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Marina hatte ihr neues Kleid angezogen. Jack war genauso unglücklich darüber wie an dem Tag, als sie es gekauft hatte. Dazu trug sie Pumps, und er fragte, wie sie mit den Dingern tanzen wollte. »Ich hab’s kapiert, Jack«, sagte sie.

»Was ist mit dem Pulli?« Jack ließ nicht locker.

»Es sind zweiunddreißig Grad«, erwiderte sie.

»Heute Nacht kühlt es ab. Dann wirst du froh sein, ihn dabei zu haben.«

»Schon gut. Ich nehme den blauen mit, den du mir zu Weihnachten geschenkt hast.«

Er machte Wirbel um sie, obwohl er wusste, dass sie das nicht ausstehen konnte. War ihre Tasche fertig gepackt? War ihr Handy aufgeladen? Hatte sie alle für die Grenzüberquerung notwendigen Papiere? Sie beantwortete alle Fragen mit Ja, und Jack wusste sowieso, dass sie an alles gedacht hatte: Sie war verantwortungsvoll und dachte mit. Das hatte er ihr beigebracht, und davor Vilma.

Sie standen auf dem Rasen vor dem Haus. Marina hatte ihre Tasche über der Schulter. »Lass dich noch mal ansehen«, sagte Jack.

»Ich bin nur eine Nacht weg«, sagte Marina. »Ich ziehe nicht aus.«

»Ich will nur, dass es dir gut geht«, sagte Jack.

»Ich weiß. Aber im Ernst, der Pulli? Den lasse ich einfach im Auto liegen.«

»Dann lass ihn im Auto.«

»Mache ich.«

»Gut.«

Er sah ihr nach und winkte, bis der kleine Galant außer Sichtweite war. Auf dem Weg ins Haus hoffte er insgeheim, dass man sie an der Grenze vielleicht abweisen und nach Hause schicken würde, und dann würde er sich keine Sorgen machen müssen. Vielleicht wäre das überhaupt das Beste.

Lidia fing ihn an der Tür ab. Sie trug einen Rock und eine hübsche Bluse. »Hey, ich dachte, wir wollten vor ihr los«, sagte sie.

»Sie ist ein bisschen früher gefahren. Keine Sorge, sie weiß, dass sie was verpasst.«

»Gut.«

Jack zog sich um, ein weißes Hemd und eine frische Jeans, und überlegte sogar, ein Bolotie umzubinden, entschied sich aber dagegen. So toll war das Restaurant nicht, und er wollte niemanden beeindrucken. Nach Vilma war er nie wieder mit einer Frau ausgegangen. Er bezweifelte, dass ihn noch jemand attraktiv finden würde.

Sie fuhren zu dem Familienrestaurant, in dem sie schon x-mal gewesen waren. Die Betreiber waren keine Italiener, sondern Mexikaner, doch das Essen schmeckte authentisch, und im Hintergrund lief immer Frank Sinatra oder irgendein anderer italienischer Schnulzensänger.

Lidia bestellte eine Vorspeise, Jack tat es ihr nach. Der Kellner hielt ihm die Weinkarte hin. »Nein, danke«, sagte Jack. »Ich bleibe bei Wasser.«

Als der Kellner gegangen war, fragte Lidia: »Warum trinkst du eigentlich keinen Wein? Ist es wegen –?«

»Nein, nicht deswegen. Vermutlich gibt es zwei Arten von Menschen: Weintrinker und Biertrinker. Und ich bin nun mal zufällig Biertrinker. Wein ist bloß vergorener Traubensaft.«

Lidia lächelte. »Der ist gut. Den merke ich mir.«

Das Essen kam. Es war noch früh, das Restaurant leer, nur ein paar Familien saßen schon im Speisesaal. Ein Kleinkind in einem Hochstuhl richtete mit einem kleinen Teller Spaghetti einen wahren Saustall an. Es waren mehr Nudeln an als in dem Kind. Jack musste lächeln.

»Was wohl Marina gerade macht?«, fragte Lidia.

Jack sah auf die Uhr. »Keine Ahnung. Brezelt sich noch mehr auf. Schwatzt mit deiner Cousine. Du verpasst nichts.«

»Wie alt muss ich sein, damit ich zu einem Konzert gehen darf?«

»Warten wir ab, wie es heute Abend läuft. Wenn deine Schwester auch nur den geringsten Unsinn macht, friert eher die Hölle zu, als dass ich euch beide noch mal aus den Augen lasse.«

»Das sagst du bloß so.«

»Glaub mir.«

Dean Martin sang »Ain’t That a Kick in the Head«. Das Essen schmeckte gut, die Portionen waren groß. Jack wusste, dass er sich zurückhalten sollte, aber es war ein besonderer Abend, und für besondere Abende galten besondere Regeln. Er bestellte sogar einen Nachtisch, den sie sich teilten, und dann noch einen Kaffee hinterher.

»Hast du dir überlegt, welchen Film du heute Abend sehen willst?«, fragte er Lidia.

»Ich hab Lust auf eine Komödie. Mit Romantik. Was ist?«

»Nichts. Romantik ist gut.«

»Du hast ein Gesicht gezogen!«

»Hab ich nicht«, sagte Jack. »Komm, wir zahlen und verschwinden.«

Als sie auf dem Weg nach draußen waren, kamen ihnen neue Gäste entgegen, der Eingang war voller Menschen. Jack bahnte den Weg und hielt Lidia die Tür auf. Draußen auf dem Parkplatz war es schon nicht mehr so warm wie am Nachmittag, obwohl der Asphalt immer noch Hitze abstrahlte.

Der Supermarkt lag auf dem Weg. Jack wartete, während Lidia sich langsam durch das Angebot im Automaten klickte. Als ein Mann hinter ihnen ungehalten wurde, sah Jack ihn stirnrunzelnd an, und der andere senkte den Blick. Am Ende entschied sich Lidia für einen wahrscheinlich furchtbaren rosa Mädchenfilm, und Jack bezahlte.

Den Rest des Abends verbrachten sie mit Popcorn auf dem Sofa. Jack hasste den Film nicht ganz so sehr wie befürchtet, und Lidia sagte hinterher, sie hätte ihn irgendwie albern, aber lustig gefunden. Sie gingen beide später zu Bett als sonst.

Jack lag noch wach und lauschte dem Rauschen der Klimaanlage. Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte an, dass es fast elf war. Bald ging das Konzert zu Ende, und Marina wäre um Mitternacht wieder bei Bernardo. Jack hoffte, dass sie sich amüsierte und dass sie den Pulli angezogen hatte.

Vermisst

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