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Vorwort

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Dieses Buch ist eine Sammlung von Betrachtungen und Reflexionen über die Natur unserer Erfahrung. Sein einziger Zweck – soweit man überhaupt sagen kann, dass es einen Zweck hat – besteht darin, schlicht und einfach Erfahrung selbst, an und für sich, ganz genau zu betrachten.

Die Aussagen, mit denen wir im Allgemeinen unsere Erfahrung beschreiben, werden meistens als so absolut wahr angesehen, dass sie anscheinend keiner weiteren Untersuchung bedürfen. Doch hier in diesem Buch ist unser Ansatz genau umgekehrt: Überhaupt gar nichts wird als gegeben angenommen – mit Ausnahme der sprachlichen Konventionen, die es uns ermöglichen zu kommunizieren.

Schon als Kinder werden wir dazu angeregt, unsere Erfahrungen auf eine Art zu beschreiben, die diese Erfahrungen sowohl auszudrücken als auch zu bestätigen scheint. Später bestimmen diese Ausdrucksweisen dann, wie uns die Welt erscheint.

„David liebt Jane.“– „Tim sah den Bus.“ … Bereits unsere ersten Formulierungen unterteilen Erfahrung in ‚ich‘ und ‚anderes‘, ‚ich‘ und ‚die Welt‘, in ein Subjekt, das erfährt, und ein Objekt, das erfahren wird. Und unsere Erfahrung scheint von da an diese Formulierungen zu bestätigen.

Aber in einem bestimmten Stadium ahnen wir, dass diese Formulierungen nicht unsere Erfahrung zum Ausdruck bringen, sondern dass sie unsere Erfahrung bestimmen.

Dieses Buch beschäftigt sich nicht mit einzelnen Eigenschaften der Erfahrung, sondern mit Erfahrung selbst. Es erforscht die grundsätzliche Natur von Erfahrung. Was ist dieses ‚ich‘? Was ist dieses ‚andere‘, diese ‚Welt‘? Und was ist dieses ‚Erfahren‘, das die beiden Pole zu verbinden scheint?

Die essenzielle Entdeckung aller großen spirituellen Traditionen ist die Übereinstimmung von BEWUSSTSEIN und REALITÄT. Es ist die Entdeckung, dass die grundlegende Natur eines jeden Einzelnen von uns mit der grundlegenden Natur des Universums übereinstimmt.

Diese Entdeckung wurde auf vielerlei Arten zum Ausdruck gebracht: „Atman ist Brahman.“ – „Ich und mein Vater sind eins.“ – „Nirwana ist Samsara.“ – „Leere ist Form.“ – „Ich bin Das.“ – „Alles ist Bewusstsein.“ – „Es gibt keine zwei Dinge.“ – „Sat Chit Ananda.“

Jede spirituelle Tradition hat ihre eigenen Wege, zu diesem Verständnis zu gelangen. Es ist nicht nur ein intellektuelles Verständnis, sondern eher ein Wissen jenseits des Verstandes. Und in jeder Tradition gibt es genau so viele Variationen der Herangehensweisen, wie es Schüler dieser Tradition gibt.

Dieses Buch erforscht, was wirklich und wahrhaftig erfahren wird. Die Frage „Was ist die Natur unserer Erfahrung, jetzt in diesem Moment?“ wird uns wieder und wieder beschäftigen.

Und doch ist dieses Buch kein philosophisches Traktat. Es ist eine Sammlung von Betrachtungen und Erörterungen, in denen einige Grundideen immer wieder, jedes Mal unter einem etwas anderen Blickwinkel, untersucht werden. Ein gewisses Maß an Wiederholungen ist daher unvermeidbar.

Man könnte sagen, dieses Buch wurde wie ein Musikstück geschrieben, in dem ein einzelnes Thema erforscht, hinterfragt, variiert und neu vorgetragen wird. Und jedes Mal, wenn das Hauptthema wieder aufgenommen wird, hat es (hoffentlich) durch die vorhergehenden Betrachtungen an Tiefe und Resonanz gewonnen.

Die Bedeutung von Worten liegt nicht in den Worten selbst. Ihre Bedeutung liegt in den Betrachtungen, aus denen sie entstehen und auf die sie verweisen. Dieser Text ist daher mit vielen Zwischenräumen gestaltet, die das kontemplative Herangehen fördern sollen.

Die Schlussfolgerungen, die hier gezogen werden, sind einzig dafür da, die alten, konventionellen und dualistischen Formulierungen infrage zu stellen, die so tief in die Art und Weise eingebettet wurden, wie wir uns und die Welt zu erfahren scheinen.

Sind diese alten Formulierungen erst einmal infrage gestellt, so müssen sie nicht aufgegeben werden. Sie können als provisorische Ideen weiter verwendet werden, die in bestimmten Lebensbereichen eine Funktion erfüllen.

Die neuen Formulierungen sind vielleicht passendere oder präzisere Ausdrucksformen unserer Erfahrung als die alten, aber sie haben nicht das Ziel, die alten Sicherheiten durch neue zu ersetzen.

Sie führen einfach in ein offenes NICHTWISSEN, das von Moment zu Moment in Abhängigkeit von der gegebenen Situation formuliert werden kann. Zu solchen Situationen können dabei auch Fragen über die Natur der Erfahrung gehören.

Es gibt viele Wege, zu diesem offenen NICHTWISSEN zu gelangen. Das Demontieren unserer falschen Sicherheiten mittels Hinterfragen, wie es hier angeboten wird, ist nur einer davon.


Wenn unsere Aufmerksamkeit jetzt auf das weiße Papier hingelenkt würde, auf dem diese Worte geschrieben stehen, so würden wir jenes verblüffende Gefühl erleben, plötzlich einer Sache gewahr zu werden und gleichzeitig zu erkennen, dass es zu offensichtlich ist, um erwähnt zu werden. Und doch scheinen wir in dem Moment, da wir auf das Papier hingewiesen werden, etwas Neues zu erfahren.

Wir erleben die merkwürdig vertraute Erfahrung, dass wir einer Sache gewahr werden, deren wir tatsächlich schon gewahr waren. Wir werden gewahr, dass wir des Papiers gewahr sind.

Das Papier ist keine neue Erfahrung, die durch dieses Hinlenken unserer Aufmerksamkeit erst erschaffen wurde. Und doch scheint unser Gewahrsein des Papiers eine neue Erfahrung zu sein.

Nun, wie steht es mit dem Gewahrsein selbst, das des Papiers gewahr ist? Ist es nicht immer in und hinter jeder Erfahrung gegenwärtig, so, wie das Papier in und hinter den Worten auf dieser Seite gegenwärtig ist?

Und wenn unsere Aufmerksamkeit davon angezogen wird, haben wir dann nicht das gleiche merkwürdige Gefühl, dass unser Gewahrsein auf etwas gerichtet wurde, dessen wir immer schon gewahr waren, ohne es bemerkt zu haben?

Tatsache unserer Erfahrung, wesentlich für die und doch unabhängig von den speziellen Eigenschaften jeder einzelnen Erfahrung? So, wie das Papier die offensichtlichste Tatsache dieser Seite ist, wesentlich für und doch unabhängig von jedem einzelnen Wort?

Ist dieses Gewahrsein selbst nicht der Träger und die Substanz jeder Erfahrung, so wie das Papier der Träger und die Substanz jedes Wortes ist?

Muss dieser Seite etwas Neues hinzugefügt werden, damit wir das Papier sehen? Muss dieser momentanen Erfahrung etwas Neues hinzugefügt werden, damit wir des Gewahrseins gewahr werden, das Träger und Substanz dieser Erfahrung ist?

Wenn wir, nachdem wir das Papier bemerkt haben, zu den Worten zurückkehren, verlieren wir dann das Papier aus den Augen? Sehen wir nicht die beiden, die scheinbar zwei sind, gleichzeitig als eins? Und haben wir sie nicht bereits stets als eins erlebt, ohne es zu bemerken?

Und verlieren wir entsprechend jenes Gewahrsein aus den Augen, das wir in und hinter jeder Erfahrung bemerkt haben, wenn wir den Fokus unserer Aufmerksamkeit wieder auf die objektiven Aspekte der Erfahrung richten? [„Objektiv“ meint der Autor in diesem Buch nicht im Sinne von „objektiver Berichterstattung“, sondern: bezogen auf die „Gegenstände“ von Erfahrung; und bei diesem Wort sollte man nicht nur materielle Gegenstände assoziieren! Anmerkung d. Verlags] Sehen wir die beiden, die scheinbar zwei sind, nun nicht gleichzeitig als eins? Und war es nicht immer schon so?

Beeinflussen die Worte das Papier? Ist dem Papier wichtig, was mit den Worten gesagt wird? Beeinflusst der Inhalt einer Erfahrung das Gewahrsein, in dem sie erscheint?

Jedes Wort auf dieser Seite ist tatsächlich nur aus Papier gemacht. Es drückt die Natur des Papiers aus, auch wenn das Wort vielleicht den Mond beschreibt.

Jede Erfahrung bringt nur GEWAHRSEIN oder BEWUSSTSEIN zum Ausdruck, auch wenn die Erfahrungen unendlich variieren.

GEWAHRSEIN oder BEWUSSTSEIN ist das offene NICHTWISSEN, auf das jede Erfahrung geschrieben wird.

Es ist so offensichtlich, dass es nicht bemerkt wird.

So nahe, dass es als Objekt nicht erkannt werden kann und doch immer bekannt ist.

So grundlegend, dass alle Erfahrungen, so winzig oder riesig sie auch sein mögen, völlig von dessen Präsenz gesättigt und durchdrungen sind.

So liebevoll, dass alles Vorstellbare bedingungslos darin aufgehoben ist.

So offen, dass es alles in sich aufnimmt.

So weit und grenzenlos, dass alles darin enthalten ist.

So gegenwärtig, dass jede einzelne Erfahrung in seiner Substanz schwingt.

Es ist nur dieses NICHTWISSEN, die Quelle, die Substanz und die Bestimmung jeglicher Erfahrung, auf die hier immer und immer wieder verwiesen wird.

Rupert Spira

Oktober 2008

Bewusstsein ist alles

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