Читать книгу Rettet Wien! Roman aus der Zeit der Türkenbelagerung 1683 - Rudolf Stratz - Страница 7
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ОглавлениеAls die Marquise von Giou sich im Innern des Tragstuhls wohlig wie ein Kätzchen in die weichen Polster gekuschelt hatte, zog sie gegen neugierige Blicke von aussen die Seidenvorhänge an den beiden kleinen Zeitenfenstern zu, lehnte den dunklen Kopf in die Ecke und verfiel in ein Träumen. Sie schloss die langen Wimpern. Ihr kluges, feines, durch den weissen Puder fast zeitloses Gesicht gewann einen weichen, frauenhaften Ausdrück. Erst ein Stimmengewirr um sie herum liess sie aus ihrer Versunkenheit in sanfte Gedanken auffahren. Das war das Volkstreiben auf dem ungeheuren Platz vor dem Petersdom — das Gerassel der Staatskarossen und das Gequietsche der Ochsenkarren, das Geplauder stolzierender Damen und Kavaliere und die Rufe der Händler, Hufgetrappel der Reiter und Sandalengeklapper der Mönche, Pilgergesang, Bubengeschrei und Hundegebell, selbst Ruhgebrüll.
Die Träger stellten die Sänftepfosten vor dem Bronzetor des. Vatikans auf das Pflaster. Ein Gewimmel geistlicher und weltlicher Menschheit strömte da an der Torwache vorbei nach dem Hof des heiligen Damasus. Aber vor einem vornehmen Herrn, der langsam und selbstbewusst heranwandelte, kreuzten, gerade als die Marquise aus dem Tragsessel stieg, die päpstlichen Schweizer in ihrer schwarzrotgelb geflammten und gebauschten Landsknechtstracht abwehrend die Hellebarden.
Der Fremde vor ihnen war spanisch-niederländisch gekleidet. Er trug einen schwarzen, kurzen, ärmellosen Mantel über dem schwarzen Spitzenwams. Der schwarze Spitzenbesatz der schwarzen Kniehosen reichte über die schwarzen Strümpfe bis zu den schwarzen Schnallenschuhen. Ein hoher, breitkrämpiger, schwarzer Kegelhut überschattete sein kränklich-gelbes, feierlich geheimnisvolles Antlitz unbestimmten Alters, dessen eingefallene Wangen und spitzes Rinn kein Bart deckte. Über der grossen gebogenen Nase richteten sich zwei tiefliegende, mausgraue Augen durchdringend auf die beiden Hellebardiere. Ein gravitätischer Unwille zuckte um die dünnen, dünkelhaft geschürzten Lippen.
„Haltet, wenn’s beliebt, die Waffenknechte besser in Zucht!“ sprach er streng zu einem päpstlichen Kammerherrn, der, schwarz gewandet wie er, herantrat.
„Die Schweizer folgen ihrem Befehl, Don Theopompo Caretto!“
„Indem sie einem Mann wie mir den Zugang verwehren?“
„Goldmacher und Geisterbeschwörer haben an heiligen Stätten nichts zu suchen!“
Der Alchymist schüttelte majestätisch den Kopf.
„Ich entsinne bis heute mich hier nur noch eines einzigen ungehobelten Pförtners“, sprach er. „Das war, als ich eines Mittags meinen Freund Michel Angelo in der päpstlichen Kapelle, die er eben ausmalte, besuchen wollte!“
„Michel Angelo starb vor mehr als hundert Jahren!“
„Nun ja! Ich bin doch über tausend Jahre alt!“ sagte Theopompo Caretto. „Das ist der Welt bekannt!“
„Und dass Ihr Vater und Sohn zugleich seid und an verschiedenen Orten zur selben Zeit gesehen werdet!“ Der spanische Edelmann blickte auf den zwerghaften, buckeligen Diener, der in hohem spitzem Hut und einem Fledermausartig grauen und weiten Mäntelchen hinter seinem Herrn stand. „. . . und dass Ihr mit dem Bösen unter einer Decke steckt!“
„Ich sollte schon um die Zeit des vierten Kreuzzugs verbrannt werden! Doch meine Unschuld kam rechtzeitig zutage.“ Don Caretto wandte den Kopf mit den grossen abstehenden Ohren ungeduldig nach dem Damasushof. „Und nun gebe man mir Raum!“
„Verkauft Eure Liebestränke drüben überm Tiber!“ rief unwillig der päpstliche Kavalier. „Behext die jungen Weiber und verschachert den Alten Euer weisses Lebenselixier!“
„Der rote Stein der Weisen ist noch heilsamer! Dank ihm kann ich nicht sterben!“ Der mystische Zug um den bleichen Mund Theopompo Carettos änderte sich in weltläufige Lässigkeit. „Aber nicht des Sterndeutens wegen kam ich nach Rom!“
„Man kennt Eure schwarzen Künste! Ihr spreizt den Leuten die Finger vor den Augen und blickt sie an und macht sie willenlos, dass sie alles tun, was Ihr sie heisst! Euer buckeliger Knecht da hinten kann fliegen und Eure Aufträge ausführen. Ihr . . .“
„Seht Ihr die zarte Schöne, die auf den kleinsten Füsschen der Welt dort drüben steht und aus ihrem Spitzenbeutelchen die Sesselknechte entlohnt? Sie ist hoffärtig und abweisend gegen Männer, aber doch eine zu unerfahrene, junge Magd Christi, um allein von Versailles nach Rom zu reisen. Ich begleite sie als ihr Freund —; das — nicht Zaubertränke — ist der Grund meiner Anwesenheit hier. Drum gebt uns die Ehre, die uns gebührt!“
„Der Marquise von Giou dort drüben wird man den Respekt, der ihrem blauen Blut zukommt, nicht verweigern. Was Euch betrifft, Don Theopompo“, der Kammerherr lächelte spitz, „nun — Ihr seid ja tausend Jahre alt! Was schiert es Euch, wenn Unwissende Euch für einen entlaufenen sizilianischen Mönch halten?“
„Das sind Verleumdungen anderer Goldmacher, denen ihre Kunst missglückte!“
„Böswillige sprechen sogar von einem ehemaligen Galeerensträfling“, endete der Kämmerling kalt. „Verzieht nicht das Gesicht zu solch unheimlicher Grimasse! Ich selber sage das nicht. Ich weiss von nichts. Gehabt Euch wohl, Don Caretto!“
Der Alchymist zuckte verächtlich die Achseln. Er wandte sich ohne Gruss von dem Bronzeportal und seinen schwarzgelben Türhütern ab. Er schritt, schwarz in schwarz, immer den Zwerg im Fledermausmantel wie einen Schatten hinter sich, steifbeinig, in der Haltung eines hochmütigen grossen Herrn, auf den Petersplatz hinaus. Spitzhütige wilde Campagnahirten standen da, die in ihren Fellhosen wie bocksbeinige Satyre aussahen, und erörterten mit rollenden Augen und leidenschaftlichem Händegefuchtel den Türkenkrieg. Quinette von Giou hatte ihnen unauffällig zugehört. Jetzt trippelte sie hastig auf ihren Stöckelschuhen in weitgebauschtem schwarzem Rock dem Schwarzkünstler entgegen.
„Wir werden schlechten Dank in Versailles ernten!“ flüsterte sie hinter dem kleinen Straussenfächer, mit dem sie sich Kühlung in das selbstbeherrscht lächelnde zarte Marquisengesicht wehte. „Wir sollen im geheimen in Rom gegen den Kaiser arbeiten . . .“
„Kaiser Leopold muss ohne Verbündete und ohne Geld den Türken preisgegeben werden!“ sprach Theopompo von Caretto feierlich. „Dann haben die französischen Heere freie Hand am Rhein und im Reich!“
„Und statt dessen herrscht hier eine Kreuzzugsstimmung!“ sagte die Marquise. „Eben hörte ich es hier selbst unter dem gemeinen Volk. Und es ist eine Gefahr, dass diese Stimmung auf ihn selber, auf Ludwig den Grossen, zurückwirkt und unserer Kriegspartei am Rhein die Rechnung verdirbt!“
„Er erfährt nichts davon! Niemand, der für den Kaiser und für Wien ist, kommt vor sein Angesicht!“
„Es wird einer kommen!“
Quinette wies leidenschaftlich mit der gepuderten Kinderhand nach dem Bronzetor. Aus der ersten der Karossen, die vor seiner Wölbung hielten, war der Grossmeister des Malteserordens gestiegen und schritt in seinem langen, schwarzen Mantel, den breitgewölbten steifen Hut auf dem Haupt, an den zum Gruss seitlings gestemmten Hellebarden der Schweizerwache vorbei zur Audienz im Königssaal des Vatikans. Die Marquise von Giou zeigte auf sein Gefolge von Palastkavalieren, Kaplänen, Auditoren von Malta.
„Siehst du den schönen sonnenverbrannten Ritter, der hinter Seiner Eminenz geht? Es ist ein Deutscher. Mutig und abenteuerlich. Man darf ihm nur in die Augen schauen. Er ist jetzt eben aus der Gefangenschaft in der Barbarei entsprungen. Er hat gesehen, wie erschreckend sich der Grosstürke gebärdet. Er wird von dem Grossmeister vor den Heiligen Vater geleitet werden und niederknien und berichten!“
„Hast du es selbst gehört?“ Es lag eine lähmende Macht in dem starren Blick einer Schlange, mit dem sich die kleinen grauen Augen des Zauberers Caretto auf die Marquise richteten. Sie antwortete hastig, Angst vor ihm in der Stimme.
„Eben jetzt im Palast des Kardinals!“
„Du warst meinen Befehlen gehorsam?“
„Ja.“ Quinette von Giou atmete schwer. Ihr Gesicht war leer geworden, von innen unbelebt. Durch eine fremde Macht, von aussen, willenlos beherrscht.
„Und hast ausgehorcht, was es nur zu hören gab?“
„Mehr, als ich jetzt schon sagte. Dieser Ritter von Rimburg wird vom Grossmeister ein Empfehlungsschreiben an Herrn Philippus von Vendôme, den Malteser Grossprior von Frankreich, erhalten. Der Herzog von Vendôme ist ein Vetter des Königs. Durch ihn wird der deutsche Ritter Zutritt und Gehör bei König Ludwig finden. Es ist gefährlich, wenn er redet! Er reisst hin! Es geht ein Feuer von ihm aus. Man kann nicht widerstehen! Ich weiss es selbst!“
„Schau mir ins Auge!“
„Ja.“
„Er hat dir nichts angetan! Er hat keinen Einfluss auf dich gewonnen!. Ich will es nicht! Verstehst du mich? Ich will es nicht!“
„Ja.“
„Und du wirst tun, was ich befehle?“
„Ja.“
Quinette von Giou sprach es geistesabwesend. Sie hatte keinen Willen unter dem unheimlichen Bann der kleinen grauen Augen drüben.
Auf dem mächtigen Gemälde über der Eingangswölbung zum Königssaal des Popstpalastes versenkten die vereinten päpstlichen und spanischen Armaden die Türkenflotte bei Messina auf den Meeresgrund. Das Bild zur Rechten zeigte die donnernden und enternden Galeeren des päpstlichen Admirals Fürsten Marc Anton Colonna in dem grossen Seesieg über den Halbmond bei Lepanto. Es war, als zitterte die Kampfstimmung auf der Leinwand zu den Gruppen der Gesandten Europas hinab, die den Audienzsaal füllten, und flakkerte in ihren Gesprächen mit den purpurnen und violetten und schwarzgewandeten Würdenträgern des Vatikans.
„Der König von Spanien hat eines seiner Hausgüter verkauft und sendet das Geld wider die Türkennot. Alles in Spanien — die Kirche, die Klöster, die Städte folgen seinem Beispiel!“
„Don Pedro von Portugal schickt grosse Summen einer Volkssammlung im ganzen Land! Alles strömt ihm zu!“
„Der Herzog Karl von Lothringen ruft den ganzen christlichen Adel Europas unter die Waffen Habsburgs!“
„Kurfürst Max Emanuel von Bayern spendet allein dreihunderttausend Gulden und zieht selbst ins Feld!“
„Savoyen schickt Soldaten und Geld!“
„Genua leert die Rassen der Republik!“
„Der Heilige Vater selber“, sprach ein Würdenträger; „hat in seiner Jugend noch als Markgraf Odescalchi mit der Waffe gegen die Ungläubigen gekämpft! Er kennt ihre Macht!“!
„Er erliess darum jetzt eben das eigenhändige Breve an König Ludwig den Vierzehnten von Frankreich: „Du werdest in einer solchen Gefahr Deinem Titel des Allerchristlichsten Königs entsprechend handeln und mit Deinem starken Arm, dessen Kraft und Tapferkeit und Ruhm über den ganzen Erdkreis gefeiert wird, zur Hilfe in dieser Bedrängnis nicht fehlen!“
„Und inzwischen ist bereits eine Gesandtschaft des Grosstürken nach Frankreich unterwegs!“
„Ich muss vor der Gesandtschaft in Versailles sein!“
Die Köpfe in Priesterkäppchen und Kavaliershüten drehten sich nach der Seitentüre, durch die ein sonnenverbrannter, dunkelspitzbärtiger, heissäugiger Edelmann eingetreten war.
„Wer ist der Herr? Er sieht aus wie Mars selber!“
„Er wurde eben von Seiner Heiligkeit empfangen!“
„Ich durfte vor dem Vater der Christenheit knien!“ rief Adrian von Rimburg den ihn Umdrängenden zu. „Bald stehe ich vor dem Allerchristlichsten König!“
Der Ritter von Rimburg eilte durch Römervolk und Campagnabauern, Domherren und Damen, Stutzer und Pilger vor dem Vatikan. Das Geflimmer der Frühlingssonne über dem weiten Platz blendete ihm die Augen. Bei dem Obelisken blieb er plötzlich stehn.
„Wohin, Marquise?“
„Im Petersdom beten, wie jeden Mittag!“ Quinette von Giou liess dem Kavalier mit einer graziösen Bewegung die Hand zum Kuss. „Begleiten Sie mich! Wir knien zusammen am Grab des heiligen Petrus! Was ich dort vom Himmel erflehe, geht in Erfüllung!“
„Ich habe keine Zeit zum Beten!“ Es klang rauh.
„Zur Frömmigkeit ist immer die rechte Stunde!“ Die Marquise von Giou schlug bittend die langen Wimpern zu dem Ritter auf. Es war eine seltsame Unruhe — ein Suchen — ein Zurückweichen zugleich in ihren schwarzen Augen, so als kämpften in ihr zwei Menschen.
„Man kann auch fromm sein, wenn man, wie ich jetzt, in seine Herberge eilt!“ rief Adrian von Rimburg. „Sein Pferd sattelt! Reitet! Ohne Rast! Nach Paris!“
„Sie kennen Paris nicht!“ Die Stimme Quinettes von Giou war leise und gepresst. „Niemand kennt dort Sie!“
„Man wird mich kennenlernen. Der König selber . . .“
„Es gibt viele Wachen an den Toren von Versailles!“
„Und es gibt einen Schlüssel, der alle Tore öffnet, Madame!“ Der Ritter von Rimburg schlug sich an die rechte Brustseite seines sammetnen Wamses. „Hier steckt der Brief des Grossmeisters an den Herzog von Vandôme, den Vetter des Königs. Herr Philippus wird mich einführen, ehe noch der Türke eingetroffen ist!“
„Und was wollen Sie Seiner Majestät vermelden?“
„Was ich selber im Land der Ungläubigen durch ein Jahr gesehen und gehört habe. Dies ist kein Grenzkrieg wie sonst unten an der Donau. Dies ist ein Aufgebot des Gottesfeinds, wie es die Welt noch nicht gesehen. Die Veziere von Bagdad und. Babylon und Damaskus sind mit ihren Völkern unterwegs, werde ich in Versailles berichten, der Khan der Tataren mit seinen unzählbaren Schwärmen, der Sultan von Ägypten mit Mohren aus dem unbekannten Afrika, die Fürsten der Moldau und der Walachei, der Fürst von Siebenbürgen . . .“
„Der König weiss das. Es ist unnötig, dass er es noch einmal hört!
„Das alles wälzt sich nach Wien!“ fuhr Adrian von Rimburg fort. „Aber mit Wien fällt auch das Heilige Römische Reich. Ist es für Frankreich besser, den Antichrist am Rhein zum Nachbar zu haben, werde ich den König fragen, statt ein paar vor ihm zitternde geistliche Kurfürsten?“
„Das ist nichts für die Ohren des Königs!“
„Die Apokalyptischen Reiter werden mit Turban und Lanze über den Rhein nach Frankreich hineinreiten! Auch Attila kam bis nahe vor Paris!“
„Vor solchen Worten muss man den König bewahren!“
„Ich rede!“
„Reiten Sie nicht!“
„Warum erschreckt sie mein Vorhaben, Marquise?“
„Reiten Sie nicht!“ wiederholte Quinette von Giou atemlos. Mit Willensanstrengung stiess sie hervor: „Es ist gefährlich!“
„Die Gefahr ist mir ein alter Zeltbruder!“
„Reiten Sie nicht!“ Die Marquise von Giou kämpfte mit sich selbst. Sie ballte die Hände, als müsse sie ein Hemmnis, ein Schweigegebot auf ihren roten Lippen in dem puderbleichen Antlitz überwinden. „. . wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist . . .“
„Die Dame ist von der Sonnenglut auf dem Platz erschöpft!“ Der Schwarzkünstler Don Theopompo Caretto, der sich bisher abseits gehalten und zugehört hatte, trat heran und bot Quinette den Arm. „Gestatten Sie mir, Sie zu einer Sänfte zu geleiten!“
„Dies wird mein Amt sein — dem Herrn zu wissen!“ sprach der Ritter Rimburg.
Das gelbliche, faltige Antlitz des Geisterbeschwörers war steinern in seiner mystischen Feierlichkeit.
„Diese Dame ist krank, mein Herr!“ sagte er. „Stört den Medicus nicht!“
„Ihr seid kein Medicus, sondern ein Quacksalber! Ich hörte schon von Euch in Rom.“
„Und mir erzählte schon vor mehr als hundert Jahren Lukrezia Borgia von Euresgleichen als einem unbesonnenen jungen Herrn, damals aus Siena, der seine Zunge nicht genug hütete!“
„Lasset die Narreteien und gebt die Dame frei!“
Der geisterhafte Mann in Schwarz trat mit zwei gravitätischen Schritten vor Quinette von Giou und wollte ihren Arm in seinen legen. Sie liess es willenlos geschehen. Adrian von Rimburg sprang hitzig dazwischen, die Hand am Degen.
„Geht in Eure Alchymistenküche und stört mich nicht länger im Gespräch mit der Marquise!“
„Sucht der Herr Streit?“
„Ich bin noch nie einem Kavalierhandel ausgewichen! Am wenigsten, wenn es um eine Dame ging!“
„Gut denn! Schlagen wir uns!“ versetzte Theopompo Caretto würdevoll.
Der Ritter blickte ihn zweifelnd an, erstaunt über die rasche Bereitwilligkeit. Der schwarze Mann fuhr fort.
„Wir treffen uns in einer Stunde im Innern des Kolosseums. Als Herausgeforderter habe ich die Wahl der Waffen. Ich werde eine Pille mitbringen und sie Euch zum Schlucken geben. Ihr werdet mir zur selben Zeit den gleichen Dienst erweisen! Ihr mögt Euch inzwischen das stärkste Gift Roms verschaffen. Es ist mir gleich. Jedes Gift der Welt ist wirkungslos gegenüber dem Gegengift, das ich bereits eingenommen habe, wenn ich auf dem Kampfplatz erscheine. Ich rate Euch, auch vorher Euer Gegengift schon im Leibe zu haben. Meine Tablette ist von besonderer Kraft!“
„Ihr seid ein Narr! Es lohnt sich für einen Edelmann nicht, mit einem Marktschreier zu reden!“ Der Ritter von Rimburg blickte nach Quinette. Sie war im Volksgetümmel verschwunden. Er eilte hinterher, durch die engen Gassen des Borgoviertels, blieb enttäuscht stehen. Nirgends war die graziöse Gestalt der Marquise von Giou in ihrer knappen schwarzen Seidentaille, dem weitgebauschten schwarzen Rock über den schmalen Stöckelschuhen, dem gefältelten schwarzen spanischen Spitzentuch über dem klugen, schmalen, weissen Antlitz zu sehen.
Theopompo der Goldmacher blickte tiefsinnig dem Ritter von Rimburg nach und wandte sich zu dem zwerghaften Diener hinter ihm, über dessen Höcker das Fledermausmäntelchen im Wind spielte.
„Es wird dem hitzigen Herrn ergehen, Eleazar“, sprach er, „wie dem Moses! Er wird das gelobte Land Paris nicht erreichen!“