Читать книгу Seewölfe Paket 11 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 28
7.
Оглавление„… werden wir uns deshalb in zwei Gruppen aufteilen“, sagte der Seewolf gerade. „Wir brechen sofort auf, denn ich werde das Gefühl nicht los, daß wir keine Minute verlieren dürfen. Die erste Gruppe hat also mehr oder weniger die Aufgabe, die Wächter am Strand abzulenken, während die zweite …“
Bills gellende Stimme aus dem Großmars unterbrach ihn.
„Deck! Am Strand! Da tut sich etwas!“
Die Köpfe der Männer, die sich auf der Kuhl versammelt hatten, ruckten herum. Wohlweislich hatte Hasard den Moses für die Dauer der Lagebesprechung in den Ausguck geschickt. So waren sie nicht gezwungen, ständig ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Insel zu richten. Daß auf den Moses Verlaß war, hatte er ja an diesem Tag schon einmal hinreichend bewiesen.
Gemeinsam mit seinen Männern eilte der Seewolf ans Schanzkleid. Er zog das Spektiv auseinander und hob es ans Auge.
Zunächst war nichts Genaues zu erkennen – lediglich so viel, daß sich eine ähnlich große Menschenansammlung wie zuvor durch den Palmenwald auf den Strand zubewegte. Daß Bill dies bereits gemerkt hatte, zeigte, wie scharf seine Augen waren.
Die Männer an Bord der „Isabella“ hielten den Atem an.
Minuten später starrten sie fassungslos, mit weit aufgerissenen Augen zur Insel hinüber.
Dann, als sie klarer sahen, stieg ihnen allen die Zornesröte ins Gesicht.
Es war niemand anders als Edwin Carberry, den sie ans Wasser schleiften.
Schleiften!
Zusätzlich zu den Ketten war der Profos von Kopf bis Fuß mit Strikken zusammengeschnürt worden. Er hatte keine Chance, sich noch zur Wehr zu setzen. Sechs Indonesier waren notwendig, um ihn zu dem Auslegerboot zu zerren.
Eine furchtbare Ahnung stieg in Hasard auf. Er wandte sich um.
„Ladet die Musketen!“ rief er. „Schnell! Wir müssen auf das Schlimmste gefaßt sein!“
Die Männer stellten keine Fragen. Noch wußten sie nicht, was Ed Carberry bevorstand. Aber instinktiv spürten sie, daß es von ihnen abhing, ob er am Leben bleiben würde.
Der Seewolf beobachtete wieder den Strand.
Von Dan O’Flynn, Matt Davies und den drei anderen war nichts zu sehen. Merkwürdig. Noch ergab dieses teuflische Spiel, das sich hier anbahnte, keinen rechten Sinn.
Die Mehrzahl der Indonesier verharrte unmittelbar vor dem Palmenwald. Etwas abseits stand die Gruppe der Portugiesen. Neben ihnen Kapitän Einauge und eine weitere kleine Schar, die Hasard zuvor noch nicht gesehen hatte. Aber nach dem Äußeren dieser Leute wußte er, daß es sich um den Raja und sein Gefolge handelte.
Laurindo de Carvalho redete gestikulierend auf den buntgekleideten kleinen Mann mit der weißen Kopfbedeckung ein. Der Raja bewegte den Kopf bedächtig von einer Seite zur anderen. Hasard wußte, daß dies das Zeichen für Zustimmung war – was einem Kopfnicken in Europa entsprach.
Kapitän Einauge hatte also diesen Plan, was immer es auch sein mochte, mit dem Inselherrscher abgestimmt. Folglich mußten sie etwas ausgeheckt haben, was ihrem gemeinsamen Interesse diente.
Auf Edwin Carberrys Kosten.
Aus der Gruppe des Raja-Gefolges löste sich jetzt ein weißgekleideter Mann. Hasard identifizierte ihn sofort als Brahmanen. Der Hindu-Priester ging mit gemessenen Schritten auf das Auslegerboot zu.
Hinter sich hörte Hasard die eilige Geschäftigkeit seiner Männer. Al Conroy überwachte das Laden der Musketen.
Der Seewolf wußte schon jetzt, daß ihm praktisch nur zwei Möglichkeiten blieben.
Entweder mußte er zu erkennen geben, daß er zur Übergabe des Schiffes bereit war, bevor Ed Carberry etwas zustieß.
Oder sie mußten den Profos mit gutgezielten Schüssen retten.
Letzteres barg ein unkalkulierbares Risiko, weil keinerlei Gewißheit darüber bestand, was mit den fünf übrigen Männern geschehen war, die dem Einäugigen in die Hände gefallen waren.
Vor dem Auslegerboot blieb der Brahmane stehen und verschränkte die Arme vor der Brust.
Die sechs Indonesier hatten den Gefesselten mittlerweile auf die vordere kleine Plattform des Bootes gezerrt, das bereits im seichten Wasser dümpelte. Abwartend blieben sie stehen, hielten dem Brahmanen gegenüber devot die Köpfe geneigt und achteten gleichzeitig darauf, daß sich der Gefesselte nicht vom Boot rollte.
Der Hindu-Priester nickte zufrieden. Dann drehte er sich langsam um und gab ein Handzeichen zur Menge der Wartenden am Palmenwald.
Eine Gruppe von Indonesiern, vier Mann diesmal, setzte sich in Bewegung. Sie zogen geflochtene Bastsäkke hinter sich her, die sie über den dunklen Sand schleiften.
„Musketen geladen!“ meldete Al Conroy.
„In Ordnung“, sagte der Seewolf, ohne den Kieker abzusetzen, „verteile die Waffen, Al. Die Männer sollen sich schußbereit aufstellen, die Musketen aber noch verborgen halten. Außerdem je eine Muskete für Ben und mich.“
„Aye, aye, Sir.“
Hasard drehte sich nicht um. Er wußte, daß er sich auf den Stückmeister und jeden einzelnen Mann verlassen konnte. Eine Unbedachtsamkeit würde es nicht geben. Dazu wußte jeder viel zu genau, daß das Leben Edwin Carberrys möglicherweise von ihrem Geschick oder Ungeschick abhängen würde.
Jeder von ihnen wünschte sich in diesem Moment, die dröhnenden Sprüche des Profos über Deck schallen zu hören.
Wie sie ihn jetzt dort drüben auf dem Auslegerboot sahen, war es ein verdammt schmerzlicher Anblick – unwürdig für einen aufrechten Mann wie Ed, der unter seiner rauhen Schale doch immer einen weichen Kern bewahrt hatte.
Hasard konzentrierte sich wieder auf das, was sich am Strand abspielte.
Die Indonesier, die die Bastsäcke mit ihrem offenbar schweren Inhalt herangeschleppt hatten, erreichten das Boot und zerrten die Säcke ins knöcheltiefe Wasser.
Hasard begriff plötzlich, was geschehen würde. Es brachte ihn fast um den Verstand. Eine imaginäre glühende Faust wühlte in seinem Magen.
Aber in diesem Augenblick konnte er nichts für Carberry tun. Noch nicht. Solange das Boot am Strand lag, war es sinnlos.
Die Minuten verrannen quälend langsam.
Auf der „Isabella“ war es totenstill. Das unfaßbare Geschehen wirkte wie lähmend auf die Männer.
Sie schnürten die Bastsäcke zu und verknoteten die Enden der dünnen Strikke mit Ed Carberrys Fesseln.
Insgesamt vier solcher Säcke waren es, und als sie sie ins Boot wuchteten, wurde klar, daß es sich bei dem Inhalt um nichts anderes als Steine handelte. Lavabrocken oder sonstwas.
Dem Profos war es reichlich egal, ob es nun erkaltete Lava oder Felsgestein war. Fest stand, daß sie ihm zentnerschwere Gewichte an den Leib gehängt hatten – um ihn zu ersäufen wie eine Katze.
Obwohl nur dieser niederschmetternde Umstand letzten Endes zählte, ertappte er sich dabei, daß er darüber herumgrübelte, was für Steine es nun wohl sein mochten.
Sinnigerweise hatten sie seine Augen nicht verbunden, diese Kanalratten, diese dreimal verfluchten hinterhältigen Rübenschweine. Als sie seine Fußkette von Dan O’Flynn gelöst hatten, war es ihm noch nicht gleich klargeworden, was sie planten. Aber als sie dann mit zehn Mann über ihn hergefallen waren – draußen vor dem Palast, da war es ihm wie Schuppen von den Augen gefallen.
Jetzt erlebte er alles bis ins Kleinste mit – eben weil sie ihm die Augen nicht verbunden hatten. Mit voller Absicht hatten sie das nicht getan.
Teuflische Bastarde!
Nie in seinem Leben hätte er es sich träumen lassen, einmal auf eine so schändliche Weise zu enden. Hier mußte er sich wie ein Stück Vieh auf der Schlachtbank fühlen. Schlimmer als ein Delinquent, der nach einem ordnungsgemäßen Gerichtsurteil hingerichtet wurde – auf welche Weise auch immer. Einem solchen Delinquenten gestattete man wenigstens noch einen Rest an menschlicher Würde.
Den Tod hatte Edwin Carberry nie gefürchtet. Allein deshalb nicht, weil er stets eine bestimmte Vorstellung vom Sterben gehabt hatte. Seite an Seite mit seinen Gefährten im wildesten Kampfgetümmel, Mann gegen Mann mit blanken Waffen – dann irgendwann der alles entscheidende Hieb wie ein Blitz aus heiterem Himmel – ein Hieb, den man fast nicht mehr spürte.
Ja, das wäre für den Profos der „Isabella“ ein ehrenvoller Tod gewesen. Selbst wenn ihn das Schicksal in einem Kampf an Land ereilt hätte, wäre es für ihn noch nicht unehrenhaft gewesen – obwohl Schiffsplanken für einen Profos natürlich der bessere Platz zum Sterben waren.
Aber dies, verdammt noch mal, war das Niederträchtigste, was Menschen einem Menschen zufügen konnten.
Ed Carberry drehte den Kopf ein wenig mehr zur Seite, so daß er besser sehen konnte, was sich am Strand abspielte. Mehr als den kleinen Finger konnte er praktisch nicht bewegen. Sie hatten ihn höllisch gut verschnürt. Darin verstanden sie ihr Handwerk, diese drahtigen kleinen Satansbraten.
Die sechs Kerle, die Mühe gehabt hatten, sein Lebendgewicht zu schleppen, standen noch immer abwartend neben dem Boot. Am Ufer hochaufgerichtet dieser Kerl in Weiß, Ayia Padang Mantra, der Brahmane. Ed Carberry erinnerte sich sehr genau an das alberne Vorstellungszeremoniell im sogenannten Königspalast. Dieser komische Raja hatte damit nichts anderes bezweckt, als sich aufzuspielen und seine Macht zu demonstrieren. Lächerlich! Gefesselten Gefangenen gegenüber konnte selbst eine Laus ihre Macht unter Beweis stellen.
Der Brahmane scheuchte jetzt die vier Steinträger mit einer herrischen Handbewegung fort.
Die Männer hasteten los, als säße ihnen der Leibhaftige im Nacken. Der Weißgekleidete genoß offenbar einen ungeheuren Respekt.
Ayia Padang Mantra stieß einen kehligen Befehl aus. Die sechs Männer, die neben dem Boot ausgeharrt hatten, schwangen sich behende an Bord. Der leicht gebaute Kahn mit den weit geschwungenen Auslegerstangen schaukelte beträchtlich. Die Indonesier griffen nach den Paddeln, deren Blätter aus dünnem Holz bestanden und kreisrund waren.
Ed Carberry mußte den Kopf noch mehr drehen, um zu erkennen, daß jetzt auch der Brahmane an Bord ging. Einen Moment blieb er aufrecht stehen. In der rechten Hand hielt er Palmenblätter, in die eine halbe Kokosnußschale gebettet war.
An Land herrschte völlige Stille. Nur das leise Rauschen des Windes in den hohen Kronen der Palmen war zu hören.
Der Brahmane griff mit der Linken in die Kokosnußschale und sprengte Wasser über das Boot und die Männer. Heiliges Wasser, wie sie es nannten. Dazu murmelte er einen monotonen Sermon von kehligen Worten. Die sechs Indonesier hielten die Köpfe geneigt. Dann, schließlich, setzte sich der Brahmane auf ein schmales Brett, das der Achterducht einer Ruderjolle ähnelte.
Ed Carberry drehte den Kopf zur anderen Seite. Ja, das Beiboot der „Isabella“ lag noch dort am Strand, wo sie es zurückgelassen hatten. Die Indonesier konnten damit offenbar nicht viel anfangen.
Das Auslegerboot wurde abgestoßen, und die sechs Männer tauchten die Paddel ein. Mit rasch zunehmender Fahrt glitt der schlanke Bootskörper durch den mäßigen Wellengang. Unmittelbar unter seinem Kopf hörte Ed Carberry das rhythmische Klatschen der Wellen gegen den Rumpf.
Erneut stimmte der Brahmane ein monotones Gemurmel an. Dabei sprengte er mit weit ausholenden Handbewegungen sein heiliges Wasser nach links und rechts in die Fluten.
Dieses Gemurmel zerrte an Ed Carberrys Nerven. Er hatte die unbestimmte Ahnung, daß der Moment, in dem es endete, auch sein eigenes Ende bedeutete.
Urplötzlich empfand der Profos unendliche Einsamkeit. Eine Einsamkeit, wie er sie noch nie gespürt hatte. Angst kroch in dem bärenstarken Mann hoch, und er haßte sich für dieses Gefühl. Doch dann sagte er sich, daß es wohl keinen Menschen gab, der angesichts eines solchen Todes keine Angst verspürte.
Eine Ewigkeit schien verstrichen zu sein, obwohl das Boot erst vor wenigen Sekunden abgelegt hatte. Ed Carberry verlor jegliches Zeitgefühl. Das Murmeln des Brahmanen trug dazu bei, ebenso das gleichmäßige Klatschen beim Eintauchen der Paddel.
Der Profos gab sich einen inneren Ruck und zwang sich, seine letzten Gedanken der „Isabella“ zu widmen, die vor der Insel ankerte. Die stolze Galeone war seine Welt gewesen, und er wollte wenigstens in Gedanken dort sein, wenn es mit ihm zu Ende ging.
Daß Hasard und die anderen ihm nicht helfen konnten, stand für ihn fest. Es gab keine Rettung, denn für die Indonesier genügte ein schneller Stoß, um ihn über Bord zu befördern und zu ersäufen. Kein Beiboot konnte schnell genug sein, damit sie ihn dann noch rechtzeitig heraufholten.
Das Gemurmel des Brahmanen erhielt einen dunklen Unterton. Dieser Unterton wurde stärker, im nächsten Moment schien es, als mische sich eine zweite Stimme in die rituellen Redewendungen des Ayia Padang Mantra.
Ed Carberry wurde erst dann stutzig, als aus dieser vermeintlichen zweiten Stimme ein mächtiger, grollender Baß wurde.
Die sechs Indonesier stießen einen Entsetzensschrei aus, hielten jäh mit dem Paddeln inne und warfen die Köpfe herum.
Der Brahmane erbleichte, brach sein Gemurmel gleichfalls ab. Auch er drehte sich um – langsamer jedoch, geradezu schuldbewußt.
So konnte keiner von ihnen sehen, daß die Männer an Bord der englischen Galeone die Musketen wieder sinken ließen, die sie eben in Anschlag bringen wollten.
Das mächtige Grollen schwoll an und verdichtete sich zu einem urgewaltigen Donner, der Erde und Wasser gleichermaßen vibrieren ließ.
Schreckensbleich starrte der Brahmane zum Vulkankegel.
Im nächsten Atemzug bestätigte sich seine Ahnung.
Eine Rauchsäule stieg aus dem Krater hoch, bis sie vom Wind erfaßt wurde und zerfaserte. Das Grollen nahm indessen unvermindert zu.
Jäh zuckte ein Glutstrahl fast kerzengerade aus dem Krater. Er wurde von einem schmetternden Krachen begleitet.
Der Brahmane schrie einen gellenden Befehl.
Wie von Furien gehetzt, tauchten die Indonesier die Paddel ein und wendeten das Boot. In rasendem Rhythmus peitschten die Paddelblätter das Wasser.
Mit einem Funkenregen, der sich fächerförmig über den Vulkankegel ergoß, sank der Glutstrahl aus dem Krater in sich zusammen. Als das Auslegerboot den Strand erreichte, nahm auch das Grollen aus der Tiefe der Erde ab.
Der Brahmane sprang als erster aus dem Boot und schrie den sechs Indonesiern einen Befehl zu. Sie folgten ihm mit wilden Sprüngen und zogen den Bootskörper mit dem beträchtlichen Gewicht Edwin Carberrys an Land.
Die Riesenschar der Menschen, die am Palmenwald ausgeharrt hatten, war vor Entsetzen wie gelähmt.
Nur Kapitän Einauge und seine portugiesischen Landsleute bildeten eine Ausnahme. An ihrer Spitze stapfte Laurindo de Carvalho dem Brahmanen mit unverkennbarer Wut entgegen.
In fliegender Hast zerrten die sechs Indonesier unterdessen den gefesselten Profos vom Boot und schleiften ihn den Strand herauf.
„Halt!“ brüllte de Carvalho schon von weitem. „Bleibt stehen! Verdammt noch mal, wollt ihr wohl stehenbleiben!“
Aber die Inselbewohner schienen ihn nicht zu verstehen, obwohl er ihre Sprache benutzte. Sie beachteten die Portugiesen nicht einmal, während sie den Profos zum Palmenwald schleppten und ihn dort eilends von seinen Fesseln befreiten.
Jetzt stand er aufrecht, nur noch mit den Ketten an Hals und Handgelenken.
Laurindo de Carvalho hatte dem Brahmanen den Weg versperrt. Fassungslos beobachtete der Einäugige, was sich dort oben am Palmenwald abspielte. Dann wandte er sich mit einer ruckhaften Bewegung dem Hindu-Priester zu.
„Was ist in dich gefahren, Mann? Du verstößt gegen unsere Abmachung! Der Engländer sollte hingerichtet werden. Was fällt dir ein, dich einfach darüber hinwegzusetzen und …“
Der Brahmane unterbrach ihn mit einer energischen Handbewegung. Seine Augen waren schmal und furchtlos, während er den Portugiesen ansah.
„Geh mir aus dem Weg, Einauge. Dies ist etwas, was du niemals begreifen würdest.“
Das Grollen des Vulkans war mittlerweile fast verstummt.
„Ich verlange eine Erklärung!“ schnaubte de Carvalho, und seine Landsleute, die hinter ihm einen Halbkreis bildeten, nahmen eine drohende Haltung ein. „Ich persönlich habe mit dem Raja die Entscheidung getroffen. Der Engländer sollte hingerichtet werden, damit wir die verdammten Kerle endlich dazu bewegen, ihr Schiff herauszurücken!“
Ayia Padang Mantra schüttelte bedächtig den Kopf.
„Du wirst es nie begreifen, Einauge, weil du es nicht begreifen kannst. Selbst wenn du den Rest deines Lebens auf unserer Insel verbringst, wirst du den Göttern niemals so nahe sein wie wir.“
„Götter! Blödsinn!“ schrie der Portugiese zornrot. „Ich habe bislang eine Menge Verständnis dafür gehabt, aber jetzt reicht es! Bei so einem Schwachsinn hört meine Geduld auf. Kein Wunder, daß ihr nie zu einer vernünftigen Kriegsführung fähig wart. Ich denke nicht daran, mir das gefallen zu lassen. Wenn ich meine Fähigkeiten in der Seekriegsführung für euch einsetze, dann erwarte ich auch …“
Wieder unterbrach ihn der Brahmane.
„Deine Entscheidung und auch die Entscheidung des Raja sind gegen den Willen der Götter unbedeutend. Und die Götter haben gesprochen. Ihr Zeichen war unmißverständlich.“ Er deutete mit ausgestrecktem Arm zu dem Vulkankegel. „Ich selbst habe falsch gehandelt und werde in einer Zwiesprache mit den Göttern zu Rate gehen müssen, um zu einer Entscheidung zu gelangen, die von ihnen gebilligt wird.“
„Aber …“ setzte de Carvalho an.
Der Brahmane ließ ihn einfach stehen und ging mit würdevoller Haltung weiter. Er schloß sich dem Raja und dessen Gefolge an. Die Indonesier bewegten sich bereits auf den Pfad im Palmenwald zu.
Edwin Carberry lief kettenklirrend in ihrer Mitte.
Bebend vor Wut stand Laurindo de Carvalho mit seinen Landsleuten noch immer am Strand. Er wagte nicht, zu der englischen Galeone zu blicken, denn er glaubte schon jetzt das überlegene Lachen jenes Sir Hasard zu sehen.
„Es hat keinen Zweck, Laurindo“, sagte Luiz Cardona leise, „es hat keinen Zweck, wenn wir uns jetzt auf die Hinterbeine stellen. Du weißt, wie halsstarrig die Inselbewohner sind, sobald es um ihre Götter geht. Also sollten wir gute Miene zum bösen Spiel machen und uns auf sie einstellen.“
De Carvalho starrte ihn an.
„Wie denn das? Diese hirnverbrannten Dummköpfe bringen es doch glatt fertig, die Engländer freizulassen! Und wie stehen wir dann da? Dann haben wir überhaupt kein Schiff mehr!“
Cardona nickte.
„Eben drum. Wenn wir hier herumstehen, erreichen wir überhaupt nichts. Ich schlage vor, daß wir uns vor allem erst einmal um die Gefangenen kümmern. Wenn der Brahmane wirklich auf die Idee verfallen sollte, sie freizulassen, können wir das wenigstens verhindern.“
Laurindo de Carvalho holte tief Luft und blies den Atem schnaufend aus.
„Dieser Tag“, sagte er erbittert, „ist der unglückseligste meines Lebens.“
Er konnte nicht wissen, um wieviel mehr sich diese Feststellung noch bewahrheiten sollte.