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3. Kapitel

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Jenna stand wieder vor dem Tresen im Krankenhaus, niemand war dort. Sie beobachtete das aufgeregte Treiben auf der Station. Schwestern, Pfleger und Ärzte rannten hin und her. Eine junge Frau auf einer Liege wurde an ihr vorbeigeschoben und sie sah, dass sie die Kleidung der Krankenschwestern dieses Hauses trug. Die Frau hatte eine Sauerstoffmaske auf dem Gesicht und war aschfahl, ihre Augen rollten unkontrolliert hin und her. Dann waren sie vorbei. Jenna wartete und wenig später kam die Schwester von gestern. Sie wirkte angespannt, lächelte Jen aber an.

„Da sind Sie, guten Tag.“ Sie nahm einen Schluck aus einer Wasserflasche und setzte sich. „Ich werde gleich nach dem Patienten sehen, ich muss mich nur erst einmal sammeln. Eine meiner Kolleginnen ist auf dem Flur zusammengebrochen, wir haben sie am ganzen Körper zitternd gefunden. Sie muss einen Anfall gehabt haben, es sieht schlimm aus.“ Sie atmete tief durch und erhob sich. „So, ich werde mal schauen, ob er wach ist.“

Jenna wartete erneut. Minuten vergingen und die Frau kam zurück.

„Er ist weg!“, rief sie. „Nicht mehr im Zimmer.“

Sie hastete zum Telefon und wählte eine Nummer. Während sie darauf wartete, dass am anderen Ende abgenommen wurde, sprach sie zu Jen: „Er war gar nicht in der Lage aufzustehen, ich kann mir nicht erklären wo- Ja, ich bins, Rosalie, der Patient von Station 3 Zimmer 24 ist verschwunden.“

Sie redete, hörte zu, nickte und legte auf. Dann wendete sie sich wieder an Jen.

„Ich denke es wäre besser Sie gehen und kommen ein anderes Mal wieder, wir müssen ihn finden. Nicht, dass ihm etwas zugestoßen ist. Die Polizei wird benachrichtigt, wenn er denen die ihm das angetan haben in die Hände gefallen ist .... nicht auszudenken!“

Die Aufregung, die eben geherrscht hatte,wäre ein gutes Ablenkungsmanöver gewesen, um den Mann hier raus zu schaffen, dachte Jenna. Sie nickte und verabschiedete sich.

Sie würde nicht noch einmal herkommen, sie sollte sich da besser heraushalten. Es war nicht ihre Aufgabe sich um den Mann zu kümmern, sie hatte alles getan, was sie tun konnte und wenn die Polizei ihre Hilfe noch benötigte, würden sie sich an sie wenden. Sie hatte Wichtigeres zu tun, redete sie sich ein und wusste, dass es ihr schwer fallen würde sich an diesen Vorsatz zu halten.

Auf dem Weg zum Auto suchte sie den Schlüssel, verdammt, wo war der nur? Den Kopf noch in der Tasche stieß sie auf dem Parkplatz gegen jemanden. Erschrocken schaute sie auf um sich vielmals zu entschuldigen und starrte in zwei hellgraue Augen voll Schmerz. Ihr blieben die Worte im Hals stecken. Ihr Unterbewusstsein registrierte, dass er zwar eine Jacke trug, darunter jedoch nur dieses furchtbare Krankenhaushemd, keine Schuhe. Unfähig sich zu bewegen, starrte sie ihn an. „Ich muss hier weg“, wisperte er, „ich kann hier nicht bleiben.“ Seine Augen wurden dunkler, so als würden Gewitterwolken in ihnen aufziehen. „Sie müssen mich hier wegbringen, bitte helfen Sie mir.“

Er kann nicht hierbleiben, er muss weg, ich muss ihn wegbringen, dieser Gedanke setzte sich so tief in ihr fest, dass Jen gar nicht auf die Idee kam, daran könnte irgendetwas nicht in Ordnung sein. „Mein Wagen ist dort drüben“, sagte sie, schaute sich um und griff seine Hand um ihn mitzuziehen. Den Schlüssel hielt fest umklammert sie in der anderen Hand.

Während sie vom Krankenhausparkplatz herunter fuhr, fiel ihr ein, dass sie keinen blassen Schimmer hatte, wo er überhaupt hin wollte. Sie fragte ihn.

„Ich weiß nicht nur weg hier“, antwortete er und rutschte auf dem Sitz ein wenig zur Seite.

Er hatte sich nicht angeschnallt und ihr fiel die Verbrennung an der Schulter ein. Jenna würde ihn mit nach Hause nehmen. Laura hatte einen Termin, der bis zum späten Abend dauern würde und dann wollte sie noch etwas mit ihren Auftraggebern trinken gehen. Weit würde sie den Mann eh nicht bekommen, aus dem Augenwinkel beobachtete sie ihn, er sah grauenvoll aus. Warum war er aus dem Krankenhaus geflohen?

Vor dem Mietshaus im Berliner Bezirk Wedding, in dem ihre Wohnung lag, parkte sie den BMW und stieg aus. Er folgte ihr, und als sie die Haustür aufschloss, schwankte er. Sie beeilte sich.

Es fiel ihm schwer die Stufen in die vierte Etage hinaufzugehen, und als sie endlich im Flur ihrer Wohnung standen, war er leichenblass. Seine Lippen waren weiß und seine hellen Augen glänzten fiebrig. Jenna schmiss ihre Jacke und die Tasche unachtsam zu Boden, sie musste ihn irgendwo zwischenlagern, bevor er ihr umkippte. Verdammt! Was hatte sie nur veranlasst ihn mit nach Hause zu nehmen?

Es ist O.k., dass er hier ist, wo hätte er denn sonst hin gesollt?

Sie schob ihn in ihr Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

„Ich glaube mir geht es nicht so gut“, flüsterte er, und bevor sie ihn aufs Bett drücken konnte, verdrehte er die Augen und brach zusammen.

Na wunderbar, dachte Jenna, als sie sich völlig aufgelöst einenTee kochte, ich habe hier einen wildfremden Mann in der Wohnung, von dem ich nicht viel mehr als den Vornamen weiß.Vielleicht war er ja ein Verbrecher. Was würde Laura sagen, wenn sie nach Hause kam?

Mit dem Tee in der Hand ging sie zurück in ihr Zimmer und schaute hinein. Sie hatte es mit einiger Mühe geschafft ihn aufs Bett zu ziehen, dort lag er in unveränderter Position.

Sie musste im Institut anrufen, eigentlich hätte sie jetzt unbedingt dort sein sollen. Sie wählte die Nummer und sprach mit Sven. Sie erklärte ihm, dass ihre Großmutter im Krankenhaus läge und sie zu ihr fahren müsse. Innerlich bat sie ihre Oma, die bereits vier Jahre tot war, um Entschuldigung. Sie versicherte ihm so schnell wie möglich zurückzukommen, sodass sie spätestens übermorgen wieder zur Arbeit erscheinen würde. Sven sagte, sie solle sich keine Sorgen machen, die Familie ginge schließlich vor und sie würden ohne sie weiterarbeiten, dann verabschiedeten sie sich und legten auf.

Mit der Teetasse in der Hand stellte sie sich ans Fenster und schaute auf die Straße herunter. Autos fuhren, Menschen liefen eilig hin und her. Er hatte nichts anzuziehen, kam es ihr in den Sinn. Sie stellte die Tasse ab und verschwand in Lauras Zimmer. Zwar war ihre Schwester nicht mehr mit Markus zusammen, aber Jen wusste, dass er noch ein paar Klamotten hier hatte. Sie durchsuchte den Schrank und fand zwei T-Shirts, einen Pullover, eine Jeans mit Gürtel, eine Jacke und sogar ein paar Boots und Socken, keine Unterwäsche. Markus war ähnlich groß wie der Mann, Danjal, rief sie sich ins Gedächtnis, aber nicht ganz so schlank. Naja, erst einmal würde es sicher gehen. In Lauras Badezimmer fand sie sogar noch ein paar Einwegrasierer und Rasierschaum. Sie griff alles und brachte es ins Wohnzimmer.

Danjal wurde wach und setzte sich auf, was er sofort bereute. Sein ganzer Körper schmerzte und ihm war schwindelig. Er wusste nicht wo er war, oder was geschehen war, er wusste nicht einmal wer er war.

Er war in einem Bett, es war zu dunkel, um mehr zu sehen. Er stand auf und versuchte einen Lichtschalter zu finden, vielleicht von einer Nachttischlampe, dabei fiel etwas polternd zu Boden. Ein heller Schein fiel ins Zimmer, jemand hatte die Tür geöffnet. Er sah eine Silhouette.

„Warte, ich mache das Licht an.“

Es war die Stimme einer Frau. Es wurde ganz plötzlich hell und er schloss die Augen.

„Du siehst schlecht aus.“ Die Stimme kam näher.

Er spürte zwei Hände, die ihn sanft an den Armen packten und ihn vorsichtig zurück aufs Bett schoben. Als sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, sah er sie. Die braunen Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, sie trug einen grauen Jogginganzug und schaute ihn aus braunen Augen an. Sie war recht jung.

„Wo bin ich?“, fragte er.

„Bei mir zu Hause.“ Die Frau lächelte ihn verlegen an.

„Und wer bist du?“

„Jenna, mein Name ist Jenna“, antwortete sie.

„Was ist geschehen?“

Sie erzählte ihm mit wenigen Worten, was sie wusste.

Ja, Danjal, seinen Namen kannte er. Jetzt kam auch der Hauch einer Erinnerung daran zurück, dass er irgendwo gelegen hatte und ein Mann und eine Frau ihm Fragen gestellt hatten. Mehr wusste er nicht. Er konnte nicht einmal sagen, ob er deshalb verzweifelt war, eher hatte er das Gefühl gar nichts zu spüren.

„Hast du ein etwas Wasser für mich?“ Sein Hals war so trocken.

Sie nickte stand auf und verschwand, um kurz später mit einem Glas zurückzukommen. Im Arm hielt sie ein Bündel.

„Hier.“ Sie reichte ihm das Wasser und er trank, dann stellte er es auf den Nachttisch.

„Ich habe deinen Wecker heruntergerissen“, stellte er fest und versuchte ihn wieder aufzuheben. Sofort waren die Schmerzen da. Er konnte sich nicht daran erinnern jemals solche Schmerzen gehabt zu haben, aber woran konnte er sich schon erinnern?

„Lass nur“, sagte sie und bückte sich, „ich hebe ihn auf.“ Sie war ein wenig verlegen. „Ich habe dir ein paar Sachen zusammengesucht, sie sind von dem Exfreund meiner Schwester. Ich dachte mir dieses Krankenhaushemd ist vielleicht nicht so ganz das Richtige. Eventuell solltest du ein T-Shirt überziehen.“

Sie reichte ihm eins. Umständlich bemühte Danjal sich dieses furchtbare Hemd auszuziehen, es klappte nicht und sie half im.

Er trug einen Slip, zum Glück, denn in dem Moment, in dem sie ihm half das Hemd abzustreifen, fiel ihr die nicht vorhandene Unterwäsche ein. Jen wurde rot. Als er da so saß, schaute er an sich herab und ein verzweifeltes Oh entfuhr ihm. Er sah so schlimm aus und das wurde ihm wohl nun bewusst. Seine Lippen zitterten leicht, als er sie anschaute.

„Es ist O.K., dass ich hier bin“, flüsterte er.

Ja, natürlich war es O.K., dass er hier war, dachte Jenna, wo sollte er denn sonst sein?

Als sie ihm half das T-Shirt überzuziehen, kam sie ihm recht nahe und sie konnte zwei kleine Tätowierungen innen an seinen Handgelenken erkennen. Auf jedem ein Symbol deren Bedeutung sie nicht kannte. Sie sah auch Spuren von Fesseln.

Er wusste, dass er hier erst einmal sicher war, vor wem oder was das wusste er nicht. Er bekam das Zittern seines Körpers nicht mehr unter Kontrolle und merkte, wie sich eine beruhigende, erlösende Schwärze in ihm ausbreitete. Die Frau musste bei ihm bleiben, sie musste hier, bei ihm bleiben, dachte er und versank im Nichts.

Er hatte das Bewusstsein wieder verloren, war er hier wirklich gut aufgehoben? Trotz dieser Gedanken zog sie ihn weiter auf das Bett.

Ich muss bei ihm bleiben, dachte sie und legte sich neben ihn.

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