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6.

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Rame Head, etwa zwei Stunden nach Mitternacht.

Die verdammte Wache von Mitternacht bis vier Uhr morgens nannten die Seewölfe manchmal „Friedhofswache“. Zu diesem Zeitpunkt wurde sie auf der „Pride of Galway“ von Batuti, dem schwarzen Riesen aus dem fernen Afrika, und Matt Davies, dem Hakenmann, gegangen. Beide Wachgänger hatten auch ein Auge auf die Sambuke, die zusammen mit der Galeone den Eingang zur Werft von Hesekiel Ramsgate versperrte.

Rame Head, die südlichste Spitze einer Halbinsel, die im Westen von der Whitsand Bay und im Osten vom Plymouth Sound begrenzt wurde, war im Grunde ein recht verrückter Platz, um dort eine Werft zu errichten. Verrückt deswegen, weil Plymouth etwa acht Meilen entfernt war, noch dazu getrennt von der Halbinsel durch die Mündungen des Lynher River, des Tamar River und des Tavy River, die alle drei ein fjordähnliches Mündungsgebiet in den Plymouth Sound gebildet hatten. Ferner war Rame selbst, das nächste Kaff von der Werft, auch eine Meile entfernt, und zum dritten konnte man in der Werft selbst das Zittern kriegen, wenn der Atlantik schlechte Laune hatte und von Süden heranstürmte. Das passierte nämlich zu bestimmten Zeiten, die mit dem Mondwechsel etwas zu tun hatten, wie die Leute an dieser Küste wußten.

Bei einer solchen Stoßrichtung der herandonnernden Wassermassen war Rame Head in Not.

Hesekiel Ramsgate andererseits war ein sturer Büffel. Aus lauter Trotz hatte er an diesem idiotischen Platz seine Werft errichtet. Einmal hatte er Hasard anvertraut, daß er die unmittelbare Nähe, der See brauche – mit allem, was eine See bedeuten kann, nämlich das Sanfte und die Wildheit, und das in allen Abstufungen.

Hasard hatte das verstanden. Ihm erging es ja ähnlich. Darum mochten sich die beiden auch. Aber daß sie beide der See verfallen waren, würden sie einander nie eingestehen.

Für das Geschäft des Schiffbaus war dieser Platz in einer Bucht von Rame Head so förderlich wie Ofenruß für die Reinlichkeit, nämlich überhaupt nicht.

Das focht den zähen Alten, einen Künstler seines Fachs, keineswegs an. Entweder hatte er einen Auftrag, oder er hatte keinen. Letzteres war die Regel. Dabei baute er Schiffe, die ein Sturm dreimal zerschlagen mußte – wahrscheinlich noch öfter –, bevor sie sich beugten. Diese Schiffe waren eben genauso zäh wie der Alte. Das hatte die „Isabella VIII.“ zur Genüge bewiesen, und die hatte noch nicht einmal die See umgebracht, sondern die raffinierte Tücke eines Ali Abdel Rasul.

Also, Batuti und Matt Davies gingen ihre Friedhofswache und hatten allen Grund, sie auch so zu nennen. Der Nebel trug dazu bei. Manchmal war er so dicht, daß sie sich nicht einmal sahen, wenn sie zwei Schritte voneinander entfernt waren. Ein verrückter Zustand. Das Wort „Wache“ war da kaum noch angebracht. Man sah ja nichts. Nur lauschen, das konnte man. Und wenn man dann etwas hörte, wußte man nicht, aus welcher Richtung der Laut das Ohr erreicht hatte. Der Nebel verzerrte alles.

Batuti war vor etwa einer Stunde bei einem Kontrollgang auf die Back plötzlich von dichtem Nebel umgeben gewesen. Dummerweise hatte er sich nach rechts gedreht, um nach der Nagelbank des Fockmastes zu greifen, weil ein fester Halt in einer solchen Suppe irgendwie Sicherheit bedeutete. Aber er hatte daneben gegriffen. Er mußte sich wohl verschätzt haben.

Dann war er einen Schritt vorgegangen und hatte mit langen Armen herumgetastet – wie ein Blinder, ja, er war zu diesem Zeitpunkt tatsächlich blind. Die Nagelbank fand er nicht. Da, wo sie sein sollte, war sie nicht. Oder war sie gar nicht rechts gewesen, als der Nebel plötzlich dick wurde?

Batuti wurde unsicher. In diesem Moment begriff er sehr deutlich, daß man im Nebel völlig orientierungslos werden kann. Der einzige feste Punkt, den er noch hatte, waren die Planken unter seinen Füßen. Aber links und rechts, vor, hinter und über ihm war nichts, nur Watte.

Nebel war für Batuti etwas Unheimliches. Er biß die Zähne zusammen und unterdrückte den Wunsch, nach Matt zu rufen. Er war auf der Kuhl geblieben, als sich Batuti auf die Back begeben hatte. Aber wo war jetzt die Kuhl?

Batuti tastete sich weiter mit weit vorgestreckten Armen. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen. Irgendwo mußte er ja schließlich gegenstoßen. Oder etwa nicht?

Dann spürte er, daß sein linker Fuß plötzlich im Leeren schwebte. Hastig zog er ihn zurück. Was war das denn jetzt? Er bückte sich und tastete mit den Händen die Planken vor seinen Füßen ab. Da war eine Kante und dann nichts mehr.

Batuti ächzte.

Das war der Augenblick, in dem der Nebel plötzlich aufriß.

„Was ist denn mit dir los?“ fragte Matt und schaute grinsend zu Batuti hoch.

Der schwarze Riese richtete sich auf und starrte zu dem Hakenmann hinunter. Der stand auf der Kuhl, direkt am Niedergang zur Back hoch.

„Ich – ich hab mich verirrt“, sagte Batuti gepreßt. „Ich dachte, ich wäre vorn an der Galion.“

„Ja, mit dem Denken ist das so eine Sache“, meinte Matt. „Vor allem das Denken im Nebel.“ Er nickte tiefsinnig. „Da hat man nämlich sehr schnell Watte im Kopf, verstehst du?“

„Hm“, brummte Batuti und stieg den Niedergang hinunter.

Ja, so war das gewesen. Von da ab war er auf der Kuhl geblieben, Matt auch. Sie hatten keine Lust, sich die Knochen zu brechen, wie es Batuti durchaus hätte passieren können. Sie fluchten beide abwechselnd über diese Wache, weil der Nebel immer wieder eine genaue Kontrolle über die Schiffe und die Werft verhinderte.

Sie konnten sich auch nicht vorstellen, daß jemand so übergeschnappt war, zu dieser Zeit und bei diesen miserablen Sichtverhältnissen etwas gegen die Schiffe oder die Werft zu unternehmen. An Land war die Suppe teilweise genauso dick wie auf dem Wasser.

Die Sambuke lag vor der Galeone, den Bug nach Westen gerichtet und dort an Land vertäut. Achtern hatten sie einen Heckanker ausgebracht. Die Galeone wiederum lag vor einem Buganker und hatte vom Heck aus Leinen an Land ausgefahren. Zwischen dem Heck der Sambuke und dem Bug der „Pride of Galway“, war ein freier Raum von etwa fünf Yards. Wer den passieren wollte, um von See her in das kleine Hafenbecken der Werft einzudringen, blieb garantiert in der Heckankertrosse der Sambuke oder der Bugankertrosse der Galeone hängen. Den Verkehr zur Werft oder zurück regelten die Seewölfe mit zwei Beibooten. Eins lag längsseits der Sambuke, das andere, größere längsseits der Galeone.

Matt und Batuti hatten sich ein Holzkohlenbecken auf die Kuhl geholt, um sich über der Glut, die sie unterhielten, ab und an aufzuwärmen und die Hände darüberzuhalten. Sie waren alle empfindlich geworden, vor allem Batuti. Das hing noch mit der glühenden Hitze zusammen, die sie bei ihrer Nilfahrt erlebt hatten. So reagierten sie entsprechend auf den feuchtkalten Nachtnebel, der die unangenehme Eigenschaft hatte, einem bis auf die Knochen zu kriechen.

Jetzt standen sie auch wieder an dem Holzkohlebecken, und Batuti hielt die Hände darüber.

Matt gähnte. Dann schob er die Glut mit dem Eisenhaken, der ihm die rechte Hand ersetzte, etwas zusammen. Na, der Haken brauchte wenigstens nicht angewärmt zu werden. Batuti grinste ein bißchen, als er das dachte.

Das Grinsen und das Denken wurden jäh ausgelöscht. Sie zuckten beide zusammen, als sie den Kanonendonner hörten. Matt fuhr herum und starrte über die Werft nach Nordosten.

„Das war in Plymouth!“

Er hatte den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, da erfolgte eine grelle Explosion. So etwas wie ein Blitz leuchtete auf und war in der nächsten Sekunde schon wieder verschwunden.

„Du meine Fresse“, sagte Matt entgeistert. „Da muß was in die Luft geflogen sein. Hast du den Blitz gesehen?“

Batuti nickte stumm. Sie starrten beide nach Nordosten und lauschten. Aber jetzt blieb es still, und neue Nebelschwaden verhinderten die Sicht.

Von den Seewölfen schoß als erster Edwin Carberry, der Profos, an Deck.

„Was war das?“ fuhr er Matt und Batuti an.

„’ne Explosion“, sagte Matt.

„Das hab ich selbst gehört, verdammt.“

„Dann brauchst du ja nicht zu fragen“, meinte Matt. „Oder?“

Der Profos geriet in Rage. Allerdings stoppte ihn Hasard, der vom Achterdeck her aufgetaucht war.

„Habt ihr was gesehen?“ fragte er.

„Nur so etwas wie einen Blitz, Sir“, sagte Matt und deutete nach Nordosten. „In Plymouth scheint irgendwas in die Luft geflogen zu sein. Vorher hörten wir Kanonendonner.“

„Merkwürdig.“ Hasard schüttelte den Kopf.

Immer mehr Männer versammelten sich auf der Kuhl. Sie waren alle von der Explosion hochgescheucht worden. Und sofort wurden die abenteuerlichsten Vermutungen laut – von einem Pulvermagazin, das explodiert war, bis hin zu einem spanischen Angriff.

Max Pellew, neues Mitglied der Seewölfe-Crew – früher war er als Koch und Feldscher bei Francis Drake gefahren –, traf so ziemlich den Nagel auf den Kopf, als er in seiner gewohnt miesgrämigen Art sagte: „Könnten aber auch wieder die Halunken von Burton oder Bromley gewesen sein. Die haben ja was gegen euch, nicht?“

Hasard blickte ihn überrascht an.

Dann sagte er, etwas milde: „Mac, das glaubst du doch selbst nicht. Wenn die Kerle was gegen uns haben – das bestreite ich ja gar nicht –, warum sollen sie dann in Plymouth was in die Luft fliegen lassen? Die wissen doch inzwischen sicher, daß wir hier sind. Also müßten sie uns hier pakken, nicht in Plymouth.“

„Hm.“ Mac Pellew, hager und ausgemergelt, rieb sich die Nase. Daß er hager und ausgemergelt war, täuschte. Er war nämlich ein ziemlich harter und zäher Knochen. „Da magst du recht haben, Sir. War auch nur so’n Gedanke von mir. Und was hältst du davon, wenn wir mal eben rübersegeln und nachsehen?“ Er zog sich die Hosen hoch, die bei ihm ständig am Rutschen waren. Damit hatte er schon früher Ed Carberry genervt, der ja auch bei Drake gefahren war. Nein, er schnallte sich eben den Gürtel nicht enger. Er dachte gar nicht daran. Das Hochrucken der Hose war ihm eine zu liebe Angewohnheit geworden.

Carberry warf ihm bereits einen wilden Blick zu.

Auch Hasard kannte diese Angewohnheit von Mac Pellew und lächelte leicht. Dann sagte er, bevor Carberry losbullern konnte: „Gute Idee, Mac. Willst du dabei sein?“

„Aye, Sir, bin dabei.“ Das klang nicht gerade begeistert, aber auch das täuschte. Denn wo was los sein konnte, da war Mac Pellew immer dabei.

„Fein, Mac. Und wer noch?“ Hasard blickte seine Männer an. Sie wollten alle, und darum wählte er nur noch Dan O’Flynn, Stenmark und Blacky aus. Für die Dauer seiner Abwesenheit war Ben Brighton sein Vertreter.

Als sie knapp sechs Minuten später lossegelten, saßen plötzlich noch zwei Gestalten im Boot, und zwar auf der vordersten Ducht, unter der sie sich bereits versteckt hatten, als sie wußte daß dieses Boot nach Plymouth segeln sollte.

Ja, es waren die beiden Rübenschweinchen.

Vater Hasard zuckte etwas zusammen, als er sie entdeckte.

„Hatte ich euch mit ausgesucht?“ fragte er erbittert.

„Du suchst uns ja nie aus“, erklärte Hasard junior.

„Jawohl“, sagte Philip junior. „Darum haben wir uns auch gar nicht erst gemeldet, sondern sind gleich ins Boot abgezischt.“

Die Männer grinsten verstohlen, sogar der alte Mac Pellew.

„Aha“, sagte Hasard, keineswegs milder gestimmt. „Und was ist, wenn euch Mister Brighton vermißt und suchen läßt?“

„Tut er nicht“, erklärte Hasard junior prompt.

„Wieso nicht?“

„Weil uns Mister O’Flynn gesehen hat, als wir ins Beiboot abzischten“, erwiderte Philip junior. Er hatte es zur Zeit wohl mit dem Zischen. „Mister O’Flynn senior, Sir.“

„Der hat das nicht verhindert?“ knurrte Vater Hasard.

„Nein, er hat uns zugelächelt, als wir abzischten“, sagte Philip junior.

Dan O’Flynn konnte nicht mehr und prustete los. Auch Hasards wütender Blick hielt ihn nicht davon ab.

„Ich wüßte nicht, was es da zu lachen gibt, Mister O’Flynn“, sagte Hasard gereizt und sehr förmlich. „Ist das vielleicht eine Erziehung? Dein Vater hätte die beiden Lümmel sofort stoppen müssen, bevor sie abzisch … äh, abenterten.“

„Das sehe ich anders, Sir“, sagte Dan O’Flynn, und er hatte Mühe, wieder ernst zu werden.

„Ah ja? Dürfte ich darüber vielleicht Näheres erfahren?“

„Wenn’s sein muß. Mein Neffe Hasard hat recht, wenn er sagt, daß du sie nie aussuchst, wenn du nach Freiwilligen fragst, die für irgendein Unternehmen gebraucht werden.“

„Dafür habe ich meine Gründe. Ich will nicht, daß sie Kopf und Kragen riskieren.“

„Richtig.“ Dan nickte. „Und jetzt segeln wir bei ein bißchen Nebel von Rame Head nach Plymouth, und ich weiß verdammt nicht, was dabei riskant sein soll. Wie ich meinen Alten kenne, denkt der genauso. Darum hat er lächelnd ein Auge zugekniffen, als er sah, wie sie ins Boot abenterten.“ Jetzt wurde Dan sogar ein bißchen wütend. „Kannst du mir mal verraten, was aus den Kerlchen werden soll, wenn du sie von allen solchen Unternehmungen zurückstellst und tatenlos an Bord herumhängen läßt?“

„An Bord ist genug zu tun“, sagte Hasard bissig.

„Ja, vor allem nach Mitternacht, nicht wahr?“ höhnte Dan O’Flynn. „Verdammt noch mal, laß deine Söhne erwachsen werden und sei froh, daß sie sich nicht hinter dem Ofen verkriechen. Gut, sie haben sich heimlich von Bord verholt, aber du weißt ja, warum. Laß doch einen von beiden jetzt an die Pinne! Die fiebern doch danach.“

„Hab’s kapiert.“ Endlich konnte auch Vater Hasard lächeln. Ja, manchmal verrannte er sich, was seine beiden Söhne betraf. Und er war sich selbst gegenüber ehrlich genug, sich einzugestehen, daß er Angst um sie hatte. Ihnen sollte nichts passieren. Aber das barg die Gefahr, daß er sie von einer Sache fernhielt, die sie dennoch erfahren mußten, um klüger zu werden. Auch und gerade Gefahr mußten sie erkennen können, um entsprechend zu reagieren.

„Wer will an die Pinne?“ fragte er.

Natürlich wollten alle beide.

„Hasard bis nach Plymouth, Philip dann zurück nach Rame Head“, entschied er. „Und wer Mist baut, dem zieh ich die Haut in Streifen – na ja.“ Er räusperte sich.

Mit funkelnden Augen – so eisblau wie die des Vaters – übernahm Hasard junior die Pinne. Sie hatten einen kleinen Bootskompaß mitgenommen, und er fragte sofort: „Kurs Ost, Sir?“

„Kurs Ost“, bestätigte Vater Hasard.

Sie segelten mit einer kleinen Fock und einem trapezförmigen Sprietsegel, wie sie für diese kleinen Boote vorgesehen waren. Außerdem waren vier Rundseln für die Bootsgasten zum Pullen vorhanden, je zwei auf jeder Seite. Das Boot war flink und wendig. Jetzt, vor dem Wind aus Westen, liefen sie mit ausgebaumter Fock auf der Backbordseite und dem ausgefierten Sprietsegel auf der Steuerbordseite. Der Kurs führte an der Südküste der Halbinsel entlang. Hinter ihnen an der Westspitze lag Rame Head. Die Ostspitze der Halbinsel wurde von Penlee Point gebildet. Sie mußte gerundet werden, um Plymouth im Norden anzulaufen. Da der Strom nach Westen auch noch mitschob, rundeten sie Penlee Point bereits nach einer Viertelstunde.

Jetzt lagen sie über Steuerbordbug bei vollem halbem Wind.

„Nordnordost“, befahl Vater Hasard.

„Aye, Sir, Nordnordost“, wiederholte Hasard junior wie ein alter Rudergänger und spähte auf den Kompaß, bis er den neuen Kurs eingesteuert hatte. „Kurs liegt an, Sir“, meldete er.

Vater Hasard nickte, und die Männer grinsten sich eins, denn das Bürschchen war kräftig dabei, sich jetzt auch um den Trimm der beiden Segel zu kümmern. Mal mußte die Fock etwas dichter geholt werden, mal das Sprietsegel, oder umgekehrt.

„Fock nicht zu dicht knallen, Mister Stenmark“, sagte das Bürschchen, „da ist ’ne Beule im Großsegel.“

Oder: „Mister Pellew, bitte sehr, das Großsegel klappert. Etwas dichter die Schot – recht so, danke.“

Sie saßen alle in Luv des Bootes, und auch da hatte das Bürschchen ab und an was auszusetzen und ließ sie auf den Duchten hin und her rutschen, um die Trimmlage des Bootes zu verbessern. Vater Hasard hatte keinerlei Beanstandungen. Das Bürschchen segelte konzentriert und aufmerksam.

Der Seewolf fragte: „Wie ist das, Dan, kannst du voraus in Richtung Plymouth irgendwas entdecken?“

Dan befand sich vorn im Bug jetzt, um rechtzeitig warnen zu können, falls vor ihnen unvermutet etwas aus dem Dunst auftauchte. Über die Schulter sagte er: „Ich meine, vorhin mal etwas Rötliches gesehen zu haben, vielleicht ein Feuer, bin mir aber nicht sicher. Die Sicht ist hundsgemein …“

Er brach ab, denn irgendwo in der Suppe an Steuerbord von innen drang etwas an ihre Ohren, das sich wie ein Grölen anhörte.

„Wo war das genau?“ fragte Hasard scharf.

„Steuerbord voraus“, sagte Dan.

„Neuer Kurs Norden“, befahl Hasard seinem Sohn. „Bitte anluven.“

„Aye, aye, Sir, neuer Kurs Norden“, wiederholte Hasard junior und legte leicht Ruder.

Die Schoten wurden etwas dichter genommen.

„Kurs liegt an, Sir“, meldete das Bürschchen.

Hasard nickte. „Und warum sind wir jetzt auf diesen Kurs gegangen, Söhnchen?“

„Kann sein, daß uns da Steuerbord voraus was im Weg ist“, sagte Hasard junior. „Den woll’n wir ja nicht untermangeln, nicht?“

„Richtig.“ Vater Hasard versteckte sein Grinsen. „Untermangeln“ hatte das Söhnchen gesagt. Bei diesem Bötchen würde das wohl eher umgekehrt sein.

Noch einmal schallte das Grölen zu ihnen herüber. Jetzt schien es Steuerbord querab zu sein. Da segelte wohl auch einer herum, dem es mächtig viel Spaß bereitete, bei diesem verdammten Nebel unterwegs zu sein.

Wenn Hasard geahnt hätte, wer dieser jemand war, wäre er spornstreichs zurück nach Rame Head gesegelt. Tatsächlich passierten sich die Karavelle Sir Johns und Hasards Boot auf einen Abstand von knapp vierhundert Yards, und wegen der Nebelschwaden sah keiner den anderen. Das war etwa eine Meile südlich von der St.-Nicholas-Insel.

„Wieder auf Nordnordost gehen“, befahl Hasard.

Das Bürschchen wiederholte den Befehl und steuerte den neuen Kurs ein.

Zu Dan rief Hasard: „Paß auf St. Nicholas auf, Dan! Wir müßten die Insel bald an Steuerbord haben!“

„Aye, Sir!“

Und dann sahen sie es plötzlich alle – nämlich das Feuer Steuerbord voraus. Das war an der Mill Bay. Zehn Minuten später steuerte Hasard junior das Boot an eine freie Stelle am Kai der West Hoe Road.

Die beiden Bürschchen blieben freiwillig im Boot, um es zu bewachen. Sie waren gewitzt genug, den Bogen nicht zu überspannen. Außerdem herrschte ein ziemliches Getümmel auf der Pier. Da war eine Kette gebildet worden, und man reichte sich von Hand zu Hand Eimer mit Wasser zu, um den Brand in einem Lagerschuppen zu löschen. Eine andere Kette von Menschen bekämpfte einen Brand in einem Haus der West Hoe Road. Da wurde gebrüllt, geschrien und durcheinandergelaufen.

Ein Gendarm stürmte auf Hasard zu, der mit seinen Männern über die Pier ging. Sie hatten die Galeone zum Ziel – oder das, was von ihr noch übrig war, nämlich zwei Masten, die schiefgeneigt aus dem Wasser des Hafenbeckens ragten.

Der Gendarm wollte losdonnern, daß sie hier nur im Wege wären, aber er schien Philip Hasard Killigrew zu kennen, denn er stoppte sich plötzlich und sagte: „Ah, Kapitän Killigrew, Sir, entschuldigen Sie, ich wollte Sie schon wegscheuchen.“ Er schwitzte fürchterlich und wischte sich den Schweiß von der Stirn, „Sie können froh sein, daß Sie mit Ihren beiden Schiffen nach Rame Head verholt haben. Dort, wo Ihre Galeone vertäut war, hatte seit gestern nachmittag eine andere Galeone gelegen.“ Er deutete auf die schiefgeneigten Masten. „Das ist von ihr übriggeblieben – eine Handelsgaleone, ähnlich wie Ihre. Aus, vorbei, explodiert.“

„Wieso?“ fragte Hasard irritiert. „Wie konnte die denn explodieren?“

„Jemand hat eine Karavelle gesehen“, erwiderte der Gendarm. „Die ist hier in die Mill Bay gesegelt, hat eine volle Breitseite auf die Galeone abgegeben und ist wieder verschwunden. Ein Treffer muß die Pulverkammer erreicht haben. Die Galeone ist in die Luft geflogen.“

„Tote?“

Der Gendarm nickte. „Natürlich. Einige Leute der Besatzung sind allerdings in irgendwelchen Spelunken gewesen, als es passierte. Drei oder vier haben wir schwerverletzt aus dem Wasser geborgen. Drüben in dem Haus sind auch Menschen verletzt worden. Da ist der Großmast durchs Dach in die Schlafkammern gerast.“

„Verdammt, verdammt“, murmelte Hasard und blickte Mac Pellew an. „Du hast wahrscheinlich recht, Mac. Die Kerle haben die Galeone, die dort gelegen hat, mit unserer ‚Pride of Galway‘ verwechselt.“

Mac Pellew nickte stumm.

Hasard wandte sich an den Gendarm. „Ist der Hafenkommandant hier irgendwo?“

„Ja, Sir. Ich glaube, dort beim Schuppen, wo gelöscht wird.“

„Führen Sie mich bitte zu ihm“, sagte Hasard und befahl seinen Männern, zum Boot zurückzugehen und die Segel wieder zu setzen. „Wir segeln sofort wieder zurück“, fügte er hinzu. „Könnte sein, daß die Kerle es dort auch noch mal versuchen.“

Dan O’Flynn nickte. „Das ging mir auch gerade durch den Kopf – das Grölen, was wir hörten, das könnten die Kerle gewesen sein. Und wir sind an ihnen vorbeigesegelt!“

„Vermutlich“, sagte Hasard knapp und eilte mit dem Gendarm zu dem Schuppen, von dem nicht mehr viel stand.

Der Hafenkommandant war verrußt, verdreckt und verschwitzt, und er fluchte wie ein Fuhrknecht.

„Das hat Ihrem Schiff gegolten“, sagte er sofort, als Hasard ihm gegenüberstand. „Mann, Sie machen mich schwach. Kaum tauchen Sie wieder in Plymouth auf, ist der Teufel los.“

Hasard lächelte den wütenden Mann an. „Tut mir leid, Sir, vor allem deswegen, weil das verkehrte Schiff angegriffen wurde. Ich schätze aber, daß ich weiß, wer dahintersteckt.“

„Wer?“ blaffte der Hafenkommandant.

„Mister Samuel Taylor Burton, Sir.“

„Der hier mal Friedensrichter war?“

„Genau der.“

„Wieso das?“

Hasard seufzte. „Um mich kurz zu fassen: Vor zwölf Jahren wollte er sich an einer Schatzbeute bereichern, die unserer Königin zugedacht war. Das konnte ich verhindern. Der Verhaftung und Aburteilung als Dieb entzog er sich durch einen Schlaganfall. Von dem erholte er sich leider, und seitdem mag er mich nicht. Wissen Sie, wo er wohnt?“

„Klar. Dieser Schweinehund steckt also dahinter?“

„Ja. Und ich erhebe hier bereits Anklage gegen ihn – wegen Mordes an den unschuldigen Männern dieser Galeone und wegen versuchten Mordes an meiner Besatzung und mir. Lassen Sie ihn festnehmen, sofort.“

„Mit Vergnügen, Sir“, sagte der Hafenkommandant grimmig.

Minuten später schwangen sich fünf Soldaten auf Pferde und brausten ab. Nach knapp zehn Minuten kehrten sie zurück. Der Vogel war ausgeflogen.

„Diese Wildsau!“ tobte der Hafenkommandant. „Und jetzt?“

„Lassen Sie nach ihm fahnden, Sir“, sagte Hasard. „Ich muß nach Rame Head zurück, bevor dort auch noch etwas passiert. Falls Sie ihn schnappen, stelle ich mich für die Anklage gern zur Verfügung. Sie erreichen mich jederzeit auf der Werft von Mister Ramsgate.“

„In Ordnung, Sir.“

Sie verabschiedeten sich, und Hasard eilte zum Boot zurück. Wie vorher hinauf – mußte Hasard jetzt zum Boot hinunterklettern, und er benutzte die Steigeisen an der Kaimauer. Es war ablaufendes Wasser. In etwa einer Stunde würde Niedrigwasser sein.

Minuten später glitt das Boot aus der Mill Bay. Jetzt saß Philip junior an der Pinne, genauso konzentriert und aufmerksam wie sein Bruder. Der Wind hatte etwas zugelegt.

„Kurs Südsüdwest, Söhnchen“, befahl Hasard. „Die St.-Nicholas-Insel bleibt an Backbord. Und segel das Boot voll aus, wir haben wenig Zeit.“

„Aye, aye, Sir!“ Und Philip junior segelte das Boot gewissermaßen mit den Fingerspitzen. Wenn der Wind nicht krimpte, das heißt, nach links drehte, konnte Philip Penlee Point, die südliche Ostspitze der Halbinsel gut anliegen. Nach dem Runden von Penlee Point mußte gekreuzt werden. Außerdem lief dann auch der nach Osten driftende Strom gegenan. Da hatte es also Philip etwas schwerer als sein Bruder.

Als die St.-Nicholas-Insel bereits hinter ihnen lag, rollte ihnen von Steuerbord voraus, aus Südwesten, Kanonendonner entgegen. Da wußten sie, was die Glocke geschlagen hatte.

Und Dan O’Flynn sagte etwas sehr Unfeines.

Seewölfe Paket 15

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