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4. Kapitel

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Laura hätte beinahe ihre Kaffeetasse fallen lassen. Als sie sich umdrehte, stand plötzlich ein Mann in der Küche. Er schien nicht weniger erschrocken als sie und wusste offensichtlich nicht, was er sagen oder tun sollte.

„Ich ..., tut mir leid ...“, stotterte er und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

„Wer bist du? Bist du ein Freund von Jenna?“

Er nickte. Laura kniff abschätzend die Augen zusammen und musterte ihn: Groß, gut aussehend, schlank, toller Körper aber blass und mitgenommen. Er hatte Kleberverbände an den Armen.

„Ich sollte vielleicht mal ins Bad, lieber, glaube ich ...“, sagte er und ging ein, zwei Schritte rückwärts.

„Am Ende des Flures ist Jennas Bad“, wies sie ihn hin und er verschwand.

„Das ist ja wohl nicht dein Ernst!“, fuhr Laura sie im Flüsterton an. „Du kannst den doch nicht mit hier herbringen!“

„Er musste da weg“, versuchte sich Jen zu rechtfertigen.

„Und wenn er nun gefährlich ist? Du weißt rein gar nichts über ihn!“

Oh bitte nicht, dachte Jenna, ihr Schädel schien zu platzen, sie hatte furchtbare Kopfschmerzen und fühlte sich körperlich schwach und gar nicht gut.

„Er wird mir nichts tun, dazu wäre er in seinem Zustand wohl auch gar nicht in der Lage.“

„Na so schwach wirkte er nicht, als er vor mir stand. Und niemand weiß, dass er bei dir ist?“

Jen schüttelte den Kopf.

„Und was machst du, wenn du nachher zur Arbeit fährst? Nimmst du ihn mit? Ich möchte nämlich nicht, dass er alleine hier bleibt.“

„Ich gehe nicht arbeiten, morgen erst wieder“, erklärte sie kleinlaut.

„Ich denke du hast nächste Woche so ne Überprüfung und viel zu tun.“

Und du bist nicht meine Mutter, dachte Jen.

„Laura, pass auf, er ist hier und ich möchte, dass er hier ist. Er tut mir leid, ich fühle mich für ihn verantwortlich und ...“, sie machte eine kurze Pause, dann sagte sie leise: „er gefällt mir.“

Laura starrte sie an. „Ein Mann, der dir gefällt? Lass mich überlegen, seit Sascha wohl der Erste würde ich sagen.“

Sascha war Jennas große Liebe gewesen. Sie waren drei Jahre zusammen bis er wegen einer anderen mit ihr Schluss gemacht hatte. Seit dem hatte Laura zwar immer wieder versucht ihre Schwester zu verkuppeln, ein paar Mal hatte Jen sich auch mit jemandem getroffen, aber keiner hatte sie wirklich interessiert.

Laura schaute sie an und griff ihre Hände.

„Glaubst du wirklich es ist das Richtige, was du hier machst?“, fragte sie liebevoll.

Jenna zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, aber da ist etwas an ihm, das mich so handeln lässt und mich anzieht.“

Laura nickte. „O.K, dann werde ich es erst einmal so hinnehmen und meinen Mund halten.“

Na wenn du da mal Wort hältst, dachte Jen, sie kannte ihre Schwester nur all zu gut.

Danjal war noch immer im Badezimmer. Jenna fand ihn über das Handwaschbecken gebeugt, mit nassen Haaren. Langsam und vorsichtig richtete er sich auf und griff ein Handtuch, das an der Seite lag. Er stöhnte und stützte sich, nach Luft ringend, ab. Als er hochschaute, trafen sich ihre Blicke im Spiegel. Jen lächelte.

„Du hättest auch unter die Dusche gehen können“, sagte sie.

Er verzog das Gesicht gequält. „Wäre ich ja gerne, aber wie hätte ich das machen sollen?“

Er deutete auf seinen Oberkörper. Ja, die Verbände.

„Vielleicht sollte ich nachher mal in die Apotheke und Ersatz besorgen, die müssen sicher gewechselt werden.“ Jenna fragte sich, wie sie seine Schulter verarzten sollte.

Er setzte sich auf den Rand der Badewanne und trocknete seine Haare mit dem Handtuch.

„Du siehst besser aus“, stellte sie fest.

Er hatte ein wenig Farbe im Gesicht und drohte nicht mehr sofort das Bewusstsein zu verlieren. Ihr hingegen ging es nach wie vor nicht gut. Wahrscheinlich brauchte sie nur ein Frühstück.

Danjal stand auf und legte das Handtuch weg. Jenna entdeckte etwas Seltsames in seinem Nacken. „Was hast du da?“ Sie ging zu ihm und berührte ihn dort vorsichtig.

„Wo? Ich weiß nicht“, antwortete er und versuchte es sich im Spiegel anzuschauen.

„Es sieht aus wie eine Brandwunde“, antwortete sie.

„Eine weitere Verletzung.“

„Nein“, sie stellte sich auf die Zehenspitzen, er war um einiges größer als sie und versuchte nun genauer es zu erkennen.

„Es scheint nicht willkürlich zu sein und es ist verheilt und vernarbt. Es sieht aus wie zwei Kreise, die sich überschneiden und durch einen Pfeil oder so was getrennt werden und da sind Zeichen.“ Plötzlich erzitterte sein ganzer Körper.

Danjal wurde übel. Er schluckte und schloss die Augen. Er sah es vor sich:

Drei Männer hielten ihn fest während sie irgendetwas murmelten, ein Vierter holte ein Brandeisen aus einer Feuerschale. Er kam zu ihm, stellte sich hinter ihn und drückte seinen Kopf nach vorne um ihn das Eisen in den Nacken stoßen zu können. Danjal spürte seine eigene Wut, sie schien unendlich.

Er öffnete seine Augen wieder und das Zittern hörte auf, alles war vorbei. Jenna konnte wieder dieses Dunkle in seinen Augen sehen.

„Ich hatte es schon vorher“, sagte er ganz leise, mehr nicht, keine weitere Erklärung, woher er das wusste. Stattdessen ging er an ihr vorbei und ließ sie einfach stehen.

Jen saß neben Laura am Frühstückstisch und wollte gerade von ihrem Toast abbeißen, als er wieder auftauchte. Er hatte die Sachen von Markus an, war rasiert und seine Haare waren ein wenig zerzaust. Mit offenem Mund starrte sie ihn an und auch Laura schwieg. Bis eben hatte ihre Schwester ihr noch von dem gestrigen Fotoshooting erzählt, nun konnten sie beide den Blick nicht von Danjal lassen. Die Klamotten passten ihm, naja, einigermaßen, sie waren ihm eine wenig zu weit, trotzdem sah er unglaublich sexy aus mit den dunklen Haaren und den hellen Augen. Ihr Verhalten war ihm offensichtlich unangenehm, so angestarrt zu werden ...

Als erstes fand Laura ihre Stimme wieder.

„Kaffee?“, fragte sie krächzend und räusperte sich.

Er nickte und setzte sich auf einen der anderen beiden Stühle.

Er aß nichts, trank nur den Kaffee und entgegen ihres Versprechens fragte Laura ihn aus. Woran er sich erinnern könne, ob es klug gewesen sei aus dem Krankenhaus abzuhauen, warum er überhaupt abgehauen sei und was er nun vorhabe. Er hatte keine Antworten auf ihre Fragen, er war überfordert.

Jenna war froh, als sich ihre Schwester verabschiedete, um ins Atelier zu fahren und die Fotos von gestern zu bearbeiten.

„Musst du auch weg?“, fragte er, während sie den Tisch abräumte.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, heute nicht, ich habe gesagt ich hätte was familiäres zu erledigen, morgen muss ich wieder zur Arbeit.“

„Was machst du beruflich?“

„Ich bin Humanbiologin, mein Bereich ist die Anatomie und zurzeit arbeite ich mit zwei Kollegen und einem Computerexperten an meinem eigenen Forschungsprojekt.“

„Und du teilst dir die Wohnung mit ihr?“

„Ja, Laura, meine Schwester, wie du vielleicht schon mitbekommen hast.“

„Warum?“

„Die Mieten sind so hoch in Berlin, als wir beide herkamen, schien es uns die beste Lösung zu sein. Die Wohnung ist groß genug, genug Platz für uns beide und man hat einen Zugang zum Dach, da sitzen wir manchmal, eine Art Dachterrasse.“

Er nickte zum Zeichen des Verständnisses.

„Was hast du jetzt vor?“, fragte sie ihn. „Wie willst du herausfinden wer du bist und was geschehen ist?“

Sie stellte die Butter in den Kühlschrank und griff die Milch. Er zuckte mit den Schultern und verzog vor Schmerzen das Gesicht.

„Ich habe keine Ahnung“, antwortete er.

Sie stellte die Milch weg und setzte sich zu ihm.

„Wäre es nicht doch besser gewesen, im Krankenhaus zu bleiben, oder die Hilfe der Polizei in Anspruch zu nehmen?“

Er schüttelte den Kopf.

„Warum nicht, was lässt dich glauben, dass es falsch wäre?“

„Ich weiß es einfach, ich kann nicht zur Polizei und ich konnte nicht im Krankenhaus bleiben. Dass du mich hierher mitgenommen hast, war das Richtige.“

Er hatte recht, es war das einzig richtige gewesen, er konnte nicht zur Polizei, dachte Jen.

„An was kannst du dich sonst noch erinnern?“

Er überlegte, dann sagte er: „Ganz schwach daran, wie mich die Polizei befragt hat. Ich weiß, dass wir in Berlin sind und ich die Stadt gut kenne, ich kann Auto fahren, ich glaube ich spreche mehr als nur eine Sprache, sonst nichts.“

O.K., Autofahren und Berlin waren doch ein Anfang. Vielleicht konnte Markus ja etwas über die Zulassungsstelle oder das Einwohnermeldeamt herausfinden, er war Kripobeamter. Der Name Danjal war wahrscheinlich auch nicht so häufig. Sie sagte es ihm.

„Lass die Polizei aus dem Spiel!“, antwortete er barsch und in seiner Stimme schwang etwas Herrisches mit.

„Sie haben meine Personalien, wahrscheinlich werden sie mich kontaktieren nach deinem Verschwinden, komisch, dass sie es bisher noch nicht getan haben“, sagte sie unsicher.

„Du wirst ihnen nichts erzählen über mich oder, dass ich bei dir bin!“

Nein, sie würde ihnen natürlich nichts erzählen.

Das bisschen Farbe das er vorhin noch im Gesicht hatte, war verschwunden, er war wieder leichenblass, ihr ging es besser.

Scheiße! Er war am Ende, er konnte nicht mehr, alles tat ihm plötzlich wieder weh. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, er konnte sich nicht mehr konzentrieren. Wie aus weiter Ferne drangen ihre Worte an sein Ohr. Hinlegen sagte sie, er solle sich hinlegen. Er schaffte es noch zu nicken und fühlte plötzlich etwas Weiches unter seinem Körper, dann empfing ihn erneut diese erlösende Schwärze.

Elias war noch einmal zu dem Lagerhaus gefahren. Nichts erinnerte mehr an das Massaker, das hier stattgefunden hatte. Wo war ER danach hingegangen? ER war schwer verletzt gewesen. Sie hatten einen Weg gefunden IHN zu überwältigen und seine Fähigkeiten auszuschalten, um ihn zu foltern und an die Informationen heranzukommen, die sie benötigten. Sie hatten gedacht ER sei tot, man konnte IHN nicht töten, hatten sie denn wirklich geglaubt mithilfe des Zeichens würde sich das ändern?

ER konnte trotzdem nicht weit gekommen sein, ER war zu geschwächt gewesen. Elias wusste, dass ihm immer noch die Möglichkeit blieb, zur Polizei zu gehen in der Hoffnung ER hätte irgendwie Kontakt mit ihnen gehabt. Aber das war unwahrscheinlich, ER war bei weitem zu schlau der Polizei in die Arme zu laufen. Trotzdem, das musste er im Hinterkopf behalten, sollte sich nichts weiter ergeben.

Elias lief über das Gelände und schaute sich gründlich um. Als er an das Ende des Areals kam, das mit einem Zaun gesichert war, lief er daran entlang. Er entdeckte nach einigen Metern ein Loch in dem Maschendraht. Es war nicht sehr groß und daher eigentlich unauffällig. Elias ging näher heran und bog den Draht zur Seite, das Loch wurde größer. Er kletterte hindurch. Auf der anderen Seite fand er Blut auf dem Boden. Er schaute sich um und fand einen Trampelpfad, dem er folgte.

Während Danjal auf dem Sofa lag, war Jenna schnell zur Apotheke gelaufen, um neues Verbandsmaterial zu kaufen. Als sie zurück ins Wohnzimmer kam, war er verschwunden. Nervös legte sie die Sachen ab und schaute sich um.

Sie fand ihn auf dem Dach. Er saß auf dem Boden, hatte die Beine angezogen und die Arme auf den Knien abgelegt. Er starrte in die Ferne. Sie ging zu ihm hinaus und setzte sich neben ihn, dass sie einen kalten Poo bekam, versuchte sie zu ignorieren.

„Ich weiß nicht einmal was meine Lieblingsfarbe ist“, sagte er mit einem traurigen Lächeln, ohne sie anzuschauen. „Oder ob ich Eltern habe, die nach mir suchen oder Geschwister, wer meine Freunde sind oder was ich gerne esse. Ich weiß gar nichts.“

„Wir werden es herausbekommen, du wirst dich wieder erinnern. So eine Amnesie nach einem traumatischen Erlebnis löst sich irgendwann auf. Komm mit rein, ich habe Verbandszeug geholt.“ Er schaute sie an und stand auf.

Es war ihm sichtlich unangenehm, als sie die Verbände löste und sie gegen neue austauschte. Die Schnitte waren genäht worden und heilten erstaunlich gut, Jen war überrascht. Als sie seine Schulter verarzten wollte, wich er zurück.

„Ich bin vorsichtig, versprochen“, sagte sie und er ließ sie gewähren.

Er stöhnte auf und zitterte, als Jen die Gase entfernte. Die Brandwunde heilte nicht so gut wie der Rest, es sah böse aus und sie musste schlucken. Ganz vorsichtig und sorgfältig verband sie es neu.

Menschenseelen

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