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Fünftes Kapitel

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Es war schon fast Mittag, als die Kutsche mit den dreien am Kai ankam. Christopher sprang als erster heraus. Gabriel folgte ihm und landete leichtfüßig auf seinen Stiefelsohlen. Auch Cassie hatte sich inzwischen von ihrem Sitz erhoben, und Gabriel drehte sich um, um ihr wortlos seine Hand entgegenzustrecken.

Als sie ihn so forsch und selbstbewußt vor sich stehen sah, wurde sie für einen kurzen Moment unsicher. Sie wußte nicht, warum, aber sie wollte ihn nicht gern berühren. Sie blieb stehen und machte keine Anstalten auszusteigen. Seine schiefergrauen Augen blickten sie hart an.

»Bitte, Madam, ich habe keine Lust hier Wurzeln zu schlagen. Ich dachte eigentlich, Sie auch nicht.«

Cassie wurde rot. Zögernd legte sie ihre Hand in die seine und ließ sich beim Aussteigen helfen. Doch kaum war sie unten, entzog sie sie ihm wieder. Seine Gesichtszüge spannten sich an. Aber er sagte nichts. Während er den Kutscher bezahlte, lud Christopher ihr Gepäck aus.

Cassie blieb unschlüssig stehen. Die Luft war vom Regen, der am Morgen niedergegangen war, noch feucht und schwer und schmeckte scharf und salzig. Obwohl der Nebel sich gelichtet hatte, war der Himmel fahl und grau.

Neben ihr räusperte sich Christopher. »Das Schiff, das dort hinten am Ende des Hafens vor Anker liegt – das gehört Gabriel.«

Cassie folgte seinem Blick. Dort, wo der Kai in die Bucht hineinragte, schaukelte leise ein schnittiger Dreimaster im Takt der Strömung in den Wellen.

Ehe sie noch etwas erwidern konnte, war Gabriel wieder da und nahm sie am Ellbogen, um sie um die zahllosen Kisten und Fässer herumzuführen. Direkt vor ihnen wuchtete ein bulliger Seemann eine rechteckige Kiste auf seine Schulter und marschierte damit über schwankende Planken an Deck des Schiffes.

Sie bekam Angst. Ein furchtbares Gefühl der Bedrohung kroch ihr über den Rücken. War das etwa der einzige Weg, um aufs Schiff zu gelangen? Du dummes Ding, schalt sie sich selbst. Wie sollte man wohl sonst an Bord kommen? Um ihre Angst nicht zu zeigen, blickte sie zu Boden.

Unter der Laufplanke gurgelten dunkle Wellen und klatschten mit furchterregendem Getöse an die Stützpfähle der Hafenmauer. Sie war wie gelähmt. Plötzlich hatte sie eine furchtbare Vision. Sie sah ihren Körper in einem leichten Bogen in die gähnende Tiefe der dunkelgrünen Wasserfluten hinabstürzen, die sie mit Haut und Haaren zu verschlingen drohten. Ihr Atem ging stoßweise. Ihre Lungen brannten wie Feuer, denn sie kannte das Gefühl, wenn man verzweifelt nach Luft rang, weil eine faulige, stinkende Brühe in Nase und Mund drang und die Lungen füllten …

»Komm, Yank. Du kannst vorangehen, und ich komme dann hinterher.«

Als seine Worte durch den Schleier ihres Alptraums an ihr Ohr drangen, weiteten sich ihre Augen vor Entsetzen. Sie schüttelte den Kopf und taumelte einen Schritt zurück. »Nein«, sagte sie schwach. »Ich kann nicht …«

»Jetzt ist es zu spät, deine Meinung zu ändern, Mädchen. Wir haben bereits den ersten Schritt unserer Reise gemacht, und bald kommt der nächste.« Sein Gesichtsausdruck war genauso gebieterisch wie sein Ton.

Cassie versuchte die Übelkeit in ihrer Magengrube zu unterdrücken. »Ich habe meine Meinung nicht geändert.« Sie stockte. »Aber ich … ich kann nicht schwimmen, und wenn ich danebentrete …«

»Das wirst du nicht.«

Oh, wenn sie doch nur so selbstsicher wäre! Aber ihre Knie begannen zu zittern, genauso wie ihre Stimme. »Bitte …« begann sie.

Weiter kam sie nicht. Mit einem ungeduldigen Fluch hob er sie hoch. Es war genauso, wie er gesagt hatte – sie waren bereits zu weit gegangen, um jetzt noch umzukehren.

Cassie blieb nichts anderes übrig, als sich an seinem Hals festzuklammern. Sie schloß die Augen ganz fest, als er mit sicherem Schritt die Laufplanke hinaufstrebte und sie an Bord brachte. Ohne anzuhalten, trug er sie weiter über die Niedergangstreppe hinunter in eine Kabine.

Cassie öffnete erst die Augen, als sie wieder festen Boden unter den Füßen spürte. Einen Herzschlag lang schien die Zeit stillzustehen. Erst als Gabriel seine Augenbrauen hochzog, wurde sie sich bewußt, daß sie ihre Arme immer noch um seinen Hals gelegt hatte. Sie wurde puterrot und zog sie hastig weg, um so schnell wie möglich Abstand von ihm zu gewinnen.

»Ich schlage vor, du machst es dir hier bequem. Wir werden in Kürze den Anker lichten.« Er verließ die Kabine und zog die Tür hinter sich fest ins Schloß.

Nun war Cassie allein. Sie blickte sich um und nahm jetzt erst ihre Umgebung wahr. Sie befand sich in einer großräumigen Kabine, wahrscheinlich der ihres Mannes. Der Gedanke ließ sie frösteln, aber sie zwang sich, nicht länger über diese unangenehme Erkenntnis nachzudenken. Statt dessen ließ sie ihren Blick langsam durch die Kabine streifen.

An der einen Wand standen eine Seemannskiste und ein Holzschrank, beides aus kostbarem Mahagoniholz. An die andere Wand war eine Tischplatte gedübelt, während die Mitte des Raumes von einem Schreibtisch beherrscht wurde, auf dem verschiedene Seekarten und Landkarten ausgebreitet waren. Es gab sogar einen kleinen Bollerofen, an dem ein einfacher Stuhl stand. Aber was Cassies Aufmerksamkeit am meisten fesselte, war das breite Bett gegenüber der Tür.

Plötzlich rumpelte es unter ihren Füßen, und der Boden fing an zu schwanken. Er schien sich aufzubäumen und wieder abzusacken, sich ächzend zu dehnen und zu drehen. Aber dann waren sie abgefahren.

Nicht nur die Angst, sondern auch die Aufregung ließen Cassie das Herz bis zum Hals schlagen. Der schmale Holzstuhl neben dem einzigen Bullauge der Kabine verlockte sie, sich hinzusetzen. Schwankenden Schrittes steuerte sie darauf zu. Als sie endlich saß, spähte sie durch das schmuddelige Glas hinaus.

Das Schiff gewann schnell an Fahrt und glitt aus der Bucht hinaus aufs offene Meer. Der bewaldete Küstenstreifen und Charleston blieben immer weiter zurück.

Und plötzlich wurde ihr die Ungeheuerlichkeit dessen, was in den letzten vierundzwanzig Stunden geschehen war, erst richtig bewußt. Sie würde Charleston niemals wiedersehen, und auch nicht Black Jack. Sie war nicht mehr einem Leben in Knechtschaft ausgeliefert. Kein Bodenschrubben mehr, keine Angst mehr vor dreisten, gierigen Händen und kneifenden Fingern, nie mehr vor lüsternen Blicken flüchten müssen …

Nein, es war nicht verwunderlich, daß sie kein Anzeichen von Traurigkeit verspürte, aber es stellte sich auch keine Freude oder das Gefühl großer Erleichterung ein, das sie erwartet hatte. Da war nur das vertraute Gefühl, so entsetzlich allein zu sein, und die bohrende Frage, was das Schicksal für sie wohl bereithielt …

Sie konnte nur hoffen, daß die Zukunft besser werden würde.

Das Gefühl des Verloren- und Verlassenseins hielt den ganzen Tag an. Cassie wagte nicht, die Kabine zu verlassen, und sicher wagte sich auch niemand hinein. Bald wurden die Schatten länger, und Dunkelheit senkte sich über die Kabine. Als sie sich gerade fragte, ob man sie vielleicht vergessen habe, klopfte es plötzlich an die Tür. Sie hatte kaum zaghaft ›Herein‹ gerufen, da flog die Tür auch schon weit auf. Ein stämmiger junger Mann mit einer scharlachroten Kappe, unter der rötlichblonde Locken hervorquollen, stand vor ihr. Er pfiff vor sich hin und zog einen kleinen Wagen hinter sich her in die Kabine. Er war noch nicht ganz drin, als die edle Gestalt des Grafen im Türrahmen auftauchte.

»Das ist Ian, meine Liebe. Er wird sich während der Überfahrt um unsere Mahlzeiten und um unsere Kabine kümmern. Ian . . meine Frau.«

Cassie war inzwischen aufgestanden und lächelte den jungen Mann an. Er schien einer von der fröhlichen Sorte zu sein, und deshalb war es ihr ein Bedürfnis, ihn anzusprechen. »Hallo, Ian«, sagte sie weich.

»Mylady.« Der junge Mann fegte mit einer Verbeugung und einem äußerst gewinnenden Grinsen seine Mütze vom Kopf und hielt sie sich vor den Bauch. Dann fing er an, verschiedene Schüsseln auf dem Tisch zu verteilen und zwei Gedecke aufzulegen. Herrliche Düfte wehten ihr in die Nase, und auf einmal meldete sich ihr Magen mit nagenden Hungergefühlen. Cassie hatte bis dahin gar nicht gemerkt, wie hungrig sie war. Als Ian fertig war, zog er sich diskret zurück. Die Kabinentür fiel mit einem leisen Klick ins Schloß.

Sie war allein mit ihrem neuen Ehemann.

Er schritt zu dem Tisch, zog einen Stuhl vor und sah sie erwartungsvoll an. Es dauerte einen Moment, bis Cassie begriff, daß sie sich setzen sollte. Cassie konnte sich des Verdachts nicht erwehren, daß er sich womöglich über sie lustigmachte. Oder war er nur höflich? Sie kam sich reichlich dumm vor. Das Blut schoß ihr in die Wangen, als sie schließlich seiner Aufforderung folgte.

Ohne sie zu fragen, füllte er ihren Teller. Cassie hatte nichts dagegen. Vielleicht war es dumm, aber die Aussicht, mit diesem Mann eine Mahlzeit zu teilen, machte sie ziemlich nervös. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte, und sie wußte vor allem nicht, was sie tun sollte. Verunsichert, aber fest entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen, konzentrierte sie sich ganz auf das Essen. Das Mahl war einfach, aber sättigend – ein gehaltvoller, schmackhafter Eintopf und dazu warmes knuspriges Brot. Obwohl es ihr vor ein paar Augenblicken noch unmöglich erschienen wäre, ließ der Hunger sie jetzt alles andere vergessen, einschließlich des Mannes, der ihr gegenübersaß.

Sie war beinahe mit ihrer zweiten Portion fertig, als sie zufällig aufblickte und jene kristallingrauen Augen auf sich gerichtet sah. Sie bemerkte einen seltsamen Ausdruck in seinem Gesicht und wurde rot vor Scham. Er mußte sie zweifellos für halbverhungert und gierig halten.

Sie legte ihre Gabel hin und schlug schnell die Augen nieder. »Tut mir leid«, murmelte sie. »Ich hätte nicht …«

Er schüttelte den Kopf. »Es gibt nichts zu entschuldigen, Yank. Augenscheinlich hast du schon viel zu viele Mahlzeiten ausgelassen.« Er machte eine kurze Pause und fügte dann sanft hinzu: »Und mir ist es lieber, wenn du dich satt ißt, als wenn das gute Essen verkommt.« Er sagte nicht, daß ihm ihre Freude am Essen fast ein schlechtes Gewissen bereitete, weil er all das hier immer als selbstverständlich hingenommen hatte.

Als sie rot wurde und ihre Hände auf dem Schoß verschränkte, gestattete er sich ein winziges Lächeln. »Ich bin nur froh, daß du nicht seekrank bist.«

»Außer vor Hunger hat mein Magen noch nie rebelliert.« Ihr Lächeln war ziemlich unbeholfen, aber es löste doch etwas ihre Anspannung. Vielleicht, dachte sie vorsichtig, ist er ja doch ganz nett.

Als er ihr Weinglas nachfüllen wollte, lehnte sie mit einer schnellen Kopfbewegung ab. Er sah sie prüfend an und sagte dann plötzlich: »Ich fürchte, ich muß dich auf ein paar Verhaltensregeln hinweisen, Yank. Auf diesem Schiff sind viele Männer, und dir ist sicher nicht entgangen, daß die Seeleute manchmal ein ganz schön rauher Haufen sein können. Denk deshalb bitte immer daran, daß du lieber nicht allein auf dem Deck herumwanderst.«

Cassie dachte an die endlose Tiefe der dunklen Wasser, die sie umgaben. Er braucht sich in dieser Hinsicht keine Sorgen zu machen, dachte sie bei sich und unterdrückte mit Mühe ein innerliches Frösteln.

Ian kam herein und räumte schnell und umsichtig die Überreste ihres Mahles ab. Der Graf stand auf und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Als er eine Kartenrolle aufrollte und auf der breiten Schreibtischplatte ausbreitete, zog Cassie sich an den Ofen zurück und setzte sich auf den kleinen Sessel daneben.

Die Minuten verrannen. Er war so mit seinen Papieren beschäftigt, daß er ihre Gegenwart vergessen zu haben schien. Cassie machte das nichts aus. Doch sie konnte ihre Augen nur schwer von ihm lassen. Immer und immer wieder schweifte ihr Blick zu ihm hinüber.

Er hatte seinen Rock abgelegt, und die Ärmel hochgekrempelt. Seine von der Sonne gebräunten Unterarme waren muskulös und mit einem dunklen Flaum seidig glänzender Haare überzogen. Sie dachte kurz daran, wie er sie fest in seinen Armen gehalten und die Laufplanken hinaufgetragen hatte. Sie waren überraschend kräftig und hart, diese Arme. Offensichtlich war sein Leben doch nicht so leicht und bequem, wie sie gedacht hatte. Seine Finger waren schlank und braun, die Fingernägel sauber und gerade geschnitten. Verstohlen warf sie einen Blick auf die rauhe, trockene Haut ihrer eigenen Hände und versteckte sie dann in ihren Röcken. Sie schlug die Beine unter und rutschte noch etwas tiefer in den Sessel, geradeso, als wolle sie sich unsichtbar machen.

Es dauerte nicht lange, bis die schlaflose Nacht des vergangenen Tages ihren Tribut forderte. Sie döste ein und nahm ihre Umgebung erst wieder wahr, als eine kräftige Hand sie wachrüttelte. Mit geweiteten Augen starrte sie in das dunkle, hübsche Gesicht ihres Gatten.

Hoch aufgeschossen stand er vor ihr. »Du bist erschöpft, Yank. Ich schlage vor, du begibst dich zu Bett.«

Cassie setzte sich langsam auf, sie war noch nicht ganz da. Die Überreste des Schlafes ließen ihre Stimme seltsam belegt klingen. »Wo werde ich schlafen?«

Gabriel zog mokant die Augenbrauen hoch. »Man muß nicht übermäßig intelligent sein, um zu wissen, wo, Yank, vor allem, wenn man bedenkt, daß hier in der Kabine nur ein Bett steht.« Es war die Kühle in seiner Stimme und nicht unbedingt der Inhalt seiner Worte, die Cassie keinen Zweifel daran ließ, daß sie gerade beleidigt worden war. Oh, was war er doch schrecklich – wie hatte sie nur glauben können, daß er einen Funken von Anstand besaß!

Sie war verletzt und wütend. Sie reckte das Kinn hoch und sprang auf die Beine. »Ich habe keine Lust, in meinem Kleid zu schlafen«, sagte sie steif. »Und ich habe auch nicht die Absicht, mich vor Ihnen auszuziehen.«

»Hoppla! Du erwartest doch nicht von mir, daß ich rausgehe. Du vergißt wohl, daß das hier meine Kabine ist, und damit es zwischen uns kein Mißverständnis gibt … ich lehne es strikt ab, während der Überfahrt auf dem Boden zu schlafen, während du es dir in meinem Bett bequem machst. Das Bett ist groß genug für uns beide.«

Cassie rang nach Luft. Diese elende Kreatur – und dieser Mann behauptete von sich, ein Gentleman zu sein! »Sie haben mir weisgemacht, daß Sie kein Verlangen danach haben, mit mir zu schlafen.«

Er sah sie lange durchdringend an. »Yank«, sagte er in einem knappen, eisigen Ton. »Ich sehe zwar keinen Grund, mich ständig zu wiederholen, aber ich sage es dir noch einmal. Niemand schätzt die Freuden der Lust mehr als ich. Aber du bringst mich keineswegs so überaus in Wallung, und ich bin auch nicht so ein geiler Bock, daß ich nicht neben einer Frau schlafen könnte, ohne ihr die Kleider vom Leib zu reißen und sie zu nehmen.«

Jedes Wort traf sie wie ein Peitschenhieb. Ihr Herz begehrte auf, doch Cassie war klug genug zu wissen, wann sie geschlagen war. »In Ordnung«, murmelte sie. »Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich wenigstens umdrehen würden!«

Der angespannte Zug um seinen Mund lockerte sich nicht. »Du bist kaum die erste Frau, die ich in ihrem Evaskostüm gesehen habe.«

»Sie haben mich noch nicht nackt gesehen, und Sie werden es auch nicht!«

Er knurrte angewidert. »Ich hoffe, du willst mir dieses Theater mit deiner Schüchternheit nicht noch länger vorspielen. Du vergeudest bei mir nur deine Zeit damit, Yank.«

Oh, wie gerne hätte sie es hinausgeschrien, daß das kein Theater war. Ja, sie wußte, daß er sie für eine … Kneipenhure hielt. Aber was würde er sagen, wenn er erfuhr, daß das nicht stimmte? Würde er wütend werden? Würde es ihn überhaupt kümmern? Ihr wurde bewußt, daß sie über den Mann, den sie geheiratet hatte, nur wenig wußte, außer daß er unberechenbar war! Nein, sie würde nicht riskieren, daß er das Schiff womöglich wenden ließ und sie zurück nach Charleston brachte. Denn wohin sollte sie sich dort wenden? Wo sollte sie hin?

Sie müßte zurück zu Black Jack’s, war die bittere Erkenntnis. Bei der augenblicklichen Gemütsverfassung des Grafen fehlte sicher nicht viel, um ihn zu provozieren.

Schließlich drehte sich Gabriel doch um. Cassie streifte schnell ihre Stiefeletten und ihre Strümpfe ab und zog sich dann rasch das Kleid über den Kopf. Es würde ihm ähnlich sehen, seine Meinung wieder zu ändern, bevor sie fertig war. In der Tat war es ihr ziemlich peinlich, nur ein einfaches Hemd und einen dünnen Unterrock zu tragen. Rasch eilte sie zu der Koje hinüber, schlüpfte unter die Bettdecke und zog sie sich bis zum Kinn hoch.

»In Ordnung«, stieß sie atemlos hervor. »Sie können sich wieder umdrehen.«

Er kam zwar ihrer Aufforderung nach, schenkte ihr aber weiter keine Beachtung. Überrascht stellte sie fest, daß er sein Hemd bereits aufgeknöpft hatte. Heimlich beobachtete sie, wie er es von seinen Schultern gleiten ließ. Seine dicht behaarte Brust war ungeheuer männlich. Es gelang ihr nur schwer, wieder ruhig zu atmen. Als seine Hände sich an den Knöpfen seiner Beinkleidung zu schaffen machten, wurde ihr siedendheiß klar, daß er nicht die Absicht hatte, sich beim Ausziehen stören zu lassen.

Sie warf sich auf die Seite und kehrte ihm den Rücken zu. Dann wurde es plötzlich dunkel. Offensichtlich hatte er die Lampe, die von der Balkendecke baumelte, gelöscht. Sie schloß ihre Augen ganz fest und öffnete sie selbst dann nicht mehr, als sie hörte, wie er sich neben sie ins Bett legte.

Verzweifelt versuchte sie, ihr hämmerndes Herz zu beruhigen. Sie berührten sich zwar nicht, aber die Angst, daß das sicherlich passieren würde, ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Alles, was sie denken konnte, war – daß er nackt war! Um sich nicht unnötig einer Gefahr auszusetzen, versuchte sie, zentimeterweise möglichst nah an die äußerste Bettkante zu rutschen, um sich dort einzurichten.

Plötzlich legte sich eine feste Hand auf die Rundung ihrer Hüfte.

»Yank«, zischte er wütend, »ich schlage vor, du verhältst dich jetzt ruhig und schläfst, oder ich garantiere dir, daß ich dich dein Lager auf dem Boden aufschlagen lasse!«

Cassie erstarrte und wagte kaum noch zu atmen, ja geschweige denn, sich zu bewegen. Seine Handfläche brannte durch den dünnen Stoff ihres Hemdes. Schlafen? dachte sie in wilder Aufruhr. Mit diesem Mann an ihrer Seite? Das war unmöglich!

Doch seltsamerweise dauerte es nicht lange, bis das gleichmäßige Schlingern des Schiffes sie in den Schlaf lullte. Bald schlief sie tatsächlich … und zwar ziemlich tief.

Die andere Braut

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