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SOUS-VIDE-GAREN UND GRILLEN

Wieso gart jemand wie ich, dessen Beruf das Grillen ist, Lebensmittel sous-vide? Eine berechtigte Frage. Aufmerksam wurde ich auf diese Garmethode im Jahr 2009 bei dem Symposium »Chefsache«. Auf der Bühne vakuumierten Köche Fleisch und Fisch und legten diese in ein durchsichtiges, digital gesteuertes Wasserbad – für mich neumodischer Firlefanz, den ich als »Aquariumskochen« abtat. Als ich dann aber die Vorteile dieser Gartechnik erläutert bekam und das sous-vide zubereitete Fleisch probierte, änderte sich meine Meinung.

Was mich allerdings abschreckte, waren die Garzeiten von bis zu 72 Stunden – mir reicht es schon, wenn ich 12 Stunden am Smoker sitze. Trotzdem las ich Bücher, um die Technik zu verstehen. Was mir fehlte, war die Ausrüstung: ein Vakuumierer und ein Sous-vide-Gerät. Aus Kostengründen entschied ich mich, ein digital temperaturgesteuertes Wasserbad selbst zu bauen. Durch meine ostdeutsche Herkunft war ich zu basteln und improvisieren gewohnt. Ich kaufte eine Heizquelle, genau genommen einen Tauchsieder für 5 Euro, ein digitales Thermostat für 39 Euro und zur Wasserumwälzung eine Zimmerspringbrunnenpumpe, sie kostete 4,95 Euro. Das alles installierte ich in einer Kühlbox – und voilà, es funktionierte. Die Wassertemperatur in der Box habe ich zusätzlich noch mit digitalen Kerntemperaturthermometern überwacht.

Jetzt fehlte mir nur noch eine Art Vakuumierer. Ich experimentierte mit Staubsaugern und kleinen Vakuumpumpen, aber die simpelste Lösung kam mir nicht in den Sinn: der Ziploc-Beutel (wiederverschließbarer Gefrierbeutel). Einfach Wasser in ein hohes Gefäß füllen, ein 300-g-Steak in den Ziploc-Beutel stecken und den Beutel bis auf eine kleine Öffnung verschließen. Den so vorbereiteten Beutel unter Wasser drücken, sodass der Wasserdruck die Luft komplett aus dem Beutel drückt (verbleiben Luftblasen im Beutel, schwimmt dieser im Wasserbad an der Oberfläche und das Fleisch gart ungleichmäßig). Dann muss der Beutel nur noch vollständig verschlossen werden, und das Steak ist sozusagen vakuumiert.

Nun begann für mich das eigentliche Experiment: Ich legte ein Steak im Vakuumbeutel für 6 Stunden ins 55 °C warme Wasserbad. Das sous-vide gegarte Fleisch war im Anschnitt gleichmäßig dunkelrosa und sehr zart. Nur etwas fehlte: der Grillgeschmack, die Röstaromen. Also habe ich das Steak kurz bei hohen Temperaturen angegrillt, sodass es Röststellen bekam. Noch ein bisschen Pfeffer und Salz, und das Steak war nach meinen damaligen kulinarischen Empfindungen nahezu perfekt. Grünes Licht für meine mittlerweile in Szenekreisen bekannte Ossi-Vakuumierung holte ich mir bei Thomas Vilgis. Er bestätigte mir, dass es aus seiner Sicht weder bakteriologische noch gartechnische Einwände gibt. Er selbst wickele manchmal sein Gargut nur fest in Frischhaltefolie: »Das Entscheidende ist nicht das Vakuumieren, sondern die exakte Temperatursteuerung, die heute bei den handelsüblichen Geräten kein Problem mehr ist«, erklärte er.

Durch viel Experimentieren und regen Erfahrungsaustausch entwickelte ich Rezepte und merkte, dass beim Sous-vide-Garen – genau wie beim Grillen – Gargut, Zeit und Temperatur aufeinander abgestimmt sein müssen. Sous-vide-Garen in Kombination mit Grillen ist für mich momentan eine der besten Kombinationen zur Veredelung von Lebensmitteln. Eine passende Bezeichnung für die Vorbereitung vom Grillgut im temperierten Wasserbad war auch schnell gefunden: »Thermal-Marinieren«.

Für mich liegen die Vorteile vom Sous-vide-Garen auf der Hand: Es gibt mir die Möglichkeit, mein Gargut, beispielsweise Fleisch, auf den Punkt und gleichmäßig vorzugaren. Nun mag der Einwand kommen, dass das nichts mehr mit Grillen zu tun hat. Aber mir geht es beim Grillen in erster Linie darum, ein nahezu perfekt gegartes Stück Fleisch mit angenehmen Röstaromen auf den Teller zu bringen. Möchte man Fleisch perfekt garen, ist das Temperaturfenster sehr eng, und mithilfe des kontrollierten Sous-vide-Garens kann ich eigentlich nicht mehr viel falsch machen.

Ein Beispiel: Die ideale Kerntemperatur von Rindersteak ist nicht für jeden gleich. Der eine mag es rare (52 °C) der andere medium 56 °C. Diesen genauen Punkt auf einem Grillrost, der mindestens 250 °C heiß ist, hinzubekommen, ist eine Leistung. Vor allem, wenn man bedenkt, dass das Fleisch beim Ruhen weitergart, bis sich eine gleichmäßige Temperaturverteilung eingestellt hat. Da ist es einfacher, die Kerntemperatur des Fleischs im Wasserbad kurz vor den idealen Punkt zu bringen und dem Fleisch anschließend nur noch kurz bei sehr hoher Hitze Röstaromen zu verleihen.

Hier noch einmal die Vorteile des Sous-vide-Garens auf den Punkt gebracht: Das Gargut – auch Obst und Gemüse kann man sous-vide garen – wird schon im Garbeutel mit Gewürzen, Kräutern und Ölen aromatisiert. Durch den minimalen Wasseraustritt bleibt das Fleisch saftig und weich, und der ideale Garpunkt lässt sich genauer steuern.

VAKUUMIEREN OHNE VAKUUMIER-GERÄT


Das Gargut – ggf. samt Marinade – in einen Ziploc-Beutel (wiederverschließbarer Gefrierbeutel) geben. Diesen in einem Wasserbad bis zum Verschluss unter Wasser drücken. Die Luft wird aus dem Beutel heraus gedrückt. Den Ziploc-Beutel vorsichtig verschließen, sodass keine Luft mehr im Beutel bleibt. Dabei aufpassen, dass kein Wasser aus dem Wasserbad in den Garbeutel gelangt.


Den verschlossenen Beutel aus dem Wasserbad heben und schon hat man sozusagen ein vakuumiertes Stück Fleisch. Dieses kann nun im Sous-vide-Gerät oder einem selbst gebauten Wasserbad (siehe Seite 28) gegart werden.


Thomas Vilgis

EIGNET SICH SOUS-VIDE-GAREN AUCH FÜR WILD?

Grillen heißt auch Aromatisieren. Durch das Garen bei hohen Temperaturen entwickelt die Oberfläche des Grillguts, egal ob Fleisch oder Gemüse, karamellartige, rauchige und auch würzige Aromen. Der Kern des Lebensmittels muss nicht unbedingt auf dem Grill gegart werden. Gerne werden Fleischstücke sous-vide vorgegart und später auf dem Grill nur noch »gebrandet«. Auf diese Art sind Garen und Aromatisieren entkoppelt. Sous-vide heißt, bei niedrigen Temperaturen über eine entsprechend lange Zeit im Vakuum garen. Bei dicken Rippen oder Schweinenacken sind Garzeiten von mehreren Stunden bei Temperaturen zwischen 52 °C und 58 °C keine Ausnahme. Der Vorteil ist klar: Das Fleisch bleibt saftig und rosa, es trocknet nicht aus und wird nicht zäh – besonders, wenn der Fettanteil stimmt. Sous-vide-Garen scheint eine Universalmethode zu sein.

Ganz so einfach ist es leider nicht. Vor allem geschossenes Hochwild erfordert beim Sous-vide-Garen Umsicht. Wird das feine dunkelrote Filet stundenlang sous-vide gegart, kann es unangenehm breiig werden. Das Fleisch hat zwar noch seine schöne Farbe, verliert aber praktisch seine Struktur. Bei Rindfleisch tritt dieser Effekt nicht ein, obwohl der Muskelaufbau dem Wild bis auf wenige Feinheiten ähnelt.

Fleisch ist eben nicht Fleisch. Geschossenes Wildfleisch ist blutreicher, was beim Garen den süßlichen, fast leberartigen Geschmack verursacht. Allerdings erhöht sich dadurch die enzymatische Aktivität im Muskelfleisch und führt dazu, dass sich viele Muskelproteine spalten. Wirken die Enzyme mehrere Stunden auf das Fleisch ein, verliert dieses nach und nach seine Struktur und demzufolge Stabilität und Biss. Bei herkömmlichen Garmethoden wie Kurzbraten, ist das kein Problem, wohl aber beim Garen unter 55 °C, denn manche proteinspaltenden Enzyme sind dann hoch aktiv.

RÄUCHERN VON SOUS-VIDE GEGARTEM FLEISCH

Traditionell dient Räuchern in erster Linie zur Konservierung. Heutzutage wird eher aus geschmacklichen Gründen geräuchert. Die rauchigen Aromen adsorbieren auch auf sous-vide gegartem Fleisch. Was allerdings den »Rauchbiss« anbelangt, müssen Abstriche gemacht werden – und zwar abhängig von der Sous-vide-Gartemperatur. Doch die Moleküle beeinflussen nicht nur die Konsistenz, sondern verleihen dem Räuchergut auch seine Farbe.

Das ultimative Napoleon-Grillbuch

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