Читать книгу Löwenfisch - Rudolf Trink - Страница 13
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5.
Als Sonja gegangen war, dachte er kurz über ihren Wunsch nach, ihre Mutter Alma nicht zu informieren. Schwierig. Alma hatte ein mindestens ebenso feines Sensorium wie Sonja und es erschien Rumpler schier unmöglich, auf längere Sicht etwas Relevantes vor ihr geheim zu halten. Egal. Er hatte es Sonja versprochen und er würde es wenigstens versuchen. Einem plötzlichen Impuls folgend, trat er rasch ans Fenster und beobachtete, wie sie über die Straße zu ihrem winzigen Auto ging. Er entdeckte aber weder irgendwelche Verfolger noch sonst etwas Auffälliges. Während er mit der Linken Rosamunde sanft hinter den Ohren kraulte, rief er seinen Ex-Kollegen und Freund Alois Moser an, einen sehr erfahrenen Kriminalisten, der wenige Jahre vor seiner Pension stand.
Sein Anruf wurde in der Sekunde beantwortet. „Moser.“
„Hallo Stinker.“
Moser war weit davon entfernt, sich über die respektlose Anrede zu empören. Als ehemaliger Kettenraucher hatte er diesen Spitznamen von seinen Kollegen bekommen und sich mit der Zeit, auch in den späteren Jahren als strikter Nichtraucher, so an ihn gewöhnt, dass es ihm völlig normal erschien, so angesprochen zu werden.
„Hallo Hans. Wie geht’s dir?“
„Danke, ausgezeichnet. Und dir?“
„Na ja. Die Gitti hat sich vor zwei Monaten von mir getrennt. Es war ihr halt doch zu viel.“
Rumpler wusste ziemlich genau, welches zu viel Moser meinte, jene für die Angehörigen von Kriminalisten so schwierige Gemengelage aus völlig unregelmäßigen Dienstzeiten, zum Teil schwerstem Stress und oft gar nicht Aussprechbarem.
„Tut mir leid.“
„Geht schon wieder. Hat ja auch sein Gutes, das Alleinsein.“
Rumpler, der noch immer sein unerwartetes Glück mit Alma in vollen Zügen genoss, wollte das nicht näher kommentieren. „Ich hätt eine Frage, Stinker. Habts ihr vielleicht einen Verunglückten im Raxgebiet?“
Mosers Reaktion fiel heftig aus. „Woher weißt jetzt das schon wieder?“, stieß er hervor.
„Ich weiß gar nichts. Ich hab nur ein paar lose Anhaltspunkte.“
„Hm. Du und deine Anhaltspunkte. Also gut. Ja, gestern Abend ist dort ein Toter gefunden worden. Er dürft ein Stück oberhalb von einer Stelle, die Teufels Badstuben heißt, abgestürzt sein. Anzeichen für Fremdverschulden gibt es keine, wir haben die Meldung nur routinemäßig von den Kollegen gekriegt. Papiere hat er keine dabei ghabt, das Handy ist beschädigt und wird derzeit noch bearbeitet. Drum ist er noch nicht identifiziert, aber das kann nicht mehr lang dauern. Gemeldet hat sich bisher niemand, dem er abgeht.“
„Stinker, du hast sicher WhatsApp auf deinem Handy.“
„Hab ich.“
„Ich schick dir jetzt ein paar Bilder und du kannst schauen, ob das euer Mann ist.“
„Ok. Ich ruf dich gleich zurück.“
Rumpler schickte ihm zwei der Fotos, die ihm Sonja von Anton Zargl zur Verfügung gestellt hatte.
Zwei Minuten später rief ihn Moser an. Fassungslos. „Was ist das schon wieder für eine verfluchte Geschichte, Hans? Das ist unser Mann.“
„Ich mag nicht am Telefon drüber reden. Hast Zeit fürs Café Rathaus?“
„Ja, klar. Kannst in einer guten Stunde da sein? Ich muss vorher noch ein bissel was erledigen.“
„Kein Problem. Bis bald, Stinker.“
Rumpler räumte rasch das schmutzige Geschirr in den Geschirrspüler, versorgte Rosamunde mit einer kleinen Portion Trockenfutter, um ihr die Wartezeit zu verkürzen, und packte alle Unterlagen, die ihm Sonja zu Anton Zargl übergeben hatte, in eine Tasche. In seiner Aktivzeit war das Café Rathaus für Rumpler so etwas wie ein zweites Büro gewesen, das er besonders in schwierigen Situationen gerne und oft aufgesucht hatte, vor allem, wenn er das Gefühl gehabt hatte, in einem Fall stecken zu bleiben. „Schwimmen in Honig“, hatte Moser diesen Zustand früher genannt und Rumpler hatte wie schon so oft über die Treffsicherheit der Moserschen Formulierungen gestaunt, zumal dieser durchaus kein besonders belesener Mensch und auch kein Intellektueller war. Oder zumindest auf gar keinen Fall einer sein wollte.
Als er im Café Rathaus eintraf, war Moser bereits da. Der Stammplatz, den sie früher meistens benutzt hatten, war zu Rumplers Bedauern leider besetzt, aber immerhin hatten sie einen Tisch in einer der stark nachgefragten Fensternischen gefunden. Das Begrüßungsritual war ihm noch immer völlig vertraut, obwohl er Moser über ein halbes Jahr lang nicht getroffen hatte.
„Servus Stinker.“
„Servus Hans. Bevor du mir was erzählst, müssen wir bestellen. Auf nüchternen Magen halt ich das sonst nicht aus.“
Rumpler stimmte ihm zu. Während er eine Melange und ein Paar Sacherwürstel bestellte, nahm Moser neben einem doppelten Espresso noch eine Eierspeise von drei Eiern samt einer doppelten Portion Schinken. Zumindest hatte sich die Trennung von seiner Lebensgefährtin ihm nicht auf den Magen geschlagen. Ganz im Gegenteil, dachte Rumpler, während er kurz auf Mosers eindrucksvollen Bauch blickte, der das wie gewohnt zugeknöpfte Sakko straff gespannt hielt.
Moser hatte Rumplers Blick und Gedanken sofort verstanden. Er klopfte mit seiner Hand auf den Bauch. „Jetzt brauch ich wenigstens nimmer Diät halten. Ich hab den Grüntee und das Saftzeugs eh kaum mehr ausghalten. Hat alles auch sein Gutes.“
Für Rumpler war hinter Mosers Fröhlichkeit der Schmerz über die Trennung noch deutlich zu spüren.
Als der Kellner den Herren das Gewünschte gebracht hatte, widmeten sie sich ihrer Mahlzeit. Moser aß hastig. Die Ungeduld war ihm deutlich anzumerken.
Nachdem er in Windeseile seine Eierspeise samt Schinken gegessen hatte, kam er gleich zur Sache, während Rumpler noch mit seinem ersten Würstel beschäftigt war. „So. Und jetzt erzähl mir bitte, wie du in Dreiteufels Namen auf den Anton Zargl gestoßen bist.“
„Das hab ich von der Sonja.“
Moser blickte überrascht auf. Er kannte Sonja, die mit seiner Tochter Anna befreundet war, schon seit ihren Kindertagen. „Von der Sonja? Und wo hats die her?“
„Du weißt ja sicher von der Anna, Sonja hat mit ihrem Mann Max eine Firma für IT-Sicherheitsfragen. Der Anton Zargl war ein Schulkollege von ihr. Sie ist von ihm vor ein paar Tagen kontaktiert worden. Er war so eine Art selbst ernannter Enthüllungsjournalist und hat Sonja gegenüber behauptet, er wär an einer ganz großen Sache dran, etwas mit Drogen, die von der Polizei beschlagnahmt und dann wieder illegal in Umlauf gebracht werden, und bräuchte daher für seine Daten einen ganz besonderen Schutz. Sie hat das für eine Übertreibung gehalten, weil er schon in der Schule sehr oft behauptet hat, er hätte weiß Gott was entdeckt und dann war nichts dahinter. Er hat aber insistiert, dass er Hilfe braucht, und sie hat schließlich den Auftrag angenommen. Als sie ihn dann vorgestern nicht erreicht hat, hat sie so ein komisches Gefühl gehabt und mich kontaktiert. Aus einer Mail von ihm hat sie gewusst, dass er eine Wanderung im Raxgebiet vorhat und so bin ich zu dir gekommen.“
„Das ist ja eine komische Geschichte. Ich glaub, wir machen jetzt einmal unsere Hausaufgaben und sobald ich was hab, ruf ich dich an und wir setzen uns zusammen.“
„Bestens. Legts aber bitte die Untersuchungen sicherheitshalber so an, dass es keinen Verdacht auf Fremdverschulden gibt. Falls nämlich doch was dran sein sollte, dann hat vielleicht auch jemand von der Polizei die Finger im Spiel und das wär dann ganz heikel.“
„Ok. Ich glaub eigentlich, das ist alles nur heiße Luft, aber wenn du meinst …“
„Danke, Stinker. Die Sonja hat noch erwähnt, dass sie auf dem Schreibtisch vom Zargl einen Zettel mit einem gezeichneten Dreieck und etwas Text gesehen hat, der ihr interessant vorgekommen ist. Kannst du wen in die Wohnung schicken und den Zettel holen lassen?“
„Das wird kein Problem sein. Ich sags dir, wenn ich ihn hab.“
„Bestens. Seid ihr mit dem Handy vom Zargl schon weitergekommen?“
„Ja. Es war zwar vom Sturz beschädigt, drum hat das Ganze ein bissel gedauert, aber die Kollegen haben es trotzdem auswerten können. Es waren ein paar Fotos drauf, die er noch auf der Wanderung gemacht hat, weißt eh, nur Blumen und solche Sachen, nichts Brauchbares. Von den Zeitpunkten der Fotos her wissen wir, dass er um elf Uhr vier noch gelebt haben muss. Wann er dann gestorben ist, wissen wir nicht mit hundertprozentiger Sicherheit, aber es wird sicher nicht sehr viel später gewesen sein, weil das letzte Foto zeigt ein Bild von der Absturzstelle, das wir örtlich genau zugeordnet haben. Wir wissen natürlich nicht, wie lang er sich dort aufgehalten hat.“
„Kannst mir die Fotos per E-Mail schicken?“
„Geht nicht. Nicht mehr. Unsere E-Mails werden intern sehr oft kontrolliert. Aber papieren kannst du die Fotos natürlich haben. Ich hab dir einen Satz Kopien mitbracht.“ Er öffnete seine Aktentasche und übergab Rumpler eine dünne Mappe.
„Danke Stinker.“
„Die Sonja muss ich ja dann auch noch befragen, aber halt nur informell. Ich seh sie eh morgen, weil da besucht sie die Anna. Ich halt dich am Laufenden, Hans, falls sich irgendwas Interessantes ergibt. Ich glaub aber nicht. Auf den ersten Blick gibt’s überhaupt keinen Hinweis für ein Fremdverschulden. Aber weißt ja eh, grad in die Berg’ is so was immer schwierig, speziell wenns keine Zeugen gibt.“
„Ist schon klar. Schau ma mal.“