Читать книгу Falsche Pillen - Sabine Karcher - Страница 7

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4. Kapitel

Dennis holte seinen Wagen aus der Werkstatt und schaute auf die Uhr. In zwei Stunden war er mit Knolle im Fitnesscenter verabredet. Seinen bisher größten Deal würde er dort abwickeln. Nur gut, dass er die Packungen bald los war.

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Wolfgang nicht daheim war, holte er einen Karton aus der Garage. Fast ein wenig erleichtert packte er alles hinein. Vorerst war es besser, nichts mehr zu Hause zu haben. Er rechnete zwar nicht damit, dass Wolfgang sein Zimmer durchsuchte, das hatte er bisher noch nie getan, aber sicher war sicher.

Mit Paketband verschloss er den Karton, trug ihn zum Auto und verstaute ihn im Kofferraum. Das war die erste und würde auch die letzte Lieferung für Knolle werden. Soviel brachten die Geschäfte nun auch wieder nicht ein, als dass sie den Stress mit Wolfgang Wert waren.

Er stieg in den Wagen und umklammerte das Lenkrad. Die Musik stellte er auf volle Lautstärke. Egal wie er es drehte und wendete - seine Pillen konnten unmöglich schuld an Nicoles Tod gewesen sein. Das war schließlich reguläre Ware aus einem Arzneimittelgroßhandel.

Um diese Zeit war im Fitnessstudio noch nicht viel los. Obwohl die Parkplätze am Eingang frei waren, fuhr Dennis nach hinten zu den Palisaden bei den Mülleimern. Dort konnte er das Geschäft mit Knolle in Ruhe abwickeln.

Er holte die Sporttasche aus dem Kofferraum und ging ins Studio. Schon von weitem begrüßte ihn Sina. Sie lehnte sich über den Tresen und reichte ihm einen Spindschlüssel. „So früh heute?"

„Das war die Sehnsucht nach dir“, quälte er sich einen Witz heraus.

Sina schüttelte den Kopf und lachte. „Du elender Schwindler.“

Er zuckte lässig mit den Schultern und schmunzelte. „Ertappt.“ Dabei ließ er den Blick durchs Studio schweifen. Im Trainingsraum mühten sich ein paar Rentner auf dem Laufband ab und zwei Frauen strampelten auf dem Crosstrainer ihre Pfunde herunter. Bei den übrigen Geräten war nicht viel los.

Eine Mischung aus Schweiß und Deospray hing in der Umkleide. Er verstaute die Tasche im Spind, dann schlenderte er zu den Fahrrädern. Bis Knolle kam, konnte er locker eine Stunde trainieren. Und das hatte er auch dringend nötig. Nicht nur, dass ihm die vergangene Nacht noch gewaltig in den Knochen steckte. Nicole ging ihm nicht aus dem Kopf. Mit den Kopfhörerstöpseln des Smartphones im Ohr setzte er sich aufs Rad, aber selbst der Sound von Angélique Kidjo verdrängte die Gedanken an Nicole und Wolfgang nicht.

Zuerst der Blackout, dann Wolfgangs Andeutung und jetzt auch noch Nicoles Tod.

Er trat in die Pedale, als könnte er vor sich selbst davonradeln.

Das Geschäft mit Knolle hatte so vielversprechend begonnen. Der Typ war zwar nicht sympathisch, aber das war egal. Schließlich waren sie Geschäftspartner und keine Freunde.

Dennis kannte nur seinen Spitznamen und der passte irgendwie zu ihm. Knolle war etwa gleich groß wie er, aber um einiges breiter. Auffallend war sein Ohrstecker mit einer Spinne drauf.

Es hatte so einfach angefangen. Vielleicht zu einfach. Mit dem Preis war Knolle schnell einverstanden gewesen und er hatte die Ware bald beisammen. Kein Wunder, dass Wolfgang dahinter gekommen war. Er hätte sich mehr Zeit lassen müssen, nicht so viele Packungen auf einmal zur Seite schaffen dürfen.

Verdammt.

Er war so ein Idiot. Er hatte sich zu sicher gefühlt.

Mit dem Handtuch rieb er sich den Schweiß von der Stirn. Sein Kopf wurde allmählich klarer. So klar, dass ihm tausend Gedanken gleichzeitig durchs Hirn schossen.

Knolle stieß die Eingangstür auf. Der Typ war so was von pünktlich, für Dennis Begriffe zu pünktlich. Er beugte sich vor, stieg zum Endspurt in die Pedale.

Mit wenigen Schritten war Knolle bei ihm und zog ihm einen Ohrstecker aus dem Ohr. „Hast du die Ware?“

Dennis stoppte ab, richtete sich auf und nahm sein Handtuch. So ein Idiot! Auffälliger ging es ja wohl nicht. „Schrei es noch lauter herum“, raunte er.

„Komm mit!" Knolle wirkte nicht, als hätte er vor zu warten, bis Dennis mit dem Training fertig war.

„Mann, was soll das? Entspann dich. Das Zeug ist im Auto." Das T-Shirt klebte ihm am Rücken.

„Komm!" Es fehlte nicht viel und Knolle hätte ihn vom Rad gezogen.

„Warte, ich ziehe mir was an, sonst hole ich mir den Tod."

„Wenn du nicht spurst, holst du dir den noch schneller."

Dennis verdrehte die Augen. Der hatte sie ja nicht mehr alle. „Ich brauche den Autoschlüssel.“

Dennis zog ein frisches T-Shirt über. Er war versucht Knolle zu sagen, dass er mit Typen wie ihm keine Geschäfte mehr machen wollte, andererseits hatte er jetzt keine Lust auf eine Grundsatzdiskussion. Er wollte die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen.

Sie gingen am Empfang vorbei zur Tür. Sina schaute ihnen verblüfft hinterher. Auf ihren fragenden Blick zuckte er mit den Schultern.

Direkt beim Eingang parkte ein Ford, älteres Baujahr. Das Fenster war heruntergekurbelt, Techno dröhnte aus dem Radio. Knolle nickte dem Fahrer zu, einem hageren Kerl mit Sonnenbrille. Diesen Typen hatte Dennis noch nie gesehen.

„Wo ist das Zeug?“, fragte Knolle.

„Dort hinten.“ Dennis deutete zu seinem Auto.

Auf Knolles Zeichen setzte sich das Fahrzeug in Bewegung und parkte neben Dennis’ Polo. Der Hagere stieg aus, warf seine Zigarette auf den Boden und trat sie aus. „Lass sehen."

Dennis rieb sich den Nacken. Was bildete der Kerl sich eigentlich ein? Spielte sich auf wie Rambo und glaubte, ihn damit einschüchtern zu können. „Jetzt mal halblang, Jungs. Zuerst das Geld, dann …“

Der Hagere ließ ihn nicht ausreden, sondern stieß ihn rückwärts gegen die Motorhaube. Dennis torkelte und verlor fast das Gleichgewicht.

„Schließ auf!“

Na super, das hatte ihm heute gerade noch gefehlt. Er drückte auf die Fernbedienung. Die Verriegelung sprang auf. Zufrieden zog der Hagere die Heckklappe hoch, beugte sich hinein und schnitt das Klebeband des Kartons auf. Er ließ sich Zeit, den Inhalt zu kontrollieren. Währenddessen behielt Knolle die Umgebung im Blick.

Dennis fror.

Der Hagere reichte ihm einen Umschlag mit Geldscheinen. Dennis zählte sie. „He! Das sind nur 3500 Euro. Abgemacht waren 4800!" Wegen der beiden Idioten hatte er es sich mit Wolfgang verscherzt und jetzt bezahlten sie auch noch zu wenig. So nicht! Er drückte die Heckklappe zu.

„Der Preis war ohnehin zu hoch. Betrachte es als Rabatt", antwortete der Hagere mit einem spöttischen Grinsen und öffnete die Klappe wieder.

Dennis drehte sich zu Knolle. „Abgemacht ist abgemacht!"

Der zuppelte verlegen an seinem Ohrring. Wie es aussah, hatte er nicht hart genug verhandelt, aber das mussten die beiden untereinander klären.

Dann ging alles sehr schnell. Der Hagere nickte Knolle zu, der Dennis am Arm packte und hinter die Palisaden zu den Müllcontainern zog.

Dennis widersetzte sich, aber Knolle war um einiges stärker. Erst neben dem Mülleimer ließ er ihn los und lehnte sich lässig an die Wand, zog eine Schachtel Zigaretten aus dem Hemd und klopfte eine raus. „In einer Woche, gleiche Zeit, gleicher Ort die doppelte Menge.“

Dennis wischte sich Schweiß von der Stirn. Auch wenn seine Position beschissen war, so leicht gab er nicht auf. „Ihr könnt mich mal.“

Knolle zündete die Zigarette an, stieß sich von der Wand ab, stellte sich breitbeinig vor ihn und blies ihm den Rauch ins Gesicht. Dennis wich einen Schritt zurück, bis ihm ein Metallcontainer den weiteren Rückzug verwehrte. „Ihr habt euch nicht an die Abmachungen gehalten.“

„Du besorgst das Zeug und das war’s."

Er wollte sich an Knolle vorbeizwängen. Doch der packte seinen Arm und drehte ihn auf den Rücken. Der Schmerz fuhr von der Schulter über den Rücken bis in den Kopf. „Ich kann … nicht. Mein Onkel … hat mich erwischt.“

„Das ist dein Problem.“

Knolle drückte Dennis’ Arm höher.

„Au!“

„Es wird noch viel mehr wehtun, wenn du nicht spurst." Knolle ließ Dennis los.

Er sackte zusammen, rieb seinen Arm. Nach Wolfgangs Warnung konnte er unmöglich diese Mengen bei Fermesio rausschaffen. Er musste unbedingt eine Möglichkeit finden, aus dieser Scheiße rauszukommen. „Ich brauche mehr Zeit.“

Knolle packte erneut Dennis’ Arm und drückte die glühende Zigarette darauf aus.

Dennis schrie.

„Halt die Klappe. Beim nächsten Mal drück ich sie in deinem hübschen Gesicht aus.“ Knolle warf die Zigarette weg. „Abgemacht?"

Im Moment hätte Dennis alles versprochen.

Ohne Vorwarnung versetzte Knolle ihm mit der Faust zuerst einen Schlag ins Gesicht, dann in die Magengrube. „Kleiner Vorgeschmack auf das, was dir blüht, wenn du glaubst, du kannst uns reinlegen.“

Ein Auto hupte. Dennis krümmte sich vor Schmerz. Seine Beine gaben nach. Er hielt sich an der Mülltonne fest, rutschte dann an ihrer Wand auf den Boden. „Das war erst der Anfang!", drohte Knolle im Gehen.

Dennis schloss die Augen. Es war vorbei. Sein Magen verkrampfte sich.

Falsche Pillen

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