der stiernackige Anführer.

Bevor er sprang, sah er noch einmal den Profos an.

„Ich habe mir den Namen eures Schiffes gemerkt“, sagte er wütend. „Eines Tages begegnen wir uns vielleicht wieder. Aber dann geht es anders aus, das verspreche ich euch. Irgendwann“, wiederholte er, „dann hänge ich jeden einzelnen von euch an die Rah meines Schiffes.“

„Falls du jemals wieder eins unter deinem Affenarsch hast“, sagte Ed. Dann holte er mit der Neunschwänzigen aus und grinste hart über sein narbiges Gesicht.

„Und nun laß los“, befahl er, „sonst wird die Leiter dreckig!“

„Der Teufel soll dich Bastard holen, euch alle!“ schrie der Kerl.

Carberry klopfte ihm ungerührt auf die Finger, und da ließ der Pirat mit einem Aufschrei die Leiter los und sprang ins Wasser.

Als er Grund unter sich hatte, tauchte er zuerst nach den Messern und dem Beil und schwang es drohend.

Aber die Seewölfe lachten nur, sie konnten die Kerle nicht mehr ernst nehmen, denn die würden auf ihrer Insel hocken, bis wirklich mal ein Schiff vorbeisegelte. Und es war sehr fraglich, ob es sie überhaupt mitnehmen würde.

„Auf Stationen!“ rief Ben Brighton. „Setzt die Segel!“

Als der letzte endlich an Land war, drehte die „Isabella“ ihren Bug nach Westen. Die Reise ging weiter …

Seewölfe Paket 11

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