Читать книгу Scharfe Klingen (-Stadt) - Ruth Broucq - Страница 9
Unter ständiger Beobachtung
ОглавлениеUdo war begeistert, freute sich: „Super, ich wollte schon lange mal nach Berlin. Schade, dass ich nicht gleich mit dir nach Nürnberg kommen kann, mit so einem heißen Schlitten wäre ich auch gerne mal gefahren. Wie ich dich beneide, mit einer Corvette über die Autobahn zischen, toll! Ich verstehe dich nicht, dass du da noch meckerst. Berlin ist doch ne tolle Abwechslung. Ich freue mich!“
„Aber dadurch erübrigt sich vorerst unsere Wohnungssuche, sodass ich mir die Anrufe sparen kann. Das ärgert mich, schließlich ist unser Aufenthalt hier nur eine Notlösung, die ich so schnell wie möglich beenden wollte. Außerdem kann ich nicht zischen, wie du dich ausdrückst. Ich muss durch die Ostzone fahren, da gibt es bestimmt Geschwindigkeitsbegrenzung. Und mit den Brüdern von der Volkspolizei ist nämlich nicht zu spaßen.“ Maulte Ruth wenig begeistert.
„Ach Quatsch, das wird doch alles übertrieben.“ War Udo überzeugt. „Und die Wohnung kann doch noch ein paar Wochen warten, wenn wir doch sowieso nicht hier sind, stört uns die Notlösung doch nicht.“
Warum sollte Ruth ihm widersprechen? Er hatte mal wieder in Allem Recht. Dass der Norbert übertrieb war auch möglich, vermutlich weil er auch keine Lust hatte, für Meier den Botenjungen zu spielen, darum hatte er ihr vielleicht eine Räuberpistole erzählt?
Zudem musste Ruth ihrem Udo beipflichten, ein Kurztrip nach Berlin, war doch mal eine Abwechslung, die noch dazu von der Firma bezahlt wurde. Da sie ihren Freund mitnehmen konnte, konnte sie das als einen Ersatz für den verpassten Wochenend-Ausflug sehen. Also, auf nach Berlin.
Als Ruth am nächsten Tag ins Büro kam erlebte sie eine unangenehme Überraschung.
Die Werbedame, Frau Dietze junior, stand ihr strahlend gegenüber.
„Was machen Sie denn hier?“ platzte es Ruth in ihrer Überraschung heraus. Und ihr ablehnender Gesichtsausdruck musste wohl Bände sprechen, denn dieses kleine Luder sagte mit Häme in der Stimme: „Ich komme mit nach Berlin. Ich fliege nachher mit dem Chef.“
„Was? Wozu soll das denn gut sein?“ brachte Ruth mit ihrer Frage ihre negative Meinung zum Ausdruck.
Mit spöttischem Grinsen erwiderte die Dietze dreist: „Damit mal eine Werbedame von hier, den Berlinerinnen verdeutlicht wie Werbung erfolgreich gemacht wird.“
„Und das sollen ausgerechnet Sie denen zeigen? Dazu müssten Sie mal erst Erfolg vorweisen. Bisher habe ich davon nichts gesehen. Oder meinen Sie einen anderen Erfolg? Nicht Kunden-Adressen?“ brachte Ruth brutal die Tatsache auf den Punkt.
„Also Ruth, jetzt lass mal gut sein. Noch entscheide ich hier wer was macht und wo!“ korrigierte der Chef Ruth im Reinkommen.
„Ja, Chef! Was und wo und auch bei wem, kannst du gerne entscheiden. Allerdings muss ich nicht mit Leuten arbeiten, die mir keinen Erfolg bringen. Steht übrigens auch in meinem Arbeits-Vertrag. Dass ich selbst entscheiden kann, wen ich auf meiner Werbefahrt mitnehme. Schau mal rein in den Vertrag, den du ja in Auftrag gegeben hast.“ Hielt Ruth ihm gelassen entgegen.
Sie war so wütend, vor allen Dingen über sich selbst, dass sie dieses kleine nutzlose Luder nicht schon lange wieder entlassen hatte, dass sie sich vornahm, selbiges bald nachzuholen. Tatsächlich hatte Ruth sie schon viel zu lange mitgeschleppt, immer in der Hoffnung, dass sie ja mal irgendwann Erfolge vorweisen würde. Mal wieder wurde ihr ihre Gutmütigkeit zum Stolperstein, darüber ärgerte sie sich am meisten. Denn ihr war schon klar, wofür Meier das junge Hühnchen mit nach Berlin nehmen wollte, dafür kannte sie ihn ja. Er stieg auf Alles was nicht schnell genug auf die Bäume kam. Bei ihr hatte er es mehrmals erfolglos versucht, aber bevor sie mit Bert Meier ins Bett gegangen wäre, wäre sie eher lesbisch geworden. Ruth fand ihn einfach Ekelhaft, diesen dürren Bazi, mit dem unreinen grobporigen, pickeligen Gesicht, der glaubte, aufgrund seines Reichtums, alle Frauen ins Bett zu kriegen.
Was diese kleine Schlampe sich davon versprach konnte Ruth sich denken, aber die Dietze musste mal erst an ihr vorbei kommen, denn schon ganz Andere hatten es nicht geschafft, sie Ruth, auszustechen. Ruth war innerlich so auf Protest gebürstet, dass sie der Dietze am liebsten in ihr dämlich grinsendes Pausbäckchen-Gesicht gespuckt hätte.
„Ruth, hast du nicht gehört? Komm mal in mein Büro!“ maulte Meier lautstark von seiner Tür aus, und riss sie auch ihren düsteren Gedanken.
Zumindest ins Chefbüro folgte ihnen niemand. Als ob er glaubte, ihr eine Erklärung schuldig zu sein, sagte er, wie zu seiner Entschuldigung: „Na ja, du musst sie ja in Berlin nicht mit auf Tour nehmen, ich habe schon eine andere Verwendung für die Bigi, aber das hast du dir sicher schon gedacht.“ Nach eine kurzen Luftpause fuhr er fort: „Also hör zu, du musst, an der Zonengrenze, für das Autotelefon eine Jahreserlaubnis beantragen. Das kostet siebzig Mark, aber du darfst auf gar keinen Fall das Telefon benutzen, während du durch die Ostzone fährst. Auch nicht mal kurz abheben, nur so zum Spaß. Du wirst während der ganzen Strecke immer unter Beobachtung sein, auch wenn du die Vopos nicht siehst. Und glaube mir, die verstehen keinen Spaß. Mich haben die schon in den Knast geworfen, nur weil ich im Auto telefoniert habe. Das ist für die Landes-Spionage. Lach nicht, das meinen die durchaus ernst. Also, du fährst von Hof über die Transitstrecke der DDR nach Westberlin. Direkt in Hof, an der Grenze, sagst du, dass du ein Autotelefon mitführst und dafür die Jahresgenehmigung beantragen möchtest. Dann gehst du mit in das Zollhaus und bezahlst. Die stellen dir das Formular aus, keine Angst, solange du denen Geld bringst, Westmark, sind die freundlich. Also hier sind die Autopapiere und dreihundert Mark Reisegeld, die Adresse von meinem Apartment auf dem Kudamm, und sobald du in der westlichen Zone bist, kannst du auch telefonieren. Aber ich rufe dich sowieso an, sobald du bei DETEWE raus gefahren bist. Schon um die Funktion des Telefons zu testen. Hast du alles verstanden? Dann fährt der Toni dich gleich zum Flughafen.“
Ruths Fahrt wurde in Nürnberg unerwartet unterbrochen, weil die Firma DETWE mit dem Telefoneinbau noch nicht fertig war.
Da ihr die Aushändigung des Fahrzeugs auf den nächsten Vormittag versprochen wurde, blieb Ruth nichts anderes übrig, als in Nürnberg zu übernachten.
„Ist ja kein Problem“, sagte Meier am Telefon. „Geh halt in ein Hotel für die eine Nacht. Mit dem Geld solltest du auskommen. Wenn nicht, strecke den Rest vor, das gebe ich dir dann morgen zurück. Ich habe übrigens deinem Udo dreihundert Mark gegeben und für morgen Mittag einen Flug nach Berlin gebucht. Auch das sollte klappen. Also melde dich morgen, wenn du den Wagen hast.“
Die Fahrt durch die Zone war sehr bedrückend. Der ganze Eindruck sehr deprimierend. Nicht nur der Hubschrauber, der während der gesamten Strecke über ihr kreiste, auch die kahle Landschaft und die harte Betonpiste der DDR-Autobahn vermittelten auf dieser Fahrt, ein trostloses Bild. Dabei wurde Ruth bewusst, welch ein niederschmetterndes Flair dieses Land ausstrahlte. Zum ersten Mal dachte sie über die Menschen nach, die in diesem Land gefangen waren, ja gefangen war die einzige Bezeichnung, gefangen hinter dem „eisernen Vorhang“! Wie glücklich konnten die „Westdeutschen“ sein, dass sie nicht das Pech hatten, im Osten dieses Landes zu leben. Dass sie das Glück gehabt hatten, dass ihre Familien im Westen Deutschlands das Ende des zweiten Weltkrieges erlebt hatten, und nicht im Osten.
Die schwerbewaffneten Grenzer der DDR wirkten bedrohlich und steif, keinerlei Freundlichkeit lag in ihren Gesichtszügen, obwohl sie Ruth höflich aufforderten, mit in das Zollhaus zu kommen, nachdem sie ihr Anliegen vorgetragen hatte. Aber die Maschinenpistolen griffbereit, locker über der Schulter hängend, drückten so viel Bedrohung aus, dass es ihr ein flaues Magenbrummeln bescherte. Auch der Beamte, der das Formular ausstellte und ihr aushändigte, nachdem er das Geld kassiert hatte, verzog keine Miene, geschweige denn die Andeutung eines Lächelns lockerte seine Mimik. Dennoch unterstützten die Beamten mit den Worten „Bitte“ und „Danke“ ihre Ansagen, aber es hörte sich in dieser harten Form wie leblos an, obwohl es im Ostdeutschen Dialekt sonderbar klang. Innerlich fror Ruth in dem Gebäude und war froh es wieder verlassen zu können. Der kalte Dienstraum des Zollhauses erschien ihr ein Vorgeschmack auf die Zellen in deren Gefängnissen zu sein. Im Nachhinein empfand Ruth Mitleid mit Bert Meier, dass er in einem Ost-Gefängnis eine Nacht hatte verbringen müssen, nur weil er telefoniert hatte. Sicher würde Ruth das Telefon auf gar keinen Fall auch nur anfassen, geschweige denn telefonieren. Obwohl sie es als eine dreiste Abzocke ansah, dass die DDR- Behörde nur für das Durchfahren mit einem Telefon-Gerät was man nicht benutzen durfte, Geld verlangte. Aber mit dem Knast wollte Ruth keinesfalls Bekanntschaft machen, deshalb kommentierte sie es nicht.
Natürlich fuhr sie in gesittetem Tempo die Transitstrecke nach Berlin, und da sie sich Zeit lassen konnte, kehrte sie in jeder der drei Raststätten ein, um einen Kaffee zu trinken. Der Kaffee schmeckte genauso fad wie die trostlose Kälte dieses Landes es schon erahnen ließ.
Nach langer Fahrt erreichte Ruth endlich die Grenze zwischen Ost- und Westberlin. Bis zu den letzten Kontrollen blieb das unangenehme Gefühl im Magen.
Sie atmete erleichtert auf, als sie den Osten hinter sich gelassen hatte.
Telefonisch orderte Meier Ruth zu einem Cafe in der Berliner Innenstadt, ganz in der Nähe des Kudamms. Direkt vor dem Gebäude fand sie einen freien Platz in einer Parkbucht. Als Ruth den Raum betrat strahlte ihr die kleine pausbäckige Dietze entgegen. Allein ihre Art alle Menschen über einen Kamm zu scheren, mit der Ansicht, ihr lächelnder Augenaufschlag zöge bei Jedem, fand Ruth doof, deshalb verzog Ruth keine Miene, und ignorierte die Aufdringliche.
„Entschuldigung, aber als erstes muss ich mal zur Toilette, danach können wir die Übergabe machen.“ Entschuldigte Ruth sich und verschwand ohne eine Antwort abzuwarten.
Als Ruth am Waschbecken stand kam die Werbedame herein, stellte sich neben sie und fragte: „Sie sind doch nicht böse auf mich, Frau Woods? Meine Beziehung mit dem Chef stört Sie doch nicht? Ich nehme Ihnen ja schließlich nichts weg, oder?“
Genervt erklärte Ruth ihr: „Wie kommen Sie auf solchen Blödsinn? Mit wem Sie bumsen ist mir doch egal, auch mit wem der Meier in die Kiste steigt. Ich will ihn bestimmt nicht haben. Und Sie müssen das mit Ihrem Gewissen vereinbaren, wenn Sie ihren Mann betrügen. Solange es unserer Arbeit nicht schadet werde ich mich da mit Sicherheit nicht einmischen. Ich gönne Jedem den Spaß den er sich erlauben kann.“
„Ach ich finde den Bert so nett, auch wenn er optisch kein schöner Mann ist, aber er ist lieb und sehr großzügig, das genieße ich im Moment. Stellen Sie sich vor, er wollte mir sogar Kleider kaufen. Schade dass ich die nicht annehmen kann, sonst hätte der mich heute Morgen komplett neu eingekleidet. Ein lieber Mann ist er.“ Schwärmte sie mit verklärtem Lächeln.
„Warum haben Sie denn nicht zugeschlagen, wenn der Sie unbedingt beschenken wollte? Für so dumm hätte ich Sie aber nicht gehalten, Frau Dietze.“ Verstand Ruth deren Ablehnung nicht. Ob sie nur aufschnitt? Ruth zweifelte an dem Bericht.
„Nein, das konnte ich doch nicht annehmen. Wie soll ich das denn meinem Mann erklären, wenn ich mit neuen Klamotten nach Hause komme? Hat mir in der Seele wehgetan, aber die Vernunft hat gesiegt!“
„Quatsch!“ widersprach Ruth der Dummen. „Dass Sie keine Ausrede gefunden hätten, kann ich nicht glauben. Sie hätten doch sagen können, die Sachen wären Geschenke von mir, Kleider die mir zu klein geworden sind.“
„So teure Sachen? Nein, der dümmste Mann hätte die Qualität nicht übersehen können und auch nicht, dass die Kleider neu sind. Tja, wie gesagt, schade.“ Sagte sie traurig.
Ruth schüttelte den Kopf, war überzeugt: „Zum Beispiel hätten Sie ihm was von Sonder-Prämien erzählen können, Sie hätten schon eine Erklärung gefunden. Aber gut, wenn Sie sich lieber umsonst rammeln lassen, das ist Ihre Sache. Ich könnte das nicht. Na ja, Jedem wie er es mag. Grr.“ Schüttelte Ruth sich bei der Vorstellung mit Meier im Bett zu liegen.
Verständnislos sah die Kleine Ruth an und sagte ernsthaft: „Ich genieße ihn, er ist ein toller Liebhaber, einfühlsam und zärtlich, ausdauernd und trotzdem rücksichtsvoll. Er ist einfach unglaublich, viel aufmerksamer als mein Mann. Ob Sie das glauben oder nicht, ich bin verliebt, und werde ihn festhalten!“
>Dann hoffe ich nur, dass du dich nicht blanko rammeln lässt, sonst besteht vermutlich Tripper-Gefahr< dachte Ruth skeptisch.
Innerlich amüsierte sich Ruth über deren Glauben, denn Ruth war nicht von der Beständigkeit dieser Beziehung so überzeugt wie die naive Dietze.
„Abwarten.“ Sagte Ruth nur.
Meier nahm die Autopapiere und –schlüssel entgegen, und reichte Ruth ein Schlüsselbund mit den Worten: „Das Apartment ist gleich um die Ecke, Hausnummer 36, in der zweiten Etage rechts, es ist frisch gereinigt, Bettwäsche und Handtücher sind auch frisch, nur im Kühlschrank wird nichts mehr sein. Aber einkaufen musst du ja eh für euch. Ach ja, dein Udo kommt mit der Maschine am frühen Abend. Ich denke er wird sich ein Taxi nehmen, die Adresse hat er. Richte dich mal erst ein, wir starten dann morgen mit der Werbung. Am besten treffen wir uns morgen früh um acht Uhr hier, dann fahren wir gemeinsam zur Firma. Alles weitere dann morgen.“
Sein Angebot noch etwas zu trinken lehnte Ruth ab, sie wollte auf längeren Anblick der „Frau Strahlemann“ lieber verzichten.
Das Apartment war klein aber fein, alles strahlte Frische aus und der Blick aus dem Fenster gab das bunte Leben auf dem Kurfürstendamm frei, ohne dementsprechende Geräuschkulisse. Ein gut isoliertes Haus, zum Glück. Also war eine Belästigung durch Straßengeräusche nicht zu erwarten.
Dank Udo hätte Ruth allerdings sowieso kein Ohr für etwas anderes als ihn gehabt, denn er wusste sie zu beschäftigen. Entweder mit ausdauernden und ausschweifenden Liebesspielen, oder außer Haus mit Kneipenbummel und Casinobesuchen. Udo war in allem aktiv und unersättlich, er ließ Ruth keine Zeit für andere Dinge.
Während ihr Freund genüsslich ausschlafen konnte, musste Ruth sich aus den Federn quälen und mit den Berlinerinnen auf Werbetour gehen. Ruth konnte feststellen dass die Frauen sich wirklich alle erdenkliche Mühe gaben, den Berliner Hausbesitzern unser Produkt anzupreisen, aber überall stießen sie auf Desinteresse. Was Ruth schon nach dem ersten erfolglosen Tag hasste, war der ewig gleiche Spruch, mit dem sie von den Berlinern begrüßt wurden; nämlich mit der Frage: „Kommt ihr aus Westdeutschland?“
Anfangs nahm Ruth es noch gelassen, mit Nachsicht, aber schon bald reagierte sie negativ, fast aggressiv, auf diese dumme Frage, mit der Antwort: „Wieso, ist hier Ostdeutschland? Ich dachte hier sei West-Berlin!“
Als Ruth sich darüber ärgerlich äußerte, erklärten die Berliner Werbedamen, dass es an den Umfragelisten läge, dass man Werbern mit solch ausgeprägtem Misstrauen entgegenkam, weil man mit den Leuten aus dem Westen des Deutschlands sehr schlechte Erfahrungen gemacht habe.
„Nein Bert, so kann man nicht arbeiten. Es liegt wirklich nicht an den Werbedamen, es liegt ganz einfach an der Skepsis der Berliner Hausbesitzer. Die lassen uns nicht einmal ausreden, die knallen uns die Türen einfach vor der Nase zu, ohne eine Erklärung angehört zu haben. Unsere Art der Werbung mit den Umfraglisten kannst du hier in Berlin vergessen. Geht nicht!“ erklärte Ruth nach drei Tagen erfolgloser Lauferei ihrem Chef.
„Die Biggi meint, ob sie vielleicht mal mitgehen soll?“ schlug Meier vor.
Ruth fuhr hoch wie von der Tarantel gestochen: „Was? Hat die nen Knall? Ich glaub es ja nicht! In unserer Gegend hat die nicht eine einzige Adresse rein gebracht, und dann besitzt diese Krampe die Frechheit, sich als Retterin anzubieten und mir somit Unfähigkeit zu unterstellen? Ja- schick sie mal los, mal sehen, an wie vielen Türen die sich den Korb einfängt, und wie lange es dauert, bis die das Handtuch wirft. Unglaublich dieses unverschämte Frauenzimmer! Was nimmt die sich raus, nur weil sie dem Chef das Bett anwärmt? So eine Dreistigkeit!“ schimpfte sie zornig, und ließ Meier stehen wie einen dummen Jungen.
Im Stillen dachte sie: diese kleine Schlampe soll mal warten bis wir wieder in unserer Gegend sind. Dann zeig ich ihr mal, wo ihr Weg zu Ende ist.
Danach war Ruth wütend zu Udo gerannt, hoffte bei ihrem Freund wieder Ruhe zu finden und von dem ganzen Ärger abgelenkt zu werden.
Aber anstatt einem netten gemütlichen Abend zu Hause schleppte Udo sie wieder durch die Kneipen und zum Schluss ins Spielcasino, und natürlich verlor er alles Geld, was er in der Tasche hatte.
Als Ruth sich weigerte, ihm noch das Geld aus ihrer Tasche zu geben, sagte er: „ Am besten fahren wir nach Hause. Was sollen wir noch hier? Hier kommen wir keinen Schritt weiter, hier können wir kein Geld verdienen. Wir können keine Aufträge schreiben, deine Werbung läuft nicht und zu Hause ruht die Werbung obwohl wir da tausend Möglichkeiten haben. Da sind sogar noch Adressen vorhanden. Also warum fahren wir nicht einfach nach Hause? Oder willst du unbedingt hier bleiben?“
Und weil du alles verzockt hast, können wir nicht einmal mehr Essen gehen, dachte Ruth ärgerlich, stimmte aber zu: „Ich? Ich wollte nie nach Berlin. Aber du hast Recht, ich will auch so schnell als möglich hier weg!“
„Dann lass uns den nächsten Zug nehmen. Komm, wir hauen einfach ab, wir holen unsere Sachen und fahren mit dem Nachtzug, im Schlafwagen nach Hause.“ Sagte Udo kurz entschlossen.
Eine Stunde später fuhren die Beiden durch die stockfinstere Ostzone Richtung Westen.