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Kapitel 4

Begründeter Optimismus

Wir altern und reifen zugleich. So wie wir an äußerlicher Attraktivität verlieren, gewinnen wir an innerer, wenn wir besonnen, ernsthaft, ehrlich und realistisch sind.

Inwieweit wir Werte leben und verkörpern ist unsere Entscheidung im selbstbestimmten Reifungsprozess. Dann kann auch das Älterwerden Glück und Zufriedenheit schenken und sogar eine neue Liebe zulassen.

In der Jugend erfahren wir vornehmlich durch unsere Erscheinung Aufmerksamkeit und werden mit Attributen wie attraktiv, sportlich, anziehend … belegt, sind beliebt, werden bewundert, auch begehrt und lassen es vielleicht auch zu.

Im Mittelalter müssen wir uns von der ersten Phase – wenn nicht schon innerlich gereift – schmerzhaft verabschieden, sind oft noch mit Wunschvorstellungen in ihr verhaftet. Eitelkeit und Realitätsferne verstellen oft den Blick.

Mit Hilfsmitteln versuchen wir festzuhalten und zu kaschieren, was zunehmend entgleitet. Jetzt sind wir gerne gesehen, geachtet, respektiert wegen unseres Charakters und unserer gelebten Werte verpflichteten Einstellung. Eine neue Liebe ist in dieser Phase möglich, wenn wir uns bei dem Blick durch die Schale bewähren. Dann sind wir der Liebe wert.

Im dritten Abschnitt hat äußere Attraktivität naturgemäß geringere Bedeutung und Umgehängtes erregt nur für den kurzen Augenblick Aufmerksamkeit. Das Auge sieht – das Herz nimmt wahr und erkennt.

Der neue Mantel, der schicke Anzug, das 78.-igste Paar Schuhe geben einen ersten flüchtigen, oberflächlichen, unreflektierten Eindruck; sie können nur für den Augenblick vom Wesentlichen ablenken. Es zählt allein die Attraktivität des Herzens. Deshalb unterliegt eine neue Partnerschaft in tief empfundener Liebe besonders kritischen Maßstäben. In diesem Lebensabschnitt stehen wir, Sina und Rune, in dem Ehrlichkeit aus Verantwortung für den Partner oberstes Gebot ist.

Wie lange haben wir noch? Können wir uns leisten noch ein Jahr, eine Stunde zu verschenken? ›Carpe diem!‹, in Ehrlichkeit aus Verantwortung füreinander.

Die Kostbarkeit der Zeit gebietet es umso mehr, den Partner mit schonungsloser Offenheit über nichts im Unklaren zu lassen oder aus Scham, Angst oder Zweifel darüber, wie die Wahrheit ankommen könnte, etwas zu verschweigen.

Und – bin ich wirklich für einen Neuanfang bereit oder sind meine Vorstellungen und Träume noch illusionär in der Vergangenheit verhaftet oder gar durch sie belastet? Nur wenn ich dem Partner aufrichtig, offen und ehrlich gegenübertrete habe ich das Geschenk verdient, ein aufregendes Wagnis im Alter erleben zu dürfen. Wenn Liebe an der Ehrlichkeit zerbricht, dann ist sie nicht stark genug. Ein Ende unserer Beziehung kann ich mir, auch für Sina, nicht vorstellen. Ich musste schon einmal durch den Schmerz hindurch; ein zweites leidvoll andauerndes Ende einer Partnerschaft bleibt mir hoffentlich erspart.

Weil Sina einmal mehr ohne Vorankündigung Funkstille praktiziert, eine Aussprache erneut ablehnt, unternehme ich den Versuch »Die Geschichte von Sina und Rune« aufzuarbeiten. Das soll mir helfen, Sinas Signale zu verstehen und mich für unsere Liebe reif zu machen.

Ich unternehme diesen Versuch in der festen Überzeugung: Das Schicksal hatte es für uns so einzigartig gefügt, damit unsere Herzen sich von allen Fremdeinflüssen und ablenkenden äußerlichen Eindrücken frei, kennen lernen und ihre Liebe füreinander entdecken durften.

Unsere so einmalige Geschichte einer letztlich unerschütterlichen Liebe wird ihre Fortsetzung finden.

Mehr als 6′

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