Читать книгу ACT leicht gemacht - Хэррис Расс, Russ Harris, Расс Хэррис - Страница 14
Оглавление5 Ausrichtung auf Erfolg
FIRST THINGS FIRST
Etwa die Hälfte aller Probleme, denen ich in Supervision begegne, geht darauf zurück, dass Therapeutinnen oder Therapeuten mit der ACT beginnen, ohne ihre Sitzungen wirklich zu planen. Wenn wir uns die Zeit nehmen, unsere Sitzungen vom ersten Schritt an gut vorzubereiten, bekommen wir wahrscheinlich viel bessere Ergebnisse. In diesem und dem nächsten Kapitel werde ich Ihnen also eine Reihe von Vorschlägen präsentieren, wie Sie genau dies tun können. (Und passen Sie dies natürlich wie alles andere, was Sie in diesem Buch lesen, so an, dass es zu Ihrer eigenen Arbeitsweise passt.
Die erste Sitzung
Therapeutinnen, die mit der ACT arbeiten wollen, kommen von den verschiedensten Richtungen und haben daher oft sehr unterschiedliche Vorstellungen von der ersten Sitzung. Viele Therapeuten führen beispielsweise gern zunächst ein Erstgespräch oder bieten »probatorische Sitzungen« an, bevor sie mit der »aktiven« Therapie beginnen. Dazu gehört, dass eine Anamnese erhoben wird, Fragebögen ausgefüllt und spezifische Tests zum Beispiel zur Messung der Gedächtnisleistung durchgeführt werden und ein Therapievertrag geschlossen wird. Therapeutinnen mit Erfahrung in Kurzzeittherapie ziehen es jedoch häufig vor, keine probatorische Sitzung abzuhalten, sondern steigen gleich bei der allerersten Begegnung in die therapeutische Arbeit ein. Beide Ansätze haben ihr Für und Wider, und dies ist nicht der Ort, sie zu diskutieren. Wenn also Ihre gegenwärtige Arbeitsweise Ihnen die Ergebnisse liefert, die Sie haben wollen, bleiben Sie dabei. In diesem Buch behandle ich die erste Sitzung als diejenige, in der sich Klient und Therapeutin zum allerersten Mal begegnen (das heißt, ich gehe davon aus, dass keine probatorische Sitzung vorausgegangen ist). Falls Sie anders arbeiten, modifizieren Sie alle folgenden Vorschläge so, dass sie eine probatorische Sitzung enthalten oder »strecken« Sie die erste Sitzung so, dass sie zwei Termine umfasst.
Das Ziel der ersten Sitzung besteht im Idealfall darin,
• einen engen Rapport aufzubauen
• informierten Konsens herzustellen
• eine Anamnese zu erheben
• Verhaltensziele zu vereinbaren.
Falls es die Zeit zulässt, können wir auch
• eine kurze Erlebnisübung machen
• eine einfache »Hausaufgabe« geben.
Bei rasch ansprechenden Klienten oder solchen mit einem sehr spezifischen Problem können die obigen Ziele oft alle in einer Sitzung erreicht werden. Bei weniger rasch ansprechenden Klientinnen oder solchen mit mehreren Problemen und einer komplexen Vorgeschichte sind wahrscheinlich eher zwei Sitzungen erforderlich, vor allem, wenn Sie sie auch noch Fragebögen ausfüllen lassen wollen.
Überdies darf nicht vergessen werden, dass der Aufbau von Vertrauen ein Thema sein kann, wenn Ihr Klient eine Geschichte von Trauma oder wiederholt Missbrauch und Verrat in nahen Beziehungen erlebt hat. In solchen Fällen wollen Sie vielleicht zunächst zwei, drei Sitzungen auf Anamnese und der Etablierung eines Rapports miteinander verwenden, um dem Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung Zeit zu geben.
In Kapitel 6 werden wir sehen, wie Sie Anamnese erheben und Verhaltensziele setzen, und in Kapitel 7 werden wir kurz erfahrungsorientierte Übungen und einfache Hausaufgaben vorstellen, die Sie in jeder Sitzung einsetzen können, auch schon in der ersten Sitzung. In diesem Kapitel fokussieren wir darauf, wie Sie einen Rapport aufbauen und informierten Konsens herstellen.
Aufbauen eines Rapports und den Regenbogen sehen
Die therapeutische Beziehung ist in der ACT von zentraler Bedeutung. Und eine der besten Möglichkeiten, wie man sie stärken kann, besteht darin, ACT im Therapieraum zu verkörpern. Wenn wir unserer Klientin präsent begegnen, für Emotionen offen sind, auf Abstand zu unseren eigenen Wertungen gehen und im Einklang mit unseren therapeutischen Kernwerten von Verbundenheit, Empathie, liebevoller Anteilnahme und Hilfsbereitschaft handeln, ermöglichen wir auf ganz natürliche Weise eine herzliche, mitschwingende, offene und authentische Beziehung. Wenn wir einem anderen Menschen unsere volle Aufmerksamkeit schenken und ihm offen, mitfühlend und neugierig begegnen, so ist allein dies schon therapeutisch.
Bei jedem beliebigen Klienten ist es nützlich, wenn wir uns fragen: Sehe ich diese Person als einen Regenbogen oder als ein Hemmnis? Ein Regenbogen ist eine einmalige und schöne Erscheinung der Natur. Wir sehen ihn nicht als Problem oder als ein Hindernis. Eher sind wir dankbar und berührt davon, in seiner Gegenwart sein zu dürfen. Können wir eine ähnliche innere Haltung unseren Klientinnen entgegenbringen? Können wir ihre Einzigartigkeit und das Geschenk, dass wir auf einer so tiefen Ebene mit unseren Mitmenschen arbeiten können, wahrhaft schätzen?
Wenn Klienten wirklich feststecken – das heißt, extrem verschmolzen sind und in hohem Maß Realität vermeiden –, wird Therapie häufig extrem schwierig oder ist zum Stillstand gekommen. Es ist nicht überraschend, dass dies für Therapeutinnen eine Herausforderung ist. Wenn wir mit Klienten arbeiten, die so blockiert sind, und wenn wir keine Fortschritte machen, beginnt unser Verstand gewöhnlich schnell zu bewerten. Und wenn uns solche Wertungen im Griff haben, fangen wir an, unsere Klientinnen als Hemmnis zu sehen: dass sie uns behindern und davon abhalten, unsere Arbeit zu machen, und zu einem Ärgernis werden.
Eine mitfühlende und respektvolle Beziehung mit unseren Klienten ist eine wesentliche Bedingung, um ACT gut zu machen. Ohne sie werden viele unserer Interventionen fast garantiert wirkungslos bleiben, eine negative Rückwirkung haben oder entwerten. Die therapeutische Beziehung zu entwickeln und aufrechtzuerhalten, ist ein großes Thema, deshalb werden wir es in Kapitel 30 ausführlicher behandeln. In diesem Zusammenhang hier muss ich noch eins unterstreichen: Die ACT vertritt die Haltung radikaler Gleichheit von Klientinnen und Therapeuten, Klienten und Therapeutinnen – die Idee, dass wir alle »im selben Boot« sitzen. So wie unsere Klientinnen verwickeln wir Therapeuten uns leicht in die Aktivität unseres Verstandes, verlieren den Kontakt mit der Gegenwart und geraten in sinnlose Kämpfe mit unseren Gedanken und Gefühlen. So wie unsere Klienten verlieren wir Therapeutinnen immer wieder die Verbindung mit unseren zentralen Werten und handeln auf selbstschädigende Weise. Und so wie unsere Klienten kämpfen wir mit vielen Aspekten eines vollen menschlichen Lebens: Enttäuschung, Ablehnung, Versagen, Verrat, Verlust, Einsamkeit, Konflikt, Krankheit, Verletzung, Kummer, Groll, Angst, Unsicherheit und Tod. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Klientinnen und Therapeuten Reisegefährten auf derselben inspirierenden und schmerzhaften menschlichen Reise sind, können wir also eine Menge voneinander lernen.
Diese Haltung wird in der Metapher von den beiden Bergen (Hayes, Strosahl und Wilson, 2014) sehr treffend beschrieben. Viele Therapeutinnen sprechen dies in der ersten Sitzung an.
Metapher von den beiden Bergen
Therapeut: Wissen Sie, viele Menschen kommen zur Therapie mit der Vorstellung, Therapeuten wären eine Art erleuchtetes Wesen, das alle seine Themen schon gelöst hat und bereits am Ende seines Entwicklungsweges angekommen ist. Weit gefehlt. Es ist eher so, als ob Sie Ihren Berg besteigen und ich meinen Berg. Und von meinem Berg aus kann ich Dinge bei Ihrem Berg sehen, die Sie nicht sehen können – zum Beispiel eine Lawine, einen anderen Weg, den Sie auch nehmen könnten, oder dass Sie Ihren Eispickel nicht effektiv einsetzen.
Ich möchte aber nicht, dass Sie denken, ich hätte die Spitze meines Berges bereits erreicht und würde dort jetzt ganz entspannt sitzen. Tatsache ist, dass auch ich noch klettere und noch Fehler mache, aus denen ich lerne. Im Grunde geht es uns allen gleich. Wir besteigen unseren Berg, bis wir sterben. Wir können beim Klettern jedoch immer besser werden und mehr und mehr lernen, die Tour zu genießen. Darum geht es bei der Arbeit, die wir hier machen.
Informierte Zustimmung in ACT
An einem gewissen Punkt müssen wir in der ersten Sitzung die informierte Zustimmung des Klienten bekommen, ACT anzuwenden. Mir persönlich ist es am liebsten, dies noch in der ersten Hälfte der Sitzung zu tun. Wir könnten etwa Folgendes sagen: »Es gibt noch viel mehr, was ich darüber wissen möchte, wie es Ihnen geht, womit Sie Probleme haben und so weiter. Wir werden gleich darauf zurückkommen. Aber können wir einfach ein paar Minuten über die Art der Therapie sprechen, die ich praktiziere – worin sie besteht, wie lange sie dauert –, und uns vergewissern, dass sie für Sie der richtige Ansatz ist. Ist das okay?«
Erklären, was ACT ist und was dazugehört
Als das Allermindeste empfehle ich die folgenden Punkte, wenn Sie Zustimmung einholen, ACT anzuwenden. (Und bitte denken Sie daran, die Sprache so zu modifizieren, dass sie zu Ihrer Redeweise und Ihrer Klientel passt):
• ACT ist eine sehr aktive Form der Therapie, bzw. des Coachings. Sie besteht nicht nur aus Reden über Ihre Probleme und Gefühle.
• Es geht darum, dass wir als ein Team zusammenarbeiten, um Ihnen zu helfen, die Art Leben zu gestalten, das Sie führen möchten.
• Diese Arbeit besteht zum großen Teil darin, Fähigkeiten zu erwerben, sich aus dem Griff schwieriger Gedanken und Gefühle befreien zu können, zu lernen, wie Sie ihre Wirkung verringern und ihnen die Macht nehmen können, damit sie Sie nicht zum Narren halten oder heruntermachen können.
• Dazu gehört auch, dass Sie Ihre Werte klären: dass Sie herausfinden, was Ihnen wichtig ist, wofür Sie im Leben einstehen wollen, welche Stärken und Qualitäten Sie entwickeln und wie Sie sich selbst und andere behandeln wollen. Und dass Sie handeln, um Ihre Probleme zu lösen, dass Sie sich Ihren Herausforderungen stellen und Dinge tun, die Ihr Leben verbessern.
• Ich möchte, dass Sie einen Handlungsplan haben, wenn Sie nach einer Sitzung nach Hause gehen: etwas Praktisches, das Sie mitnehmen und benutzen, um Ihr Leben aktiv zu verändern.
• Ich werde Sie manchmal auffordern, neue Dinge auszuprobieren, die Sie aus Ihrer Komfortzone ziehen können, wie zum Beispiel neue Fertigkeiten zu erlernen, um mit schwierigen Gedanken und Gefühlen umzugehen, aber Sie müssen nie tun, was ich Ihnen sage. Sie haben immer die Freiheit, zu allem, was ich vorschlage, Nein zu sagen.
Wenn Sie diese Punkte behandelt haben, können die folgenden zwei Metaphern sehr gelegen kommen.
Die Metapher der Pause-Taste
Die Pause-Taste-Metapher ist nicht essenziell, aber aus Gründen, die ich gleich erklären werde, empfehle ich sie sehr. Es wäre ideal, wenn Sie sie unmittelbar nach der informierten Zustimmung einführen. Sie geht so:
Therapeutin: Erlauben Sie mir, dass ich ab und zu die Pause-Taste drücke, wenn ich sehe, dass Sie etwas tun, das so aussieht, als könnte es hilfreich oder nützlich dabei sein, wie Sie mit Ihren Problemen umgehen und so Ihr Leben verbessern. Damit verlangsame ich die Sitzung und kann Ihnen helfen, wirklich darauf zu achten, was Sie tun.
Zum Beispiel könnte ich Sie auffordern anzuhalten oder langsamer zu werden, ein paarmal tief durchzuatmen und wahrzunehmen, was Sie denken oder fühlen oder sagen oder tun. So können Sie deutlicher sehen, was Sie tun, und wir können anschauen, wie Sie es außerhalb dieses Raums nutzen können. Ist das okay?
Und kann ich auch die »Pause-Taste« drücken, wenn ich sehe, dass Sie etwas tun, das so aussieht, als könnte es zu Ihren Problemen beitragen oder sie verschlimmern, damit wir es ansprechen können?
Und natürlich gilt dies für beide Richtungen – Sie können auch jederzeit bei mir die »Pause-Taste« drücken.
Mit dieser wechselseitigen Zustimmung, die »Pause-Taste« zu drücken, haben Sie nun eine wirklich sehr einfache Achtsamkeits-Intervention, die Sie an jedem beliebigen Punkt in einer Sitzung anwenden können, entweder um problematisches Verhalten zu unterbrechen oder um psychisch flexibles Verhalten zu bestärken, wenn es in einer Sitzung dazu kommt.
Angenommen zum Beispiel, der Klient erhebt seine Stimme und wird mit seinen Worten aggressiv und schüchtert mit seiner Körpersprache ein. Die Therapeutin könnte sagen: »Hm, erinnern Sie sich daran, dass Sie sagten, ich könnte manchmal die ›Pause-Taste‹ drücken? Ich glaube, dies ist so ein Moment, in dem es nützlich wäre. Ich möchte Sie bitten, einen Moment innezuhalten. Atmen Sie einfach durch, nehmen Sie sich einen Moment Zeit und beobachten Sie, wie Sie sprechen, hören Sie den Ton Ihrer Stimme, die Dinge, die Sie sagen … wie Sie Ihre Fäuste ballen …? Könnten Sie einfach einmal nachspüren, wahrnehmen, was Sie in diesem Moment fühlen? Ich mache das auch, und ich nehme wahr, dass ich ziemlich eingeschüchtert bin.« Die Therapeutin hat das Verhalten des Klienten unterbrochen und hat jetzt viele Möglichkeiten zu intervenieren: Sie kann an Erdung und Zentrieren oder an Defusion von Gedanken arbeiten, die von Wut oder Ärger erfüllt sind. Sie kann unter anderem daran arbeiten, Gefühle der Wut anzuschauen oder Kompetenzen der Selbstbehauptung zu üben.
Die Therapeutin kann auch einen interpersonellen Weg einschlagen: »In diesem Moment fühlt es sich nicht so an, als wären wir ein Team. Es fühlt sich so an, als gäbe es eine Menge Spannung zwischen uns. Ist es okay, wenn wir anschauen, was hier los ist? Schauen, ob wir es schaffen, wieder als Team zu arbeiten?«
Nun angenommen, dass Ihr Klient gewöhnlich abgelenkt und desinteressiert ist, aber ganz plötzlich nehmen Sie wahr, dass er wirklich engagiert ist: Er setzt sich gerade auf, statt eher zusammengesunken dazusitzen. Er schaut Sie an, statt auf den Boden, und er wirkt jetzt nicht mehr gelangweilt. Dies ist psychisch flexibles Verhalten, das Sie verstärken sollten. Wenn Sie es ignorieren, es als selbstverständlich nehmen oder versäumen, es zu benennen, verpassen Sie eine Gelegenheit. Sie könnten also etwas sagen wie: »Kann ich einen Moment die Pause-Taste drücken? Ich nehme einfach wahr, dass Sie in diesem Moment etwas ganz anderes tun. Vor ein paar Minuten saßen Sie zusammengesunken da und haben auf den Boden geschaut … und jetzt: Fällt Ihnen auf, dass Sie ganz anders sitzen und interessiert sind? Ich muss sagen, es ist für mich ein gewaltiger Unterschied. Ich fühle mich mit Ihnen viel verbundener. Ich habe das Gefühl, dass wir jetzt wirklich ein Team sind.«
Tipp für die Praxis
Wir können im Voraus nie sicher sein, was das Verhalten eines Klienten verstärkt, aber wir können es ganz gut einschätzen. Wenn wir der Klientin helfen, ihr Verhalten und die positive Wirkung, die es hat, wahrzunehmen, wird das gewöhnlich die Wirkung verstärken. Das heißt, wir werden sehen, dass der Klient sich häufiger so verhält. Angenommen aber, wir sehen das fragliche Verhalten abnehmen – wenn die Klientin zum Beispiel in Verlegenheit gerät oder befangen wird und Verhalten aufgibt. Wenn das der Fall ist, dann war das, was wir gesagt haben, für den Klienten eigentlich eine strafende Konsequenz. Wir würden dann damit aufhören und eine andere Strategie anwenden.
Nachdem Sie so die Pause-Taste in Ihr Gespräch eingeführt haben, könnten Sie jetzt die Gitarren-Metapher ausprobieren. Und die geht so:
Die Metapher von der Gitarre
Therapeut: Die Arbeit mit ACT ist ein wenig wie Gitarre spielen. Man kann Gitarre spielen nicht dadurch lernen, dass man darüber nachdenkt, darüber liest oder darüber spricht. Man kann es nur so lernen, dass man sie wirklich in die Hand nimmt und anfängt, an den Saiten zu zupfen. Wenn Sie diese neuen Fertigkeiten erlernen, werde ich Sie dabei begleiten, hier bei mir in den Sitzungen, und das wird Ihnen helfen. Ganz entscheidend aber ist, wie sehr Sie sie zu Hause üben. Auch das ist so wie lernen, Gitarre zu spielen. Wenn Sie gut werden wollen, müssen Sie üben. Ich werde Sie also auffordern, diese neuen Fertigkeiten mit nach Hause zu nehmen und zwischen den Sitzungen zu üben.
Defusion von Zweifel
Angenommen, Ihre Klientin drückt jetzt Zweifel oder Unsicherheit aus: »Ich glaube nicht, dass dies bei mir wirkt.« Solche Gedanken sind ganz natürlich und sie sind nur dann problematisch, wenn der Klient mit ihnen verschmilzt. Wir haben hier also eine sehr gute Gelegenheit, einen Kontext von Akzeptanz und Defusion herzustellen. Zum Beispiel könnten wir sagen: »Das ist ein vollkommen natürlicher Gedanke. Viele Menschen zweifeln zu Beginn. Und die Wahrheit ist, dass es keine Form der Behandlung gibt, die garantiert bei jedem wirkt. Ich kann also nicht versprechen, dass diese bei Ihnen wirkt. Ich könnte Ihnen sagen, dass sie bei vielen anderen Menschen gewirkt hat, und ich könnte all die veröffentlichten Studien und die Forschungsergebnisse und so weiter anführen, aber das würde immer noch nicht garantieren, dass sie bei Ihnen wirkt. Ich würde Ihnen sogar empfehlen, wenn Sie jemals eine Angehörige eines helfendes Berufs – einen Arzt, Zahnärztin, Psychologen, Therapeutin, wen auch immer – konsultieren und er Ihnen hundert Prozent garantiert: ›Dies wird wirken‹, keinen Termin mehr mit ihnen zu vereinbaren. Entweder lügen sie nämlich oder sie machen sich selbst etwas vor.«
Die Klientin wird an diesem Punkt häufig lächeln oder amüsiert sein. Wir können dann eine einfache Defusion vorstellen:
Therapeut: Natürlich erwarte ich, dass Ihnen dies hilft – sonst würde ich nicht weiter mit Ihnen arbeiten. Dies aber kann ich voraussagen: Ihr Verstand wird Zweifel haben, wenigstens während der ersten Sitzungen. Er wird immer wieder Dinge wie dies sagen: Dies wird nicht funktionieren. Und jedes Mal, wenn solche Gedanken auftauchen, ist eine Entscheidung zu treffen: Wir können aufgeben und die Sitzung beenden, weil Ihr Verstand sagt, dass es nicht funktioniert – oder wir können Ihren Verstand das sagen lassen und weiterarbeiten und unser Bestes tun.
Klientin: Das verstehe ich.
Therapeut: Also auch wenn Ihr Verstand sagt Dies wird nicht funktionieren, können wir weitermachen?
Klientin: Klar.
Beachten Sie, dass wir in diesem Transkript nicht infrage stellen, was der Klient denkt. Vielmehr erkennen wir an, dass es natürlich und normal ist. Und wir stellen einen Kontext her, in dem es (a) okay ist, dass die Klientin diesen Gedanken hat (Akzeptanz), und (b) der Gedanke zwar da ist, er die Handlungen der Klientin aber nicht kontrolliert (Defusion). In Kapitel 12 schauen wir an, wie wir diese Intervention einen Schritt weiterführen können, wenn Klienten in Hoffnungslosigkeit versunken sind.
Das Risiko eines Abbruchs reduzieren
Wenn Sie wissen oder den Verdacht haben, dass Ihr Klient wahrscheinlich die Therapie abbricht, ist es hilfreich, etwa Folgendes zu sagen: »Manchmal kann die Therapie ein bisschen wie eine Achterbahnfahrt sein. Aber Sie und ich sind hier ein Team, und ich sitze zusammen mit Ihnen in diesem Achterbahn-Wagen. Und manchmal verspüren Sie vielleicht einen Impuls, die Therapie einfach abzubrechen. Das ist vollkommen normal, besonders wenn Sie mit einem sehr wichtigen Thema oder Problem konfrontiert sind. Wären Sie also bereit, wenn Sie sich einmal so fühlen, es mir mitzuteilen, damit wir in unseren Sitzungen mit diesen Gefühlen arbeiten können? Ich würde nämlich sehr ungern erleben, wenn Sie gerade dann abbrächen, wenn Sie gerade dabei sind, einen Durchbruch zu erleben.«
Vereinbarung der Anzahl von Sitzungen
Wie viele ACT-Sitzungen sind normalerweise erforderlich? Hmm, wie lang ist ein Seil? Ich habe schon erlebt, dass in einer einzigen ACT-Sitzung Erstaunliches passiert ist, und ich hatte Klientinnen, mit denen ich drei oder vier Jahre lang regelmäßig gearbeitet habe! Als generelle Regel gilt, dass eine Therapie umso länger dauert, je größer die Probleme des Klienten im Hinblick auf Anzahl, Dauer, Schweregrad und Auswirkung auf die Lebensqualität sind. Dies muss aber nicht unbedingt so sein.
ACT kann in sehr vielen unterschiedlichen Formaten angeboten werden:
• Langzeittherapie: Ein Therapieprotokoll einer ACT-Therapie bei Borderline-Persönlichkeitsstörung umfasst beispielsweise 40 Gruppensitzungen von je zwei Stunden Dauer (Brann, Gopold, Guymer, Morton und Snowdon, 2007).
• Kurzzeittherapie: Ein bekanntes ACT-Protokoll bei Angststörungen basiert beispielsweise auf zwölf einstündigen Sitzungen; eine veröffentlichte Studie zur ACT-Therapie bei chronischem Stress und chronischen Schmerzen basiert auf einem achtstündigen Therapieprotokoll (Dahl et al., 2004).
• Ultrakurzzeittherapie: Eine veröffentlichte Studie zur ACT-Therapie bei chronischer Schizophrenie umfasste gerade einmal drei bzw. vier einstündige Sitzungen. Durch diese extrem kurze Intervention reduzierten sich die Quoten der Wiedereinlieferungen in die Klinik um fast 50 Prozent (Bach & Hayes, 2002). (Selbstverständlich haben diese sehr kurzen ACT-Interventionen nicht zur Folge, dass die Klienten danach ein völlig achtsames, wertegeleitetes Leben führen und nie mehr irgendwelche Probleme haben. Es ist eher so, dass wir die Kernaspekte der ACT – präsent sein, sich öffnen und tun, was wichtig ist – relativ rasch und mit spürbarem Nutzen vermitteln können. Anschließend wird die Klientin zu ihrer eigenen ACT-Therapeutin und das Leben liefert ihr alle möglichen Probleme und Herausforderungen, die ihr Gelegenheit bieten, ihre Fähigkeiten weiter zu verbessern.)
In einigen Büchern über ACT wird vorgeschlagen, sich zunächst auf zwölf Sitzungen zu einigen. Das ist aber keine magische Zahl; Sie können die Anzahl der Sitzungen natürlich jederzeit an die Bedürfnisse Ihrer Klienten anpassen. In Australien, wo ich lebe und praktiziere, sind die Menschen zum Beispiel nicht so offen für Therapie wie in den Vereinigten Staaten; daher vereinbare ich gewöhnlich zunächst nur sechs Sitzungen.
An dieser Stelle sagen wir der Klientin auch, dass eine Therapie kein Spaziergang ist, sondern Höhen und Tiefen mit sich bringt. Sie können das beispielsweise so formulieren: »Mir ist noch wichtig zu sagen, dass eine Therapie nicht immer glatt läuft. Manchmal machen Sie einen regelrechten Sprung nach vorn und manchmal fallen Sie einen großen Schritt zurück. Gewöhnlich empfehle ich anfangs also sechs Sitzungen – und danach können wir überlegen, wie es geht, und schauen, ob Sie mehr brauchen. Und Sie sind der ›Verhandlungsführer‹, nicht ich. Sie beurteilen, ob wir vorankommen. Tatsächlich benötigen manche Klientinnen keine vollen sechs Sitzungen, andere kommen damit nicht aus. Es ist wirklich ganz verschieden. Wären Sie also bereit, sich erst einmal auf sechs Sitzungen festzulegen?«
WIE DIREKTIV IST ACT?
Wenn wir mit ACT arbeiten, können wir so direktiv oder nichtdirektiv sein, wie wir wollen. Es hängt von den Fähigkeiten des Klienten und den Erfordernissen der Situation ab. Bei Klientinnen, die schlecht mitarbeiten, die viele Probleme und beträchtliche Mängel an Kompetenzen zur Bewältigung ihres Lebens haben, werden wir gewöhnlich ziemlich direktiv sein müssen: Wir müssen zu Beginn jeder Sitzung einen klaren Plan festlegen und den Klienten so oft wie nötig zu ihm zurücklenken, um dafür zu sorgen, dass er in der Sitzung aktiv neue Fertigkeiten lernt, Werte klärt, Ziele für sich formuliert und Handlungspläne herstellt. Bei selbstmotivierten Klientinnen, die gut mitarbeiten, können wir viel weniger direktiv sein. Wir können also dosieren, wie direktiv wir in jeder Sitzung sind, um uns den Bedürfnissen jedes einzelnen Klienten, den wir vor uns haben, anzupassen. Es ist jedoch unmöglich, vollkommen nicht-direktiv zu sein, wenn wir Klientinnen Achtsamkeitskompetenzen vermitteln. Wir müssen sie anleiten, ihnen Vorschläge machen und Feedback geben, damit sie ihre neuen Fertigkeiten lernen und anwenden können.
AUFGABEN
Wenn Sie ein bisschen wie ich sind, kennen Sie auch die Neigung, Lehrbücher zu lesen und zu hoffen, dass Sie alles »in sich aufnehmen«, sodass Sie es spontan im Therapieraum anwenden können. Wenn das nur so wäre! Sie kommen nicht darum herum: Sie werden ACT nicht allein durch Lesen eines Buches lernen. Also hoffe ich, dass Sie die Aufgaben in diesem Abschnitt wirklich ernst genommen und gemacht haben. Für dieses Kapitel ist Ihre Aufgabe einfach Folgendes:
• Lesen Sie alle Interventionen des Therapeuten, die Sie oben finden. Lesen Sie sie laut, als wären Sie eine Schauspielerin, die den Text für ein Stück probt. Wenn Sie dazu nicht bereit sind, gehen Sie sie wenigsten im Kopf durch.
• Wenn Sie ein Skript nach dem anderen so lesen, modifizieren Sie es: Übertragen Sie es in Ihre eigenen Worte.
Ideal wäre, wenn Sie dies ein paarmal machen, bis Ihnen die Worte der Interventionen so leicht von der Zunge gehen, dass Sie die Hauptpunkte, wenn Sie wollten, für Kolleginnen, Therapeuten, mit denen Sie zusammenarbeiten, oder für Leute, die Sie beim Finale der Schachweltmeisterschaft treffen, schnell zusammenfassen könnten. Ich kann die Wichtigkeit hiervon nicht übertreiben: Wenn Sie dies nicht außerhalb der Sitzung üben, werden Sie sich wahrscheinlich nicht daran erinnern, wenn Sie in der Sitzung sind.
WAS SIE MITNEHMEN KÖNNEN
Die Hauptsache, die Sie aus diesem Kapitel mitnehmen, ist dies: Bereiten Sie Ihre Sitzungen effektiv vor. Es ist wie ein Fundament, das Sie für das Haus legen, das Sie bauen wollen. Wenn das Fundament nicht richtig gelegt ist, können Sie mit einer Menge Probleme bei dem Prozess des Bauens rechnen. Informierte Zustimmung ist ein essenzieller Teil dieses Fundaments: Sie können es sich nicht leisten, sie zu übergehen. Und das gilt auch dafür, dass eine starke Gemeinsamkeit aufgebaut wird – sehen Sie Ihre Klientinnen also als Regenbögen und nicht als Hemmnis.