Читать книгу Die gefährliche Unausweichlichkeit der Liebe - Saleem Matthias Riek - Страница 12
Kapitel 4
ОглавлениеSimone springt von der Couch auf und stürmt die Wendeltreppe hinauf.
»Simone, renn jetzt nicht weg! Lass es mich doch bitte erklären ... es ist ganz anders!«, schreit Alex hinter ihr her.
Keine Antwort.
»Simone!« Seine Stimme ist jetzt kaum mehr als ein Wispern. Er denkt kurz daran, ihr zu folgen. Sein ganzer Körper zittert. Sie wird sich in ihr Zimmer einschließen und ... Scheiße! Er lässt sich zurück auf das Sofa sinken und starrt ins Leere. »Du verdammtes schwanzgesteuertes Arschloch!«, hat sie ihm eben noch entgegen geschleudert. »Wie soll ich dir jemals wieder vertrauen!« Ihre Worte hängen wie beißende Rauchschwaden in der Luft.
In seiner Lunge brennt es, sein Magen fühlt sich an wie ein schwerer, heißer Stein. In seinem Kopf jagen düstere Gedanken wild durcheinander. Ja, er hat mit dieser Martina geschlafen. Ja, sie haben die Nacht zusammen verbracht. Aber scheiße, es ist doch nichts Ernstes! Keine Chance, Simone das verständlich zu machen. Da wird nichts weiter laufen! Aber bring das mal einer Frau bei, die gerade komplett ausrastet! Alex legt eine Hand auf seine Stirn, aber das nützt nichts gegen seine wild durcheinander brüllenden Gedanken.
Erst hat sie ihm eine Weile zugehört, da dachte er noch ... Aber dann brach die Hasskanonade ungebremst über ihn herein. Reines Wunder, dass die Liebenden von Chagall noch an der Wand hängen. Seine Versuche, alles in einem anderen Licht erscheinen zu lassen ... nichts als Öl ins Feuer ihres Hasses. »Das war deine letzte Chance. Ich kann nicht mehr. Ich geh kaputt. Scher dich zu Teufel!«, waren ihre letzten Worte.
Jetzt ist sie oben. Er kauert auf dem Sofa. Gelähmt. Leer. Es fühlt sich an wie der Vorhof zur Hölle. Er braucht sich gar nicht zum Teufel scheren, der hat ihn längst in seinen Klauen. Noch schlimmer als das Geschrei in seinem Kopf ist die Stille, die sich langsam ausbreitet.
Gespenstische Stille.
Nicht auszuhalten. Er lässt seinen Blick ziellos umherschweifen, schaut aus dem Fenster: friedliebende Osterglocken und knallrote Tulpen, die ihre üppigen Blütenblätter hemmungslos auseinanderfallen lassen. Simone ist so anders. Kann sich voller Begeisterung um Haus und Garten kümmern. Wie immer stehen frische Blumen auf dem Tisch. Auf dem Sideboard Weidenkätzchen mit bunt bemalten Ostereiern. Nie liegt etwas unnütz herum, außer ihre geliebte Welt der Gefühle. Wehe er lässt etwas liegen. Eine tägliche Nerverei, am Ende wird er sie womöglich noch vermissen. Er umklammert seine Ohren und lässt sich noch tiefer ins Sofa sinken.
Es ist mitten im Hochsommer gewesen. Ist das wirklich erst drei Jahre her? Jeden Abend lagen sie nebeneinander auf ihrem Fleckchen Grün und betrachteten die Sterne. Sie waren glücklich, endlich ein richtiges Zuhause. »Deinen Sperrmüll darfst du getrost entsorgen«, hat sie vor dem Einzug klargestellt. »Kein Problem, Liebste!« Er war froh, endlich sein Chaos in den Griff zu kriegen. Kriegen zu müssen. Drei Jahre, sie kommen ihm vor wie Jahrzehnte.
Er lehnt sich müde zurück und blickt vorsichtig nach oben, so als könne ihm in jedem Moment die Decke auf den Kopf fallen. Wird sie sich endgültig von ihm trennen? Er wird jetzt nicht von Liebe anfangen. Im Namen der Liebe wird genug gequält. Nicht mit mir!
Er wird immer trauriger. Verdammt, warum hängt er so an Simone? Freudlos denkt er an die ersten Monate im neuen Haus. Wie verliebt sie waren! Die laue Sommernacht, in der sie im Garten miteinander schliefen, unter einer dünnen, flauschigen Baumwolldecke. Er wollte das gerne wiederholen, aber sie hat immer Gründe gehabt, warum es gerade nicht passte.
Alex legt sein Gesicht in beide Hände. Erst im letzten Jahr ist er mal richtig sauer geworden, hat seinen gesamten Frust rausgeschrien. »Es ist doch schön, wie es ist«, hat sie dagegengehalten. Und: »Wenn du mich permanent bedrängst, habe ich erst recht keine Lust!« Da ist er ausgerastet, er erinnert sich nur zu gut. Er hat ihr gedroht, sich den Sex woanders zu holen.
Er schluckt. Damals ist etwas zerbrochen, obwohl er seine Drohung kurz darauf zurückgenommen hat. Der Sex ist immer seltener geworden. Die Sehnsucht nach Sex hat sich in sein Gehirn gebrannt, ist ins Unermessliche gestiegen. Er ist ins Internet geflohen, da war es leicht, seine Fantasien zu befeuern. Simone hat davon nie etwas mitbekommen. Hätte ja nichts gebracht, sie ständig mit seiner Lust zu behelligen. Er sieht sie vor sich, wie sich ihre Miene bei jeder Anspielung sofort verdunkelt. Automatikschaltung. Wie in diesen modernen Bürotürmen, wo bei bestimmter Sonneneinstrahlung sofort die Jalousie runtergefahren wird.
Immer öfter ist er ins Büro geflohen. War ihr auch nicht recht. »Du hast eine Nähe-Phobie« hat sie diagnostiziert, um dann gleich nachzulegen: »Lass uns eine Paartherapie anfangen. Alleine schaffen wir das nicht.« Hat aber so geklungen, als bräuchte vor allem er eine Therapie. Sie selbst war ja bereits in Behandlung. Aber hat das was gebracht? Nein!
Aus dem oberen Stockwerk kommt ein gellender Schrei, der ihm durch Mark und Bein geht. Er springt auf und läuft zur Treppe. Soll er hinaufrennen? Hat sie sich verletzt?
Er lauscht. Dumpfe Schläge dringen aus dem Schlafzimmer, als würde jemand Teppich klopfen, dann hört er sie wieder brüllen »Du mieser, verdammter Scheißkerl. Ich hasse dich. Ich hasse dich!«
Wohl keine gute Idee, zu ihr rauf zu gehen. Ihm wird speiübel, er schleicht in die Küche und trinkt einen Schluck Wasser. Das tut gut. Sein Mund ist trocken wie Schmirgelpapier. Er nimmt das Glas und setzt sich wieder ins Wohnzimmer. Er weiß genau, er kann nichts tun. Nur warten.
Sein Kopf ist dumpf und leer, ab und an tauchen Erinnerungen auf, die wehtun.
Frau und Mann sind niemals frei. Stets ist ein Gefühl dabei. Ja, Tucholsky wusste Bescheid. Männer und Frauen, ein fataler Konstruktionsfehler der menschlichen Gattung, nicht zu beheben.
Er horcht. Nichts. Sie scheint sich wieder beruhigt zu haben, immerhin. Er fühlt sich taub, kein Gefühl, alles tot. »Zeig doch mal deine Gefühle!«, hat sie ihm immer wieder an den Kopf geworfen. »Du bist überhaupt nicht bei dir! Lenkst dich ständig ab. Deswegen willst du dauernd Sex. Vielleicht solltest du mal in einen Swingerclub gehen.«
Alex steht auf und läuft im Wohnzimmer auf und ab, tritt schließlich raus auf die Terrasse. Er hat tatsächlich mal ernsthaft daran gedacht. Wenn er ihr das verraten hätte, wäre es mit Sicherheit damals schon aus gewesen. Als er im Garten nebenan die stets neugierige Nachbarin entdeckt, verzieht er sich wieder nach drinnen. Dieser Blick! Bestimmt hat sie was gehört. Von ihr angesprochen zu werden ist jetzt das letzte, was er ... plötzlich steht es ihm glasklar vor Augen. Schuldig! Wie auf dem Cover eines martialischen Thrillers, die grellroten Buchstaben springen ihn an wie Blutspritzer. Das ist es. Er fühlt sich schuldig. Ein grässliches Gefühl. Nein, kein Gefühl, eine Krake. Wieder vergräbt er das Gesicht in seinen Händen.
Als er die Augen öffnet, fährt ihm ein Schreck in die Magengrube. Er hat sie nicht kommen hören. Sie sitzt kerzengerade auf dem Sessel gegenüber. Schaut ihn unverwandt an, verheult, Wimperntusche verschmiert, ihre zerzausten Haare notdürftig zusammengebunden, doch ihre Gesichtszüge wirken seltsam weich, viel weicher als all die Wochen zuvor. Als hätte sie eine Maske abgelegt. Sie schaut ihn aus ihren plötzlich stahlblauen Augen an und sagt keinen Ton. Er kann keinen klaren Gedanken fassen. Seine Kiefer spannen schmerzhaft, sein Bauch ist hart wie Stein.
Nach endlosen Minuten beginnt Simone zu sprechen.
Und hört so schnell nicht wieder auf. Es kommt alles auf den Tisch, was sie nicht ausstehen kann, alles. »Warum habe ich mich so tief auf dich eingelassen? Ich kann ja nicht behaupten, ich hätte nichts gewusst. Dass du zum Beispiel regelmäßig diese Sexseiten im Internet besuchst, weiß ich schon seit Jahren. Ich habe es weggedrückt, ich dachte, so sind Männer eben, aber wenn ich ehrlich bin: Ich ekle mich davor. Wenn du mich anfasst, denke ich, woran hat der sich gerade vorher aufgegeilt? Denkt er an all die gestylten Busen und ganzkörperrasierten Teeny-Körper, die ihn aus allen erdenklichen Posen vom Bildschirm aus ankeuchen? Ich habe keinen Bock, damit zu konkurrieren. Ich habe mich aber auch nicht getraut, mich komplett zu verweigern, weil, du brauchst Sex wie ein Fisch das Wasser, das war mir klar. Manchmal lag ich steif da und war froh, wenn du endlich kamst und es vorbei war.«
Alex schluckt schwer. Der Dolch sitzt mitten im Herz. Aber kein Gefühl. Leer. Taub.
»Hast du das eigentlich gemerkt?« Sie wartet keine Antwort ab, sondern fährt in beunruhigend ruhigem Ton fort. »Ich kann dir nicht verdenken, dass du immer seltener versucht hast, mich anzumachen. Ich habe es genossen, nur zu kuscheln und nicht ständig vor deiner Geilheit auf der Hut sein zu müssen. Andererseits war mir aber auch klar: Du wirst dir das, was du bei mir nicht bekommst, irgendwann woanders holen. Als du unbedingt zum Tantra wolltest, ahnte ich, dass das nicht lange gut geht. Aber auch das habe ich tapfer weggedrängt.«
So geht es weiter, eine gefühlte Ewigkeit. Alex sitzt nur da und schweigt. Erstaunlich, dass in ihren Worten keine Wut mehr mitschwingt. Ein gutes Zeichen? Oder ein sehr schlechtes? Er fängt an, auf der Couch hin und her zu rutschen, vielleicht sollte er doch mal was sagen. Doch er wagt nicht, sie zu unterbrechen. Sie spricht wie in Trance. Noch nie hat er sie so klar erlebt, als spräche eine andere Simone. Mum würde behaupten, sie channelt. Seine Mutter ist fest davon überzeugt, dass fremde, körperlose Wesenheiten Durchgaben machen. Jetzt glaubt er fast selbst daran. Kommt ihm total surreal vor.
»Weißt du was, Alex? Warum sollen wir lange drum rumreden, du bist vollkommen sexfixiert und kannst wahrscheinlich nie den Hals vollkriegen. Welche Frau der Welt hätte damit kein Problem?« Simone steht auf, setzt sich aber sofort wieder hin.
Alex nimmt einen Schluck Wasser, dann verschränkt er die Arme vor seiner Brust. Martina zum Beispiel. Aber er wird einen Teufel tun, sie jetzt auch nur zu erwähnen.
Simone gibt ihm dazu auch keine Gelegenheit, sondern setzt ihren Monolog ungerührt fort. »Aber ... damit habe ich mich allzu lange von mir selbst abgelenkt. Du kannst dich bei meiner Therapeutin bedanken, die hat nämlich neulich die Geduld verloren und ziemlich harsch nachgebohrt, warum ich mit so einem Monster wie dir überhaupt noch zusammen bin. Warum ich ständig alle Verantwortung bei dir suche, warum ich mir einrede, ich armes Hascherl müsse das alles über mich ergehen lassen. Als ich ihr damit kam, dass ich dich irgendwo noch liebe, hat sie mich ausgelacht! Im ersten Moment hätte ich sie erwürgen können, aber sie ließ nicht locker. Hat mir klargemacht, dass alle Paare diese Spielchen spielen: Wenn Du nur ...« Simone zeigt mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf Alex. »Jeder zeigt mit dem Finger auf den anderen. Sie hat recht. Du hast es gemacht, und ich habe es auch gemacht. Ständig.«
Sie hält inne.
Was soll jetzt die Pause?
Will sie seine Zustimmung?
Erst muss er wissen, worauf das Ganze hinauslaufen soll.
»Alex, du hast mich belogen und verarscht, aber ich muss mir langsam eingestehen: Ich habe mich die ganze Zeit über selbst verarscht. Ich habe mir eingebildet, ich sei tolerant, wenn ich alles mitmache und keine Konsequenzen ziehe. Ich habe dich monatelang angebettelt, dass wir doch bitte, bitte mal einen Versuch beim Paartherapeuten wagen könnten. Du hast komplett abgeblockt. Eigentlich wäre das der Zeitpunkt gewesen zu gehen.«
Sie steht auf, geht langsam und bedächtig in die Küche und holt sich einen Tee. Alex fühlt nur bleierne Schwere. Er kann sich kaum noch rühren. Etwas zu trinken würde ihm auch guttun, aber sein Glas ist leer. Wie gelähmt bleibt er auf seinem Platz hocken, bis sie zurückkommt.
»Ich habe geglaubt, dass ich dich liebe, Alex. Ich glaube das, ehrlich gesagt, immer noch. Aber ich kann dich nicht mehr lieben als mich selbst. Niemand kann das. Wenn ich mir das einrede, lüge ich mir selbst in die Tasche. Es ist Zeit, mich um meine Selbstliebe zu kümmern.«
Ja und? Wer hält sie denn davon ab? Ich etwa?
»Es fällt mir verdammt schwer. Es erscheint mir viel leichter, dich zu lieben. Du hast mich bestimmt oben schreien gehört, oder?«
Er nickt stumm.
Ihre Stimme klingt noch rau, aber das nimmt ihr nichts von der Klarheit. »Du wirst es nicht glauben, aber kurz danach dachte ich schon wieder voller Wehmut an all das Schöne, was ich mit dir erlebt habe. Unsere Reisen in die Provence und an den Plattensee. Deine verrückten Ideen, deine romantische Ader, wenn du mich zum Essen ausgeführt hast oder ins Konzerthaus. Dein ungeheures Einfühlungsvermögen in die Bedürfnisse meines Körpers. Mann, wenn wir dann mal Sex hatten, war er wirklich gut, und ich habe mich so von dir geliebt gefühlt. Die langen Spaziergänge im Rieselfeld und in den Weinbergen, die vertrauten Gespräche über alles und jedes, deine scharfe Beobachtungsgabe, deine Intelligenz und dein staubtrockener Humor. Auch wenn ich manchmal fast dran erstickt wäre. Deine Liebe zur Literatur. Und sogar deine Liebe für deinen Sohn. Wie du für sein Zimmer gekämpft hast. Am Ende war er ja gar nicht so oft hier, du hast ihn echt vernachlässigt, aber der Eifer, mit dem du im Falle eines Falles für ihn da warst ... so viel, was ich an dir mochte. Ich muss es mir eingestehen, da ist immer noch vieles, was ich an dir mag. Oder sogar liebe. Es wird nicht leichter, wenn ich das abstreite. Obwohl ich es am liebsten täte.«
Tränen in ihren Augen, auch er hat einen Kloß im Hals. Die Übelkeit weicht bittersüßer Trauer. Er schöpft Hoffnung. Liebt sie wirklich so vieles an ihm? Er versucht, ihren Blick zu ergründen, aber sie schaut zur Seite.
Lange hat er nicht mehr spüren können, dass sie auch nur irgendetwas an ihm mag. So gerne würde er glauben, dass sich doch noch ein Weg finden ließe. Auch ihm fallen all die Dinge ein, die er an ihr schätzt. Sie riecht so gut. Wenn sie lacht, dann lacht ihr ganzer Körper. Wenn sie weint, dann weint sie von den Füßen bis zu den Haarspitzen. Sie kann ihm ein Gefühl von Heimat vermitteln. Noch nie hat er sich in den Armen einer Frau so geborgen gefühlt. Ganz sicher wäre sie eine gute Mutter. Sie haben selten darüber gesprochen, was ihre Unfruchtbarkeit für sie bedeutet, nur einmal hat sie bitterlich darüber geweint. Es ist ihm so an die Nieren gegangen, vielleicht wäre er sogar entgegen aller Überzeugung nochmal Vater geworden. Einmal ist schwer genug. Trotzdem ... es ist pures Glück, dass es Finn in seinem Leben gibt, trotz allem.
»Alex?« hört er sie wie durch einen Nebel fragen.
»Ja. Ich ... weiß nicht was ... was hast du denn jetzt vor?«, stottert er.
Sie lässt sich Zeit mit ihrer Antwort.
Dann sagt sie so beiläufig, als ginge es ums Abendessen. »Es ist vorbei, Alex. Zeit zu gehen.« Obwohl er nichts anderes erwartet hat, trifft es ihn wie ein dumpfer Schlag in die Magengrube, alles zieht sich zusammen. »Ich verstehe es selbst nicht ganz, aber wenn ich mir meine Liebe zu dir eingestehe und nicht mehr versuche, an dir herum zu kritteln und dich zu verändern, stellt sich große Ruhe in mir ein. Es ist einfach klar. Es ist zu Ende.«
Alex kann nicht fassen, dass sie dabei lächelt. Eine Welle beißender Wut brandet in ihm auf, aber er kämpft dagegen an. Ist er so wütend, weil er selbst den Mumm nicht aufbringt zu gehen?
Er hat mit Martina geschlafen, das ist klar gegen die Abmachung gewesen. Aber dafür diese Generalabrechnung? Sie muss sich schon länger mit dem Gedanken an Trennung getragen haben. Genau, das ist es. Jetzt wird ihm alles klar.
Aber ... tut er selbst das nicht auch? Träumt er nicht auch schon länger von einer Frau, für die Sex genauso elementar ist wie für ihn selbst? Scheiße, seine Gedanken drehen sich im Kreis.
Er fühlt sich hundeelend.
Als er wieder zu Simone schaut, steht sie kerzengerade vor ihm.
Sie erwidert seinen Blick. »Ich würde dich gerne in den Arm nehmen«, sagt sie vollkommen ruhig, »aber ich glaube, das ist keine gute Idee.«
Alex fühlt sich wie ein Boxer, der endgültig k.o. geht. Wo zum Teufel nimmt sie plötzlich diese Kraft her? Und diese Gelassenheit? Oder ist es Entschiedenheit? »Ich finde die Idee nicht so schlecht.« Alex versucht, seine Resignation mit einem Lächeln zu überspielen, aber es fühlt sich grässlich an, er lässt es gleich wieder. Die Knie fest an seinen Bauch gedrückt, lässt er sich seitlich auf die Couch kippen und igelt sich ein, soweit es geht. Soll sie ihn doch für einen Waschlappen halten, ist jetzt auch egal. Scheißegal! Soll sie doch denken, was sie will. Er zieht sich noch fester zusammen.
»Es tut mir unendlich weh, dich loszulassen, glaub mir. Aber ich kann nicht anders.« Sie schreitet zur Treppe, kommt aber nochmal zurück. »Nein, stimmt nicht. Ich will nicht mehr.«
Sie streicht mit einer Hand über seine Schulter, so wie man einen kranken Hund streichelt. Er lässt es einfach geschehen. Dann steigt sie langsam die Treppe hinauf.