Читать книгу Die Zeit ohne uns - Rupert van Gerven - Страница 5

Wörter verbieten die Liebe – Es war einmal 1961

Оглавление

»Die Liebe hält viel aus«, sagt man. »Ein Paar wird zu oft auf die Probe gestellt« und »Trennungen sind immer schmerzhaft«. Sprüche, die sich in ihrer Brutalität erst zeigen, sobald man selbst davon betroffen ist. Wie viele Amouren können so anfangen? Und wie viele davon finden ein Happy End? Wer könnte so eine Liebesgeschichte erzählen? Und macht er sich strafbar dabei?

Weder Aaron, der von der Schauspielerei träumte, noch Herbert, der sich vom kommunistischen System eine bessere Zukunft erhoffte, hatten je gelernt, einander von ihren tiefen Verletzungen zu erzählen. Von der Angst des herankommenden Morgens ganz zu schweigen. Exekutionen in einer pechschwarzen Nacht mitten im Nirgendwo. Getarntes Duschen in einem Ort, der Sachsenhausen hieß. Für solche Bilder hatte niemand Sprüche parat. Das Vergessen sollten sie lernen, auch das Abgestempelt-Sein. Der eine als Jude, »wir wussten nichts davon ... und nun ist Ruhe!«, ruft ein Mann, der andere als Kollaborateur: »So, so! Sie haben also gekämpft! Und wie war es denn so an der Front?«, eine Vertriebene kann es nicht fassen. Vergessen wollen und Dankbarkeit für die Zeit, die den beiden das Weiterleben ermöglichte.

Sie stürzten sich in die Arbeit, jeder in seinem Aufgabenbereich. Aaron hatte akzeptiert, keine zweite Chance in seinem Beruf zu bekommen, also hielt er Herbert den Rücken frei. Sie arrangierten sich. Sie sprachen über ihren Alltag im Leben: Verkaufszahlen von Herberts Büchern, über das neu erstandene Haus in Berlin-Dahlem, über den chromglänzenden Wagen vor der Tür. Nur über »die Zeit ohne uns« zu sprechen, das wagten sie nicht.

»Die Zeit ohne uns«, so hatte einmal Herbert ihre Liebe bezeichnet, in einem Anflug poetischer Schöpfung – und seitdem klebte dieser Satz in Aarons Kopf, der ähnlich dem Fallobst brutal auf den Boden der Gegenwart zerschellt, doch hoffte auch er gleichzeitig, dass »die Zeit alle Wunden heilt«, so sagt man doch. Ein Gedanke wurde in die neue Zeit gepresst, um die Vergangenheit erträglicher zu machen – bloß nicht darüber reden, keine Wunden aufreißen, »Herberts Körper hatte genug davon«, Aarons ebenfalls, Wunden brauchen Zeit, um zu verheilen, Narben verhindern das eigene Vergessen, welches sich in mancher Nacht Bahn bricht. Besonders, wenn man älter wird und die Angst doch außen vor bleiben sollte und nie mehr Eintritt finden im Leben dieser beiden Männer, deren Liebe über alles steht.

Doch während alle Menschen in der Bundesrepublik Deutschland – so hieß nun das Land, welches oft Namen, Fahnen, Staatsformen und Grenzen wechselte –, während die meisten ihr eigenes Glück in der Demokratie erleben wollen – in der neuen Wirtschaftswunder-Zeit –, droht Unheil über die große Liebe, über das Traumpaar herzufallen. Der böse Grund ist verankert in einem Paragraphen, denn Wörter verbieten die Liebe! In der BRD also, in der diese Geschichte ein Ende nehmen wird ... gab es einmal ein Liebespaar – Aaron und Herbert.

Die Zeit ohne uns

Подняться наверх