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1 Die Herausforderung des Menschen

Wenn Sie durch die Hölle gehen, gehen Sie einfach weiter!

WINSTON CHURCHILL

ES IST WAHRLICH NICHT LEICHT, GLÜCKLICH ZU SEIN

Das Leben ist sowohl erstaunlich als auch schrecklich. Wenn man lange genug lebt, erlebt man Erfolg, der Freude bringt, und spektakuläres Versagen, große Liebe und Verlust, der sich vernichtend anfühlt. Man erlebt Augenblicke von Staunen und Glück und Momente der Dunkelheit und Verzweiflung. Die unbequeme Wahrheit ist, dass fast alles, was unser Leben reich, erfüllt und sinnvoll macht, eine schmerzliche Schattenseite hat. Und unglücklicherweise bedeutet das, dass es schwer ist, lange glücklich zu sein. Es ist sogar schwer, auch nur für eine kurze Zeit glücklich zu sein. Tatsache ist, das Leben ist hart, und jede und jeder von uns bekommt eine Menge Leid zu spüren. Und einer der Hauptgründe, weshalb das so ist (wie wir gleich untersuchen werden), besteht darin, dass der menschliche Verstand sich so entwickelt hat, dass er von Natur aus psychisches Leiden hervorbringt. Im Grunde erleben wir also alle, wenn wir lange genug leben, sehr viel Schmerz.

Hmm. Ich schätze, das ist nicht die optimistischste Eröffnung eines Buches. Ist es wirklich so düster? Gibt es nichts, was wir an dieser Lage der Dinge ändern können? Sollten wir das Leben aufgeben und uns in eine Grube nihilistischer Verzweiflung stürzen?

Wie Sie wahrscheinlich vermutet haben, lautet die Antwort auf diese Fragen: »Nein.« Glücklicherweise haben wir die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT), die uns angesichts der vielen Schwierigkeiten des Lebens einen Weg nach vorn zeigen kann. ACT hat diesen Namen, weil sie uns lehrt, die Wirkung und den Einfluss schmerzhafter Gedanken und Gefühle zu reduzieren (Akzeptanz), während wir zugleich handeln, um ein Leben aufzubauen, das reich, erfüllt und sinnvoll ist (Commitment). Und auf den Seiten, die folgen, habe ich ein Hauptziel: die komplexe Theorie und Praxis von ACT so darzustellen, dass sie für den Leser bzw. die Leserin einfach, zugänglich und unterhaltsam wird.

WAS IST ACT?

ACT wird nicht als A-C-T gesprochen, sondern wie das englische Wort act (handeln) ausgesprochen. Und das hat seinen guten Grund. Immerhin basiert ACT auf der Verhaltenstherapie. Es geht ums Handeln, aber nicht um irgendein Handeln im »alten« Sinne. Es geht um ein Handeln, das von Ihren zentralen Werten geleitet ist – um das Verhalten entsprechend der Art von Mensch, die Sie sein wollen. Wofür wollen Sie im Leben eintreten? Was ist Ihnen in der Tiefe Ihres Herzens wirklich wichtig? Wie möchten Sie sich selbst, andere und die Welt um Sie herum behandeln? Woran sollen sich die Menschen erinnern, wenn Sie gestorben sind?

Durch ACT kommen Sie mit dem in Berührung, was wirklich zählt: wie Sie sich während Ihres kurzen Aufenthalts auf diesem Planeten verhalten wollen und was Sie tun wollen. Von diesen Werten lassen Sie sich dann leiten, motivieren und zu dem inspirieren, was Sie tun.

Zum anderen geht es um »achtsames« Handeln: ein Handeln mit vollem Gewahrsein, das bewusst und offen für Ihre Erfahrungen ist und sich ganz auf alles einlässt, was Sie tun. Das Ziel von ACT ist es, die eigene Fähigkeit für achtsames, wertegeleitetes Handel zu steigern. Die technische Bezeichnung für diese Fähigkeit ist psychische Flexibilität. Wir werden diesen Begriff bald gründlicher untersuchen. Betrachten wir aber erst das Ziel von ACT in allgemeinverständlicher Form.

WIE IST ACT ENTSTANDEN?

ACT wurde von Steven Hayes Mitte der 80er-Jahre geschaffen. Stevens Kollegen Kelly Wilson und Kirk Strosahl entwickelten sie weiter. Sie entstand auf einem Gebiet der Psychologie, der Verhaltensanalyse, und beruht auf einer Verhaltenstheorie der Kognition, die Bezugsrahmentheorie (englisch Relational Frame Theory – RFT) heißt. Nun weiß ich nicht, wie es Ihnen ergeht, aber als ich zum ersten Mal der ACT begegnet bin, fiel es mir schwer zu glauben, dass so ein spirituelles, humanistisches Modell aus der frühen Verhaltenstheorie (Behaviorismus) entstanden sein sollte. Ich dachte, Behavioristen behandelten Menschen wie Roboter oder Ratten und dass sie kein Interesse an Gedanken und Gefühlen hätten. Wie falsch ich damit lag! Ich entdeckte bald, dass es eine ganze Reihe von Schulen der Verhaltenstherapie gibt, und dass ACT einer Richtung entstammt, die als funktionaler Kontextualismus bekannt ist. (Das geht einem doch leicht über die Zunge, oder?) Und beim funktionalen Kontextualismus (Versuchen Sie einmal, das zehnmal schnell hintereinander zu sagen!) ist man sehr an Gedanken und Gefühlen von Menschen interessiert!

ACT gehört zur sogenannten »dritten Welle« verhaltensorientierter Therapien – neben der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT), der Achtsamkeitsbasierten Kognitiven Therapie (MBCT), der Compassion Focused Therapy (CFT), der Funktional Analytischen Psychotherapie (FAP) und einigen anderen –, die alle neben den traditionellen Verhaltensinterventionen ein besonderes Gewicht auf Akzeptanz, Achtsamkeit und Mitgefühl legen.

WAS IST DAS ZIEL VON ACT?

Allgemeinverständlich ausgedrückt besteht das Ziel von ACT darin, menschliches Potenzial für ein reiches und sinnvolles Leben zu maximieren, während zugleich mit Leid, das das Leben unvermeidlich begleitet, effektiv umgegangen wird.

Sie fragen sich vielleicht: Gehört zum Leben unvermeidlich auch Leiden? Bei der ACT gehen wir davon aus. Gleich wie wunderbar ein Leben ist, wir alle erleben eine Menge Frustration, Enttäuschung, Ablehnung, Verlust und Scheitern. Und wenn wir lange genug leben, gibt es Krankheit, Verletzungen und Altern. Schließlich müssen wir uns unserem eigenen Tod stellen, und bevor dieser Tag kommt, sind wir Zeuginnen des Todes vieler geliebter Menschen. Und als wäre das nicht genug, ist es eine Tatsache, dass viele grundlegende menschliche Emotionen – normale Gefühle, die wir alle im Laufe unseres Lebens immer wieder erleben – an sich schmerzhaft sind: Angst, Traurigkeit, Schuldgefühle, Wut und Ärger, Schock, Ekel und so weiter.

Aber das ist noch nicht alles. Denn obendrein haben wir alle einen Verstand, der in jedem Moment Leiden heraufbeschwören kann. Wohin wir auch gehen, was immer wir tun, wir können sofort Leiden empfinden. In jedem Moment kann man eine schmerzhafte Erinnerung wieder erleben oder sich in ängstlichen Vorahnungen der Zukunft verlieren. Oder man kann sich in ungünstigen Vergleichen (Ihr Job ist besser als meiner) oder negativen Selbstbewertungen (Ich bin zu dick, Ich bin nicht intelligent genug und so weiter) verfangen.

Aufgrund unseres Verstandes können wir an den glücklichsten Tagen unseres Lebens Schmerz empfinden. Angenommen zum Beispiel, Susanne heiratet, und alle ihre Freunde und ihre Familie sind versammelt, um diese freudvolle Verbindung zu feiern. Sie ist einfach glücklich. Und dann kommt ihr der Gedanke: Ich wünschte, mein Vater wäre hier – und sie denkt daran, wie er sich das Leben genommen hat, als sie erst sechzehn Jahre alt war. An einem der glücklichsten Tage ihres Lebens empfindet sie nun Schmerz.

Und wir sitzen alle im gleichen Boot wie Susanne. Gleich wie hoch unsere Lebensqualität, gleich wie privilegiert unsere Situation ist, wir brauchen uns nur an einen Moment zu erinnern, als etwas Schlimmes passiert ist, oder uns eine Zukunft vorstellen, in der etwas Schlimmes passiert, oder uns streng bewerten oder unser Leben mit dem eines anderen Menschen vergleichen, das besser zu sein scheint, und sofort leiden wir.

Daher sind dank der Verfeinerung des menschlichen Verstandes selbst die privilegiertesten Leben voller Leiden. Und unglücklicherweise gehen die meisten von uns nicht sehr geschickt mit Leiden um. Allzu häufig reagieren wir auf schmerzhafte Gedanken, Gefühle und Sinnesempfindungen auf eine Weise, die auf lange Sicht selbstschädigend oder selbstzerstörerisch ist.

Zusammenfassend gesagt, die großen Herausforderungen, denen wir uns im Leben alle stellen müssen, sind:

A. Das Leben ist schwierig.

B. Ein volles menschliches Leben ist ein Leben mit der ganzen Bandbreite von Emotionen, sowohl angenehmen als auch unangenehmen.

C. Ein normaler menschlicher Verstand vergrößert auf natürliche Weise psychisches Leiden.

WIE KANN ACT NUN HELFEN?

ACT hat zum Ziel, das menschliche Potenzial für ein reiches und sinnvolles Leben dadurch zu maximieren, dass sie

• uns klären hilft, was uns wirklich wichtig ist und sinnvoll erscheint, das heißt, unsere Werte zu klären, und dieses Wissen zu nutzen, um uns bei der Festlegung von Zielen und bei unseren Handlungen zu leiten, zu inspirieren und zu motivieren, damit wir die Dinge tun können, die unser Leben bereichern und verbessern, und

• uns lehrt, psychische Fähigkeiten (»achtsame« Kompetenzen) zu trainieren, um mit schmerzlichen Gedanken und Gefühlen zweckmäßig umzugehen, und uns ganz auf alles einzulassen, was wir tun, und die erfüllenden Aspekte des Lebens wertschätzen und genießen zu können.

WARUM HAT ACT EINE SCHLECHTE PRESSE?

Hat man Ihnen schon einmal etwas zu Unrecht vorgeworfen? Das passiert ACT andauernd. Ich habe viele sagen hören, ACT sei kompliziert und verwirrend – und sogar, dass man einen hohen IQ bräuchte, um ACT zu verstehen. Also, wenn ich als Anwalt die Verteidigung des ACT-Modells zu übernehmen hätte, würde ich sagen: »Nicht schuldig, Euer Ehren!« Ich glaube, es gibt zwei Hauptgründe, warum ACT diesen unglücklichen Ruf bekommen hat. Ein Grund geht auf die Theorie zurück, die ACT zugrunde liegt: die Bezugsrahmentheorie (Relational Frame Theory, RFT). In diesem Buch werden wir diese Theorie nicht behandeln, weil sie ziemlich technisch ist, und es viel Arbeit braucht, sie zu verstehen, während das Ziel dieses Buches ist, Sie in ACT einzuführen, die Hauptkonzepte zu vereinfachen und Ihnen zu helfen, sie schnell anzuwenden.

Das Gute an der Sache ist, dass Sie ein(-e) erfolgreiche(-r) ACT-The-rapeut(-in) sein können, ohne etwas von RFT zu wissen. Wenn ACT wie Autofahren ist, dann ist RFT wie das Wissen, wie der Motor funktioniert: Sie können ein sehr guter Autofahrer sein, ohne das Geringste von der Mechanik zu verstehen. (Andererseits sagen viele ACT-TherapeutInnen, dass es ihre therapeutische Wirksamkeit verbessert, wenn sie RFT verstehen. Daher erfahren Sie in Anhang C, falls Sie daran interessiert sind, wo Sie mehr Informationen bekommen können.)

Der andere wichtige Grund, warum Leute ACT kompliziert finden, ist der Umstand, dass ACT ein nichtlineares Therapiemodell ist. Es beruht auf sechs Kernprozessen, und Sie können mit jeder Klientin in jeder Sitzung zu jedem Zeitpunkt mit jedem von ihnen arbeiten. Und wenn Sie einmal in einem Prozess auf eine Blockade stoßen, können Sie einfach zu einem anderen wechseln. Dies unterscheidet ACT sehr von linearen Therapiemodellen, bei denen Sie einer festen Reihenfolge von Schritten folgen: Erst machen Sie Schritt A, dann Schritt B, dann Schritt C und so weiter.

Die Nichtlinearität von ACT hat einen großen Vorteil: Sie ermöglicht Ihnen als Therapeut eine unglaubliche Flexibilität. Wenn Sie an einem Punkt nicht mehr weiterkommen, können Sie zu einem anderen Prozess übergehen. Wenn Sie dann den Moment für richtig halten, können Sie dahin zurückkommen, wo Sie den Prozess unterbrochen haben. Der Nachteil der Nichtlinearität ist, dass ACT anfangs schwerer zu lernen ist als Modelle, bei denen eine bestimmte Schrittfolge vorgegeben ist.

Aber Sie müssen nicht verzweifeln. Seit einiger Zeit ist diese Aufgabe viel leichter geworden, und zwar dank eines sehr wirksamen Hilfsmittels, des Punktes der Entscheidung, den ich gleich vorstellen werde. Als Erstes aber wollen wir kurz diese sechs Kernprozesse behandeln.

DIE SECHS THERAPEUTISCHEN KERNPROZESSE VON ACT

Die sechs therapeutischen Kernprozesse von ACT sind Kontakt mit dem jetzigen Moment, Defusion, Akzeptanz, Selbst als Kontext, Werte und engagiertes Handeln. Bevor ich näher auf die einzelnen Prozesse eingehe, sehen Sie sich bitte die Darstellung unten an, die salopp als »Hexaflex« bezeichnet wird.


Betrachten wir nun die sechs Kernprozesse von ACT im Einzelnen:

Kontakt mit dem gegenwärtigen Moment (im Hier und Jetzt sein). In Kontakt mit dem gegenwärtigen Moment zu sein bedeutet flexibel auf die eigene Erfahrung zu achten: den Fokus verengen, erweitern, verschieben oder aufrechterhalten, je nachdem, was am nützlichsten ist. Dazu kann gehören, dass wir bewusst auf die physische Welt um uns herum oder die psychische Welt in uns achten, oder auf beide zugleich, und uns ganz mit unserer Erfahrung verbinden und uns auf sie einlassen.

Defusion (Gedanken beobachten). Defusion bedeutet zu lernen, »einen Schritt zurückzutreten« und sich von Gedanken, Bildern und Erinnerungen zu distanzieren bzw. zu lösen. Der vollständige Begriff lautet kognitive Defusion, wir sprechen jedoch normalerweise kurz von »Defusion«. Wir treten zurück und beobachten unser Denken, statt uns darin zu verstricken. Wir betrachten unsere Gedanken als das, was sie sind: nicht mehr und nicht weniger als Worte oder Bilder. Wir nehmen sie leicht, statt sie festzuhalten. Wir lassen uns von ihnen führen, aber nicht beherrschen.

Akzeptanz (sich öffnen). Akzeptanz bedeutet, sich für unerwünschte private Gefühle zu öffnen und ihnen Raum zu geben: Gedanken, Gefühle, Emotionen, Erinnerungen, Neigungen, Bilder, Impulse und Sinnesempfindungen. Statt gegen sie anzukämpfen, ihnen Widerstand entgegenzusetzen oder vor ihnen wegzulaufen, öffnen wir uns und geben ihnen Raum. Wir lassen sie frei durch uns hindurchfließen – und kommen und bleiben und wieder gehen, wie sie wollen (wenn uns dies hilft, effektiv zu handeln und unser Leben zu verbessern).

Selbst als Kontext (das wahrnehmende Selbst). In der Alltagssprache werden dem Verstand zwei unterschiedliche Elemente zugeschrieben: ein Teil, der denkt, und ein Teil, der beobachtet. Wenn wir von »Verstand« sprechen, meinen wir gewöhnlich diesen Teil von uns, der denkt und Gedanken, Überzeugungen, Erinnerungen, Urteile, Fantasien, Pläne und vieles mehr liefert. Normalerweise meinen wir nicht »den Teil, der beobachtet«: diesen Aspekt von uns, der sich dessen bewusst ist, was wir in jedem Moment denken, fühlen, sinnlich wahrnehmen. In der ACT lautet der entsprechende Fachbegriff dafür Selbst als Kontext. Gegenüber unseren Klientinnen sprechen wir im Allgemeinen nicht von Selbst als Kontext – aber wenn wir es tun, sprechen wir vom »wahrnehmenden Selbst« oder dem »beobachtenden Selbst« oder einfach von dem »Teil von uns, der wahrnimmt«. (Anmerkung: Weniger üblich kann sich »Selbst als Kontext« auf einen Prozess beziehen, der »flexibler Perspektivenwechsel« genannt wird. Belasten Sie sich jetzt aber nicht damit; wir schauen es später an.)

Schwierige Terminologie

Defusion, Akzeptanz, Selbst als Kontext und Kontakt mit dem gegenwärtigen Moment – Gegenwärtigkeit (auch »flexible Aufmerksamkeit« genannt) sind die vier Kernprozesse der Achtsamkeit der ACT. Wann immer Sie also bei der ACT dem Begriff »Achtsamkeit« begegnen, kann er sich auf einen dieser Prozesse oder auf alle und in jeder Kombination beziehen.

Werte (wissen, worauf es ankommt). Wofür wollen Sie im Leben eintreten? Wie wollen Sie die kurze Zeitspanne nutzen, die Ihnen auf diesem Planeten geschenkt ist? Wie möchten Sie sich selbst, andere und die Welt um sich herum behandeln? Werte sind erwünschte Qualitäten von offenem, also physischen oder psychischen Handeln. Mit anderen Worten: Sie beschreiben, wie wir uns grundsätzlich verhalten wollen. Wir vergleichen Werte gemeinhin mit einem Kompass, da sie uns die Richtung weisen und uns auf unserer Reise leiten.

Verantwortliches Handeln (tun, was nötig ist). Engagiertes Handeln (Commitment) bedeutet zweckmäßiges, wertegeleitetes Handeln. Dazu gehört sowohl physisches Handeln (was wir mit unserem physischen Körper tun, also offenes, beobachtbares Verhalten) als auch psychisches Handeln (was wir in unserer inneren Welt tun). Es ist gut und schön, unsere Werte zu kennen, aber nur dadurch, dass wir sie in Handeln umsetzen, wird dieses Leben reich, erfüllt und sinnvoll.

Und wenn wir so handeln, werden eine weite Bandbreite an Gedanken und Gefühlen auftauchen, einige angenehme und andere sehr schmerzhafte. Engagiertes Handeln oder Commitment bedeutet also, »tun, was nötig ist«, um im Einklang mit unseren Werten zu leben, auch dann, wenn das zu schwierigen Gedanken und Gefühlen führt. Zu engagiertem Handeln oder Commitment gehört Zielfestlegung, Handlungsplanung, Problemlösung, Kompetenztraining, Verhaltensaktivierung und Exposition. Es kann auch dazu gehören, dass man Kompetenzen lernt und anwendet, die zu einem besseren und reichhaltigeren Leben führen – von Verhandlungskompetenz, Kompetenzen für Kommunikation und Selbstbehauptung bis zu solchen für Selbstberuhigung, Bewältigung von Krisen und Achtsamkeit.

Psychische Flexibilität: ein Diamant mit sechs Facetten

Die sechs Kernprozesse von ACT sind nicht getrennt. Sie sind wie sechs Facetten eines Diamanten, und der Diamant selbst ist psychische Flexibilität: die Fähigkeit, achtsam und von unseren Werten geleitet zu handeln. Je größer unsere psychische Flexibilität – unsere Fähigkeit, ganz bewusst zu sein, uns für unsere Erfahrung zu öffnen und von unseren Werten geleitet zu handeln –, umso größer unsere Lebensqualität.

Wie das? Weil wir weit effektiver auf die Probleme und Herausforderungen, die das Leben unvermeidlich mit sich bringt, reagieren können. Ferner entwickeln wir ein tiefes Gefühl von Sinn und fühlen uns lebendig, wenn wir uns ganz im Leben engagieren und uns von unseren Werte leiten lassen.

Der Begriff »Lebendigkeit« wird in der ACT häufig gebraucht. Lebendigkeit ist kein Gefühl, sondern das Empfinden, voll und ganz im Hier und Jetzt zu leben, wie auch immer wir uns gerade fühlen mögen. Wir können uns sogar auf unserem Sterbebett oder in tiefster Trauer als lebendig erleben, denn: »In einem Augenblick des Schmerzes steckt so viel Leben wie in einem Augenblick der Freude« (Strosahl et al., 2004).

Das ACT-Triflex

Die sechs Kernprozesse kann man zu dem zusammenfassen, was ich das Triflex nenne (weil es eindrücklicher als Dreieck klingt). Das Triflex umfasst drei funktionale Einheiten, wie die folgende Abbildung zeigt:


Selbst als Kontext (auch als »beobachtendes Selbst« bezeichnet) wie auch »Kontakt mit dem jetzigen Moment« (Gegenwärtigkeit) beinhalten beide, mit den verbalen und nicht-verbalen Aspekten Ihrer Erfahrung des Hier und Jetzt in Kontakt zu treten (mit anderen Worten: Seien Sie präsent).

Bei der Defusion wie auch bei der Akzeptanz geht es darum, einen Abstand zu Gedanken und Gefühlen herzustellen, sie als das zu betrachten, was sie wirklich sind, ihnen Raum zu geben und sie nach Belieben kommen und gehen zu lassen (mit anderen Worten: Öffnen Sie sich).

Werte und Engagiertes Handeln beinhaltet, lebensbereicherndes Handeln einzuleiten und beizubehalten (mit anderen Worten: Tun Sie, was wichtig ist).

Wir können psychische Flexibilität also als die Fähigkeit beschreiben, »präsent zu sein, sich zu öffnen und das zu tun, was wichtig ist.«

Da Sie jetzt einen Eindruck von den sechs Kernprozessen haben, und wie man sie zu drei größeren Einheiten zusammenfassen kann, möchte ich Ihnen vorstellen, was in ACT mein absolutes Lieblingsinstrument ist. Es bringt sie alle in einer leicht verständlichen und leicht anwendbaren Form zusammen.

WILLKOMMEN AM PUNKT DER ENTSCHEIDUNG

Als ich im Jahr 2009 die erste Auflage von ACT leicht gemacht schrieb, gab es den Punkt der Entscheidung noch nicht. Erst im Jahr 2013 erfand ich dieses Instrument zusammen mit meinen Kollegen Joe Ciarrochi und Ann Bailey (für das Buch, das wir über einen Ansatz der ACT zur Gewichtsabnahme schrieben: The Weight Escape [Ciarrochi, Bailey & Harris, 2014]). Seit damals habe ich mich in den Punkt der Entscheidung verliebt und mache ihn jetzt zum zentralen Instrument in allen meinen Programmen. Warum? Weil er Ihnen und Ihren Klientinnen einen einfachen Plan an die Hand gibt, dem Sie folgen können, während die große Flexibilität des ACT-Modells beibehalten wird.

Sie werden im Verlauf dieses Buches sehen, dass es viele Möglichkeiten gibt, wie Sie den Punkt der Entscheidung verwenden können, im Moment aber möchte ich Ihnen eine kurze Einführung geben. Eine der Schönheiten des Punktes der Entscheidung ist, dass er eine klare Übersicht über das ACT-Modell liefert. (Anmerkung: Der Punkt der Entscheidung hat Ähnlichkeiten mit einem beliebten ACT-Instrument, das Matrix [Polk & Schoendorff, 2014] heißt, unterscheidet sich andererseits aber auch sehr von ihm. Wenn ich Sie bei dieser Einführung begleite, werde ich die gleiche nicht-technische Sprache verwenden wie bei Klienten, denn ich möchte zwei Dinge zugleich erreichen: (a) Ihnen das ACTModell auf eine einfache Weise erklären und (b) Ihnen ein Beispiel dafür geben, wie Sie Klientinnen ACT erklären können.

Der Punkt der Entscheidung ist ein Hilfsmittel, das schnell Übersicht über unsere Probleme verschafft, Quellen des Leidens identifiziert und formuliert, wie wir sie mit ACT behandeln können. Wir können ihn an jedem Punkt der Therapie einbringen und ihn in vielen verschiedenen Zusammenhängen verwenden. Ich führe ihn häufig etwa in der Mitte meiner ersten Sitzung mit einer neuen Klientin als Teil des informierten Konsenses (Kapitel 5) ein. Typischerweise geht das etwa so:

Therapeut: Wäre es für Sie okay, wenn ich kurz etwas zeichne? Es ist eine Art Plan, der uns hilft, effektiv miteinander zu arbeiten. (Der Therapeut holt einen Stift und ein Blatt Papier.) Sie und ich und alle Menschen auf diesem Planeten machen immer irgendetwas. Wir essen, trinken, gehen, sprechen, schlafen, spielen – immerzu machen wir etwas. Auch wenn wir einfach die Wand anstarren, ist das auch etwas, was wir tun, oder? Und manche dieser Dinge, die wir tun, sind ziemlich nützlich; sie helfen uns, weiter zu einem besseren Leben fortzuschreiten. Ich nenne sie also »Hinbewegungen«. Hinbewegungen sind im Grunde die Dinge, die Sie anfangen möchten zu tun, oder von denen Sie mehr machen möchten, wenn unsere Arbeit, die wir hier tun, Erfolg hat.

Während er dies sagt, zeichnet der Therapeut einen Pfeil und schreibt:


Der Therapeut fährt fort: Wenn wir also Hinbewegungen machen, bedeutet das, dass wir effektiv handeln und uns wie der Mensch verhalten, der wir sein möchten. Wir tun Dinge, die das Leben wahrscheinlich sinnvoller und erfüllender machen. Das Problem ist, dass das nicht alles ist, was wir machen. Es gibt andere Dinge, die wir machen, die die entgegensetzte Wirkung haben: Sie bringen uns von dem Leben, das wir in Wirklichkeit aufbauen wollen, weg. Dies nenne ich daher ›Wegbewegungen‹. Wenn man Wegbewegungen macht, bedeutet das, dass man ineffektiv handelt und sich nicht wie die Art Person verhält, die man sein möchte, und Dinge tut, die das Leben auf lange Sicht eher schlechter machen. Im Grunde sind Wegbewegungen also alles das, womit Sie aufhören oder was Sie zumindest weniger machen werden, wenn unsere Arbeit hier erfolgreich ist.

Während er dies sagt, zeichnet der Therapeut einen zweiten Pfeil und schreibt:


Der Therapeut fährt jetzt fort: Und dies gilt für uns alle, oder? Den ganzen Tag machen wir Hinbewegungen und Wegbewegungen und es verändert sich von Moment zu Moment. Und wenn das Leben nicht zu schwer ist, wenn die Dinge gut laufen und wenn wir bekommen, was wir im Leben wollen, ist es viel leichter, sich für diese Hinbewegungen zu entscheiden. Aber wie Sie wissen, ist das Leben selten so. Das Leben ist hart, und sehr oft bekommen wir nicht das, was wir wollen. Im Laufe des Tages begegnen wir also allen möglichen schwierigen Situationen und schwierige Gedanken und Gefühlen tauchen auf.

Unten an den Fuß des Diagramms schreibt der Therapeut jetzt »Situation(en), Gedanken und Gefühle«. (Anmerkung: Im Verlaufe dieses ganzen Buches wird der Ausdruck »Gedanken und Gefühle« als Kurzformel für Gedanken, Gefühle, Emotionen, Erinnerungen, dringende Bedürfnisse, Impulse, Bilder und Sinnesempfindungen verwendet. Alle diese privaten Erfahrungen können am Punkt der Entscheidung erwähnt oder aufgeschrieben werden.)


Der Therapeut fährt fort: Das Problem ist, dass die Grundeinstellung bei den meisten von uns die Tendenz ist, bei diesen schwierigen Gedanken und Gefühlen hängen zu bleiben, wenn sie sich zeigen. Sie halten uns in gewisser Weise fest und ziehen uns zu ihnen hin und zerren uns herum und ziehen uns überallhin. Wissen Sie, was ich meine? Sie können uns körperlich im Griff haben, dann fangen wir an, mit Armen und Beinen und mit unserem Mund auf verschiedene Weise auszuagieren. Oder sie haben unsere Aufmerksamkeit im Griff, dann verlieren wir uns in unserer inneren Welt, statt auf das zu fokussieren, was man tut. Und je fester sie uns im Griff haben … umso mehr machen wir diese Ausweichbewegungen, oder?

Der Therapeut schreibt jetzt »verstrickt« neben den Pfeil, über dem »Wegbewegungen« steht.


Der Therapeut fährt fort: Wir alle tun also diese Dinge in gewissem Maße, das ist normal. Niemand ist vollkommen. Wenn diese Dinge aber oft passieren, führt das zu großen Problemen. Eigentlich gehen fast alle psychischen Probleme, die wir kennen – Angst, Depression, Sucht, was auch immer – auf diesen Grundprozess zurück: Man gerät in den Griff von schwierigen Gedanken und Gefühlen und fängt an, Wegbewegungen zu machen. Macht das Sinn? Es gibt jedoch Momente, in denen man sich von diesen schwierigen Gedanken und Gefühlen losmachen und statt dessen Hinbewegungen machen kann. Und je besser wir darin werden, dies zu tun … nun ja, umso besser wird das Leben.

Während er dies sagt, schreibt der Therapeut »frei von Verstrickung« neben den Pfeil »Hinbewegung«.


Der Therapeut zeichnet jetzt einen kleinen Kreis um den Punkt, an dem sich die zwei Pfeile berühren. (Wenn man das möchte, kann man die Worte »Punkt der Entscheidung« oder die Anfangsbuchstaben »PdE« hineinschreiben.)


Während er das tut, fährt er fort: Wenn wir also in diesen schwierigen Situationen sind, und diese schwierigen Gedanken und Gefühle auftauchen, müssen wir uns entscheiden: Wie reagieren wir darauf? Je mehr wir uns im Griff befinden, umso wahrscheinlicher werden wir Wegbewegungen machen. Je mehr wir uns aber aus dem Griff befreien können, umso leichter sind Hinbewegungen.

Der Therapeut fährt fort: Wenn wir also gut hierin werden möchten (zeigt auf den Pfeil »Hinbewegung«), müssen wir zwei Dinge tun: Wir müssen ein paar Kompetenzen lernen, wie wir uns aus dem Griff befreien können. Und wir müssen uns darüber klar werden, welche Hinbewegungen wir machen möchten. Wenn wir das einmal erreicht haben, haben wir viel mehr Entscheidungsspielraum, wie wir auf all diese schwierigen Dinge reagieren, die uns das Leben beschert. Und das ist im Grunde das, worum es bei dieser Art Therapie geht: Es geht darum zu lernen, wie wir uns aus dem Griff dieser Dinge befreien können (zeigt auf »Gedanken und Gefühle«), wie wir dies reduzieren (zeigt auf Wegbewegung) und uns helfen, besser darin zu werden, dies zu tun (zeigt auf Hinbewegung).

Schwierige Terminologie

Manche Anwenderinnen der ACT verwenden den Ausdruck »im Griff« und meinen damit allein kognitive Fusion. Im Zusammenhang mit dem Punkt der Entscheidung wird der Begriff in einem weiteren Sinn verwendet und bedeutet sowohl kognitive Fusion als auch Erlebnisvermeidung. In Kapitel 2 schauen wir uns das genauer an.

Das »nackte Grundgerüst« des Punktes der Entscheidung

Was Sie gerade über den Punkt der Entscheidung gelesen haben, ist eine Darstellung des Grundgerüstes: eine allgemeine Übersicht, ohne spezifische Details. Idealerweise sollten Sie dieses Skelett mit Fleisch versehen: Sie sollten es für den Klienten mit spezifischen Beispielen für seine schwierigen Gedanken und Gefühle, für die schwierigen Situationen, mit denen er konfrontiert ist, für seine Wegbewegungen und für seine Hinbewegungen persönlich machen. Wenn Sie in diesem Buch weiter fortschreiten, zeige ich Ihnen, wie Sie dieses Diagramm ausfüllen können. Fürs Erste möchte ich drei wichtige Punkte hervorheben:

1. Der Punkt der Entscheidung umfasst offenes und verdecktes Verhalten. Bei der ACT definieren wir Verhalten als »alles, was ein ganzes Wesen tut«. Ja, Sie lesen richtig: alles, was das ganze Wesen tut, ist Verhalten. Das schließt offenes Verhalten wie Essen, Trinken, Gehen, Sprechen, die Serie Game of Thrones Anschauen usw. ein. Offenes Verhalten bedeutet im Grunde physisches Verhalten: Handlungen, die Sie mit Ihren Armen, Beinen, Händen und Füßen vornehmen; Gesichtsausdruck; alles, was man sagt, singt, ruft oder flüstert; wie man sich bewegt, isst, trinkt, atmet: die Körperhaltungen usw. Der Begriff »Verhalten« bezieht sich aber auch auf verdecktes Verhalten, was sich im Grunde auf psychisches Verhalten wie Denken, Fokussieren, Visualisieren, Achtsamkeit, Vorstellen und Erinnern bezieht. (Dieses innere psychische Verhalten kann von anderen niemals direkt beobachtet werden, daher wird es häufig eher »privates Verhalten« als »verdecktes Verhalten« genannt.)

Hier eine einfache Weise, wie man offenes von verdecktem Verhalten unterscheiden kann. Angenommen, es ist plötzlich eine Videokamera da, während es zu dem Verhalten kommt. Könnte die Kamera das Verhalten aufnehmen? Wenn ja, dann ist es offenes Verhalten. Wenn nicht, dann ist es »verdecktes Verhalten«.

Wie Sie in späteren Kapiteln sehen werden, nehmen wir offenes und verdecktes Verhalten auf, wenn wir den Punkt der Entscheidung mit einer Klientin verwenden. Zu verdeckten Wegbewegungen können zum Beispiel Grübeln, sorgenvolles Denken, Distanzieren (disengaging), den Fokus verlieren und obsessives Denken gehören. Verdeckte Hinbewegungen können Auflösen von Fusion oder Verstrickung, also Defusion, Akzeptieren, Aufmerksamkeit neu ausrichten, Sich engagieren, Entwickeln von Strategien und Planen sein.

2. Der Klient definiert, was eine Wegbewegung ist. Der Punkt der Entscheidung beschreibt die Dinge immer aus der Perspektive der Klientin. Mit anderen Worten, es ist der Klient, der definiert, welches Verhalten »von etwas weg« gerichtet ist, nicht die Therapeutin. Zu einem frühen Zeitpunkt der Therapie kann es sein, dass ein Klient selbstschädigendes oder selbstzerstörerisches Verhalten als eine Hinbewegung sieht. Zum Beispiel kann eine Klientin mit einer Alkoholabhängigkeit oder Spielsucht Trinken und Spielen anfangs als Hinbewegungen sehen.

Wenn das so ist, würden wir nicht anfangen, das mit einem Klienten zu diskutieren. Wir würden einfach etwas Zeit nehmen, um klarzustellen: »Kann ich einfach mal überprüfen, ob wir diese Begriffe in gleichem Sinn verwenden? Wegbewegungen sind alles das, womit Sie aufhören oder was Sie weniger machen möchten, wenn unsere Arbeit Erfolg hat, und Hinbewegungen sind die Dinge, mit denen Sie anfangen oder die Sie mehr machen möchten, wenn unsere Arbeit, die wir hier machen, erfolgreich ist.«

Wenn die Klientin selbstschädigendes Verhalten weiter als Hinbewegung bezeichnet, dann erkennen wir das an und schreiben es neben den Pfeil »Hin zu etwas«. Warum? Weil dies eine Momentaufnahme des Lebens des Klienten ist, wie er oder sie es im Moment sieht, nicht wie der Therapeut es sieht. Unser Ziel ist es, ein Gefühl für die Weltsicht der Klientin, für den Grad des Selbstgewahrseins des Klienten zu bekommen: was die Klientin als Probleme sieht und was sie nicht als Probleme sieht. Wenn wir den Klienten an diesem Punkt konfrontieren, wenn wir versuchen, ihn dahin zu bringen, dass er sein Denken ändert und dieses destruktive oder selbstschädigende Verhalten als eine Wegbewegung sieht, werden wir wahrscheinlich in einen fruchtlosen Kampf geraten. Fürs Erste benennen wir es als Hinbewegung und behalten im Hinterkopf, dass wir dies in späteren Sitzungen ansprechen.

Anfangs sollten wir Therapieziele finden, die das therapeutische Arbeitsbündnis aufbauen, statt es zu belasten. So finden wir heraus, was die Klientin tatsächlich als ihre Wegbewegungen sieht, und wir verwenden ACT, um mit ihr an diesen Verhaltensweisen zu arbeiten. Dann, zu einem späteren Zeitpunkt der Therapie, wenn der Klient einmal ein höheres Niveau an psychischer Flexibilität erreicht hat, können wir auf das Verhalten zurückkommen und es neu bewerten: »Als Sie gerade zu mir gekommen waren, haben Sie Glücksspiel als eine Hinbewegung gesehen; sehen Sie es immer noch so?« Normalerweise verändert die Klientin ihre Sichtweise, wenn die Therapie voranschreitet und sich die psychische Flexibilität der Klientin entwickelt, und sie versteht ihr selbstschädigendes Verhalten als Wegbewegung besonders wenn sie bemerkt, dass es sie daran hindert, andere wichtige Lebensziele zu erreichen.

3. Eine Aktivität kann je nach Kontext eine Hinbewegung oder eine Wegbewegung sein. Wenn ich vor allem fernsehe, um zu vermeiden, ins Fitnessstudio zu gehen oder um die Erledigung einer anderen wichtigen Aufgabe aufzuschieben, oder wenn ich achtlos eine Tafel Schokolade esse, um Langeweile oder Angst zu vermeiden, dann bezeichne ich diese Aktivitäten als Wegbewegungen. Wenn ich aber aufgrund einer bewussten, wertegeleiteten Entscheidung fernsehe, die mein Leben bereichert (zum Beispiel um die letzte Folge von The Walking Dead zu sehen), oder wenn ich achtsam Schokolade esse, wenn ich sie mit Freunden genieße, wenn wir etwas feiern, dann klassifiziere ich diese Aktivitäten als Hinbewegungen. Es geht also nicht um die Aktivität als solche: Es geht um die Wirkungen, die diese Aktivität hat.

In Zusammenhängen, in denen uns eine Aktivität dem Leben näher bringt, das wir leben wollen, und wir uns wie der Mensch verhalten, der wir sein wollen, ist es eine Hinbewegung; und in Kontexten, in denen uns diese Aktivität von dem Leben, das wir haben wollen, wegbringt, und wir uns anders als der Mensch verhalten, der wir sein wollen, ist es eine Wegbewegung. Wenn wir Beispiele wie diese an einem Punkt der Entscheidung eintragen, nehmen wir Informationen mit auf, die deutlich machen, ob es eine Hinbewegung oder ob es eine Wegbewegung ist. Zum Beispiel würde ich an meinen Pfeil »Von etwas weg« schreiben »Fernsehen, um wichtige Aufgaben zu vermeiden« und an den Pfeil »Zu etwas hin« »Fernsehen als eine Entscheidung im Rahmen eines ausgewogenen Lebensstils«.

Der Punkt der Entscheidung, das Hexaflex und das Triflex

Schauen wir uns jetzt an, wie sich die Prozesse von Hexaflex und Triflex mithilfe des Punktes der Entscheidung abbilden und veranschaulichen lassen.


Kompetenzen für die Befreiung aus einer Verstrickung beziehen sich auf alle vier Kernprozesse der Achtsamkeit in der ACT: Defusion, Akzeptanz, Selbst als Kontext und Kontakt mit dem gegenwärtigen Moment. Wir können jede mögliche Kombination dieser Prozesse verwenden, um uns aus dem Griff schwieriger Gedanken und Gefühle zu lösen und ihre Wirkung und ihren Einfluss auf offenes oder verdecktes Verhalten zu reduzieren.

Hinbewegungen bezieht sich auf engagiertes Handeln – physisches und psychisches –, das von unseren Werten geleitet ist.

Verstrickt bezieht sich auf zwei Kernprozesse – kognitive Fusion und Erlebnisvermeidung –, die aus der Sicht der ACT für den größten Teil unseres psychischen Leidens verantwortlich sind. Kognitive Fusion bedeutet im Grunde, dass wir von unseren Kognitionen »dominiert« sind. Und Erlebnisvermeidung ist der andauende Kampf, um unerwünschte Gedanken und Gefühle zu vermeiden oder loszuwerden.

AUFGABEN

Das Lesen dieses Buches allein wird Ihnen keine ACT-Kompetenzen vermitteln, so wie man nicht allein dadurch Kochen lernt, dass man ein Kochbuch liest. Wenn Sie gut kochen lernen wollen, müssen Sie diese Fertigkeiten üben, üben und wieder üben, und dasselbe gilt für ACT. Am Ende der meisten Kapitel fordere ich Sie deshalb auf, etwas zu tun, um Ihre ACT-Kompetenzen aufzubauen. Hier ein paar Vorschläge für den Anfang:

• Spielen Sie den Punkt der Entscheidung mit einer imaginären Klientin durch, als wären Sie ein Schauspieler, der ein Stück probt. Machen Sie das laut, wenn Sie dazu bereit sind, wenn nicht, machen Sie es im Kopf. Idealer Weise lassen Sie es, während Sie proben, lebendig werden.

• Wenn Sie den Punkt der Entscheidung einmal für sich geprobt haben, probieren Sie ihn einmal mit einer Freundin oder einem Kollegen aus, um zu sehen, ob Sie zusammenfassen können, worum es bei der ACT geht.

• Danach setzen Sie es in der Arbeit mit ein paar Ihrer Klientinnen ein.

Vielleicht empfinden Sie ein wenig Widerstand dagegen, dies zu tun, vielleicht denken Sie, dass es ein bisschen dumm, unwichtig oder einfach nicht Ihr Stil ist. Aber wenn Sie es ausprobieren, kann es Ihnen helfen, das ACT-Modell zu verstehen, auch wenn Sie es nie in der Arbeit mit einem realen Klienten anwenden. (Und außerdem ist es eine enorme Hilfe, wenn Sie ACT einmal neugierigen Freundinnen, Kollegen, Verwandten oder Gästen bei Ihrer nächsten Dinnerparty erklären wollen.)

WAS SIE MITNEHMEN KÖNNEN

ACT ist eine Verhaltenstherapie, die Werte und Achtsamkeits-Kompetenzen kreativ nutzt, um Menschen zu helfen, ein reiches und sinnvolles Leben aufzubauen. Sie beruht auf sechs Kernprozessen: Werte, engagiertes Handeln und die vier Achtsamkeitsprozesse Defusion, Akzeptanz, Selbst als Kontext und Kontakt mit dem gegenwärtigen Moment. Diese kann man zu drei größeren Prozessen zusammenfassen: präsent sein, sich öffnen und tun, was wichtig ist. Technisch gesprochen ist das Ziel der ACT, Menschen zu helfen, psychische Flexibilität zu entwickeln: die Fähigkeit, uns auf das zu fokussieren und uns in dem zu engagieren, was wir tun, uns für unsere Gedanken und Gefühle zu öffnen und ihnen Raum zu geben und geleitet von unseren Werten effektiv zu handeln.

ACT leicht gemacht

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