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Die Abgebrühten

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Dieses Werk widme ich meinen Nachfahren, die geduldig meine Geschichten ertragen haben und mein Leben bereicherten.

Inhalt

SCHARFE KLINGEN (-stadt)

Unglaubliche Geschichten aus dem bergischen Städte-Dreieck

Die Abgebrühten

Einleitung:

Auch wenn Ruth, wegen ihrer Kinder, im Unterbewusstsein ein schlechtes Gewissen hatte, so war sie doch mehr voller Neugierde und Vorfreude auf das neue, aufregende Leben an Udos Seite.

Die weltgewandte Selbstsicherheit mit der sich ihre neue Liebe durch das Leben bewegte, faszinierte sie, ja hypnotisierte sie fast. Dafür nahm sie alle unangenehmen Randerscheinungen ihres neuen Lebens, als vorübergehend, in Kauf. Sie sah das Leben in einer wunderbaren rosaroten Farbe, glaubte sich, anerkannt, frei und respektiert. Dabei bemerkte sie Anfangs gar nicht, dass Udos ganzes Dasein auf Lug und Betrug aufgebaut war, und für ihn Recht und Gesetz kein Maßstab war. Er führte ein Leben auf Messers Schneide, am Rande der Legalität. Auch dass sie sich, durch den trügerischen Glanz, der Udos Welt ausmachte, zur absoluten Abhängigkeit, ja sogar bis zur Hörigkeit verführen ließ, war ihr lange nicht klar.

Die Leichtigkeit mit der ihr Liebhaber jede Situation meisterte, blendete ihre Kritikfähigkeit. Dass Udos stärkste Charakterzüge Oberflächlichkeit, Verantwortungslosigkeit, gepaart mit Habgier waren, übersah sie bewusst. Ihr gefiel das abenteuerliche Leben, die lockere Welt, im Spiel um den schnöden Mammon, sowie sich im Glanz des Luxus zu sonnen.

Dabei ignorierte sie, dass sie immer mehr in die kriminellen Handlungen eingebunden wurde, weil sie schon im Sog der Unterwelt gefangen war

ungewiss

Voller Vertrauen in ihren Liebhaber, wenn auch ohne die geringste Ahnung wie es weitergehen sollte, saß Ruth nun als ungebetener Gast in der Wohnung ihrer Rivalin.

Nachdem Udo ihre Partner über ihre Trennungs-Absicht aufgeklärt hatte, war Ruths Mann wutentbrannt aufgesprungen und hinaus gestürmt.

Die Konfrontation war zwar einfacher als gedacht, aber dafür giftete Udos Partnerin sie an: „Und? Wieso sitzt du noch hier? Nun hast du ja erreicht was du wolltest. Die Beziehungen zerstört, meinem Kind den Vater genommen, und deinen Mann bist du auch auf leichte Art los geworden. Also, auf was wartest du noch? Verschwinde!“

„Schweig, Manuela! Die Ruth bleibt hier! Es ist jetzt zu spät noch irgendwo hinzugehen. Wir werden uns morgen eine Bleibe suchen. Heute Nacht schläft sie hier!“ befahl Udo scharf.

Zornig wehrte sich Manuela: „Was? Nein, nicht in meiner Wohnung! Das erlaube ich nicht! Sie soll sofort abhauen!“

Drohend erhob sich Udo während er hart bestimmte: „Sie bleibt! Schluss jetzt! Noch ist das auch meine Wohnung, und du hast meinen Gast zu respektieren. Ich bin müde, ihr beide schlaft im Bett und ich lege mich auf die Couch. Für eine Nacht muss das gehen! Und jetzt keine Widerrede mehr!“

Doch da raffte Ruth sich auf, griff zum ersten Mal ein und widersprach energisch: „Nein, Udo, das will ich nicht. Ich lege mich nicht in euer Bett, und schon gar nicht neben die da.“ Dabei wies sie auf die Wütende.

„Es ist richtig, dass wir jetzt nirgendwo mehr klingeln können, aber dann schlafe ich auf der Couch. Das musst du verstehen.“

Sekundenlang sah es so aus als wolle Udo ärgerlich reagieren, aber dann nickte er und entschied: „Gut! Wir bleiben beide die Nacht auf der Couch. Du nimmst das kleine und ich das große Sofa. Und du, gib endlich Ruhe und geh ins Bett, Manuela. Mit Geschrei änderst du jetzt auch nichts mehr!“

Niemand widersprach, sie waren alle nervlich geschafft.

„Komm zu mir!“ verlangte Udo, als die Hausherrin im Schlafzimmer verschwunden war.

Energisch schüttelte sie den Kopf und lehnte ab: „Nein, das ist doch nicht dein Ernst? Du willst doch nicht jetzt und hier? Wenn deine Ex im Nebenraum liegt? Das kann ich nicht, das musst du verstehen. Außerdem bin ich einfach zu müde. Aber ich hab schon eine Idee wo wir vorübergehend unterkommen können. Bei meiner Freundin Beate. Die hat ein Gästezimmer, das können wir sicher benutzen. Aber jetzt möchte ich mal versuchen, noch ein paar Stunden zu schlafen. Mach bitte das Licht aus. Gute Nacht!“

„Na gut, dann schlaf!“ knurrte Udo ärgerlich.

Trotz bleierner Müdigkeit dauerte es noch eine ganze Weile bis sie endlich schlafen konnte.


Ruth ließ das Geschehen in Gedanken Revue passieren, denn wäre ihr Ehemann klüger gewesen, hätte er es nicht so weit kommen lassen. Aber in Roberts egoistischem Denken war kein Platz für andere Menschen. Den wenigen Raum in seinem Gehirn hatte er immer mit Alkohol zugeschüttet, und sich dann noch selbst bemitleidet, weil er danach unter seinen schrecklichen Kater-Problemen zu leiden hatte. Ruths Rat, doch das, was er ja offenbar nicht vertrug, nämlich den Alkohol, einfach aus dem Körper zu lassen, hatte er natürlich ignoriert.

Stattdessen hatte er seiner Frau die Aufgabe des Versorgers der Familie überlassen, ja sogar akzeptiert, dass sie sich prostituierte. Er hatte es sich bequem gemacht und sich auf ihre Kosten ausgelebt und ausgetobt. Dabei hatte er nicht davor zurückgeschreckt, mit brutalen Attacken gegen Ruth vorzugehen, wenn sie sich auflehnte und nicht nach seiner Pfeife tanzte. Oft hatte Ruth sich bei den Kindern verkriechen müssen, was sie vor Prügel bewahrt hatte.

Zweimal, in zwölf Jahren, hatte Ruth ihren Mann verlassen. Einmal hatte sie es sogar bis zur Scheidung durchgehalten, war aber immer wieder zurückgekehrt, hauptsächlich wegen der beiden Kinder. Daran war auch die ständige Ermahnung ihrer Mutter nicht ganz unschuldig, die ihr immer vorgehalten hatte: denk an deine Kinder, die brauchen einen Vater. Diese mütterliche Einstellung war auch der Grund, warum Ruth sich davor scheute, jetzt ihre Mutter zu besuchen, weil sie die Ermahnung nicht mehr hören wollte. Roberts Mutter war das krasse Gegenteil, da sie ihren Sohn gut genug kannte, und das Fiasko seiner Ehe hautnah miterlebt hatte, hatte die Schwiegermutter immer auf Ruths Seite gestanden, denn schließlich hatten sie all die Ehejahre, mit Roberts Eltern, Tür an Tür gewohnt,

Das Maß des Erträglichen war mit Roberts Besuch in einem Pärchen-Club überschritten, wobei er sogar die Begleitung ihrer besten Freundin benutzt, und sich Ruths Zustimmung regelrecht erpresst hatte.

Als Ruth dann Udo getroffen hatte, den sie flüchtig aus ihrer ehemaligen Milieuzeit kannte, war aus einem Disco-Flirt Liebe geworden, weil Udos liebevolle Aufmerksamkeit und seine Weltgewandtheit sie fasziniert hatte. Dabei hatte Ruth den ehemaligen Croupier erst gar nicht gemocht, sondern Udo als arrogant und versnobt empfunden, obwohl sie kein Wort mit ihm gewechselt hatte, wenn er mit ernster Miene an der Bar des Lokals, Bijou, stand. Auch war ihr damals gar nicht aufgefallen, welch attraktiver Mann ihr da Visavis stand. Dunkles, fast schwarzes, kurzgeschnittenes Haar, große dunkelbraune Augen unter buschigen Brauen, eine gerade Nase in dem schmalen Gesicht, und ein auffallend voller Mund, mit einem schmalen Schnurrbart darüber, bildeten ein Gesamtbild, das durch seine große, schlanke Gestalt, und seine elegante Kleidung Seriosität vortäuschte. Obwohl Udo fünf Jahre jünger war, war er ein ganzer Mann. Ruth hatte gleich gemerkt, dass Udo sie, mit seinem unerschütterlichen Selbstvertrauen, beschützen und leiten konnte, sodass sie sicher war, an seiner Seite die Erfüllung und Zufriedenheit zu finden, die sie immer vergeblich gesucht hatte. Vielleicht würde seine Liebe ihre geheime Sehnsucht verscheuchen, die sie seit einem Kindheitserlebnis hatte, sich selbst aber nicht eingestehen wollte. Ganz in seiner dominanten Art hatte Udo ihr erklärt, dass er mit ihr zusammenbleiben wolle, weil sie füreinander bestimmt seien. Ruths Einverständnis voraussetzend, hatte Udo dann konsequent seine Partnerin und Ruths Ehemann vor vollendete Tatsachen gestellt, und den Beiden die Trennung bekannt gegeben.


Nicht nur Udos schnarchen, sondern hauptsächlich die Ungewissheit, wie sie ihre neue Situation meistern konnten, hielt sie lange wach, bis sie endlich in einen unruhigen Schlaf fiel.

„He du, Schlampe, steh auf, es reicht jetzt! Du hast hier lange genug die Luft verpestet. Verschwinde endlich!“

riss sie die wütende Beschimpfung der Gastgeberin aus ihren wüsten Träumen.

„Halt dein freches Maul, Manuela, sonst stopf ich es dir!“ fuhr Udo zornig aus seinem Schlaf hoch. „Los, mach Kaffee!“ befahl er.

Die Drohung rief ein unangenehmes Gefühl in Ruth wach, kannte sie das doch zu gut von ihrem Mann, sich mit Gewaltandrohung durchzusetzen. Aber war das in diesem Fall nicht nur, weil Udo sie vor den Angriffen der Rivalin schützen wollte? Sicher meinte er das nicht ernst, wäre er nicht wirklich Handgreiflich geworden?

Tatsächlich verzog sich die Freche in die Küche und man konnte sie dort rumoren hören.

„Willst du zuerst ins Bad gehen, Schatz?“ fragte Udo, während er sie liebevoll küsste. Sie nickte und verschwand schnell ins Badezimmer.

Allerdings fand sie das Handtuch zu schmutzig und unappetitlich, deshalb ging sie noch einmal zurück und bat: „Udo ich brauche ein frisches Handtuch, hast du mal eins für mich?“

Voller Ironie rief Manuela aus der Küche: „Ach Gottchen, Madame braucht ein frisches Handtuch! Sonst noch Wünsche? Wenn dir das nicht gut genug ist, was da hängt, dann wasch dich gefälligst zu Hause. Na Bravo, Udo, da hast du dir aber ein feines Zierpüppchen eingefangen. Hoffentlich kann die wenigstens kochen, oder ist sie da auch zu fein für?“

„Halt die Schnauze, Manuela! Warte, Schatz, ich hol dir eins!“ Zeigte Udo Verständnis und brachte ihr das Gewünschte. „Mach möglichst schnell, damit wir hier raus kommen. Dann kann sie in der Bude hausen wie sie will. Ich kann das alles hier schon lange nicht mehr sehen!“

Ruth begnügte sich mit einer kurzen Katzenwäsche, denn auch sie wollte dieses ungastliche Haus schnellstens verlassen.

Als sie aus dem Bad kam schlug ihr köstlicher Kaffeeduft entgegen, und Udo hielt ihr eine Tasse des dampfenden Getränks entgegen.

„Setz dich und trink in Ruhe den Kaffee, ich mach mich kurz frisch. Und du, Manuela, lass die Ruth in Ruhe, sonst werde ich kotzsauer, verstanden?“ befahl Udo energisch.

Siedendheiß fiel ihr ein, dass sie arbeiten musste. Mit einem Blick auf die Uhr, machte sie ihren Liebsten auf ihre Pflicht aufmerksam: „Ich muss arbeiten, Udo. Es ist schon viel zu spät, ich muss mich beeilen. Was machst du denn jetzt? Soll ich dich irgendwo hinbringen?“

Udo schüttelte den Kopf, entschied: „Nein, für mich ist es noch zu früh. Aber fahr du ruhig, dann pack ich schon mal ein paar Sachen zusammen, und geh anschließend ins Sportcafe. Da kannst du mich abholen. Was denkst du, wann du da sein wirst?“

„Ich weiß nicht, vielleicht fahre ich mal direkt nach der Arbeit zur Beate, und frage wegen dem Gästezimmer? Ich denke, das ist sinnvoll. Dann muss ich ja auch noch ein paar Sachen von zu Hause holen, schließlich muss ich auch was zum umziehen haben.“ Überlegte sie.

Udo nickte: „Ja, mach das mal mit der Beate klar. Das wäre natürlich eine gute und schnelle Lösung. Aber ich will nicht dass du alleine in eure Wohnung fährst. Da komme ich besser mit. Wer weiß was für Unfug deinem Mann einfällt. Dann machen wir das anschließend zusammen, wenn du mich abgeholt hast. Also ich bin im Cafe. Bis später!“

Mit Mühe und Not hatte Ruth es mit leichter Verspätung geschafft ihre übliche Tagesarbeit zu bewältigen.

Sie war als Werbeleiterin in einer großen Fassadenfirma beschäftigt, hatte dafür zu sorgen, dass Adressmaterial von Kunden reingeholt wurde. Dazu fuhr sie Werbedamen in Wohngebiete, die dann von Tür zu Tür gingen und für die Fassadenverkleidungen warben.

Als sie anschließend ins Büro kam lief sie ihrem Chef über den Weg, der sie gleich mit der Frage stoppte: „Sag mal Ruth, wo ist denn dein Mann? Die Putzkolonne musste ohne ihn raus fahren. Wenn der krank ist, musst du wenigstens Bescheid sagen. So geht das nicht!“

In ihrer Überraschung erwiderte sie wahrheitsgetreu: „Ich weiß nicht ob er krank ist. Ich war nicht zu Hause.“

Bert stutzte, wunderte sich: „Wieso? Schläfst du woanders, nicht zu Hause? Oder seit wann lebt ihr neuerdings getrennt?“

„Seit gestern, Chef! So, reicht diese Auskunft? Ich bin eilig, muss mir ne neue Wohnung suchen.“ Rief sie ihm im Hinausgehen zu.

Ruth war auf direktem Weg zur Wuppertalerstraße gefahren, traf aber ihre Freundin nicht an. Nach kurzer Überlegung fuhr sie nach Hause um sich einige Kleidungsstücke einzupacken.

Zu ihrer Erleichterung waren weder Robert noch die Kinder zu Hause. Sie nutzte die Gelegenheit schnell zu duschen und eine große Reisetasche zu packen. Bevor sie die Wohnung verließ wählte sie noch Beates Telefonnummer, ohne Erfolg. Dann machte sie sich auf den Weg zum Sportcafe.

Es war schon später Nachmittag, als sie endlich die Tür zu dem Billardsaal öffnete.

Eine laute Diskussion übertönte sogar das klappern der Billardkugeln. Wie gebannt blieb sie an der Tür stehen.

Ihr Liebster stritt sich laut mit einem hageren, dunkelhaarigen Mann, sie brüllten sich an. Sie hörte gerade noch dass Udos Gegner schrie: „Du bist ein Schwein, die Manuela jetzt, mit dem Säugling, sitzen zu lassen. Und ihr dann noch die Pfandscheine abzunehmen. Wovon soll sie denn leben, ohne Arbeit? Vor allen Dingen, wie soll sie denn das Kind ernähren? Pfui Teufel, du bist nicht mehr mein Freund Udo!“

Udo lachte laut, erwiderte ironisch: „Freu dich doch, Wolfram! Das ist doch die Gelegenheit, auf die du schon so lange gewartet hast. Jetzt kannst du sie haben und ihr beweisen, dass du der Bessere bist. Viel Spaß!“

Außer Ruth, schien sich keiner der Anwesenden dafür zu interessieren. Die Männer widmeten sich ihrem Spiel, als sei rings herum alles normal.

Welch seltsame Gesellschaft. Waren diese Leute so gleichgültig oder taub?

Als Udo sie sah, winkte er ihr zu, während er seinem Gegner einfach den Rücken zuwandte.

Ruth fühlte förmlich den kritischen Blick, mit dem dieser Wolfram ihre Schritte verfolgte, ohne dass sie ihn ansah.

Als der Mann auf sie zusteuerte, stellte sich Udo dem Gegner in den Weg und sagte drohend: „Wage es nicht, Wolfram! Verzieh dich, oder dein zweiter Arm geht auch zu Bruch!“

Wenn sie geglaubt hatte, aufgrund dieser Drohung würde sich Jemand einmischen, hatte sie sich getäuscht, lediglich allgemeines Gelächter war die Reaktion. Statt Hilfe oder Vermittlung erfüllte reine Schadenfreude den Raum.

Tatsächlich wich dieser Wolfram plötzlich zurück, und schlich, wie ein geprügelter Hund, hinaus.

„Wer war das denn? Und wie hast du das mit dem Arm gemeint? Was war denn mit seinem Arm?“ fragte Ruth neugierig.

Udo winkte ab: „Unwichtig. Erklär ich dir ein anderes Mal. Wieso bist du umgezogen? Warst du doch in deiner Wohnung anstatt bei der Beate?“ verlangte er hart eine Erklärung.

„Ja, sicher. Die Beate war nicht zu Hause, da hab ich die Zeit genutzt ein paar Sachen zu holen und außerdem musste ich mich umziehen und duschen. Aber ich rufe die Beate gleich mal an. Kann ich hier telefonieren?“ berichtete sie.

Ärgerlich knurrte Udo: „Du solltest doch nicht alleine in eure Wohnung gehen. Habe ich dir das nicht extra gesagt? Wieso hörst du nicht auf mich? Das musst du dir aber ganz schnell abgewöhnen, mein Fräulein. Auf solche Alleingänge stehe ich absolut nicht. Wer weiß, was deinem Mann alles einfällt, wenn du mit ihm alleine bist?“

„Aber er war doch gar nicht zu Hause. Auch die Kinder nicht, was soll mir denn passieren?“ widersprach sie.

„Dann hast du mal Glück gehabt. Es hätte auch anders sein können, schließlich war er gestern total aggressiv. Also tu demnächst was ich dir sage, ich weiß schon warum ich voraus denke!“ erwiderte er im Befehlston. „So, und jetzt ruf endlich die Beate an, schließlich müssen wir eine Bleibe haben, bis wir eine Wohnung gefunden haben.“

„Da hast du aber Glück gehabt, dass du mich erwischt hast. Ich hole nur ein paar Sachen, bin dann gleich wieder weg.“ Kam es hastig aus dem Hörer. „Was gibt es denn? Was Besonderes? Oder kann ich dich morgen zurückrufen?“

„Nein, warte bitte, was bist du denn so eilig? Ich brauche eine Unterkunft. Ich hab mich von Robert getrennt, kann ich dein Gästezimmer haben? Nur bis wir eine Wohnung gefunden haben?“ erklärte Ruth schnell, in ihrer Sorge, dass Beate das Gespräch beendete.

„Nein? Echt? Ja klar könnt ihr hier schlafen. Du fragst doch sicher nicht für dich alleine? Ja, wie machen wir das denn jetzt? Hm, also ich lege dir den Schlüssel unter die Matte vom kleinen Häuschen. Oder, nein, besser unter meine Matte vor der Eingangstür. Klingel bei den Italienern, ich sag denen kurz Bescheid. In Ordnung? Alles Weitere besprechen wir später. Wenn du in meiner Wohnung bist kann ich dich ja da anrufen. Also, bis dann.“ Sagte sie und die Leitung war tot.


Beate war Ruths Freundin aus Jugendtagen, mit der sie schon die Schulbank gedrückt hatte, und die in der gleichen Straße gewohnt hatte. Auch später hatten sich die Freundinnen nicht aus den Augen verloren, trotz unterschiedlicher Lebenswege, waren sie immer locker in Verbindung geblieben. Sogar Beates Mutter, zu der Ruth nie einen besonders herzlichen Draht gehabt hatte, war Ruth behilflich gewesen, indem sie ihr Räume vermietet hatte, und Ruth erlaubt hatte, in ihrem Mietshaus, ein „horizontales Gewerbe“ auszuüben. Obwohl Beate sich eine Zeitlang, auch im gleichen Haus, in diesem Gewerbe betätigte, und für Ruths Geschäft Konkurrenz gewesen war, hatte es ihrer Freundschaft nicht wirklich geschadet.

Deshalb war die Freundin Ruths erster Gedanke gewesen, als sie eine vorübergehende Bleibe gesucht hatte, denn Beates Wohnung wurde nur zeitweilig von dieser benutzt, weil Beate meist bei einem Freund wohnte. Ruth hatte an der Zusage ihrer Freundin keine Sekunde gezweifelt.

Anschließend wählte Ruth Roberts Rufnummer, und als er sich meldete, erklärte sie ihm energisch: „Ich bin´s, ich war heute Mittag in der Wohnung, um mit dir zu sprechen, aber ich hab dich ja nicht angetroffen. Also hör mir zu, ich wohne momentan bei der Beate, im Gästezimmer. Sobald ich eine Wohnung gefunden habe, hole ich die Kinder zu mir. Solange musst du dich um sie kümmern. Das ist ja kein Problem für dich, das hatten wir ja schon einmal. Ich melde mich, sobald ich eine Wohnung habe.“

„Halt, halt, meine liebe Dame, so einfach kannst du es dir nicht machen!“ stoppte Robert ihre Darstellung.

„Erstens entscheidest du das nicht alleine, und zweitens bin ich sowieso nicht damit einverstanden, dass du mir beide Kinder wegnimmst. Drittens besprechen wir das Ganze in Ruhe und nicht am Telefon!“ sagte er bestimmt und legte den Hörer auf.

Verdattert starrte sie auf das Telefon, bis eine Stimme hinter ihr fragte: „Fertig? Oder hast du noch mehr Quasselbedarf?“

Sie sah den kleinen grinsenden Mann an, musste sich zur Ruhe zwingen als sie antwortete: „Nein Teddy, danke, ich bin fertig!“

„Kaffee?“ fragte er und sie nickte Gedankenverloren.

Udo ließ sich noch lange Zeit seinen Spieltrieb zu befriedigen, während sie vor Müdigkeit kaum noch die Augen offen halten konnte.

Endlich gegen neun Uhr abends war er bereit zu ihrem neuen Heim zu fahren.

Trotz bleierner Müdigkeit bezog sie schnell noch das Bett frisch, räumte ihre Sachen in den schmalen Schrank, während Udo im Wohnzimmer fern sah.

Mit einer heißen Liebesstunde hielt er sie noch bis Mitternacht wach, bis sie endlich erschöpft einschlafen konnte.

Scharfe Klingen (-Stadt)

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