Читать книгу Wechselgeld für einen Kuss - Ruth Gogoll - Страница 10
7
Оглавление»Ja, mache ich sofort.« Nicola nickte.
Dorothea Wrede zur Mühlen, Nicolas Chefin, warf einen argwöhnischen Blick auf sie. »Und dann den hinteren Teil«, fügte sie ihrer vorherigen Anweisung noch hinzu.
Als ob ich silberne Löffel stehlen würde, dachte Nicola genervt. Und dabei gibt es hier gar keine.
Dorothea Wrede zur Mühlen war eine jener Frauen, die gar nicht arbeiten mussten, es aber unbedingt wollten, jedoch auf Teufel komm raus nicht konnten. Deshalb hatte Frau Wrede zur Mühlen Nicola eingestellt, die durchaus wusste, was arbeiten war und wie man es machte.
Da die hochwohlgeborene Dorothea davon aber keine Ahnung hatte, meinte sie immer noch, dass Nicola sich vor der Arbeit drückte und mehr hätte arbeiten können, wenn sie nur gewollt hätte. Insbesondere seit Nicola sich hatte krankmelden müssen. Vermutlich hatte die schöne Dorothea – sie war nicht schön, aber dafür hielt sie sich – den Verdacht, dass Nicola gar nicht krank gewesen war, sondern sich stattdessen einen kleinen Urlaub auf den Malediven auf Kosten ihrer Arbeitgeberin gegönnt hatte.
Wie gern ich das getan hätte, seufzte Nicola innerlich. Urlaub könnte ich wirklich gebrauchen. Sie hatte sich kaum von dem Virus erholt gehabt, da war sie schon wieder zur Arbeit gegangen, sie wusste selbst nicht genau, warum. Vermutlich war sie einfach arbeitssüchtig. Oder masochistisch. Das musste man sein bei einer Chefin wie Dorothea Wrede zur Mühlen.
Obwohl sie eigentlich als Verkäuferin eingestellt worden war und deshalb vorn im Laden sein sollte, schickte Dorothea sie oft nach hinten, ließ sie putzen und sortieren, Regale einräumen und ausräumen und wieder einräumen, als ob sie nichts als eine Handlangerin wäre. Ihre Kundinnen – oft Freundinnen von ihr aus den gleichen Kreisen, in denen sie privat verkehrte – bediente Dorothea am liebsten selbst, obwohl sie nichts davon verstand.
Schon öfter hatte sie zudem durchblicken lassen, dass Nicola die Kleider aus dem Laden tragen sollte, quasi als Vorführmannequin, um den Damen den richtigen Eindruck zu vermitteln, und das hätte Nicola ja auch gern getan, aber leider ging Frau Wrede zur Mühlen davon aus, dass Nicola sie dafür zuerst kaufen müsste. Was Nicola sich nicht leisten konnte, denn die Preise begannen oberhalb ihres Gehaltsniveaus.
»Frau Harnoncourt! Wo sind Sie denn schon wieder?« Dorotheas schrille Stimme fing sich hinten im Lager.
»Du hast mich doch gerade erst hier hingeschickt.« Aufseufzend ließ Nicola den Pullover, den man auch als Abendkleid hätte tragen können – zumindest wenn man vom Preis ausging –, im Karton, und begab sich wieder nach vorn.
Sie hatte schon manchmal den Verdacht gehabt, dass Dorothea sie nur wegen ihres wohlklingenden Namens eingestellt hatte, den sie dann durch den Laden rufen und damit Eindruck schinden konnte. Hätte Nicola einfach nur Müller oder Schmidt geheißen, hätte sie das vielleicht nicht so oft getan. Oder sie gar nicht erst eingestellt.
»Kundschaft«, empfing Frau Wrede zur Mühlen sie mit einem strafenden Blick. Und von ihrem Tonfall ausgehend schloss Nicola daraus, dass diese Kundin nicht zum engeren Freundeskreis der schönen Dorothea gehörte, da sie sie sonst selbst bedient hätte.
»Ja, selbstverständlich«, sagte Nicola. »Ich kümmere mich darum.« Wie um alles hier, dachte sie.
Sie ging an einem Ständer mit teuren, dafür aber umso stoffärmeren Blusen vorbei, und erstarrte fast, als sie die ›Kundschaft‹ erkannte.
»Hallo«, sagte Lian.
Ein paar Sekunden lang konnte Nicola nicht reagieren. »Woher weißt du, wo ich arbeite?«, fragte sie dann in scharfem Ton, aber so unterdrückt, dass es fast wie ein Zischen klang. Das fehlte ihr noch, dass Frau Wrede zur Mühlen mitbekam, dass Lian und sie sich kannten.
»Woher weißt du, dass ich nicht gekommen bin, um etwas zu kaufen?«, fragte Lian zurück.
Nicola schürzte die Lippen. »Ich würde sagen, das, was hier verkauft wird«, sie ließ ihren Blick über die Ständer mit exaltierten Kleidern, Blusen und Schuhen gleiten, die sich in krassem Gegensatz zu dem befanden, was Lian trug, »ist nicht so ganz dein Stil.«
»Und wenn es nicht für mich ist?«, fragte Lian. »Ich bin auf der Suche nach einem Geschenk.«
»Ach so.« Warum versetzte ihr das jetzt so einen Stich? Sie kannte Lian doch überhaupt nicht. Sie hatten einmal miteinander zu Abend gegessen, sonst gar nichts. Lians Nummer hatte sie auf ihrem Handy blockiert, weil sie beschlossen hatte, dass es dabei auch bleiben sollte. Warum sie sie nicht gleich gelöscht hatte, darüber machte sie sich lieber keine Gedanken. »Welche Größe hat die Dame?« Nicola lächelte leicht spöttisch. »Wobei ich vielleicht dazusagen sollte, dass alles über Size Zero hier in dem Laden schon als Übergröße gilt.«
»Kann ich mir vorstellen«, sagte Lian. Sie lächelte im Gegensatz zu Nicola freundlich, fast wie um ihr zu zeigen, dass es keinen Grund gab, es nicht zu sein. »Aber die . . . Dame ist ziemlich dünn. Könnte also passen.« Lässig schlenderte sie auf einen Ständer zu und ließ ihre Finger über den Stoff eines Kleides gleiten. »Schön«, sagte sie. »Seide?«
Nicola nickte. »Mit einem Hauch von Bambus. Sehr angenehm im Sommer.«
»Führst du die Kleider auch vor?« Kurz ließ Lian einen Blick über ihre Figur schweifen. »Dir passt es doch auch, oder?«
Schon wollte Nicola diese Zumutung zurückweisen, da erschien plötzlich Dorothea wie aus dem Nichts neben ihnen. »Ist das Ihr Wagen da draußen?«, fragte sie und betrachtete Lian neugierig.
»Stehe ich im Halteverbot?« Nicht wirklich besorgt warf Lian einen Blick zum Schaufenster hinaus.
»Oh nein, nein.« Dorothea war plötzlich die Verbindlichkeit selbst. »Das ist völlig in Ordnung. Ein Bekannter von mir fährt dasselbe Modell. Speziell importiert.«
»Ich weiß«, sagte Lian. Sie lächelte auf eine Art, die anzeigte, dass sie das nicht als etwas Besonderes empfand.
»Sie können wieder nach hinten gehen, Frau Harnoncourt«, warf Dorothea Nicola hin wie einem Hund einen Knochen. »Ich übernehme hier.«
Ist mir mehr als recht, dachte Nicola, drehte sich um, kam aber kaum einen Schritt weit, bevor sie Lian sagen hörte:
»Ich hatte Frau . . . Harnoncourt gerade gefragt, ob sie die Kleider auch vorführt.«
»Sie hat aber nicht dieselbe Größe wie Sie«, protestierte Dorothea ein wenig abwehrend.
»Das Kleid ist ja auch nicht für mich«, erklärte Lian. »Die Dame, für die es gedacht ist, hat so ziemlich dieselbe Größe wie Frau Harnoncourt.«
»Frau Harnoncourt«, hielt Dorothea Nicola widerwillig zurück. »Könnten Sie bitte bleiben?«
Das klang ein wenig gepresst aus dem schmallippigen Mund, aber eine Kundin, die ein Kleid kaufen wollte, das sie sich – wenn man ihren Wagen betrachtete – auch leisten konnte, hatte natürlich gewisse Rechte. Zumal der Verkauf dieses Kleides Dorothea auf einen Schlag so viel Geld einbrachte, dass sie sich dasselbe Auto wie das, was draußen vor der Tür stand, fast gleich selbst davon hätte kaufen können.
»Um welches Kleid handelt es sich?«, fragte sie Lian zuvorkommend, obwohl eindeutig zu spüren war, dass dies nicht zu ihren angeborenen Charaktereigenschaften gehörte.
»Oh, ich habe mich noch nicht entschieden.« Lian wirkte ausgesprochen entspannt, so als ob sie jeden Tag Boutiquen leerkaufen würde. »Kann sie mir nicht mehrere vorführen? Dann kann ich mich entscheiden.«
In Nicola kochte die Wut hoch. Eigentlich hatte sie die Energie, die sie gehabt hatte, bevor sie krank geworden war, noch nicht so ganz wiedergefunden, aber um Lian eine zu scheuern, würde es wohl reichen. Was erlaubte sie sich eigentlich? Wahrscheinlich wollte sie gar nichts kaufen, nur Nicola ärgern. Und wenn sie nichts kaufte, nachdem sie stundenlang hier im Laden gewesen war und Dorotheas Zeit in Anspruch genommen hatte, musste Nicola es nachher ausbaden.
»Sie wissen nicht vielleicht schon, welches Kleid Sie unter Umständen kaufen würden?« Auch Dorothea war nicht so ganz glücklich mit Lians Vorschlag. »Das sind alles Einzelstücke hier. Modelle. Sehr teuer, wie Sie sehen. Und wenn da beim An- oder Ausziehen etwas passiert . . .«
»Aber sicher. Ich verstehe.«
Da Nicola sich jetzt wieder umgedreht hatte, konnte sie das Zucken in Lians Mundwinkeln sehen.
»Ich werde eine Art Kaution hinterlegen. Ist Ihnen das recht? Und wenn etwas bei einem Kleid passiert, das ich nicht kaufe, können Sie jegliche Reparatur davon bezahlen. Oder ein neues Kleid.« Nonchalant zückte Lian eine Kreditkarte und hielt sie Dorothea hin.
Die Boutiquebesitzerin schnappte nach Luft.
Platin, dachte Nicola. Warum bin ich jetzt nicht überrascht?
Es war eine dieser Karten, die im Prinzip keinerlei Limit hatten. Oder nur eins, das man höchstens mit dem Kauf einer Jacht ausschöpfen konnte.
»Dann . . . Dann ist es natürlich in Ordnung.« Wie eine Krake grabschte Dorothea nach der Karte, als wollte sie sie sich gleich ganz einverleiben. Was sie wahrscheinlich am liebsten auch getan hätte. Ihr Mann war zwar wohlhabend, aber eine Platinkarte hatte er ihr noch nie überlassen. Wohlwissend, dass selbst er sich das bei den Einkaufsgewohnheiten seiner Frau mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht hätte leisten können.
»Bitte, Frau Harnoncourt«, sagte Dorothea, während sie mit der Karte zur Kasse hinüberging. »Würden Sie das Kleid, das eben bereits im Gespräch war, schon einmal anziehen? Damit können wir ja anfangen.« Offensichtlich erwartete sie, dass Lian nicht nur ein Kleid kaufen würde.
Am liebsten hätte Nicola geantwortet: Ich werde nichts dergleichen tun, aber das konnte sie sich nicht leisten, also nahm sie das Kleid mit nach hinten und zog sich um. Ihre Kiefer mahlten, während sie sich im Spiegel betrachtete. Ja, das Kleid war schön. Es fühlte sich wunderbar an auf ihrer Haut, weich, kühl und seidig, fast wie ein Streicheln. Aber sie war doch keine Kleiderpuppe, die Lian einfach so herumscheuchen konnte!
Als sie wieder nach vorn kam, warteten Lian und Dorothea schon auf sie.
Mit zusammengezogenen Augenbrauen ließ Lian ihren Blick erneut über Nicola schweifen. »Machen Sie auch Änderungen?«, fragte sie Dorothea beiläufig. »Die Dame, für die das Kleid gedacht ist, hat etwas mehr«, sie lachte leicht und blinzelte ihr zu, »Oberweite.«
Ich bringe dich um, dachte Nicola. Am liebsten hätte sie mit den Zähnen geknirscht, aber sie hielt sich im letzten Moment zurück.
»Drehen Sie sich doch mal, Frau Harnoncourt«, fauchte Dorothea Wrede zur Mühlen Nicola an. Oder sie hätte sie angefaucht, wenn Lian nicht dabei gewesen wäre. So ließ sie ein kleines Lachen folgen, als ob sie diesen Tonfall nicht ernstgemeint hätte. Was sie natürlich hatte. »Damit Frau . . .« Sie schaute Lian fragend an.
»Lorenz«, sagte Lian.
»Ach ja, entschuldigen Sie, bitte. Ich habe Ihren Namen ja auf der Kreditkarte gelesen.« Dorothea bat mit einem theatralisch überzogenen mädchenhaften Lachen um Verzeihung. Als sie sich dann allerdings wieder Nicola zuwandte, war jede Mädchenhaftigkeit verschwunden. »Damit Frau Lorenz einmal sehen kann, wie das Kleid fällt«, fuhr sie in scharfem Ton fort.
Oh ja, dachte Nicola sarkastisch. Warum lege ich nicht gleich einen Bauchtanz hin, damit sie sehen kann, was in dem Kleid DRIN ist? Etwas widerwillig drehte sie sich einmal um ihre eigene Achse. »Reicht das?«, flüsterte sie so, dass nur Lian es hören konnte, als sie sich während des Drehens leicht zu ihr beugte und von Dorothea abgewandt war. »Oder soll ich mich auch noch auf den Kopf stellen?«
Lians Mundwinkel zuckten heftig, was Nicola jedoch nur aus dem Augenwinkel wahrnahm, weil sie sich schon wieder weitergedreht hatte.
»Sehr schön«, sagte Lian. »Ich nehme das Kleid.«
Dorothea fiel fast in Ohnmacht. »Sie wollten doch noch . . . Änderungen«, hauchte sie schwach.
»Zuerst einmal nehme ich das Kleid mit«, verkündete Lian entschlossen. »Damit die junge Dame entscheiden kann, ob es ihr überhaupt gefällt. Dann kann man immer noch über Änderungen reden.« Sie hob die Augenbrauen und blickte Nicola an. »Was sagen Sie denn dazu, Frau Harnoncourt?«, fragte sie ganz unschuldig. »Gefällt Ihnen das Kleid? Würden Sie es kaufen?«
Das war zu viel. Jetzt konnte Nicola sich nicht mehr bezähmen. »Das kann ich mir leider nicht leisten«, gab sie kühl zurück. »Aber ich werde es jetzt so schnell wie möglich ausziehen, damit Sie es mitnehmen können.« Und fast im Laufschritt verschwand sie nach hinten.
In der Umkleidekabine lehnte sie sich erst einmal schweratmend gegen die Wand. Was wollte Lian hier? Was hatte sie hier zu suchen? Und woher wusste sie überhaupt, wo Nicola arbeitete? Die Frage hatte sie nicht beantwortet.
Ist sie etwa eine Stalkerin? Sie musste schmunzeln, denn so richtig fühlte sie sich von dem Gedanken nicht bedroht. Na ja, zuzutrauen wäre es ihr. Ehrlich gesagt traute Nicola Lian so ziemlich alles zu. Für sie schien es keine Grenzen zu geben wie für andere Menschen.
Kopfschüttelnd stieß sie sich mit dem Rücken von der Wand ab und stellte sich noch einmal vor den Spiegel. Wirklich ein schönes Kleid. Und es passte ihr perfekt. Aber so etwas würde sie sich nur leisten können, wenn sie sich darauf einstellte, es in Raten abzuzahlen, die hundert Jahre in Anspruch nehmen würden.
Seufzend stieg sie aus dem Kleid heraus und zog ihr eigenes Kleid wieder an. Wem Lian das Kleid wohl schenken wollte? Sie hatte sicher eine ganze Armee von Freundinnen, so draufgängerisch, wie sie war.
Oder war es nur eine? Eine ganz spezielle Freundin? Hatte sie deshalb keinen Versuch gemacht, den Abend nach ihrem gemeinsamen Restaurantbesuch im Bett ausklingen zu lassen? Weil sie treu war?
Ha! Treu! Diese Frau doch nicht! Nicola hätte fast laut gelacht. Nie im Leben. Warum hatte sie Nicola dann so offensiv angemacht? Wenn man treu war, fuhr man fremden Frauen nicht im offenen Cabrio hinterher. Und man kletterte auch nicht an ihren Fassaden hoch.
Sie schüttelte noch einmal den Kopf, um diese Gedanken endgültig abzuschütteln, legte sich das Kleid über den Arm und brachte es nach vorn zur Kasse, wo Dorothea schon ungeduldig auf sie wartete.
»Was haben Sie dahinten denn so lange gemacht?«, fragte sie unfreundlich, ließ aber gleich wieder dieses künstliche Lachen folgen, weil ihr – wenn auch zu spät – anscheinend plötzlich eingefallen war, dass Lian ja noch im Laden stand.
»Ich nehme an, Frau Harnoncourt ist sehr vorsichtig mit dem Kleid umgegangen, damit sie es nicht beschädigt«, vermutete Lian verbindlich lächelnd. »Das war sehr aufmerksam von Ihnen, Frau Harnoncourt. Ich bedanke mich für Ihre rücksichtsvolle Vorgehensweise.« Sie neigte leicht den Kopf zu Nicola.
Dorothea hätte wohl am liebsten nach Luft geschnappt wie ein Fisch auf dem Trockenen, aber sie fing sich, bevor sie sich ganz und gar lächerlich machen konnte. »Dazu halte ich meine Angestellten immer an«, bemerkte sie mit einem giftigen Blick auf Nicola. »Das ist ein Grundsatz unseres Hauses.«
»Dann werde ich hier vielleicht noch öfter einkaufen«, entgegnete Lian so charmant, dass wahrscheinlich selbst Dorothea die Knie weich wurden.
»Geschenkpapier?«, fragte Nicola, die das Kleid mittlerweile sorgfältig in einen schützenden Karton verpackt hatte. »Irgendeinen speziellen Wunsch? Eine Schleife vielleicht? Oder eine Grußkarte? Sollen wir das Kleid liefern?«
»Nein, ich denke«, Lians weiße Zähne blitzten raubtierhaft, »ich werde es selbst überreichen. Wenn Sie es mir bitte als Geschenk einpacken würden, das wäre ganz reizend von Ihnen.«
Ein bisschen hatte Nicola den Eindruck, Lian wollte sie auf den Arm nehmen, aber sie war sich nicht ganz sicher. »Aber selbstverständlich, gern«, erwiderte sie deshalb betont geschäftsmäßig, griff nach einer Rolle mit exquisit bedrucktem bunten Papier, die in dem Regal unter der Kasse lag, zog sie heraus und verpackte den Karton schnell und geschickt darin. Dann versah sie ihn noch mit einer passenden kleinen Schmuckapplikation. »Ist es so recht?«, fragte sie Lian mit möglichst neutraler Stimme.
»Wundervoll«, sagte Lian. Ihr Blick suchte Nicolas Augen. »Jetzt ist die Verpackung ja fast schöner als das Kleid.«
Mit diesen Worten und einem tiefen Blick in Nicolas Augen nahm sie den Karton entgegen, klemmte ihn lässig unter den Arm und verließ leicht damit herumschlenkernd das Geschäft.
Nicola hätte sich gern noch etwas von Lians Blick erholt, der ihr durch und durch gegangen war, und von dem Vibrieren in ihrer Stimme, als sie ihre Augen zum Schluss hatte in Nicolas versinken lassen, aber sie sah Dorotheas Lippen sich verdächtig bewegen, und bevor ihre unartige Chefin etwas sagen konnte, begab sie sich schnell wieder nach hinten. »Ich habe noch mit Auspacken zu tun«, erklärte sie schon halb im Gang. »Darin bin ich vorhin ja unterbrochen worden.«
Obwohl sie sich gleich wieder dem Pullover widmen wollte, den sie zuvor hatte liegenlassen müssen, konnte sie es nicht.
Lian hatte bei ihr auf jeden Fall weiche Knie hinterlassen, und sie musste sich erst einmal setzen.
Diese blauen Augen! Verdammt, diese blauen Augen! Und überhaupt . . . Ihr ganzes Verhalten. Wie sie Dorothea Wrede zur Mühlen in die Schranken gewiesen hatte. Und die hatte nichts dagegen tun können.
Ein Kichern wollte sich durch ihren Brustkorb nach oben schieben. Und auch wenn sie es zu unterdrücken versuchte, es gelang ihr nicht. Wie gern hätte sie ihre Chefin einmal so behandelt. Und nun hatte es Lian getan. Für sie.
Nein, natürlich nicht für sie. Für sich selbst. Lian war eben so.
Aber trotzdem musste sie sich für mindestens zwei Minuten auf der Toilette einschließen, bis der Lachanfall vorbei war.
Dafür hatte es sich gelohnt, früher zur Arbeit zurückzukehren, obwohl sie noch nicht ganz gesund gewesen war. Das hätte sie auf keinen Fall verpassen mögen, diesen Auftritt von Lian.
Auch wenn das natürlich alles höchst unverschämt gewesen war. Ihr, Nicola, gegenüber und auch Dorothea gegenüber.
Aber trotzdem konnte sie ein Grinsen kaum von ihrem Gesicht verbannen, als sie das Einräumen in die Regale wieder aufnahm.