Читать книгу Leo ist verknallt - Sabine-Franziska Weinberger - Страница 8
6 Einmal lesen bitte – mit Ohren zuhalten!
ОглавлениеUm genau Punkt fünf klopft es laut an Leonies Zimmertür.
„Komm rein, Pauli!“, schreit Leonie, die gerade dabei ist, ihre Bücher und Spielsachen vom Boden aufzuheben, damit sich der Kleine nicht ernsthaft verletzt, sobald er ihren Herrschaftsbereich betritt.
Schon wird die Tür aufgerissen und im Zimmer steht Pauli, der – ojemine – überhaupt nicht wie Pauli aussieht. Sondern eher wie ihre große Schwester Kathi. Die irgendwie auch nicht aussieht, wie sie sonst immer aussieht. Sondern mehr wie ein ... mehr wie ein ... ein Schlumpf trifft es wohl am ehesten.
„Schlumpf zu Gruß!“, verzieht Leo ihre Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln.
Kathi sagt nichts und furcht unmutig ihre Stirn.
„Was ist denn das für eine Schmiere in deinem Haar?“, zeigt Leonie auf ihre Schlumpffrisur.
„Das ist keine Schmiere, sondern nennt sich Gel, du Dummerchen“, deutet das größere Mädchen auf seine feucht glänzende Haarpracht, „aber davon verstehst du nichts.“
Mag ja sein, dass Leo von diesem Zeugs namens Gelee nicht viel versteht, dafür jedoch etwas von Schlümpfen.
„Was willst du hier?“, starrt sie ihre Schwester wie Gargamel an, da ihr gerade durch den Kopf geht, dass Pauli gleich mit dem an Kathi gerichteten Liebesbrief kommen wird und ihre Schwester schon längst in der Turnhalle einen weißen Ball übers Netz baggern sollte.
„Ich suche meinen Fön“, entgegnet Kathi spitz.
„Zum Volleyballspielen? Das spielt man mit einem Ball!“, formt Leo mit beiden Händen eine Kugel in die Luft.
„Das weiß ich auch“, schaute Kathi leicht misstrauiscg, da sie irgendwie das Gefühl hat, dass Leonie sie loswerden will.
„Ich spiele heute nicht Volleyball, da ich etwas anderes vorhabe. Und deshalb suche ich meinen Fön. Hast du ihn gesehen?“
„Du hast etwas anderes vor?“, bekommt Leo pizzagroße Augen. „Was denn?
„None of your business“, antwortet Katharina, um Leos Neugier einen Dämpfer zu versetzen.
„Das bedeutet für alle, die nicht Englisch können?“, will Leo wissen.
„Dass sie mehr Englisch lernen sollten“, lächelt ihre große Schwester ein herablassend. „Und jetzt wüsste ich gern, wo mein Fön ist. Hast du ihn gesehen?“
Leo ärgert sich immer, wenn Kathi mit ihrem Englisch angibt. Weil sie sich dann immer so blöd vorkommt. Und überhaupt nichts versteht. Aber heute glaubt sie dank Pauli trotz des englischen Ausweichmanövers ihrer großen Schwester zu wissen, was diese im Schilde führt. Aber das behält sie schön für sich. Und so erwidert sie möglichst auffällig unauffällig: „Nein, habe ich nicht. Außerdem lasse ich meine Haare von der Luft trocknen.“
„Meistens, aber nicht immer“, erwidert Kathi pampig.
„Stimmt“, pflichtet ihr Leo bei. „Und im Fall von nicht immer verwende ich Mamas Fön.“
„Wehe dir, wenn das nicht stimmt!“, macht ihre Schwester auf dem Absatz kehrt und verschlumpft sich aus Leos Zimmer, ohne auch nur ein weiteres Wort zu verlieren.
Kurz darauf klopft es wieder an Leos Tür.
„Hast du vielleicht auch noch deinen Kopf verloren?“, öffnet Leo ein wenig zu schwungvoll ihre Zimmertür.
„Nein, der ist dran. Noch!“, schenkt ihr Paulchen ein schiefes Grinsen.
„Pauli!“, greift Leo nach dem Arm des Jungen und zieht ihn schnell in ihr Zimmer.
„Was hast du denn?“, wundert sich der Kleine.
„Es ist noch da!“, flüstert Leo und zieht ihn schnell in die Mitte des Raumes.
„Was? Das grüne Monster mit den gelben Augen und den sieben Beinen?“, musterte sie der Erstklässler leicht verwundert. „Tut mir leid Leo, aber darauf fall’ ich nicht mehr rein, da ich seit dem Kindergarten nicht mehr an Monster glaube. Aus dem Alter bin ich raus!“
„Ich rede auch nicht von einem Monster, sondern von einem Schlumpf, äh ... von meiner Schwester“, drehte sich Leonie zu ihm um und wirft ihm einen vielsagenden Blick zu. „Kathi ist noch im Haus. Verstehst du? IM HAUS!“
Der kleine Pauli versteht durchaus. Er ist ja nicht von gestern. Nur weil er in der ersten Klasse sitzt, heißt das noch lange nicht, dass er ein Blödmann ist.
„Solange sie hier ist, können wir den Brief unmöglich lesen“, bestätigt er Leonies Bedenken.
„Du bist schlauer, als du aussiehst“, gibt ihm das Mädchen Kopf nickend zu verstehen.
Pauli ist sich nicht ganz sicher, ob er das als Kompliment oder Beleidigung auffassen soll, während er nach einer Möglichkeit sucht, den Inhalt des Briefes doch noch in Erfahrung zu bringen. Angestrengt denkt er nach.
„Wenn wir die Türe zusperren?“, beginnt er flüsternd, „können wir dann Matthis Brief lesen?“
„Keine gute Idee“, schüttelt Leo ihren Kopf. „Dann wissen doch alle, dass wir etwas zu verheimlichen haben.“
„Aber wir haben doch etwas zu verheimlichen“, zieht der Erstklässler seine Stirn kraus.
Leonie lächelt schwach. „Stimmt. Aber das müssen die anderen doch nicht wissen, oder?“
„Nein, natürlich nicht“, gibt ihr der Kleine Recht. „Soll ich gehen und etwas später wieder kommen?“
Leonie überlegt kurz. Im Grunde wäre das wohl das Beste, allerdings ist sie viel zu neugierig auf Matthis Brief. Deshalb denkt sie auch angestrengt nach und reibt sich kurz wie Wickie nachdenklich die Nase. Mit Erfolg.
„Ich hab's!“, ruft sie nach einer Weile aufgeregt. „Wir nehmen ein Buch und legen den Brief hinein. Falls jemand ins Zimmer kommt, tun wir so, als würde ich mit dir Lesen üben“, beginnt ihr Gesichtchen aufgeregt zu glühen.
„Genial“, muss Pauli ihr beipflichten. „Für ein Mädchen bist du echt schlau, Leo. Allerdings gibt es noch ein kleines Problem“, gibt der Junge zu bedenken.
„Was für ein Problem?“, hebt das Mädchen erwartungsvoll seine Augenbrauen.
„Ich will nicht, dass du verstehst, was du liest, deshalb werde ich dir die Ohren zuhalten, damit du dich nicht verplapperst, falls Kathi uns doch überrascht.“
„Was?“ Einen Moment lang starrt Leonie den Erstklässler mit offenem Mund an. Gegen ihren Willen spürt sie, wie sich ihre Mundwinkel langsam nach oben ziehen, bis sie schließlich über das ganze Gesicht grinst. Ein einziger Blick in ihre Augen verrät dem Kleinen, dass Leonie offensichtlich etwas ungemein komisch findet, aber so sehr er sich auch bemüht, kann er nichts Lustiges im Zimmer entdecken. Und einen Witz hat er auch nicht erzählt. Allerdings stört es ihn nicht sonderlich, wenn sie lacht, solange sie nur seine Bedingung erfüllt.
„Ich werde dir beim Lesen die Ohren zu halten, damit du uns nicht verraten kannst, falls Kathi oder sonst wer reinplatzt“, wiederholt Paulchen mit Nachdruck, und seine eindringliche Miene gibt zu verstehen, dass er von seiner Forderung nicht abrücken wird.
„Von mir aus“, lenkt das Mädchen ein. „Machen wir es so, wie du es sagst“, schmunzelt es, muss sich jedoch innerlich schon ein bisschen über die Einfältigkeit des Kleinen wundern.
„Setz dich auf diesen Stuhl!“, zeigt der Junge auf ihren Drehsessel, worauf Leo widerspruchslos gehorcht und auf dem Stuhl vor ihr Platz nimmt. Erwartungsvoll beobachtet sie, wie Paulchen ein fein säuberlich gefaltetes Papier aus seiner Tasche zieht, eines ihrer Bücher vom Boden hochhebt und vor ihr auf den Schreibtisch legt.
„Öffne das Buch!“, ordnet der Junge an, worauf Leo mit schmalen Fingern das Buch aufschlägt, und Paulchen schnell Matthias' Brief drauflegt. Dann tritt er beinahe lautlos hinter sie und hält ihr mit beiden Händen fest die Ohren zu. Irgendwie kommt sich Leonie ziemlich blöd vor. Jetzt wäre wohl der richtige Moment, Pauli über seinen Irrglauben aufzuklären, doch ein Blick auf den Brief lässt ihr schlechtes Gewissen sofort verblassen. Wie von selbst saugen sich ihre Augen an den Zeilen vor ihr fest und sie beginnt wie hypnotisiert zu lesen.
Liebste Kathi,
morgens kann ich nichts essen, weil ich an dich denke; mittags kann ich nichts essen, weil ich an dich denke;
abends kann ich nichts essen, weil ich an dich denke.
Bitte komm heute um fünf Uhr zum alten Brunnen.
Ich muss dir etwas geben.
Dein 4 ever,
Matthias
Nachdem Leo den Brief zu Ende gelesen hat, ist es in ihrem Zimmer mucksmäuschenstill. In den Köpfen der beiden Kinder geht es drunter und drüber.
„Der Matthi ist so ein Schrumpfhirn“, denkt sich der kleine Pauli. Den ganzen Tag isst er nichts, da er immer an Kathi denken muss und nachts kann er bestimmt nicht schlafen, weil er hungrig ist. Aber er hat es ja schon immer gewusst, dass bei seinem ältesten Bruder ein paar Schrauben locker, weshalb er vermutlich auch nicht ganz dicht ist.
Da Pauli jedoch noch nicht sehr viel Erfahrung mit Liebesbriefen hat (gar keine, um ehrlich zu sein) und obendrein gern wissen möchte, was „4 ever“ bedeutet, würde er gern Leo fragen. Das Blöde ist nur, dass er ihr beim Lesen die Ohren zugehalten hat, und sie deshalb erst gar nicht zu fragen braucht, was sein Bruder für einen Unsinn schreibt.
Auch das Mädchen ist maßlos enttäuscht. Wie der Erstklässler hat es sich den Brief ganz anders vorgestellt. Voller Romantik und Poesie, da es in Liebesbriefen um Herz und Gefühl gehen sollte, doch in Matthis Brief dreht sich alles nur ums Essen bzw. ums Nichtessen. Ob mit Paulis Bruder etwas nicht stimmt? Oder dieses Papier vielleicht doch kein richtiger Liebesbrief ist? Davon abgesehen hat auch sie von »4 ever« noch nie etwas gehört. Ob das vielleicht ein Geheimcode zwischen Matthi und ihrer Schwester ist?
Leo, die auch noch nie einen Liebesbrief gesehen hat, weiß wieder einmal, dass sie nichts weiß.
Während der kleine Junge noch überlegt, wie lange es sein Bruder wohl ohne Frühstück, Vormittagsjause, Mittagessen, Nachmittagsjause und Abendessen aushalten kann, ohne aus den Schuhen zu kippen, verzieht Leo grüblerisch ihr Gesicht.
„Ich wüsste nur zu gern, was er ihr beim alten Brunnen geben will?“, bricht sie schließlich das Schweigen und kratzt sich nachdenklich hinterm Ohr.
„Ich auch. Ich auch!“, murmelt Pauli gedankenverloren und hält kurz inne. In seinem Inneren regt sich ein misstrauisches Stimmchen. Irgendetwas ist nicht so, wie es sein sollte. Irgendetwas stimmt hier nicht. Irgendetwas stört ihn maßlos an Leos Worten. Sogar mehr als maßlos. Aber was bloß? Dann fällt es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen.
„Woher weißt du von dem Brunnen, obwohl ich dir die Ohren zugehalten habe?“, funkelt er sie argwöhnisch an. „Und erzähl’ mir jetzt bloß nicht, dass du mit deinen Augen hören kannst!“
Ui. Jetzt sitzt Leonie in der Patsche. Wie soll sie dem kleinen Pauli erklären, dass sie zum Lesen nicht unbedingt ihre Ohren braucht. Warum das so ist, weiß sie leider auch nicht, deshalb antwortet sie nicht sofort auf seine Frage, die wie ein Damoklesschwert unheilvoll in der Luft hängt.
Während das Mädchen noch überlegt, was es ihm sagen soll, beschleicht den Jungen immer mehr das ungute Gefühl, von Leonie ordentlich über’s Ohr gehaut worden zu sein. Pauli glaubt nun zu wissen, weshalb sie so hinterlistig gelächelt hat, als er von ihr verlangte, sich beide Ohren zuzuhalten.
„Du hast von Anfang an gewusst, dass du trotz zugehaltener Ohren Matthis’ Brief lesen kannst!“, wirft er ihr zornig vor.
Leonie bedauert zutiefst, dass ihr der Kleine auf die Schliche gekommen ist. Andererseits kann sie auch nichts dafür, dass er ein bisschen unterbelichtet ist. Was sie ihm natürlich nicht sagen wird, sondern etwas anderes, aber was nur? Leider fällt ihr nichts ein. Gar nichts.
„Es tut mir leid“, stammelt sie schließlich, während sie den seltsamen Liebesbrief, der noch immer auf dem Buch liegt, in die Höhe hebt.
„Aber du wolltest ja unbedingt, dass ich dir dieses Ding vorlese, und ich wollte es natürlich auch“, lässt sie das Papier in der Luft hin- und herbaumeln. Das ist nicht ganz falsch, muss Pauli zugeben, aber er denkt nicht im Entferntesten daran, ihr die Heimtücke ungestraft durchgehen zu lassen.
„Pah!“, macht der Kleine und seine Lippen werden ganz schmal, als sich ihre Blicke duellieren.
„Wenn du jetzt Edwin wärst, würde ich dir den Arm umdrehen“, versucht er ihr den Brief aus den Händen zu reißen.
„Aber da ich nicht Edwin und du noch dazu einen Kopf kleiner bist als ich, würde ich an deiner Stelle den Mund nicht so voll nehmen!“, macht Leonie nun auch ihrem Ärger Luft und weicht schnell einen Schritt zurück, da sie so ein merkwürdiges Gefühl hat, dass sich der Kleine gleich auf sie stürzen wird. In der Tat kommt der Erstklässler gefährlich näher und zupft fordernd an dem Brief, den sie noch immer in den Händen hält und ihm nicht geben will. Zumindest nicht freiwillig.
„Her damit!“, fährt sie Paulchen wütend an. „Das ist nicht deiner!“
„Deiner auch nicht!“, ist Leo nicht gewillt, ihm den Brief zu überlassen. Immerhin gehört das Papier ihrer Schwester. Oder zumindest fast. Weshalb sie ihrer Ansicht nach mehr Rechte auf das Schriftstück hat. Während Leo damit rechnet, dass der Junge gleich auf sie losgeht, stolpert der Kleine über ihren Plüschdrachen und fällt ihr buchstäblich in die Arme. Zwar reicht sein Gewicht nicht aus, um sie umzuwerfen, trotzdem taumelt Leo einen Schritt zurück, bevor sie ihr Gleichgewicht wieder findet.
„Was macht ihr denn da?“, ertönt plötzlich eine Stimme hinter ihnen. „Sieht fast so aus, als wolltet ihr... KNUTSCHEN?!“
Leo verschlägt es den Atem und Paulis Herz hört kurz auf zu schlagen. Einen flüchtigen Augenblick scheint die Zeit stillzustehen. Beide wissen nur zu gut, wen sie gehört haben und schauen schuldbewusst zur Tür. Dort steht – OH SCHRECK – Kathi und schaut sie mit unverhohlenem Interesse an.
„Oh, oh“, denkt sich Leo und schiebt den kleinen Pauli mit zusammengebissenen Zähnen schnell von sich, nachdem sie ihm in weiser Voraussicht Matthis’ Brief in die Hand gedrückt hat. Auch Pauli scheint in diesem Moment zu begreifen, was gleich unausweichlich geschehen wird, weshalb er Leo den Brief rasch wieder zurückgibt, damit sie zuerst von Kathi zu Müsli verarbeitet wird.
Doch das Mädchen will den Brief nicht haben und versucht ihn loszuwerden, wobei dies Pauli mit seinen Armen wild fuchtelnd zu verhindern weiß, so dass das Papier schlussendlich vor ihren Augen langsam auf den Boden schwebt. Wie gebannt folgen die Blicke der beiden Missetäter Matthias’ Liebesbrief (von dem Leonies Schwester noch keine Ahnung hat), während Kathis Blick forschend von Leo zu Pauli und wieder zurückwandert.
„Wenn man euch so ansieht, könnte man meinen, ihr hättet etwas ausgefressen“, blickt Kathi in die vor Schreck geweiteten Augen der beiden Kinder vor sich. Leo hebt kurz ihren Kopf und schaut direkt in die Argusaugen ihrer Schwester. Ihr Herz klopft wie ein Traktor und die Luft scheint direkt ihn ihrem Hals festzustecken. Im Geiste legt sie sich bereits eine mehr als schlechte Ausrede zurecht, obwohl sie genau weiß, dass diese ihr Leben nicht mehr retten wird. Zu spät ruft sie sich in Erinnerung, dass es eine ganz dumme Idee war, Matthias’ Brief in ihrem Zimmer zu lesen, während ihre große Schwester noch im Haus ist, und nun heißt es, die Konsequenzen tragen, egal wie schlimm diese auch ausfallen mögen. Obwohl Leo weiß, dass sie eine ganz miserable Lügnerin ist, versucht sie es trotzdem.
„Wir etwas ausgefressen?“, lässt ihr Tonfall Kathis Worte zur Anklage werden. „Hh, wie kommst du denn nur auf so etwas?“, schnaubt sie vorwurfsvoll, während ihre Füße wie von selbst auf das Blatt Papier am Boden steigen. Dann stößt sie einen langen Seufzer aus, greift nach Paulis Hand und zieht ihn demonstrativ an ihre Seite.
„Sehen wir vielleicht wie gemeines Schurkenpack aus?“, schaut sie mit Unschuldsmiene schnell zu Paulchen hinüber, der regungslos neben ihr steht und versucht, ein Lächeln zustande zu bringen, das ihm auf den Lippen gefriert.
„Ja, das trifft es ziemlich genau“, legt Kathi ihre Stirn in Falten und fragt sich, was das wohl für ein Zettel ist, der sich unter Leos Füßen befindet, während sie beobachtet, wie ihre kleine Schwester hektisch an ihrem Ohrläppchen zupft, was immer ein untrügliches Zeichen für ihre Nervosität ist.
„Besonders Pauli“, zeigt Kathi mit ihrem Zeigefinger auf den kleinen Jungen an Leos Seite, der noch immer wie zur Salzsäule erstarrt neben ihrer jüngeren Schwester steht.
„Das liegt daran, dass er sich schämt, weil er noch nicht lesen kann“, erklärt Leo ihrer Schwester im Plauderton und ist unheimlich stolz, einmal die passenden Worte im richtigen Moment zu finden.
„Deshalb ist er auch hier, um mit mir zu üben! Das ist zwar ein bisschen peinlich, aber kein Verbrechen. Und noch nicht mal gelogen“, denkt Leo und schenkt ihrer Schwester ein unschuldiges Lächeln, während der kleine Pauli stumm mit dem Kopf nickt.
Doch Kathi glaubt den beiden kein Wort. Weil sie Pauli kennt. Und Leo noch viel besser. Da sie jetzt aber keine Zeit hat, der Wahrheit auf den Grund zu gehen, bittet sie Leonie, den Fön, den sie von Mama ausgeborgt hat (da ihrer aus unerfindlichen Gründen wieder mal unauffindbar ist), dieser unverzüglich zurückzugeben, sobald sie vom Einkaufen kommt. Dann verschwindet Leonies Schwester genauso schnell, wie sie im Zimmer aufgetaucht ist.