Читать книгу ACT leicht gemacht - Хэррис Расс, Russ Harris, Расс Хэррис - Страница 15
Оглавление6 Was ist das Problem?
MIT DEN AUGEN VON ACT
Neulinge bei der ACT finden es oft schwierig, Probleme eines Klienten durch die Optik der sechs Kernprozesse zu sehen. Um ihnen dabei zu helfen, schauen wir noch einmal kurz den Punkt der Entscheidung an, wie er unten abgebildet ist. Darin wird die Essenz der meisten therapeutischen Themen aus einer ACT-Perspektive zusammengefasst.
Unten und auf der linken Seite des Diagramms sind die Hauptzüge fast aller therapeutischen Themen und psychiatrischen Störungen zusammengefasst:
A. Die Klientin hat schwierige Situationen zu bewältigen (das können alle möglichen gesundheitlichen Probleme, Probleme mit einer Beziehung, mit dem Gesetz, im Zusammenleben in der Familie, Probleme finanzieller oder medizinischer Art sein, Probleme, die mit dem Lebensstil zu tun haben, oder berufliche Probleme) und hat eine Vielfalt schwieriger Gedanken und Gefühle. (Zur Erinnerung: »Gedanken und Gefühle« stehen für alle privaten Erfahrungen, darunter Emotionen, dringende Bedürfnisse, Impulse und physische Sinnesempfindungen).
B. Wenn der Klient unflexibel auf seine Gedanken und Gefühle reagiert, mit Fusion und/oder Vermeiden (»in ihren Griff gerät«), verhält er sich auf eine selbstschädigende Weise, die nicht mit seinen Werten kongruent ist und die sein Leben auf lange Sicht schlechter macht (»Wegbewegungen«).
Die rechte Seite des Diagramms erinnert uns daran, dass das Ergebnis, das wir von der Arbeit mit der ACT erwarten, ein achtsames (»nicht verstricktes«), wertebasiertes Leben (»Hinbewegungen«) ist. Wir möchten, mit anderen Worten, »Kompetenzen im Lösen aus dem Griff von etwas« (Defusion, Akzeptanz, Selbst als Kontext, flexible Aufmerksamkeit) entwickeln und wertegeleitet und engagiert handeln (Hinbewegungen), um ein Leben zu führen, das so reich, erfüllt und sinnvoll wie möglich ist.
Wenn wir die Anamnese erheben, finden Klientinnen es im Allgemeinen viel leichter, ihr Leiden und ihre Kämpfe (unten und linker Pfeil) zu beschreiben, als zu beschreiben, was sie tun wollen, um ein reiches und sinnvolles Leben aufzubauen (rechter Pfeil). Damit wir als Therapeuten jedoch effektiv sein können, brauchen wir Informationen über beides. Zum Glück gibt es alle möglichen Hilfsmittel und Techniken, um Menschen zu helfen, ihre Werte und Ziele zu klären, wie wir in Kapitel 19 sehen werden.
Es gibt zwei Hauptfragen, die uns erlauben, jedes Thema oder Problem aus einer ACT-Perspektive schnell zu konzeptualisieren:
1. An welchen Werten möchte sich die Klientin orientieren?
2. Was steht ihr dabei im Wege?
Schauen wir sie uns einmal näher an.
An welchen Werten möchte sich der Klient orientieren?
Diese Frage dient der Klärung von Werten: Auf welche Weise möchte die Klientin wachsen und sich entwickeln? Welche persönlichen Stärken und Qualitäten will sie kultivieren? Wie möchte sie sich verhalten? Wie möchte sie mit sich selbst umgehen? Welche Arten von Beziehung möchte sie aufbauen? Wie möchte sie die Menschen behandeln, mit denen sie in Beziehung ist? Wofür möchte sie sich einsetzen? Wofür möchte sie in dieser Krise oder herausfordernden Situation eintreten? Welche Lebensbereiche sind ihr am wichtigsten? Welche Ziele hat sie derzeit, die mit ihren Werten in Einklang stehen?
Nachdem wir Antworten auf diese Frage gefunden haben, können wir dieses Wissen nutzen, um wertekongruente Ziele festzulegen und den Klienten zu anhaltenden Handlungen zu inspirieren und entsprechend zu begleiten. Falls wir diese Frage nicht beantworten können, wissen wir, dass wir daran arbeiten müssen, Werte zu klären, Ziele zu setzen und Handlungspläne zu entwerfen.
Was steht ihm dabei im Wege?
Diese Frage bezieht sich auf psychische Barrieren: Was hindert den Klienten daran, angesichts der Herausforderungen des Lebens effektiv zu handeln? Psychische Barrieren können jeden einzelnen oder alle der sechs Prozesse psychischer Rigidität einschließen, die wir in Kapitel 2 behandelt haben: kognitive Fusion, Erlebnisvermeidung, unflexible Aufmerksamkeit, Werteferne, unzweckmäßiges Handeln und Fusion mit Selbstkonzepten.
Nicht alle diese Prozesse werden für jede Klientin relevant sein, aber die meisten werden relevant sein, wenigstens in gewissem Maß, bei den meisten Klientinnen.
Wenn wir die Anamnese eines Klienten erheben, wird ein großer Teil davon darin bestehen, Antworten auf diese zwei Hauptfragen zu bekommen.
ERHEBUNG DER ANAMNESE
Die Erhebung der Anamnese ist kein glatter, geordneter, linearer Prozess. Gewöhnlich tun wir das stückchenweise im Laufe des Prozesses, springen vor und zurück und auf Nebenwege und vervollständigen so das Bild des gegenwärtigen Lebens der Klientin, der Probleme, die sie hat, und ihrer relevanten Vorgeschichte. Glücklicherweise müssen wir nicht alle Informationen in einer Sitzung bekommen. Nach Bedarf können wir auch später noch Fragen zur Geschichte des Klienten stellen. Um die Anamneseerhebung zu erleichtern und auch zu beschleunigen, bitte ich meine Klienten, vor der ersten Sitzung einige Arbeitsblätter auszufüllen. (Ich versende die Formulare entweder per Post oder per E-Mail oder bitte die Klientin, 20 Minuten früher zu kommen und sie im Wartezimmer auszufüllen.) Ich gebe ihnen die Arbeitsblätter »Die einzelnen Aspekte des Problems« und entweder »Zielscheibe« oder »Lebenskompass«. Diese Arbeitsblätter finden sich am Schluss dieses Kapitels. Werfen Sie jetzt bitte kurz einen Blick darauf.
Wollen wir eine generelle Einschätzung der Werte in den verschiedenen Lebensbereichen vornehmen, eignet sich »Zielscheibe« am besten. Dieses Arbeitsblatt sieht vier Lebensbereiche vor: Erwerbsarbeit/Bildung, persönliches Wachstum/Gesundheit, Beziehungen und Freizeit. Wenn der Klient dies zum ersten Mal ausfüllt, bekommen Sie wahrscheinlich eine ziemliche Mischung von Werten, Wünschen, Bedürfnissen und Zielen: ein wunderbarer Anfangspunkt für weitere Erkundungen.
Das Arbeitsblatt »Die einzelnen Aspekte des Problems« untersucht das Leiden des Klienten anhand der vier Kernprozesse Fusion mit Gedanken, Fusion mit Gefühlen, Erlebnisvermeidung und unzweckmäßiges Handeln. Ich bitte meine Klienten, diese Arbeitsblätter nach bestem Vermögen auszufüllen und zur ersten Sitzung mitzubringen. Ich erkläre ihnen, dass es auch dann sehr hilfreich ist, wenn sie nur ein paar Worte schreiben. Sie können diese Arbeitsblätter aber auch gemeinsam in der ersten Sitzung ausfüllen oder sie Ihren Klienten als »Hausaufgabe« mitgeben.
Wie viel von der Vorgeschichte erfassen wir?
Eine Anamnese kann wenige Minuten dauern, sie kann aber auch eine ganze Stunde in Anspruch nehmen, abhängig von der Situation. In dem Buch ACT in Practice (Bach & Moran, 2008) wird zum Beispiel empfohlen, sich eine ganze Sitzung Zeit zu nehmen, um die Vorgeschichte einer Klientin detailliert zu erheben und ihre Themen sorgfältig herauszuarbeiten. Andererseits muss in der Grundversorgung, bei der dem Therapeuten möglicherweise lediglich zwei bis drei Sitzungen zu je 15 oder 30 Minuten zur Verfügung stehen, die Anamnese sehr kurz sein (Robinson, 2008).
Die Botschaft lautet also auch hier wieder: Passen Sie die ACT Ihrer eigenen Arbeitsweise, Ihrem Stil und Ihrer Klientel an. Für die Anamnese können Sie jedes beliebige standardisierte Anamneseverfahren einsetzen. Dennoch ist Vorsicht geboten: Viele gängige Fragebögen messen Veränderungen bezüglich der Zahl und der Schwere von Symptomen, also die Form des Symptoms, aber keine Veränderungen bezüglich der psychischen Auswirkungen oder Einflüsse, also der Funktion des Symptoms. In der ACT gilt unser Interesse jedoch der Veränderung der Funktion und nicht der Form. Es ist also zwar nicht unbedingt notwendig, dass Sie ACTspezifische Beurteilungsverfahren wie den AAQ-II, den Akzeptanz- und Handlungs-Fragebogen (Acceptance and ACTion Questionnaire-II; Bond et al., 2011) einsetzen, sie können jedoch sehr hilfreich sein. In diesem Buch werde ich nicht weiter auf solche Messinstrumente eingehen. Bei Bedarf finden Sie eine breite Palette von Fragebögen in englischer Sprache unter www.contextualscience.org zum Download.
Ich gehe jetzt davon aus, dass Sie schon ein Verfahren für die Anamneseerhebung haben, daher gebe ich Ihnen im Folgenden ein paar Tipps, wie Sie das, was Sie schon tun, an die ACT anpassen können.
Acht Schlüsselbereiche der Anamnese
Wenn Sie zur Vorbereitung auf die Arbeit mit der ACT eine Anamnese erheben, gibt es acht Schlüsselbereiche, die zu berücksichtigen sind:
1. das oder die präsentierten Anliegen
2. erste Klärung von Werten
3. aktueller Lebenskontext
4. relevante Vorgeschichte
5. psychische Rigidität
6. motivierende Faktoren
7. psychische Flexibilität
8. Ressourcen des Klienten.
Kurze Anmerkungen zu jedem dieser Punkte.
1. Das präsentierte Anliegen
Sie sollten hier im Grunde die Informationen sammeln, die beim Punkt der Entscheidung unten und links stehen: die schwierige Situation oder die schwierigen Situationen, mit der oder mit denen die Klientin konfrontiert ist, die Gedanken und Gefühle, die sie im Griff haben, und ihre selbstzerstörerischen Verhaltensweisen, wenn sie so mit ihnen identifiziert ist. (Und beachten Sie: Sie müssen den Punkt der Entscheidung nicht verwenden; er ist nur ein Hilfsmittel, der der Erleichterung Ihrer Arbeit dient und den Sie nur verwenden, wenn Sie möchten.)
2. Erste Klärung von Werten
Als Teil unserer Geschichte sollten wir ein Gefühl für die Werte des Klienten bekommen. Manchmal ist es fast unmöglich, diese Informationen direkt zu bekommen, daher schauen wir in den Kapiteln 19 und 20 an, wie man das machen kann. Ein guter Anfangspunkt ist jedoch die Zielscheibe.
3. Aktueller Lebenskontext
Der aktuelle Lebenskontext umfasst Gesundheit, Medikation, Arbeit, die finanzielle Situation, Beziehungen, die soziale Situation, Familie, Kultur, den Lebensstil (das heißt Ernährung, Sport, Rauchen, Drogen und Alkohol), rechtliche oder finanzielle Probleme und so weiter. Wenn wir den aktuellen Lebenskontext betrachten, identifizieren wir äußere Barrieren (im Gegensatz zu psychischen Barrieren), ein reiches und volles Leben aufzubauen, wie Arbeitslosigkeit, körperliche Krankheiten und Armut. Diese machen wertebasiertes Problemlösen und Handlungsplanung erforderlich.
4. Relevante Vorgeschichte
ACT ist sehr auf die Gegenwart fokussiert, aber es ist wichtig, die Vorgeschichte zu erfassen, wo sie für aktuelle Probleme unmittelbar relevant ist. Insbesondere sollten wir von wichtigen Beziehungen (vergangenen und gegenwärtigen) wissen, und wie Klientinnen von ihnen beeinflusst wurden. So eine Geschichte kann besonders hilfreich für die Entwicklung von Selbstakzeptanz und positiver Selbstzuwendung sein.
5. Psychische Rigidität
Halten Sie nach den sechs Kernprozessen psychischer Rigidität Ausschau, die wir in Kapitel 2 beschrieben haben. Noch einmal: Dies sind Fusion (mit Gründen, Regeln, Wertungen, Vergangenheit und Zukunft), Erlebnisvermeidung, Werteferne, unzweckmäßiges Handeln, unflexible Aufmerksamkeit und Fusion mit den Selbstkonzepten. Verlassen Sie sich nicht allein auf Berichte von Klienten, achten Sie auf Verhalten dieser Art, wenn es spontan während der Sitzung erkennbar wird.
6. Motivierende Faktoren
Fangen Sie an, positive motivationale Faktoren zu identifizieren, zum Beispiel Ziele, Träume, Wünsche, Visionen und Werte. Und identifizieren Sie auch negative motivationale Faktoren, zum Beispiel Fusion mit Ratlosigkeit oder die verstärkenden Folgen problematischer Verhaltensweisen.
7. Psychische Flexibilität
Achten Sie auf Hinweise auf die sechs Kernprozesse psychischer Flexibilität: Werte, engagiertes Handeln, Defusion, Akzeptanz, flexible Aufmerksamkeit (Kontakt mit dem gegenwärtigen Moment) und Selbst als Kontext. Verlassen Sie sich auch hier nicht allein auf Berichte der Klientinnen. Achten Sie auf so ein Verhalten, wenn es spontan während der Sitzung auftaucht.
8. Ressourcen des Klienten
Welche Stärken, Fähigkeiten und Kompetenzen und andere persönlichen Ressourcen hat die Klientin, die genutzt werden könnten? Welche äußeren Ressourcen könnte der Klient nutzen? An wen kann sich die Klientin wenden, um Hilfe, Unterstützung und Ermutigung zu bekommen?
In späteren Kapiteln werden Sie viele nützliche Fragen finden, die Sie stellen können, um diese Schlüsselbereiche der Anamnese noch differenzierter zu erfassen. Jetzt aber möchte ich zu einem äußerst wichtigen Thema kommen.
FESTLEGEN VON VERHALTENSZIELEN FÜR DIE THERAPIE
Was immer Sie tun, übergehen Sie nicht diesen Teil des Kapitels. Er ist enorm wichtig. Zahlreiche Themen, denen ich in der Supervision begegne, gehen auf einen Hauptirrtum zurück: Der Coach oder die Therapeutin hat es versäumt, Verhaltensziele für die Therapie zu formulieren. Verhaltensziele sind Ziele, bei denen es um »Tun« geht: Sie beschreiben, was Sie tun wollen. (Kurz zur Erinnerung: Verdecktes Verhalten ist psychisches Handeln: was wir in unserer inneren privaten Welt tun. Offenes Verhalten ist physisches Handeln: alles, was wir mit unserem physischen Körper tun.)
Um Verhaltensziele zu beschreiben, können wir fragen:
Wenn die Arbeit, die wir hier machen, erfolgreich ist:
• Was werden Sie anders machen?
• Was würden Sie dann anfangen zu tun? Womit würden Sie aufhören?
• Was werden Sie mehr und was werden Sie weniger tun?
• Inwiefern werden Sie sich selbst, andere, die Welt anders behandeln?
• Auf welche Menschen, Orte, Aktivitäten, Herausforderungen werden Sie zugehen? Womit werden Sie beginnen, was wieder aufnehmen? Womit werden Sie Kontakt aufnehmen, was werden Sie nicht mehr vermeiden? Wovor werden Sie sich nicht mehr zurückzuziehen? Was nicht mehr beenden? Wovon nicht mehr fernhalten?
Diese Fragen tendieren dazu, offene Verhaltensziele zur Sprache zu bringen. Um verdeckte Verhaltensziele ins Bewusstsein zu rufen, können wir folgende Fragen stellen:
• Gibt es Aufgaben oder Aktivitäten, auf die Sie besser fokussieren oder auf die Sie sich dann besser einlassen können?
• Gibt es Menschen, die Sie mehr beachten oder bei denen Sie präsenter sein werden?
• Gibt es jemanden oder etwas, was Sie dann mehr wertschätzen können?
Emotionale Ziele versus Verhaltensziele
Wenn wir in der ACT therapeutische Ziele setzen, müssen wir diese entscheidende Unterscheidung im Blick behalten:
Emotionale Ziele = wie ich mich fühlen möchte
Verhaltensziele = was ich tun möchte
Raten Sie einmal, welche Ziele Klienten fast immer nennen? Ja! Sie bringen ihre emotionalen Ziele mit in die Praxis: wie ich mich fühlen möchte (»Ich möchte mich Y fühlen« – z. B. Glücklich, entspannt) oder nicht fühlen möchte (»Ich möchte aufhören, X zu fühlen« – z. B. deprimiert, ängstlich).
Häufige emotionale Ziele sind »Erholung von Depression (oder einer anderen psychischen Störung)«, »keine Angst mehr zu haben«, »mehr Selbstwertgefühl«, »verarbeiten, was geschehen ist«, »wieder werden, wie ich früher war«, »ruhiger werden«, »glücklich sein«, »mich gut fühlen«, »aufhören, mich wertlos zu fühlen«, »mehr Selbstvertrauen haben«, »keine Selbstzweifel mehr haben«, »ruhiger sein«, »weniger Angst haben«, »weniger ängstlich sein« und »aufhören, so wütend zu werden (oder mich so zu ärgern)«.
Diese Ziele laufen im Grunde alle auf dieselbe Agenda hinaus: Unerwünschte Gedanken und Gefühle loswerden, ich möchte mich gut fühlen!
Und natürlich ist es vollkommen natürlich und überhaupt nicht überraschend, dass Klientinnen mit emotionalen Zielen kommen. Wir alle wollen uns gut fühlen, niemand möchte sich schlecht fühlen. Leider wird es aber nicht möglich sein, mit der ACT zu arbeiten, wenn wir uns auf solche Ziele einlassen. Warum nicht? Weil emotionale Ziele die Tendenz zur Erlebnisvermeidung verstärken: den andauernden Versuch, unerwünschte Gedanken und Gefühle zu vermeiden und loszuwerden. In der ACT zielen wir darauf, diese Tendenz zur Erlebnisvermeidung aktiv zu schwächen und den Klienten für eine radikal andere Agenda zu öffnen: für Akzeptanz von Erleben (was man auch »Bereitschaft« nennt). Wenn wir uns also auf emotionale Ziele einlassen, werden wir nicht in der Lage sein, mit der ACT zu arbeiten.
Solche emotionalen Ziele sollten wir jedoch nicht aktiv konfrontieren (außer wir verwenden eine bestimme Intervention, die »kreative Ratlosigkeit«, die wir in Kapitel 8 behandeln). Wir sollten emotionale Ziele behutsam zu Verhaltenszielen umformulieren. Mit denen können wir arbeiten.
Umdeuten (reframing) emotionaler Ziele als Verhaltensziele
Sind Sie ganz wach? Ich hoffe das, denn es ist sehr wichtig, dass Sie sich den nächsten Satz merken.
»Erlernen einer neuen Fertigkeit« ist ein Verhaltensziel.
Ja, das stimmt. Und dazu gehört natürlich, dass psychische sowie physische Fertigkeiten gelernt werden. Für viele Klientinnen ist also das erste Verhaltensziel, das wir vereinbaren »Erlernen neuer Fertigkeiten, um mit diesen schwierigen Gedanken und Gefühlen effektiver umzugehen«. (Ich bin sicher, dass Sie sich an diesen Teil des Prozesses informierter Zustimmung erinnern, den wir in Kapitel 5 angeschaut haben.) Schauen wir uns also ein paar Beispiele an, wie wir diese Idee, dass wir Fertigkeiten entwickeln, verwenden können, um emotionale Ziele zu Verhaltenszielen umzuformulieren.
Emotionales Ziel Nr. 1
Klient: Ich möchte nichts anders machen. Ich möchte mich einfach nicht mehr so fühlen. Ich möchte nur diese Gedanken/Gefühle/ Emotionen/Erinnerungen loswerden.
Umformulierung als Verhaltensziel
Therapeutin: Es sieht also so aus, als müsste es bei einem großen Teil Ihrer Arbeit hier darum gehen, neue Fertigkeiten zu lernen, mit diesen Gedanken/Gefühlen/Emotionen/Erinnerungen effektiver umzugehen.
Emotionales Ziel Nr. 2
Klient: Ich möchte einfach nur, dass ich mich gut fühle (oder glücklich, zuversichtlich, ruhig, verliebt usw. bin).
Umformulierung als Verhaltensziel
Therapeutin: Sie fühlen sich also nicht so, wie Sie sich fühlen möchten. Können Sie mir sagen, was für schwierige Gedanken und Gefühle Sie haben? (Der Therapeut bekommt diese Informationen.) Es sieht also so aus, als würde ein großer Teil unserer Arbeit darum gehen, neue Fertigkeiten zu lernen, mit diesen schwierigen Gedanken und Gefühlen effektiver umzugehen.
Emotionales Ziel Nr. 3
Klientin (als Antwort auf die vorangegangene Umformulierung): Ich möchte nicht mit ihnen umgehen. Ich möchte sie einfach loswerden!
Umformulierung als Verhaltensziel
Therapeut: Natürlich wollen Sie das. Wer würde das nicht wollen? Sie sind schmerzhaft und schwierig und sie haben eine gewaltige negative Wirkung auf Ihr Leben. Wir werden also etwas tun, um diese Situation so schnell wie möglich zu verbessern. Gibt es noch etwas anderes, was Sie mit unserer gemeinsamen Arbeit erreichen möchten?
Tipp für die Praxis
Wenn das alles ist, was die Klientin will – sich gut fühlen und unerwünschte Gefühle loswerden –, und wenn sie nicht an etwas anderem interessiert ist, wird der Therapeut zu kreativer Ratlosigkeit übergehen müssen, wie in Kapitel 8 besprochen wird. Wenn die Therapeutin diese kreative Ratlosigkeit übergeht, werden sie mit der ACT nicht weiterkommen können.
Emotionale Ziele verkleidet als Verhaltensziele
Manchmal nennen Klienten etwas, was dem Anschein nach Verhaltensziele sind, aber in Wirklichkeit sind es einfach verkleidete emotionale Ziele. Dies ist häufig bei Suchtverhalten und impulsiven Verhaltensweisen so, und es hat gewöhnlich die Form »Ich möchte aufhören, dies zu tun«. Wenn wir unter die Oberfläche schauen, ist das verborgene Anliegen etwas wie »Die Gedanken und Gefühle (oder Neigungen, Sinnesempfindungen, Impulse, Zwänge, Rückzugssymptome) loswerden, die dieses Verhalten auslösen, denn solange sie nicht beseitigt sind, kann ich dieses Verhalten nicht aufgeben«. So kann sich dies anhören.
Verkleidetes Emotionales Ziel
Klientin: Ich möchte mit (Trinken, Rauchen, Glücksspiel, zu viel essen, meine Kinder anschreien usw.) aufhören.
Umformulierung als Verhaltensziel
Therapeut: Klar. Ein Teil unserer Arbeit wird hier also darin bestehen, die Gedanken und Gefühle (oder Erinnerungen, Neigungen, Impulse, Zwangsvorstellungen, Zwänge und so weiter), die dieses Verhalten auslösen, zu identifizieren und neue Kompetenzen zu erlernen, um wirksamer mit ihnen umzugehen, sodass sie aufhören, Sie zum Narren zu halten und immer wieder dazu bringen, diese Dinge zu tun. Ein anderer Teil der Arbeit besteht darin anzuschauen, was Sie stattdessen tun wollen, damit Sie, wenn Sie noch einmal in einer ähnlichen Situation sind, sich entscheiden können, etwas anderes zu tun, was hoffentlich besser funktioniert.
Achten Sie auf »Ziele eines Toten«
Wie wir gesehen haben, geben Klientinnen als Ziel an, aufhören zu wollen, auf eine bestimmte Weise zu fühlen oder zu handeln. Sie wollen zum Beispiel keine Drogen mehr nehmen, ihre Kinder nicht mehr anschreien, keine Panikattacken mehr bekommen oder sich nicht mehr depressiv fühlen. In der ACT bezeichnen wir diese Ziele als »Ziele eines Toten« (Lindsley, 1968). Unter einem »Ziel eines Toten« wird alles verstanden, was eine Leiche besser kann als eine lebende Person. Eine Leiche nimmt zum Beispiel nie Drogen, schreit niemanden an, hat keine Panikattacken und fühlt sich nie depressiv.
In der ACT wollen wir »Ziele eines Lebendigen« festlegen, also solche, die eine lebende Person besser erreichen kann als eine Leiche. Mit einfachen Fragen wie den folgenden gelangen Sie von Zielen eines Toten zu Zielen einer Lebendigen:
• Wenn das geschieht, was würden Sie dann anders machen? Womit würden Sie beginnen oder was würden Sie verstärkt tun? Und in welcher Weise würden Sie sich gegenüber Ihren Freunden oder Ihrer Familie anders verhalten?
• Wenn Sie keine Drogen mehr nehmen würden, was würden Sie dann stattdessen tun?
• Wenn Sie Ihre Kinder nicht mehr anschreien würden, wie würden Sie ihnen stattdessen begegnen?
• Wenn Sie sich nicht mehr depressiv fühlten oder keine Panikattacken mehr hätten, was würden Sie dann in Ihrem Leben anders machen?
• Es gibt zwei hilfreiche Fragen, mit denen sich emotionale Ziele und Ziele eines Toten in Verhaltensziele verwandeln lassen: die Zauberfrage und die Filmfrage. Lassen Sie uns kurz einen Blick auf diese beiden Fragen werfen.
Zauberfrage
Diese Frage eignet sich gut im Zusammenhang mit Erlebnisvermeidung. (Beachten Sie bitte, dass es einen großen Unterschied ausmacht, ob Sie sagen, dass die Gedanken und Gefühle »kein Problem mehr wären« oder ob Sie sagen, dass sie »alle verschwunden sind«.)
Therapeutin: Angenommen, ich könnte mit einem Zauber bewirken, dass alle Gedanken und Gefühle, gegen die Sie angekämpft haben, kein Problem mehr für Sie wären; sie wären wie Wasser, das vom Rücken einer Ente abläuft. Was würden Sie dann anders machen? Womit würden Sie beginnen oder was würden Sie verstärkt tun? In welcher Weise würden Sie sich anderen gegenüber anders verhalten? Was würden Sie an Ihrem Arbeitsplatz, zu Hause oder an den Wochenenden anders machen?
Filmfrage
Diese Frage unterstützt Klienten, die gewünschten Veränderungen genauer zu beschreiben.
Therapeutin: Angenommen, ich würde Sie eine Woche lang mit einem Kamerateam begleiten, das alles filmt, was Sie tun. Und angenommen, wir würden dies wiederholen, nachdem Sie die Therapie abgeschlossen haben. Was würden wir im zweiten Film sehen oder hören, dem wir entnehmen könnten, dass die Therapie hilfreich war? Was würden Sie tun oder sagen? Welche Unterschiede würden wir in der Weise bemerken, wie Sie andere Menschen, wie Sie sich selbst, wie Sie Ihren Körper behandeln und wie Sie Ihre Zeit verbringen?
Zusätzlich zu emotionalen Zielen und Zielen eines Toten gibt es eine andere Kategorie von Zielen, die wir neu benennen wollen: Ergebnisziele.
Ergebnisziele versus Verhaltensziele
Hier die Definition von Ergebniszielen:
Ergebnisziele: was ich bekommen oder haben möchte
Viele Klientinnen kommen mit Ergebniszielen in die Therapie: damit, was sie bekommen oder haben möchten. Zum Beispiel möchte ein Klient eine Partnerin oder einen Partner finden, ein Kind bekommen, eine Arbeit finden, 10 Kilo abnehmen, eine Krankheit heilen, sich von einer Verletzung erholen, befördert werden, ein Haus kaufen oder seine »Kinder dazu bringen, dass sie gehorchen«. Wir sollten diese Ergebnisziele anerkennen. Sie sind häufig aus motivationalen Gründen nützlich und ein guter Anfangspunkt für eine Klärung der Werte und engagiertes Handeln. Zugleich sollten unsere Klientinnen ihre Selbstwirksamkeit entdecken. Dabei unterstützen wir sie, indem wir ihnen helfen, auf das zu fokussieren, was sie kontrollieren können. Wir haben alle eine Menge Kontrolle über unser eigenes Verhalten, besonders unser offenes Verhalten (über das, was wir sagen oder tun). Und wir haben überhaupt keine Kontrolle über das, was das Ergebnis unseres Verhaltens sein wird. Es gibt nie eine Garantie, dass wir das Ergebnis bekommen, das wir uns erhoffen. Also wandeln wir diese Ergebnisziele sobald wie möglich in Verhaltensziele um. Hier ein paar Beispiele:
Ergebnisziel Nr. 1
Klient: Ich möchte eine Partnerin oder einen Partner /eine bessere Arbeit finden.
Umdeutung (reframe) in ein Verhaltensziel
Therapeutin: Ein Teil unserer Arbeit hier besteht darin, Sie dazuzubringen, Dinge anders zu machen, Dinge zu sagen und zu tun, die wahrscheinlich Ihre Chancen erhöhen, einen Partner oder eine Partnerin/eine bessere Arbeit zu finden.
Ergebnisziel Nr. 2
Klient: Ich möchte, dass mir meine Kinder gehorchen/dass mein Mann zu trinken aufhört.
Umdeutung (reframe) in ein Verhaltensziel
Therapeutin: Ein Teil unserer Arbeit hier besteht darin, Sie dazuzubringen, dass Sie Dinge anders machen, dass Sie Dinge sagen und tun, die wahrscheinlich wirksamer sind, das Verhalten Ihrer Kinder/ Ihres Mannes zu beeinflussen.
Ergebnisziel Nr. 3
Klient: Ich möchte diese Krankheit heilen/mich von dieser Verletzung erholen.
Umdeutung (reframe) in ein Verhaltensziel
Therapeutin: Unsere Arbeit hier hat zwei wichtige Teile: Ein Teil besteht darin, Sie dazu zu bringen, alles zu tun, was möglich ist, um Ihre Gesundheit zu verbessen – von der Kooperation mit Ihren Ärzten bis hin zu mehr Bewusstsein für Ihre Ernährung und sportliche Betätigung. Und der andere Teil ist, Sie dazuzubringen, alles zu tun, was möglich ist, um vor dem Hintergrund all der Schwierigkeiten, die Ihnen Ihre Krankheit/Ihre Verletzung bereitet, Ihr Leben so gut zu meistern, wie es in diesem Moment möglich ist.
Erkenntnisziele sind eine Untergruppe von Ergebniszielen. In diesem Fall ist das, was der Klient bekommen oder haben möchte (das erwünschte Ergebnis) Erkenntnis oder Selbstverständnis. Klientinnen drücken das vielleicht so aus: »Ich will verstehen, warum ich so bin«, »Ich muss herausfinden, warum ich das ständig mache« oder »Ich will wissen, wer ich wirklich bin«. Derartige Therapieziele – die vor allem darauf zielen, Einsicht in das eigene Verhalten zu gewinnen – führen leicht zu einer »Analyse-Paralyse«, die dadurch gekennzeichnet ist, dass Sie Sitzung um Sitzung mit intellektuellen/theoretischen/konzeptuellen Diskussionen und endlosem Nachdenken über die Vergangenheit verbringen, statt neue Kompetenzen zu entwickeln, die einem achtsamen, werteorientierten Leben dienen.
In der ACT geschieht es durchaus, dass Klienten Erkenntnisse gewinnen und ihr Verhalten oder ihre Gedanken, Gefühle, Persönlichkeit und Identität verstehen lernen. Sie werden sich in der Regel bewusst, wer sie sind, wie ihr Verstand funktioniert, was sie mit ihrem Leben wirklich anfangen wollen, wie die Vergangenheit sie beeinflusst hat und warum sie das tun, was sie tun. In der ACT gewinnen sie diese Erkenntnisse jedoch durch Erfahrung und nicht durch langatmige analytische Gespräche. Diese Erkenntnisse sind überdies kein Selbstzweck: Sie sind schlicht etwas, das sich auf dem Weg hin zu einem achtsamen, werteorientierten Leben einstellt.
Um also zu einem hilfreicheren Therapieziel zu gelangen, sage ich zum Beispiel Folgendes: »Darum geht es: Durch die Arbeit, die wir zusammen machen werden, werden Sie mit Sicherheit viel besser verstehen, wer Sie sind, wie Ihr Verstand funktioniert, warum Sie das tun, was Sie tun, und was Sie mit Ihrem Leben wirklich anfangen wollen. Dies wird sich im Laufe des Prozesses unweigerlich ergeben. Was ich gerne wissen würde, ist: Was würden Sie anders machen, wenn Sie dieses Verständnis einmal haben? Wenn Sie über dieses Wissen verfügen (würden?), was würden Sie dann tun, was Sie jetzt nicht tun? Auf welche Weise würden Sie sich anders verhalten? Welche Veränderungen würden anderen Menschen dann an Ihnen im Hinblick auf das, was Sie sagen oder tun oder wie Sie mit ihnen interagieren, auffallen?«
Zur Erinnerung: es gibt drei Arten von Zielen:
• Verhaltensziele = was ich tun möchte
• Emotionale Ziele = wie ich mich fühlen möchte
• Ergebnisziele = was ich bekommen oder haben möchte
Offene und verdeckte Verhaltensziele
Wenn wir einen Punkt der Entscheidung wählen, um die Probleme der Klientin zu erfassen und die Therapieziele zu entwerfen, können sich die Pfeile, die Hinbewegungen und Wegbewegungen anzeigen, auf offenes wie auf verdecktes Verhalten beziehen. Verdeckte Hinbewegungen können zum Beispiel sein: Fokussieren, sich Engagieren, positive Selbstzuwendung, Akzeptieren, Vergeben, Wertschätzen, effektives Planen und strategisches Vorgehen, Reflektieren über Werte, Achtsamkeit u.a. sein. Verdeckte Wegbewegungen könnten sein: inneres Aussteigen, Aufmerksamkeit auf Gedanken und Gefühlen statt auf der gegenwärtigen Aktivität (häufig als »Zerstreutheit« oder »Unfokussiertheit« beschrieben), kognitive Aktivitäten wie Sorgen machen, Grübeln und Zwangsvorstellungen.
Manchmal begegnen Sie Klienten, die mit ihrem offenen Verhalten ziemlich zufrieden sind. Sie gehen durch das Leben und machen all Dinge, die sie machen möchten (oder wenigstens sagen sie das). Das Problem, über das sie sich beklagen, ist, dass sie sich an dem, was sie tun, nicht freuen oder dass sie es nicht wertschätzen können, weil sie so von Sorgen (oder anderen kognitiven Prozessen wie Grübeln, Fantasieren, Zwangsvorstellungen oder Verweilen in der Vergangenheit) eingenommen sind. In dem nächsten Beispiel ist die Klientin – die vor Kurzem an Krebs erkrankt war – von der Sorge verzehrt, dass sie oder jemand, den sie liebt, krank werden könnte. Sie sorgt sich auch über soziale Situationen, sowohl vorher wie nach dem Ereignis (ob die Leute sie mögen werden, ob sie sie langweilt).
Ihre Angst hält sie nicht davon ab, die Dinge zu tun, die sie tun möchte – sie besucht weiterhin Freundinnen, verbringt Zeit mit ihren Kindern, geht zur Arbeit und so weiter –, aber sie macht es ihr schwer, sich über diese Dinge zu freuen. Sie kam zur Therapie mit einer Reihe emotionaler Ziele: aufzuhören, sich Sorgen zu machen, aufzuhören, über die Möglichkeit nachzudenken, krank werden zu können, glücklicher zu sein und weniger Angst zu haben.
Der Therapeut macht bewusst, dass sich das offene Verhalten der Klientin (das heißt, ihre physischen Handlungen), wenn die Therapie erfolgreich ist, nicht verändert, aber ihr verdecktes Verhalten (das heißt, ihr inneres psychisches Verhalten). Zum Beispiel gerät die Klientin, obwohl sie zurzeit an sozialen Ereignissen teilnimmt, in den Griff ihrer Sorgen. Das führt zu Wegbewegungen, die vor allem in verdeckten Verhaltensweisen bestehen, wie innerem Aussteigen und Fokussieren auf Gedanken und Gefühle, statt darauf, ganz bei denen präsent zu sein, die ihr nahestehen (bei Klienten würden wir sagen, dass sie »abgelenkt werden«). Im folgenden Transkript formuliert die Therapeutin, wie ein Therapieerfolg (d. h. eine Veränderung verdeckten Verhaltens) aussehen würde.
Therapeut: Ein Teil unserer Arbeit hier besteht also darin, Ihnen zu helfen, neue Fertigkeiten zu entwickeln, um mit all diesen angstvollen Gedanken und Gefühlen effektiver umzugehen. Insbesondere soll sie Ihnen helfen, besser zu fokussieren, wenn Sie sich in solchen sozialen Situationen befinden, damit Sie sich wirklich auf das einlassen können, was Sie tun, und ganz bei Ihren Nächsten präsent sind – sodass Sie diese Ereignisse wirklich wertschätzen können.
Klientin: Aber wie ist es mit dem Sorgen machen? Ich möchte damit wirklich aufhören. Es ist nicht gut für mich.
Therapeut: Klar. Sorgen machen bedeutet im Grunde, dass angstvolle Gedanken Sie im Griff haben. Nun weiß ich nicht, wie Sie Ihren Verstand daran hindern können, Ihnen Gedanken an schlimme Dinge einzugeben, die passieren könnten. Jeder Verstand tut das in gewissem Maße. Aber wenn uns solche Gedanken in den Griff bekommen – wenn wir ganz in sie verstrickt sind, wenn wir uns ganz in ihnen verloren haben –, dann nennen wir das »Sorgen machen«. Ein anderer Teil unserer Arbeit besteht also darin, zu lernen, wie Sie sich aus dem Griff solcher angstvollen Gedanken lösen und Ihre Aufmerksamkeit wieder auf das richten können, was Sie tun. Das ist das Gegenmittel gegen Sorgen machen.
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Haben Sie gesehen, wie die Therapeutin das Ziel des Toten, »Aufhören, sich Sorgen zu machen«, zu dem Ziel des lebendigen Menschen umformuliert hat, »sich aus dem Griff ängstlicher Gedanken zu befreien und die Aufmerksamkeit auf die anstehende Aktivität umzulenken«? Wir können eine ähnliche Umformulierung für andere kognitive Prozesse verwenden: Grübeln, Verweilen bei der Vergangenheit, Rachefantasien, Anklagen, Zwangsvorstellungen und so weiter. Wir können diese verdeckten Verhaltensweisen als »Verstrickungen« in den jeweiligen kognitiven Inhalt (z. B. Gedanken daran, »warum ich so bin«, schmerzhafte Erinnerungen, Rachefantasien) umformulieren. Das Gegenmittel besteht dann darin, zu lernen, wie man sich aus der Verstrickung in so einen kognitiven Inhalt befreit und die Aufmerksamkeit wieder auf die Aktivität richtet, um die es im Moment geht.
Mit einem Punkt der Entscheidung könnten wir diese Zusammenfassung des Therapeuten wie folgt veranschaulichen. (Beachten Sie, dass sowohl die Hinbewegungen als auch die Wegbewegungen verdeckte Verhaltensweisen sind).
Therapieziele: Zwei Beispiele
In diesem Kapitel gibt es eine Menge Neues. Um Ihnen zu helfen, den Überblick zu behalten, gebe ich Ihnen daher ein paar Beispiele für Verhaltensziele in der Therapie, wie sie vom Therapeuten zusammengefasst würden.
Verhaltensziele bei Depression
Diese Klientin antwortete auf die Zauberfrage, dass sie dann wieder arbeiten gehen, Sport treiben und mehr Zeit mit ihren Freunden und ihrer Familie verbringen würde.
Therapeut: Können wir es also so formulieren: Sie scheinen mit Depression zu meinen, dass Sie zum einen von zahlreichen unangenehmen Gedanken in Beschlag genommen werden – negative Selbstkritik, ein Gefühl von Ratlosigkeit sowie Gedanken und Erinnerungen an schmerzliche Ereignisse aus der Vergangenheit. Zum anderen kämpfen Sie gegen einige wirklich schmerzliche Gefühle wie Schuldgefühle, Traurigkeit, Ängste und körperliche Erschöpfung an. Klingt das richtig? Und wenn Sie in diese Gedanken und Gefühlen verstrickt werden, gehört zu Ihren Wegbewegungen, dass Sie viel Zeit im Bett verbringen, sich aus dem sozialen Leben zurückziehen, zu Hause bleiben, keinen Sport mehr treiben und nicht zur Arbeit gehen. Sehe ich das richtig? Für heute bestehen Ihre Ziele also darin, (a) einige neue Kompetenzen zu erlernen, um mit all diesen schwierigen Gedanken und Gefühlen besser umzugehen – sich von ihnen zu lösen, sodass sie Sie nicht mehr niederdrücken oder zurückhalten, und (b) wieder das zu tun, was Ihnen wichtig ist – soziale Kontakte pflegen, arbeiten gehen, Sport treiben und grundsätzlich das tun, was Sie erfüllt? Stimmt das so ungefähr?
Beachten Sie, wie die Therapeutin das Thema in zwei Aspekte aufteilt, die genau dem Punkt der Entscheidung entsprechen: (1) Verstrickung in Gedanken und Gefühle (Verschmelzung mit ihnen und ihre Vermeidung) und (2) unzweckmäßiges Handeln. Wenn es gewünscht wird, kann der Therapeut dies während seiner oben wiedergegebenen Ausführungen anhand eines Punktes der Entscheidung veranschaulichen. Das würde etwa so aussehen:
Halten Sie fest, dass wir von Anfang an auf subtile Weise die Grundlage für zwei entscheidende Einsichten herstellen können:
1. Das Hauptproblem sind nicht unsere Gedanken und Gefühle, sondern die Verstrickung in ihnen (Fusion und Vermeidung).
2. Unser Verhalten wird nicht von unseren Gedanken und Gefühlen kontrolliert.
Die zweite wesentliche Einsicht ist auch für Therapeutinnen oft überraschend, daher möchte ich näher darauf eingehen. Unser Verhalten wird zwar von unseren Gedanken und Gefühlen beeinflusst, aber nicht von ihnen kontrolliert. Wie wir in Kapitel 4 gesehen haben, wird unser Verhalten in jedem Moment von zahlreichen Stimuli sowohl aus unserer Innenwelt als auch aus unserer Umwelt beeinflusst.
Wann haben Gedanken und Gefühle also den größten Einfluss auf unsere Handlungen? Sie haben es erraten: im Kontext von Fusion und Vermeidung. Im Kontext von Defusion und Akzeptanz (also von Achtsamkeit) wirken sich dieselben Gedanken und Gefühle weitaus weniger auf unser Verhalten aus (das heißt, wir lösen uns aus der Verwicklung mit ihnen), was es uns leichter macht, im Einklang mit unseren Werten zu handeln.
Je größer also unsere psychische Flexibilität ist, desto mehr sind wir in der Lage, zu wählen, wie wir – unabhängig von unseren Gedanken und Gefühlen – uns verhalten wollen. Vor diesem Hintergrund unterscheiden wir immer wieder zwischen (a) den Gedanken und Gefühlen eines Klienten (den Antezedenzien) und (b) dem, was der Klient tut, wenn sich diese Gedanken und Gefühle zeigen (Verhalten). Letztlich wollen wir die Illusion zerstören, dass Ersteres Letzteres kontrolliert.
Betrachten wir jetzt ein weiteres Beispiel einer guten Zielsetzung für Verhalten.
Verhaltensziele bei einer Sucht
Dieser Klient möchte mit dem Trinken aufhören: einmal, weil seine Frau ihm gedroht hat, ihn zu verlassen, und zweitens, weil eine kürzlich durchgeführte ärztliche Untersuchung einen Leberschaden ergeben hat. Auf die Zauberfrage antwortete er, ein »besserer Ehemann« sein und seine Leber »retten« zu wollen.
Therapeutin: Fassen wir also zusammen: Als Sie in der Vergangenheit versucht haben, mit dem Trinken aufzuhören, ist Ihnen dies nie lange gelungen, weil das Verlangen so stark war oder Sie sich ängstlich fühlten, und wenn Sie im Griff dieser Gefühle sind, fangen Sie an zu trinken. Unsere Ziele hier sind also (a) ein paar neue Fähigkeiten zu erlernen, um mit dem Verlangen und den Gefühlen wirksamer umzugehen, (b) anzufangen, Dinge anders zu sagen und zu tun, um eine bessere Beziehung zu Ihrer Frau aufzubauen, und (c) sich um Ihre Leber zu kümmern und dafür zu sorgen, dass sie möglichst gesund bleibt. Stimmt das so ungefähr?
Wieder könnte der Therapeut, wenn gewünscht, diese Ziele am Punkt der Entscheidung eintragen:
Tipp für die Praxis
Die Diagramme zum Punkt der Entscheidung in diesem Kapitel sind alle »minimalistisch«: nur ein paar Stichworte, um die Hauptthemen hervorzuheben. Wenn Sie möchten, können entweder Sie oder die Klientin viel mehr ins Detail gehen. Sie können auch für jedes Thema, an dem Sie arbeiten, einen besonderen Punkt der Entscheidung entwerfen. Wenn Sie zum Beispiel in einer späteren Sitzung darauf fokussieren, die Beziehung des Klienten mit seiner Frau zu verbessern, könnten Sie allein für diese Beziehungsprobleme einen eigenen Punkt der Entscheidung entwerfen.
Verhaltensziele für alle Indikationen
Manchmal kommt es vor, dass eine Klientin trotz all Ihrer Bemühungen nicht in der Lage oder bereit ist, bestimmte werteorientierte Behandlungsziele zu nennen, sondern auf jede Ihrer Fragen mit »Ich weiß nicht«, »Es ist nichts wichtig«, »Ich will das einfach nur nicht mehr fühlen« oder »Ich möchte mich einfach nur glücklich fühlen« antwortet.
Therapeut: Wie hört sich das an? Ein Teil unserer Arbeit hier wird darin bestehen, ein paar neue Fertigkeiten zu lernen, wie Sie sich aus der Verwicklung mit Ihren Gedanken und Gefühlen lösen können, damit sie Sie nicht zum Narren halten oder daran hindern, das Leben zu leben, das Sie leben wollen. Ein anderer Teil besteht darin – auch wenn Sie in diesem Moment keine Vorstellung davon haben, was Sie wollen, und Sie das Gefühl haben, als wäre nichts wichtig –, dies hier zu einem Ort zu machen, an dem sich das verändern kann. Wir können daran arbeiten herauszufinden, was Ihnen wichtig ist, und damit experimentieren, Dinge anders zu machen, um Ihr Leben zu verbessern.
AUFGABEN
Hier ein paar Möglichkeiten, wie Sie die Fertigkeiten üben können, die wir eben behandelt haben:
• Lesen Sie die Interventionen der Therapeutin in den Transkripten laut und paraphrasieren Sie sie, damit Sie sich an die Sprache der ACT gewöhnen und Ihren eigenen Arbeitsstil finden.
• Wählen Sie zwei Klienten aus und schreiben Sie kurze Antworten auf diese Kernfragen: In welche werteorientierte Richtung möchte sich der Klient bewegen? Was hindert ihn daran?
• Üben Sie Denken im Hinblick auf Verhaltensziele. Wählen Sie zwei Klientinnen und stellen Sie sich vor, wie Sie die Therapieziele zusammenfassend formulieren würden?
• Wenn es Ihnen sinnvoll erscheint, den Punkt der Entscheidung zu verwenden, füllen Sie ein Diagramm für eines der Probleme aus, die Sie in der zweiten und dritten Aufgabe oben ausgewählt haben.
Wenn Sie diese Übungen (und alle anderen in diesem Buch) gemacht haben, erlauben Sie sich bitte, dass Sie sie noch nicht gut machen. Sie lernen ein neues Therapiemodell, also erlauben Sie sich, ein Anfänger, ein Neuling, eine Lernende zu sein. Anfänger machen Fehler (wie auch Expertinnen). Das ist ein essenzieller Teil des Lernprozesses. Und wenn Ihr Verstand anfängt, Sie abzuwerten, merken Sie sich, was er sagt, damit Sie mit diesen Gedanken in Kapitel 12 arbeiten können.
WAS SIE MITNEHMEN KÖNNEN?
Das, was Sie aus diesem Kapitel vor allem mitnehmen können, besteht darin, sobald wie möglich Verhaltensziele zu formulieren, auch wenn es nur die vagen allgemeinen Ziele sind, die bei der informierten Zustimmung formuliert werden. Es ist besonders wichtig, dies zu tun, wenn Klienten sich mit einer Menge emotionaler Ziele vorstellen. Es kann eine Weile brauchen, aber es macht den ganzen Rest Ihrer therapeutischen Arbeit umso leichter.
Gedanken, mit denen Sie sich verstrickenWelche Erinnerungen, Sorgen, Ängste, Selbstkritik oder sonstigen nicht hilfreichen Gedanken im Zusammenhang mit diesem Thema halten Sie gefangen? Welche Gedanken tendieren dazu, Sie in den Griff zu bekommen oder von Ihrem Weg abzubringen? | Handlungen, die Lebenskraft raubenWelche Ihrer jetzigen Handlungen mindern langfristig Ihre Lebensqualität, da Sie stecken bleiben, Zeit oder Geld verschwenden, Energie verlieren, Ihr Leben einschränken, Ihre Gesundheit gefährden, Ihre Arbeit oder Ihre Beziehungen belasten oder das Problem aufrechterhalten oder verschlimmern? |
Gefühle, mit denen Sie sich verstrickenWelche Emotionen, Gefühle, Neigungen, Impulse oder Empfindungen in Verbindung mit dem Thema bekämpfen, vermeiden, unterdrücken oder versuchen Sie loszuwerden? | Vermeiden schwieriger SituationenWelche Situationen, Aktivitäten, Menschen oder Orte meiden Sie? Wen oder was haben Sie verlassen? Wovon haben Sie sich zurückgezogen? Was verschieben Sie auf später? |
Arbeitsblatt: Die einzelnen Aspekte des Problems
IHRE WERTE: Was möchten Sie mit Ihrer Zeit auf diesem Planeten anfangen? Was für ein Mensch möchten Sie sein? Welche Stärken und Qualitäten möchten Sie entwickeln? Machen Sie zu jedem der nachstehend aufgeführten Lebensbereiche ein paar Angaben.
Beruf/Ausbildung: Arbeitsstelle, Karriere, Ausbildung, Entwicklung von Fähigkeiten
Beziehungen: Partnerinnen, Kinder, Eltern, Verwandte, Freunde, Kolleginnen
Persönliches Wachstum/Gesundheit: Religion, Spiritualität, Kreativität, Fähigkeiten, Meditation, Yoga, Natur, Übungen, Ernährung und/oder Umgang mit Gesundheitsrisiken
Freizeit: Wie Sie spielen, sich entspannen oder Spaß haben; Tätigkeiten für Freude, Entspannung, Erholung, Kreativität
INS SCHWARZE TREFFEN: Kreuzen Sie für jeden Lebensbereich auf der Zielscheibe an, wo Sie heute stehen.
In Anlehnung an Living Beyond Your Pain von J. Dahl und T. Lundgren mit freundlicher Genehmigung von New Harbinger Publications (Oakland, CA), www.newharbinger.com
Arbeitsblatt: Ins Schwarze treffen