Читать книгу Das Licht und der Bär - Rudolf Alexander Mayr - Страница 12

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Am gleichen Abend erhielten wir noch einen Funkspruch von unseren Gefährten. Es war nichts mehr von einem „Den Zapfn reiß ma mit links nieda!“ zu hören. Vielmehr vernahmen wir, wie ein anderer, der uns immer beim Spuren vornehm den Vortritt überlassen hatte, sagte: „Der Berg mag uns nicht. Ich gebe auf!“

Nach über einstündiger Beratung entschlossen wir uns, es ihm nachzutun, und stiegen am nächsten Tag ins Basislager ab.

War die Ankunft dort vor acht Wochen eine Art Triumph gewesen, den wir uns in unserer Siegessicherheit als Vorschuss genehmigt hatten, ähnelte unsere Abreise nun eher einer Flucht. Einige von uns entschlossen sich, über den Dhampus-Pass nach Marpha ins Khali Gandaki abzusteigen, doch Wolfi, Friedl Mutschlechner und ich blieben dabei, die Anmarschroute auch für den Rückweg zu nehmen. Ich glaube, wir haben nie mehr in unserem Bergsteigerleben unsere Rucksäcke so schnell gepackt wie an diesem Tag. Ohne noch einen einzigen Blick auf den Berg zu verschwenden, rannten wir schnellen Schrittes das Tal hinaus.

Wir sollten die Route unseres dreizehntägigen Anmarsches in nur drei Tagen zurücklaufen. Das war ungeheuerlich, und vorsätzlich kann das wohl niemandem gelingen. Doch wir konnten es. Ich erinnere mich unseres Dauerlaufs durch die Schluchten und die dazwischen liegenden Dörfer, unserer unendlichen Müdigkeit und der Blutblasen an den Füßen von Friedl (einige Zeit später wurde er am Manaslu bei tiefblauem Himmel auf siebentausendfünfhundert Metern von einem Blitz erschlagen.) Wir schnitten seine Blutblasen mit meinem Taschenmesser auf, in den wenigen Minuten der Mittagspause, und ich wusste, dass Friedl eine wahnsinnige Angst hatte, als gescheiterter Bergsteiger (er galt seit vielen Jahren als einer der besten Höhenbergsteiger der Welt) wieder ein Installateur werden zu müssen, was er gelernter Weise war, und dass er alles, aber auch alles tun würde, um aus diesem Leben herauszukommen und Bergsteiger sein und bleiben zu dürfen. Und so schnitten wir ihm bei der nächsten Mittagsrast wieder seine Blutblasen auf, und alles war voller Blut, und wir rannten beinahe besinnungslos weiter, währenddessen wir uns niemals umdrehten, um unseren Berg auch nur ein einziges Mal noch anzusehen. Aber ich erinnere mich an das Pochen meines eigenen Herzens, das wie aus der Ferne kam, und an die Geräusche der Dörfer und ihre Gerüche, an das Saugen der Wasserpumpen, das entfernte Gebell der Hunde und an unsere Sehnsucht nach vertrauten Bildern und Menschen, die so weit entfernt waren, wie es zehntausend Kilometer nur sein können.

Das Licht und der Bär

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