Читать книгу Shandra el Guerrero - Rudolf Jedele - Страница 8

El Bosque

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Der Marktplatz von El Bosque, der Zocalo, er war wie leergefegt. Die Menschen hatten sich in ihren Häusern versteckt und würden ganz sicher erst wieder heraus kommen, wenn die momentane Situation geklärt war.

Etwas Ungeheuerliches war geschehen.

Ein junger Wilder aus dem Hochland, der Grazalema – man wusste schon immer, dass die Menschen, die dort lebten Verrückte waren – hatte den herausgefordert, der das Flusstal beherrschte und alle Menschen unter seiner Knute hielt.

Pablo Desaldo hatte am Morgen des gestrigen Tages erfahren, dass drei seiner Söhne, vier Schwiegersöhne und neun Enkel waren von den Wilden getötet worden waren und nun erwartete man deren Angriff auf El Bosque. Gerüchte von zügellosen Horden machten die Runde, hunderte, gar tausende sollten es sein, denn weniger waren nicht in der Lage, zwei Dutzend Desaldos umzubringen.

Der Alte hatte getobt und geschrien, als der einzige Überlebende ihm diese Nachricht mit letzter Kraft überbracht hatte und dann in den Armen seiner Mutter ebenfalls gestorben war. Er hatte gedroht, die Berge der Grazalema einzuebnen und diesen Wilden, jedem Einzelnen von ihnen, den Hals herum zu drehen und ihre Eingeweide bei lebendigem Leib an die wilden Tiere zu verfüttern. Insbesondere diesen neuen Anführer der Wilden, der sich Shandra el Guerrero nannte, einen Namen, den nie zuvor jemand gehört hatte, wollte er besonders langsam umbringen.

In der kleinen Ortschaft wohnten kaum fünfzig Menschen, die nicht unmittelbar zu den Desaldos gehörten. Der Händler und seine Familie waren schon lange vor Pablo Desaldo da gewesen und ebenso die zwei Hände voll Handwerker und ein paar Bauern. Und der Wirt der Kneipe. Diese Menschen wurden von den Desaldos geduldet und in Ruhe gelassen, weil niemand aus der Bande bereit und in der Lage war, die Funktionen dieser Leute zu übernehmen. Es gab keinen Seiler und keinen Wagner, keinen Schneider und keinen Schmied in der Bande. Niemand konnte Brot backen und die Kornmühle ebenso wie die Ölmühle wären unter der Betreuung der Desaldos längst in ihre Einzelteile zerfallen. Auch die Kunst Wein zu keltern und Schnaps zu brennen blieb den eingesessenen Bewohnern der Ortschaft, aber nur so lange, wie sie nicht aufmuckten und gegen einen Desaldo die Stimme hoben. Von der Hand erst gar nicht zu reden.

An diesem Tag hätte das schlimmste Unwetter aller Zeiten über El Bosque niedergehen können, selbst wenn in jedes Haus der Blitz eingeschlagen hätte, keiner der Dorfbewohner hätte sein Haus verlassen, denn was war schon so ein kleiner Blitz im Vergleich zu einem tobenden Pablo Desaldo?

Mittlerweile ging es auf den Mittag zu und es schien, als habe Pablo Desaldo sich wieder ein wenig beruhigt. Er hatte aufgehört zu schreien, stattdessen begannen sich überall im Dorf an den strategisch wichtigen Punkten und Plätzen seine schwer bewaffneten Leute zu verteilen.

Die Angst der Dorfbewohner stieg ins unermessliche, denn was sie sahen, ließ nur einen einzigen Schluss zu:

In El Bosque würde eine Schlacht stattfinden und nach allem, was die Dorfbewohner über solche Schlachten wussten, war, dass am Ende sie selbst die Verlierer sein würden.

Gewannen die Wilden, würden sie nicht zögern, El Bosque vollständig auszurauben und die Häuser dem Erdboden gleich zu machen, der Ort würde dann endgültig zu existieren aufhören.

Gewannen die Desaldos, würden sie zwei Monate lang feiern und die Dorfbewohner mit immer neuen Wünschen und Forderungen, immer noch brutaleren Steuern und Abgaben traktieren, denn sie hatten dann ja eine Heldentat vollbracht und El Bosque vor dem endgültigen Untergang gerettet.

Die Leute saßen als voller Furcht in ihren Häusern und getrauten sich nicht einmal zum Fenster hinaus zu schauen. Deshalb entging ihnen auch die Ankunft derer, die sie die Wilden nannten.

Den ganzen Vormittag schon hatte sich eine dünne Staubfahne dem Ort von Südwesten her genähert. In quälender Langsamkeit, so als käme der Feind nicht auf schnellen Füßen sondern auf schweren, von lahmen Ochsen gezogenen Fuhrwerken daher. Dann endlich war tatsächlich ein solches Gespann mit acht Ochsen davor ratternd und knackend über die Hauptstraße bis zum Marktplatz gefahren, hatte dort mitten im Platz neben dem Brunnen angehalten und ein blonder Riese hatte begonnen Wasser zu schöpfen und die Ochsen zu tränken, während eine fast ebenso riesige blonde Frau dasselbe mit einem Zug Mulis tat. Die beiden Riesen waren im Ort bekannt. Rollo und Shira waren schon oft zum Handeln von der Grazalema herunter gekommen und jedes Mal war es für die Handwerker und den Händler ein Festtag gewesen, während der Wirt die beiden verfluchte. Niemand war so trinkfest wie die Riesen und niemand so leicht in eine krachende Schlägerei zu verwickeln wie Rollo, wenn er einen Becher Wein zu viel getrunken hatte. Das wäre eigentlich nicht weiter schlimm gewesen, denn Keilereien gehörten im Umfeld der Desaldos zum ganz normalen Tagesablauf. Schlimm war nur, dass eine Keilerei an der Rollo beteiligt war immer mit einem Totalschaden im Bereich des Mobiliars der Kneipe endete.

Zwar bezahlte Rollo den Schaden stets großzügig, trotzdem war es lästig, alle paar Monate neue Möbel beim Dorfschreiner bestellen zu müssen.

Rollos Besuche erfuhren eigentlich nur dann eine Steigerung, wenn dieser seltsame Außenseiter der Wilden dabei war, dieser relativ kleine, schwarzhaarige Shandra ….

Shandra? Shandra el Guerrero?

Nein, dieser Shandra war kein Krieger, er besaß ja nicht einmal ein Schwert! Es musste sich um eine zufällige Namensgleichheit handeln, denn so wie es im Flusstal Dutzende von Pedros, Pablos, Jose und Antonios gab, so gab es im Hochland bestimmt noch ein paar andere Shandras.

Niemand von den Dorfbewohnern war mutiger als der Wirt und so war es auch dieser, der heraus fand, dass Shandra diesmal wohl nicht dabei war. Nur Shira und Rollo, also nur die zweitschlimmste Delegation von dort oben.

Die beiden Hochländer waren allerdings nicht allein. Der Ochsenkarren gehörte ihnen nicht, sie waren wohl nur aus Zufall mit den Besitzern zusammen getroffen und hatten das letzte Stück Weges gemeinsam zurück gelegt. Zum Ochsenwagen gehörten zwei Frauen und ein Mann und alle drei waren fremd. Das war schon an ihrer seltsamen Kleidung zu erkennen.

Wo aber waren die Horden Wilder, von denen die zwei Dutzend Desaldos erschlagen worden waren? Nirgendwo waren weitere Riesen zu sehen…

Die Tiere waren nun versorgt und Rollo sprang auf den Bock des Gespanns und begann mit lauter Stimme zu brüllen:

„Pablo Desaldo! Pablo Desaldo, wo steckst du, alte Filzlaus, komm heraus denn du hast Besuch!“

„Jetzt ist er endgültig übergeschnappt! Ich habe das schon länger kommen sehen, aber Rollo hat den Verstand verloren und in wenigen Augenblicken wird Pablo Desaldo ihn fangen und an seinen Eiern aufhängen lassen. Er ist zu weit gegangen.“

Wie es geschah, vermochte hinterher niemand mehr zu sagen, aber die Worte, die der Wirt da vor sich hingemurmelt hatte, nachten wie Lauffeuer die Runde und alle Dorfbewohner verspürten ein klein wenig Mitleid mit dem armen Rollo, dem die Sonne des Hochlandes wohl endgültig den Schädel leer gebrannt hatte.

„Pablo Desaldo, du fetter alter Kinderschänder, was ist los mit dir? Weshalb kommst du nicht heraus, wie man es dir aufgetragen hat? Los komm schon alter Fettsack, lass dich sehen und von uns überprüfen, ob du seit dem letzten Mal gar noch fetter, dümmer und impotenter geworden bist! Oder kannst du dich möglicher Weise gar nicht zeigen, weil du dir die Hosen bis zum Gürtel voll geschissen hast?“

Nun war endgültig kein Zweifel mehr möglich, der Hochländer war verrückt geworden. Sah er denn nicht, dass ringsum schon die Mörder der Desaldos lauerten? Wusste er denn nicht, dass nichts und niemand grausamer zu seinen besiegten Feinden war, als Pablos Desaldo? Weshalb also brachte er sich in eine Situation, aus der es weder einen Ausweg geben konnte noch etwas anderes als einen schrecklichen Tod? Er beleidigten den Patron der Desaldos, er forderte ihn heraus und er würde den Alten trotzdem nicht zu Gesicht bekommen, denn wenn ein Fingerschnippen von Pablo Desaldo genügte, weshalb sollte dieser sich dann selbst bewegen?

„Pablo Desaldo, hat man dir nicht ausgerichtet, dass Shandra el Guerrero dich heute zur Mittagsstunde hier zu treffen wünscht? Hatte der Hosenscheißer von einem Melder nicht genügend Eier in der Hose, um dir die Wahrheit über den Tod deiner Männer zu berichten? Drei Männer und drei Frauen haben genügt, um die Blindgänger ins Jenseits zu schicken, die du mit einem deiner Mordaufträge losgeschickt hast! Fünfundzwanzig Männer, um einen Mann und seine beiden Töchter zu töten! Was seid ihr doch für große Helden, du und deine Männer, Pablo Desaldo! Aber nun komm aus deinem Bau, stinkender alter Dachs und stelle dich dem Mann, der deine – entschuldige dass ich bei diesem Wort lachen muss – Krieger zum Frühstück verspeist. Komm und begrüße Shandra el Guerrero!“

Für etwa zwanzig Atemzüge war es in ganz El Bosque so still, dass sich das Hinabfallen einer Feder wie dröhnender Donner angehört hätte. Dann, endlich, öffnete sich knarrend und quietschend das Tor in der Mauer, hinter der Pablo Desaldos Haus stand und der Alte stand persönlich im Schatten des Torbogens, sah mit starrem Blick zu dem blonden Riesen auf dem Marktplatz hin und setzte sich dann langsam in Bewegung.

Man konnte sehen, dass Pablo ein harter Mann war, ein Mann der sein Leben lang gekämpft, gemordet und dabei immer gewonnen hatte. Er trug keine Kopfbedeckung und so konnte man sein zwar immer noch volles und langes Haar sehen, das allerdings nicht mehr ganz schwarz sondern von vielen grauen Strähnen durchzogen war. Er trug es nach hinten in einem Pferdschwanz zusammen gebunden und so kam auch sein Gesicht gut zur Geltung. Das Gesicht eines Mörders, ohne jeden Zweifel. Eine fliehende Stirn mit dick hervorstehenden Knochenwülsten unter den Augenbrauen, tief liegende und tückisch funkelnde schwarze Augen, eine große, knotige Nase, ein Mund mit so schmalen Lippen, dass sie kaum als solche wahrzunehmen waren und ein kantiges Kinn. Seine Wangen und das Kinn, sogar sein Hals waren dicht mit einem mehrtägigen Stoppelbart bedeckt, sein ehemals vielleicht weißes Hemd stand fast bis zum Bauch offen und zeigte einen dichten Pelz schwarzer Haare auf Brust und Bauch.

Pablo Desaldo war nicht mehr jung, aber sein Körper strotzte vor Muskeln und er schien in einer ausgezeichneten Verfassung zu sein. Seine Taille war im Laufe der Jahre zwar ein wenig füllig geworden, doch von einem Fettwanst war er weit entfernt. Er trug eine eng anliegende Hose aus speckigem Hirschleder und in das Leder dieser Hose waren links und rechts unterhalb der Hüfte je eine Scheide eingearbeitet. In diesen beiden Scheiden steckten Pablos Dolche, gefürchtete Waffen, wenn er sie erst einmal in den Fäusten hielt. Niemand, so hieß es, konnte eine Messerstecherei mit Pablo Desaldo überstehen. An den Füßen trug er hochschäftige Mokassins mit dicken Sohlen aus hartem, steifem Rohleder und doch, als er sich bewegte, geschah das mit der lautlosen Geschmeidigkeit eines geübten Jägers.

Pablo Desaldo war ein Mann, den die meisten Menschen lieber gehen als kommen sahen, denn zu seiner Kraft und Schnelligkeit, zu seiner Härte und Schläue hinzu kam eine nicht zu überbietende Hinterhältigkeit und ein geradezu absurde Brutalität. Pablo Desaldo hatte kein Problem, einem Feind in ganz schmalen Streifen die Haut vom Körper zu schälen und Salz auf die Wunden zu streuen, damit anschließend Schafe oder Ziegen dieses Salz ableckten.

Er ging langsam auf Rollo zu, blieb kaum fünf Schritte von diesem entfernt stehen und fragte mit seiner tiefen, dröhnenden Stimme:

„Nun, wo ist er also, dein Shandra el Guerrero. Ich kann ihn nirgendwo entdecken. Hat er dich vorgeschickt, du blondes Ungetüm, weil er genau gewusst hat, wie dumm du bist und dass du für ihn und seine Feigheit den Kopf hinhalten würdest?“

„Nein, alter Mann, das habe ich nicht nötig. Dreh dich um und sieh, ich bin hier!“

Die Stimme kam aus dem Schatten einer kleinen Gasse, zehn Schritte hinter Pablo Desaldo, einer Gasse, die zwischen der Dorfkneipe und dem ehemaligen Rathaus El Bosques lag und dort, am Eingang zu dieser Gasse stand das Standbild des Kriegers.

Shandra saß auf Shaitans Rücken, sein langes schwarzes Haar war links und rechts zu zwei fingerdicken und drei Fuß langen Zöpfen geflochten und in diesem Moment war er dabei, mit diesen beiden Zöpfen und einem breiten, fein gegerbten Band aus der Haut einer großen Klapperschlange den Rest seiner wilden Mähne zu bändigen. Die dünne, weiße Narbe unter seinem linken Auge war die Erinnerung an den Kampf mit seinem Bären und seiner Ernennung zum Jäger. Sie ließ den Ausdruck ungezügelter Wildheit in seinem Gesicht noch stärker hervor treten. Vor allem, weil diese Narbe niemals die dunkle Farbe von Shandras Gesicht annahm.

Shandra trug wie üblich seine ledernen Leggins, seine weichen Mokassins und den Gurt mit seinen fünf Wurfmessern von der linken Schulter diagonal über die Brust zur rechten Hüfte. Ein Hemd trug er nicht und so präsentierte er den nackten Oberkörper mit der von der Sonne dunkel gebräunten Haut als kaum zu verfehlendes und völlig ungeschütztes Ziel. Seinen wuchtigen Bogen hatte er am Wagen gelassen, er trug aber seinen schlanken Jagdspeer in der rechten Faust und sein Jagdmesser an der Hüfte.

„Nun stehen wir uns also gegenüber, alter Mann und ich erwarte deine Unterwerfung. So wie ich es dir durch den Boten befehlen ließ. Bist du bereit?“

Pablo Desaldo ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Viel Zeit. Er war ein erfahrener Mann, der sich im Laufe der Jahrzehnte ein kleines Reich geschaffen hatte, in dem außer seinem Wort kaum etwas anderes galt. Ein Reich ohne Gesetze und ohne Regeln, die nicht von ihm, Pablo Desaldo stammten. Und nun kam dieser Junge, dieses halbe Kind von den Bergen herab, brachte zwei riesenhafte Freunde mit und wollte ihm, dem König des Reiches El Bosque dieses Reich streitig machen.

War das möglich?

Eigentlich nicht, aber der Junge hatte gleich zu Anfang einen Teilerfolg errungen, der den alten Fuchs vorsichtig werden ließ.

„Du musst verrückt sein, mein Junge. Glaubst du allen Ernstes, ich würde hier und heute alles aufgeben, was ich mir in so vielen Jahren aufgebaut habe? Glaubst ich zittere vor dir, weil du Glück hattest und ein paar meiner Soldaten töten konntest? Wie weit glaubst du wird dieses Glück reichen? Fünfundzwanzig habt ihr getötet, gut. Das ist eine Menge. Aber schau dich einfach um, die dreifache Zahl steht mir zur Verfügung und sie warten darauf, sie gieren danach, dich in ihre schmierigen Finger zu bekommen. Am besten lebend. Was denkst du werden sie mit dir tun? Selbst wenn es dir und deinen Freunden gelingen sollte noch einmal zwanzig, dreißig oder auch mehr zu töten, es bleiben noch genug übrig um euch das Licht auszublasen. Was also willst du tun, junger Freund?“

„Zu allererst will ich dich von etwas in Kenntnis setzen, das dir entgangen sein dürfte. Wir werden keinen einzigen deiner Männer mehr töten, wenn es nicht unbedingt sein muss. Wir werden stattdessen dich töten. Zuerst dich, dann, wenn das nicht reichen sollte, deine Söhne. Einen nach dem anderen. Ein paar von ihnen haben wir ja bereits ausgelöscht, die anderen werden im Laufe des Nachmittags folgen, Doch du wirst ihnen voraus gehen.“

„Wer sollte mich den töten? Du? Glaubst du, weil du auf einem Pferd sitzen kannst, fürchte ich mich vor dir? Ich habe schon lange vor deiner Geburt Menschen auf Pferden sitzen sehen, mit ihnen gekämpft und – ich lebe ja noch – gesiegt. Was also willst du tun?“

Shandras Antwort wurde mit sanfter Stimme und einer scheinbar unendlichen Geduld formuliert. Etwa so, als würde ein liebevoller Vater seinem quengelnden Kind zum x-ten Mal dasselbe erklären.

„Alter Mann, dich zu töten würde mir nicht mehr Mühe bereiten, als eine herunter gebrannte Wachskerze auszublasen. Und du könntest schneller tot sein, als du dir nur vorstellen kannst. Doch ich will deinen Tod ja gar nicht. Was ich will ist deine Unterwerfung unter neue Regeln und Gesetze, die ich dir vorgebe. Ich will, dass der Terror und die Willkür, mittels derer du und deine Leute die ganze Region beherrschen ein Ende hat und Menschen wieder frei und ohne Angst um ihr Leben und ihren Besitz in dieser Region leben und herum reisen und ihren Geschäften nachgehen können. Kann ich das erreichen ohne dich zu töten? Dann verzichte ich darauf, meine Waffen an deinem alten Leib zu beschmutzen. Solltest du dich aber weiter weigern und wehren, werde ich nicht meine Zeit verplempern, dann reinige ich diese Welt von dir.

Du hast die Wahl, entscheide dich.“

Es gab offenbar keine Basis mehr um noch weiter zu reden. Pablo Desaldos Antwort auf Shandras Forderung bestand darin, dass er die Schultern zuckte, dann hob er seine rechte Hand um zwei Finger in den Mund zu stecken und den Signalpfiff auszustoßen, worauf sich die Ereignisse überschlugen.

Der mächtige schwarze Hengst sprang aus dem Stand heraus nach vorne, überwand den Abstand zu Pablo Desaldo in zwei mächtigen Sätzen, ein Speerschaft zischte durch die Luft und das harte Holz schlug gegen Pablo Desaldos Schädel noch ehe er die Finger in den Mund stecken konnte. Der Alte stürzte bewusstlos zu Boden, der Signalpfiff blieb aus und ehe einer der Söhne des Alten in der Lage war, eine Entscheidung zu treffen und das Kommando an sich zu reißen, war der Tod über die Desaldos herein gebrochen und hielt reiche Ernte.

Sie hätten vermeiden können, was nun geschah. Doch Desaldos Nachkommen waren nun mal nicht mit der Gabe des Denkens gesegnet. Sie reagierten so, wie sie es gelernt hatten, sie griffen an und bekamen eine Lektion erteilt, von der sie sich nie mehr erholten.

Auf dem Kutschbock des Ochsenwagens stand die beiden blonde Riesen Rollo und Shira. Shira war aus dem Wageninneren gekommen und hatte ihre Steinschleuder in Aktion gesetzt. Sie traf die Köpfe von Desaldos Banditen auch noch dann, wenn diese sich hundert Schritt und mehr entfernt aufgestellt hatten. Auf dem Dach des Wagens tauchten die schlanken Gestalten zweier Mädchen auf, die mit seltsam geschwungenen Bogen bewaffnet waren. Bogen, von welchen sie in rasender Geschwindigkeit und enormer Treffsicherheit ihre Pfeile hinaus jagten. Der ohnehin von den Desaldos gefürchtete Rollo wurde zu einer Kampfmaschine, vor der es kein Entkommen zu geben schien. Wenn aber doch, dann war da eine zierliche Figur mit einem eigenartigen Knoten im Haar und in weite, wallende Gewänder gekleidet, der mehr über den Platz zu fliegen als zu rennen schien und diese Gestalt hielt zwei blitzende Schwerter in den Fäusten, die Desaldos Banditen dahin rafften wie Schnitter die Ähren eines Kornfeldes.

Der schwarze Hengst jagte in donnerndem Galopp um den Platz und sein Reiter benutzte seinen Jagdspeer wie eine Lanze, wer in seine Nähe geriet war tot noch ehe er über die Wucht des Angriffs staunen konnte.

Was da auf dem Zocalo von El Bosque geschah, war kein Kampf und keine Schlacht, das war ein einziges Abschlachten von Männern, denen der Führer fehlte und die zwar angreifen und kämpfen wollten und dennoch wie paralysiert auf ihre Handvoll Feinde starrten und deren unglaubliche Geschwindigkeit und ihre absolute Präzision beim Töten nicht verstehen konnten.

Der Kampf dauerte nicht länger als Shandra brauchte, um den Zocalo einmal im Galopp zu umrunden. Noch ehe er zu einer zweiten Runde unterwegs war, ließen die noch lebenden Banditen ihre Waffen fallen, ja, sie warfen sie weg als bestünden sie urplötzlich aus rot glühendem Eisen und dann rannten sie nur noch um ihr Leben.

Shandra el Guerrero

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