Читать книгу Die Zeit ohne uns - Rupert van Gerven - Страница 8

Berlin-Dahlem – Herbst 1957

Оглавление

Herbert und Aaron verlassen das Schlafzimmer. Warum verdrängen sie immer wieder, dass der Sex ihnen nicht hilft, ihre Probleme zu lösen? Immer öfter verletzen sie sich. Worte werden zu Handgranaten. Was ist ihre Liebe noch wert, besteht sie überhaupt noch? So oft machten sie Klimmzüge, schlugen sie Bögen, verschwanden in Hauseingängen, hielten den Atem an. Längst vergangene Zeiten.

»Möchtest du einen Kaffee?«

Aaron füllt den Kessel mit Wasser, entzündet den Gasherd. Sie schauen sich an.

»Der Bundespresseball, du hast eine Einladung, wirst du hingehen? Soweit ich weiß, wird Hildegard Knef dort sein, Schmeling und seine Frau Anny Ondra auch, Magda Schneider und Tochter werden erwartet.«

»Aaron, wenn wir nichts tun, verlieren wir uns!« Herbert ist verzweifelt, seine ruhige Art verliert sich. »Hilf mir, lass mich nicht allein.« Er hoffte, wie alle anderen auch, dass es nach dem Krieg wieder werden würde wie damals. Die Menschen spuckten in die Hände, glaubten an eine Zukunft. Das Schlagwort hieß »Wiederaufbau«, alle waren voller Hoffnung. Alte Freunde kamen nach und nach wieder aus den Zuchthäusern, den KZs in die so sehr vermisste Stadt zurück. Unvergessen die, die von den Nazis ermordet wurden. Endlich konnten aufregende Pläne geschmiedet werden. Nur ein Wermutstropfen hing in der Luft: Aaron und er konnten sich in der zerstörten Kraterstadt nicht finden. Wie viel Leid kann ein Mann ertragen?

Die Flöte vom Wasserkessel pfeift. »Wie lange kämpfen wir schon? Wann hat unsere Liebe aufgehört, selbstverständlich zu sein?« Aaron bereitet den Kaffee. »Herbert, ich weiß oft nicht weiter. Sobald ich dir die Wagentür öffne, damit du in den Wagen steigen kannst, möchte ich einen Fussel von deiner Anzugjacke zupfen, lasse es aber, es könnte ja jemand sehen und Andeutungen machen ... Wir sind Gefangene, unsere Gehege haben Höhlen, dort können wir ungestört sein. Unser Gefühl von Sicherheit haben sie uns ausgeschlagen. Schau dir mein Gebiss an, der beste Beweis dafür! Jedes Mal, wenn wir unsere Burg verlassen, schauen wir uns in sämtliche Richtungen um. Bloß nicht auffallen und dadurch verdächtig wirken, nie kann man sich sicher sein. Die Denunzianten haben ihre Arbeit wieder aufgenommen. Sie sollen sehr erfolgreich sein, obwohl es für ihre Arbeit keine Prämien gibt, Ehrensache eben.«

Herbert holt das Kaffeegeschirr aus dem Schrank, sie setzen sich an den Tisch. Müde sind sie. Die beiden fühlen sich um so vieles betrogen. Hände liegen auf der Tischplatte, bewegen sich aufeinander zu. Augen suchen im anderen Halt, doch die Kräfte sind ausgezehrt.

»Wäre die DDR keine gute Idee gewesen? Du bist Kommunist, mit offenen Armen hätten sie dich aufgenommen. Der Schriftstellerverband, hat dich das nie gereizt? Deine Themen wären tiefgreifender, reflektierter, gesellschaftspolitisch von Relevanz. Produktivität auf der ganzen Linie, du hättest wieder Spaß am Schreiben bekommen.«

»Ich war Kommunist? Das ist lange vorbei.«

»Bundespresseball, ja oder nein?«

»Gib mir noch Zeit.«

Die Zeit ohne uns

Подняться наверх