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5 Der Pfad ins Ungewisse

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Bomba blieb sofort starr stehen. Seitwärts von ihm erhob sich aus dem Farngewirr der Kopf einer Cooanaradi, der gefährlichsten Giftschlange des Dschungels. Noch hatte sie nicht zum Angriff angesetzt. Anscheinend fühlte sie sich so sicher und überlegen, dass sie sich Zeit ließ.

Mit unendlicher Langsamkeit hob Bomba das Gewehr, diese wertvollste Waffe im Dschungelkampf. Unsichtbar bewegte er dabei die Lippen und sagte zu Gibo in einem tonlosen Murmeln:

„Bewege dich nicht, Gibo, ehe ich nicht geschossen habe. Jeder unbedachte Schritt könnte sie zum Angriff reizen.“

Wie eine bronzene Statue stand Gibo da. Doch dann entrang sich ein Schrei seinen Lippen, als der Schuss durch die Urwaldstille peitschte und im nächsten Augenblick der Rumpf der Schlange in hilflosen Todeszuckungen über den Boden glitt. Der hässliche dreieckige Kopf des Reptils war von der Kugel zerschmettert worden.

Als die Windungen des Schlangenleibes aufgehört hatten, näherte sich Gibo vorsichtig dem Körper und stieß mit den Zehenspitzen dagegen.

„Nie werde ich das verstehen, Herr“, murmelte er verwirrt. „Der Feuerstock spricht mit lauter Stimme, und dann ist die Schlange im nächsten Augenblick tot.“

„Der Feuerstock ist ein Gewehr“, erklärte Bomba lachend. „Ich habe dir das schon so oft gesagt. Und es ist keine Zauberei dabei.“

„Gewehr — Gewehr“, wiederholte der Indianer das fremdartige Wort. „Ah — und es ist doch ein Zauber — ein großer Zauber, Herr! Wie könntest du sonst damit die Cooanaradi töten oder einen Jaguar auf fünfzig Schritt treffen.“

„Der ganze Zauber ist eine sichere Hand und ein gutes Auge“, sagte Bomba. „Willst du nicht auch einmal versuchen, mit dem Gewehr zu schießen?“

Entsetzt wich Gibo einige Schritte zurück und streckte abwehrend die Hände vor.

„Alles tue ich für dich, Bomba“, sagte er flehend. „Aber verlange nicht von mir, dass ich diesen Zauberstock in die Hand nehme.“

„Dass du nie deinen Aberglauben aufgeben willst, Gibo!“ meinte Bomba mit einem gutmütigen Lächeln. „Aber komm jetzt; es ist schon später Nachmittag, wir müssen uns eine Unterkunft für die Nacht suchen.“

Die beiden Gefährten setzten die ungewisse Wanderung fort, und einige Stunden später erinnerte nur noch ein sauber abgenagtes Skelett an den Kampf, der hier vor kurzem stattgefunden hatte. Die großen Dschungelameisen hatten ihre Arbeit schon getan.

*

In dieser Nacht suchten die Dschungelwanderer in einem dicken Dornengestrüpp Zuflucht. Als sie am Morgen erwachten, stärkten sie sich durch ein Frühstück von geröstetem Fleisch, Nüssen und süßen Urwaldfrüchten. Dann setzten sie die Wanderung fort, und es war schon später Nachmittag, als sie plötzlich ein unerwartetes Bild vor sich sahen. Bomba ging wie üblich voran und hieb mit der Machete eine Lianensperre auseinander, als er plötzlich erstaunt stehenblieb. Vorsichtig schob er einen Zweig beiseite und schaute auf das Bild, das sich ihm bot.

Ein schmaler, düsterer Dschungelpfad verlor sich vor ihnen ins Ungewisse. Giftige Sumpfblumen mit leuchtend roten Glockenkelchen strömten einen betäubend süßen Duft aus, und der Pfad war so von großblättrigen Unkrautpflanzen und wucherndem Gestrüpp überwachsen, dass er kaum passierbar erschien. Der Boden war weich und schlüpfrig und senkte sich jäh abwärts.

„Das muss der Weg zum ‚Unterirdischen Fluss’ sein“, sagte Bomba mit hoffnungsfroher Stimme. „Sobrinini sprach von einem Pfad, der steil abwärts führt.“

„Er kann steil abwärts führen in den Untergang“, meinte Gibo düster. „Ganz so sieht er aus.“

Bomba wandte sich heftig zurück.

„Du kannst heimlaufen“, sagte er schroff. „Du kannst zu den Squaws in deine Maloca zurückkehren und ihnen beim Holzsammeln und Mattenflechten helfen.“

Beschämt senkte der Indianer den Blick.

„Ich will dir folgen, Bomba“, murmelte er. „Aber denke daran, dass wir nur zu zweit sind. Und die Geister wimmeln hier zu Tausenden herum.“

„Es gibt keine Geister“, sagte Bomba und begann den Weg zu beschreiten.

Zögernd folgte ihm Gibo, doch als sich nach den ersten zehn Minuten noch kein Geist zeigen wollte, fasste auch er neuen Mut. Sie bahnten sich ihren Weg mit großer Vorsicht über den schlüpfrigen Boden. Dabei hörten sie näher und näher das Rauschen eines Flusses. Nach etwa einer Stunde war das Geräusch unmittelbar bei ihnen.

Dann sah Bomba plötzlich etwas vor sich, was ihn mit freudiger Hoffnung erfüllte: einen seltsam geformten, hochragenden Felsen, der oben nadelspitz zulief. Von diesem Zeichen hatte Sobrinini auch gesprochen.

„Dort, Gibo!“, rief er froh. „Wenn Sobrininis Worte richtig waren, dann muss dort der Eingang zum Bett des Unterirdischen Flusses sein. Endlich sind wir am Ziel. Folge mir, wir werden —“

Er stürmte vorwärts und in die höhlenartige Öffnung hinein, die sich unter dem Felsturm auftat. So begierig war er, endlich das Ziel seiner Reise zu erreichen, dass er seine übliche Vorsicht ganz außer Acht ließ. Die Dunkelheit umfing ihn sofort. Und mit einem Male hatte er keinen Boden mehr unter den Füßen, und er fiel — wild um sich greifend — in die Tiefe.

Gibo war seinem Gefährten blindlings gefolgt, und als er ebenfalls in die Tiefe stürzte, tönte sein Schrei schauerlich durch die Dunkelheit. Sie glitten, fielen und rutschten zusammen tiefer und tiefer. Steine und Erdreich lösten sich bei ihrem Fall und polterten mit ihnen hinab.

„Wir fallen bis zur Mitte der Erde!“, dachte Bomba noch.

Dann verlor er das Bewusstsein, und erst sehr viel später klärte sich der Nebel wieder, der sein Gehirn umgab. Stöhnend versuchte er sich aufzurichten, aber ein unerträglicher Schmerz ließ ihn zurücksinken.

Was war geschehen? Wo war er?

Die Erinnerung kehrte zurück, und er sah sich wieder in freudiger Eile auf die Höhlenöffnung zustürmen. Er musste irgendeinen steilen Felshang hinuntergestürzt sein. Die Luft um ihn her war feucht und muffig. Außerdem war es so kalt, dass seine Glieder zu erstarren drohten. Er tastete um sich und fühlte, dass der Felsboden mit einem feuchten Moos bedeckt war. Seine Arme und Beine schmerzten ihn, als hätte sie jemand mit Keulen bearbeitet.

Plötzlich fiel ihm der Schrei ein, der ihn bei seinem Sturz begleitet hatte.

Gibo! Was war aus ihm geworden?

Er rief und schrie den Namen in die Dunkelheit hinein. Aber es kam keine Antwort — nicht einmal ein Echo narrte ihn. Im Gegenteil: seine Stimme klang merkwürdig erstickt und leise, als würde sie von der samtenen Schwärze aufgesogen. Ein einziges Geräusch durchdrang die Stille: das melodische Plätschern von Wasser. Als Bomba diesen Laut vernahm, spürte er mit einem Male auch, dass seine Kehle wie ausgedörrt war.

Er holte seinen Feuerstein aus der Tasche und schlug einen Funken. Bei dem Aufflammen des Funkens sah Bomba in seiner Nähe ein Stück Holz. Darauf hatte er gehofft. Er tastete nach dem Aststück, löste mit den Fingernägeln einige Splitter ab und zündete sie an. Nun konnte er auch das Holzstück in Brand setzen. Es war feucht und brannte schlecht. Immerhin enthüllte ihm das schwache Fackellicht seine nächste Umgebung, und er erhob sich mit schmerzlicher Anstrengung, aber von neuer Hoffnung erfüllt.

Zuerst schien es, als wollten ihm seine Beine den Dienst versagen. Vorsichtig setzte Bomba Schritt vor Schritt, aber nach einer Weile ging es schon besser, und auch sein Kopf wurde wieder klarer.

Er hielt Umschau in seiner neuen Umgebung und stellte fest, dass er sich in einer Höhle von großer Ausdehnung befand. Der Fackelschein drang nicht bis zur Decke über ihm durch. Seltsame, bizarr geformte Felsen ragten vor ihm auf, und bei jedem Schritt fürchtete er zu stürzen, so feucht war der moosige Felsboden unter seinen Füßen. Von den Wänden sickerte Wasser herab und bildete kleine Rinnsale, die sich im Laufe langer Zeiträume als schmale Kerben in den Fels gegraben hatten.

Immer noch war vor ihm das Rauschen von Wasser zu hören. Bomba hob die Fackel und spähte vorwärts. Doch dann wich er unwillkürlich zurück: nicht weit vor ihm lag die Gestalt eines Mannes reglos am Boden.

Bomba am Ende einer Spur

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