Читать книгу Falsche Pillen - Sabine Karcher - Страница 10

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7. Kapitel

Lena hatte ihn mit ihrem Misstrauen angesteckt. Wie ein Virus breitete es sich aus, auch wenn Dennis sich noch so bemühte, es zu bekämpfen.

Der Zeitungsartikel ließ ihn nicht mehr in Ruhe. Am Nachmittag fuhr er zu Fermesio. Er musste sich davon überzeugen, dass die Präparate, die er und Nicole eingenommen hatten, tatsächlich dieselben waren, vor denen in der Zeitung gewarnt wurde.

Der Pförtner an der Lieferantenzufahrt war neu. Er verlangte den Ausweis. „Entschuldigen Sie bitte, ich habe Sie nicht erkannt", stammelte er und öffnete die Schranke.

Dennis parkte beim Warenausgang, dort war um diese Zeit wenig los. Niemand wunderte sich, wenn er durchs Lager streifte, schließlich kannten ihn die meisten Mitarbeiter. Er schaute hoch zur Empore, einem Gang in der Zwischenetage, von wo aus man den vorderen Teil des Lagers überblickte. Es hätte ihm gerade noch gefehlt, wenn Wolfgang ihn von dort oben beobachtet hätte.

Entlang der Fließbänder, auf denen die Kisten für die Apotheken transportiert wurden, ging er zum hinteren Lagerbereich, wo er letztes Mal die Packungen geholt hatte.

„Dennis, was führt Sie zu uns?" Eine Frauenstimme ließ ihn zusammenzucken.

Er drehte sich um, vor ihm stand Brigitte Berger. Sie arbeitete im Einkauf und war Wolfgangs rechte Hand. Im Betrieb munkelte man, er habe ein Verhältnis mit ihr, was er für ein Gerücht hielt. Sie war fast zwanzig Jahre jünger als Wolfgang und hatte eine erstklassige Figur.

Dennis konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Wolfgang ihr Typ war. Überhaupt konnte sich Dennis an keine Frau erinnern, die in Wolfgangs Leben eine wirkliche Rolle gespielte hatte. Den Haushalt führte Svetlana, die täglich für drei Stunden kam, und ansonsten…? Darüber hatte er sich noch nie Gedanken gemacht.

Frau Berger rückte ihre Brille zurecht. Sie wartete noch immer auf eine Antwort.

Er räusperte sich. „Das fragt eine schöne Frau?"

„Wie sehen Sie denn aus? Hatten Sie einen Unfall?“

Dennis winkte ab. „Ist nichts weiter. Ich bin ausgerutscht.“

„Und auf die Nase gefallen.“ Sie zog die Brauen hoch. „Was macht das Studium?"

„Bin fast fertig. Wolfgang hat erzählt, dass Medikamente gestohlen wurden. Wissen Sie etwas darüber?“

„Nein.“ Sie wirkte verwirrt, obwohl sie versuchte, es zu verbergen. „Ich muss wieder zurück, die Arbeit ruft.“

„Darf ich Sie begleiten? Von Ihnen könnte ich im Einkauf bestimmt viel lernen." Er sah ihr direkt in die Augen und lächelte sie an. Dieser Blick funktionierte bei allen Frauen.

„Wenn Sie meinen." Verlegen fasste sie sich ans Ohrläppchen.

„Mich würde zum Beispiel interessieren, wie Sie das mit den Lieferanten organisieren."

Frau Berger musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen. Es war klar, sie glaubte ihm kein Wort. Wahrscheinlich war er zu plump vorgegangen. „Dafür gibt es Lieferantenlisten."

„Kann ich einen Blick reinwerfen, nur so aus Interesse? Mein Onkel hat sicher nichts dagegen, wenn ich mich etwas informiere."

„Meinetwegen."

Er begleitete sie in ihr Büro, das sich direkt an Wolfgangs anschloss. „Ist mein Onkel da?"

Frau Berger zog die Tür zu seinem Zimmer zu, als wollte sie den Raum vor Dennis Blicken verbergen. „Er muss irgendwo im Lager sein."

Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und forderte ihn auf, sich einen Stuhl zu holen. Ihr Parfüm erinnerte Dennis an das einer Exfreundin. Eternity, wenn er sich nicht irrte.

Auf dem Bildschirm erschien eine Liste unbekannter und bekannter Herstellernamen.

„Bezieht Fermesio auch Ware aus dem Ausland?"

„Ja. Produkte, die es in Deutschland nicht gibt oder die hier teurer sind. Sie können es hier an dem „I“ erkennen, für Import."

„Wenn ich Ihnen ein Präparat nenne, können Sie dann sagen, wer es geliefert hat?"

„Natürlich."

Er zog den Zeitungsartikel mit der Arzneimittelwarnung aus der Tasche und faltete ihn auseinander. „Können Sie nachsehen, ob das auf Lager ist?“

Sie zog das Blatt näher zu sich und überflog den Artikel, ohne die geringste Regung zu zeigen. „Diese Präparate führen wir nicht.“ Sie schob die Zeitung zur Seite und griff nach ihrer Tasse.

„Sind Sie sicher? Ich meine, bei so vielen unterschiedlichen Produkten …“

„Wie es aussieht, sind das illegale Medikamente. Sie wollen Ihrem Onkel doch nicht unterstellen, dass er illegale Geschäfte betreibt?“ Sie stellte die Tasse schwungvoll ab. „Oder haben Sie diese Präparate etwa hier schon gesehen?" Ihre Brauen zuckten nach oben.

„Nein, natürlich nicht. Ich denke, ich lasse Sie jetzt lieber allein.“ Er stand auf, faltete die Zeitung und steckte sie wieder ein. An der Tür blieb er stehen, wie die Kommissare im Krimi. „Ich habe gelesen, dass Fahrer von Fermesio Fahrerflucht begangen und krumme Dinger gedreht haben."

Frau Berger sah ihn überrascht an. „Das stand so in der Zeitung?"

Hätte er nur den Artikel herausgesucht. Er runzelte gekünstelt die Stirn und hoffte, so seine Unwissenheit zu überspielen. „Irgendwas mit Arzneimittelfälschungen. War die Lieferung für Fermesio bestimmt?"

„Die Kerle hatten den LKW gestohlen."

„Sie hatten was?" Entweder war Wolfgang ein ausgekochter Hund oder Lena lag falsch.

„Wie es aussieht, müssen sie den leeren Laster vom Betriebsgelände geklaut haben. Aber die Polizei behauptet, er wäre voller gefälschter Medikamente gewesen. Was er genau geladen hatte, woher die Lieferung kam oder für wen sie bestimmt war, haben sie uns nicht gesagt."

Schon seltsam. Mitarbeiter von Fermesio klauten einen leeren LKW, um damit gefälschte Ware zu transportieren. Dann verunglückten sie und machten sich aus dem Staub. Da war doch mächtig was faul. „Sind die Fahrer schon länger in der Firma beschäftigt?"

„Mit den Fahrern habe ich nichts zu tun. Da müssen Sie Ihren Onkel fragen." Sie zog nervös die Tastatur näher zu sich heran. „Ich muss jetzt aber wirklich weitermachen.“

Dennis verabschiedete sich. Vorbei am Hochregallager steuerte er den Lagerplatz M 25 an. Das Surren der Förderbänder war hier nur noch leise zu hören. Er wurde das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden.

Das Regal M 25 war leer. Er ging zurück zu M 24, dann weiter zu M 26. Er war richtig. In Gang M 24 befanden sich die Desinfektionsmittel und in Gang M 26 Verbandsmaterial und Windelpackungen. Alles wie immer. Nur die Ware, die er suchte, war nirgends zu finden. Auch nicht in den benachbarten Reihen.

Das hätte er sich eigentlich denken können. Wolfgang hatte längst alles verschwinden lassen. Das Lager war riesig. Ohne konkrete Anhaltspunkte oder Positionsangaben, war es unmöglich, etwas zu finden. Im Computer brauchte er gar nicht erst nachzusehen, da waren diese Mittel sicherlich nicht registriert.

Auf der Fahrt nach Hause sah Dennis immer wieder in den Rückspiegel. Knolle und sein Kumpel würden erst untertauchen, wenn sie das Geld von Wolfgang hatten, solange könnten sie ihm immer noch auflauern. Und wenn sie ihn bei Fermesio hatten wegfahren sehen, glaubten sie womöglich, er hätte neue Ware.

Das Handy läutete. Wolfgang. Sein erster Impuls war, den Anruf wegzudrücken. Doch dann meldete er sich. „Ja?“

„Bist du heute Abend zu Hause?“, fragte Wolfgang.

„Warum?“

„Ich erwarte Besuch, bin aber nicht rechtzeitig zurück. Bitte die Leute ins Wohnzimmer und sag ihnen, dass ich mich etwas verspäten werde.“

Er lenkte sein Auto an den Straßenrand und hielt an. Wolfgang wird es sich doch nicht etwa anders überlegt haben und Knolle und seinen Kumpel bei uns unterkriechen lassen, dachte Dennis. „Ich bin mit Frank verabredet“, antwortete er rasch.

„Ab wann?“

„Ich komme heute überhaupt nicht nach Hause.“

„Na gut.“ Wolfgang legte auf.

Dennis hielt das Handy in der Hand. Auf die Schnelle war ihm nur Frank eingefallen. Er presste die Lippen zusammen. So ein Blödsinn. Wolfgang würde die beiden nie zu sich bestellen. Er wollte ganz bestimmt nicht mit ihnen gesehen werden.

Dennis steckte das Handy weg. Er hielt sich am Lenkrad fest. Irgendwie reizte es ihn, die drei bei ihrem nächtlichen Treffen zu beobachten. Am Fischweiher kannte er genügend Verstecke, von denen aus er einen perfekten Überblick hatte.

Falsche Pillen

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