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Zweites Kapitel

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Es war er.

Sie erstarrte. Alles Leben schien aus ihrem Körper zu entweichen – sie konnte sich nicht mehr bewegen. Ein Teil von ihr drängte sie, so schnell wie möglich zu fliehen, doch ihre Füße waren schwer wie Blei. Wie durch ein Wunder schaffte sie es schließlich doch, sich umzudrehen und ihn anzusehen.

Er war groß, registrierte sie in einem verborgenen Winkel ihres Bewußtseins, viel größer, als er ihr unten erschienen war. Der Mann, der vor ihr stand, war auch kein Geck. Der Samt seiner Weste umspannte seine Schultern wie angegossen. Kein einziges Fältchen war zu sehen. Unter den dunklen, engen Breeches, die sich fast wie eine zweite Haut an seinen Körper anschmiegten, zeichneten sich die harten Linien seiner muskulösen Oberschenkel ab. Er war der Inbegriff vornehmer Eleganz.

Er kam auf sie zu. Wilde Panik erfaßte sie. Wenn sie versuchte wegzulaufen, wäre es für ihn ein Leichtes, sie einzuholen. Zu ihrer Überraschung ging er an ihr vorbei auf das Tablett zu. Er schenkte sich großzügig ein und hielt ihr das Glas hin. »Willst du einen Schluck mit mir trinken, Yank?«

Cassie wurde blaß. Mit ihm ein Glas teilen? Ihre Lippen an den Rand des Glases legen, das er mit seinen Lippen berührt hatte? Nein, das war eine Intimität, die sie keinem Mann zugestehen würde, und schon gar nicht diesem Mann!

Sie schüttelte den Kopf. »Ich mache mir nichts aus Alkohol«, preßte sie mühsam hervor.

»Nein? Nun, dann … auf die Yankees.« Er prostete ihr zu und trank, ohne seine kristallgrauen Augen von ihr abzuwenden.

Cassie war innerlich lange nicht so gefaßt, wie sie es sich gewünscht hätte. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Sir, ich muß zurück …«

»Aber es macht mir etwas aus. Es wäre mir viel lieber, wenn du hierbleiben würdest.«

Cassie verschränkte die Hände und preßte sie gegeneinander. Sie konnte nicht hierbleiben, weil – o Gott, sie konnte den Gedanken nicht zu Ende denken, nicht einmal für sich selbst! Selbst Black Jacks Drohungen konnten sie nicht dazu bringen … das zu tun. In ihrem Kopf drehte sich alles.

Ihr blieb keine andere Wahl, als an die Vernunft des Grafen zu appellieren und zu hoffen, daß er ein ehrenwerter Mann war.

Ihr Mund war völlig trocken. »Sir, es ist offensichtlich, daß Sie mich nicht mögen. Sie wären doch ganz sicher nicht hier, wenn Black Jack Sie nicht …«

»Oh, ganz im Gegenteil, ich bin genau dort, wo ich sein will, und was noch wichtiger ist, mit wem ich hier sein will.«

Er spielte mit ihr. Cassie spürte es mit allen Fasern ihres Körpers und ihrer Seele. Oh, wie grausam er war, sie so zu quälen.

Sie machte eine kurze, unbeholfene Bewegung mit den Händen. »Sir«, fing sie an, »es tut mir leid wegen meiner Ungeschicklichkeit. Sie ahnen ja nicht, wie leid. Aber ich sehe keinen Grund, warum ich dafür bestraft werden soll.«

»Bestraft? Du machst mir wirklich Spaß. Ich denke keineswegs an Strafe, vielmehr an Vergnügen.«

Vergnügen? Cassie erschauderte. Wenn das hier eine Vergnügungsveranstaltung sein sollte, dann ganz sicher nicht für sie, sondern höchstens für ihn.

Er lächelte, als könne er ihre innersten Gedanken lesen. »Hey«, rief er aus, »erzähl mir nicht, daß diese Tölpel da unten nicht wissen, wie man ein Schmuckstück wie dich behandelt!«

Cassies Wangen brannten schmerzvoll. Mißtrauisch beobachtete sie, wie er etwas aus seiner Tasche zog. Es war wohl eine Uhr, denn sie erhaschte einen Blick auf eine goldglänzende Kette, als er den Gegenstand neben das Häufchen Silbermünzen fallen ließ.

Er machte einen Schritt auf sie zu.

Cassie wich ein paar Zentimeter zurück.

Sein Lachen war herzlich und herzlos zugleich. »Komm schon, Yank! Mach’ ich dir etwa angst?«

Nicht in der Weise, wie er vermutete, dachte sie mit einem Schaudern, sondern auf eine Art und Weise, die ihr bislang völlig unbekannt gewesen war.

»Du magst mich nicht, stimmt’s, Yank?«

Yank. Cassies Rücken versteifte sich. »Ich habe einen Namen, Sir, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihn benutzen würden.«

»Ich glaube, das werde ich nicht tun. Nein, ich glaube, Christopher hatte wirklich unrecht. Yank paßt viel besser, denn ihr Yankees seid oft so ungeschliffen und unkonventionell. Ja, Yank, das paßt. Aber zurück zu meiner Frage. Warum magst du mich nicht?«

»Um ehrlich zu sein, Mylord, ich glaube eher, daß Sie mich nicht mögen. Warum hätten Sie mich sonst in der Weise angestarrt, wie Sie es getan haben?«

Sie hatte es also bemerkt. Gabriel lächelte trocken. Sie war schäbig angezogen. Ihr Kleid war kaum mehr als ein Fetzen, der allerdings trotzdem nichts von ihrer Schönheit verbarg. Er fragte sich, ob sie überhaupt wußte, wie schön sie war. Ihr Teint kontrastierte eigenartig mit dem Bernsteinfeuer ihrer Haare und der Farbe ihrer klaren Augen, die wie Topasedelsteine schimmerten. Und obwohl sie noch jung war, war sie kein Kind mehr. Gut, sie war für seinen Geschmack etwas zu dünn, aber die weiche Rundung ihrer Brüste und ihrer Hüften versprachen, ihn reichlich dafür zu entschädigen.

Er runzelte die Stirn. Es entsprach ihm überhaupt nicht, sich so intensiv mit einer Dienstmagd zu befassen. Tatsächlich interessierte er sich mehr für kultiviertere Frauen als für solche ungebildeten jungen Mädchen. Doch dieses Mädchen war sicherlich nicht ohne Erfahrung, und diese Erfahrung, dachte er zynisch, stand der seinen gewiß in nichts nach.

Aber er konnte es nicht abstreiten, das Mädchen brachte sein Blut in Wallung.

»Komm schon, Yank, ich war wochenlang auf See ohne die Gesellschaft von Frauen wie dir. Hat dein Herz denn kein Mitleid mit einer ausgehungerten Seele, die sich nach dem weichen Körper eines Weibes sehnt, nach einer sanften, warmen Hand?«

Eine sanfte, warme Hand? Oh, das war gut! Ihre Hände waren krebsrot, rissig und rauh wie die Scheuerbürste, mit der sie die Böden schrubben mußten.

Langsam bekam sie wieder festen Boden unter den Füßen. »Sir«, sagte sie ruhig, »ich glaube, in Ihrem ganzen Leben hat es Ihnen noch nie an etwas gefehlt.«

In diesem Punkt hatte sie recht. Es fehlte ihm an nichts. Er hatte alles … bis auf die Liebe seines Vaters.

Sein Blick schweifte zu dem Stapel Silbergeld. »Das ist ein ganz schöner Haufen Münzen, Yank. Wenn du sie dir verdienen willst, erwarte ich eine ganze Menge von dir. Du müßtest bei mir bleiben … und zwar nicht nur ein oder zwei Stunden, nein, ich denke schon, die ganze Nacht. Und morgen früh, wer weiß, vielleicht könnten wir zusammen ein Bad nehmen.«

Es durchrieselte sie eiskalt. Cassie hatte immer geglaubt, nichts könne sie schockieren, doch … gütiger Gott, mit einem Mann zusammen baden? So etwas machte man ganz gewiß nicht.

Er flößte ihr Furcht ein, zumal er jetzt auch noch eine Hand auf sie legte. Sie war kein Dummchen. Sie wußte, was er von ihr wollte. Vor noch nicht allzu langer Zeit hatte Bess ihr erzählt: »Wenn ein Mann lieb und freundlich ist, dann ist es gar nicht so schlimm. Aber manchmal sind sie roh, ungeduldig und brutal.« Bess hatte ihr Gesicht weggedreht. »Dann ist es schrecklich«, hatte sie angeekelt mit halberstickter Stimme hervorgepreßt.

Cassie hatte immer gewußt, wenn das der Fall gewesen war. Bess war dann leise weinend ins Bett gekrochen. Manchmal sah man am nächsten Morgen Abdrücke an ihren Armen, wenn nicht sogar auf ihren Brüsten. Cassie erinnerte sich noch an das letztemal. Es war, kurz nachdem Bess entdeckt hatte, daß sie ein Kind unterm Herzen trug – das Kind, bei dessen Geburt sie starb. Cassie erschauderte. Sie wußte, warum Bess sich dafür hergegeben hatte – es war wegen des Geldes, das sie dafür bekam. Und es war dieses Geld, das Cassie davor bewahrt hatte, dasselbe Schicksal zu erleiden.

Doch Cassie war noch nicht bereit, ihre Tugend für eine Handvoll Silberlinge zu verkaufen.

Gabriel sah nicht, wie verzweifelt sie war. Er sah nur ihre Abneigung.

Ob sie wohl ebenso widerborstig bei Christopher wäre? Der Gedanke nagte an ihm. Gabriel erinnerte sich, wie nett sie seinen Freund angelächelt hatte, während sie ihm nicht einmal einen Blick schenkte. Ärger stieg in ihm auf.

»Nun, ich denke«, sagte er weich, »ein Bad wäre sicher ganz wunderbar.«

Cassies Augen schleuderten Blitze. »Black Jack zahlt mir seinen lächerlichen Hungerlohn dafür, daß ich die Böden schrubbe und Bier serviere. Und nicht für so was!«

»Oh, da bin ich mir aber nicht sicher, ob er das genauso sieht.« Seine Stimme war aalglatt.

Ihre Fingernägel bohrten sich in ihre Handflächen. »Ich kenne Ihresgleichen, Sir. Sie nehmen sich, was Sie wollen, ohne Rücksicht auf Verluste. Sie verschwenden keinen Gedanken an andere, Hauptsache, Ihnen geht es gut.«

»Oh, was für Töne, Yank. Du bist wohl von irgendeinem Mann enttäuscht worden. Hat er dich vielleicht erst geliebt und dann verlassen?«

Sie reckte ihr Kinn hoch. »Sir, ich bin so wütend, daß ich dazu nichts zu sagen habe!«

Er zuckte die Schultern und blickte auf die Silberlinge. »Ich glaube doch, daß du schon deinen Preis festgesetzt hast.«

»Sie verstehen nicht, Sir. Was Sie von mir wollen, werde ich Ihnen um keinen Preis der Welt geben!« Weder ihm noch irgendeinem anderen Mann.

Er merkte plötzlich, daß er sie bis aufs Blut reizte, ohne Erbarmen. Er hätte das sicher nicht getan, wenn aus ihrem Gesicht nicht soviel Mißachtung gesprochen hätte. Sie sah ihn an, als sei sie die Bessere von ihnen … als sei er ein Nichts.

Das war etwas, das Gabriel nicht dulden konnte.

Langsam ging er um sie herum. Er spürte ihre nervöse Spannung genauso wie ihr Bemühen, sie sich nicht anmerken zu lassen. Sie hielt ihren Kopf stolz erhoben. Die zarten Linien ihres Rückens waren aufs Äußerste angespannt. Ihr Widerstand amüsierte Gabriel und ärgerte ihn zugleich. Es schien, als sei die Dirne nicht nur schön, sondern auch noch ausnehmend stolz, eine seltsame Kombination für jemanden ihres Schlages.

Schließlich blieb er vor ihr stehen. Sie waren sich so nahe, daß sie den Atem des anderen spürten. »Ich befinde mich in einer Situation, die absolut neu für mich ist, Yank. Es kommt nämlich selten vor, daß eine Frau sich mir verweigert … Deshalb muß ich wissen, ob ich das auch richtig verstanden habe: Nicht ich weise dich zurück, sondern du weist mich zurück.«

Oh, wie gerissen der Mann war! Wenn sie ja sagte, riskierte sie nicht nur seinen Zorn, sondern auch den Zorn von Black Jack. Doch sie konnte auch nicht nein sagen, denn dann würde es so aussehen, als wolle sie mit ihm schlafen. Cassie geriet immer mehr in Panik. Seine Nähe ließ sie keinen klaren Gedanken fassen. Ihre Nackenhaare sträubten sich, und eine warnende innere Stimme sagte ihr, daß sie sich zusammenreißen mußte.

Sie mußte all ihren Mut zusammennehmen, um seinem stahlharten, prüfenden Blick zu begegnen, doch irgendwie schaffte sie es. »Ich kann Sie nicht darin hindern, das zu tun, was Sie tun wollen.« Ihre Stimme war sehr leise. »Es wäre töricht von mir, es auf einen Machtkampf ankommen zu lassen, denn ich würde den kürzeren ziehen. Aber Sir, ich möchte, daß Sie folgendes wissen: Sie haben weder mein Einverständnis noch meine Bereitschaft. Deshalb bitte ich Sie, mich gehen zu lassen.«

Es war eigentlich nicht ihre Bitte, die Gabriel die Sprache verschlug, sondern die scharfe Bitterkeit in ihrer Stimme.

Er wandte seinen Blick ab, doch nicht ohne das verdächtige Glitzern in ihren atemberaubenden goldfarbenen Augen zu bemerken. Tränen? Und wenn schon. Er war kein Mann, der sich von den Tränen einer Frau erweichen ließ. Er hatte die Erfahrung gemacht, daß sie nichts bedeuteten, sondern Frauen nur als Mittel dienten, das zu bekommen, was sie wollten.

»Und wenn ich dich gehen lasse, was dann? Wir beide brauchen uns doch nichts vorzumachen, Yank. Wir beide wissen, warum Black Jack dich hierher geschickt hat. Und ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, daß er dich vor morgen früh zurückerwartet.«

Cassie war sich sicher, daß ihr Kopf feuerrot war. Ihr Blick hielt sich an seinem kunstvoll geschwungenen, makellos weißen Halstuch fest. »Wenn Sie erzählen würden, daß ich … daß ich Ihnen zu Gefallen war«, flüsterte sie, »dann bräuchte er es nicht zu erfahren.«

»Aber wenn wir hier schon handeln wollen, dann erwarte ich zumindest eine Art von Belohnung, so etwas wie eine Gegenleistung.«

»Eine Gegenleistung?« Cassie spürte einen Stich und stöhnte gequält auf. »Sir, würden Sie mir mein einziges Kleid wegnehmen? Ich habe nichts zu geben.«

»Außer, was du mir zu geben verweigerst.«

Ihre Augen verengten sich zu einem Spalt. Oh, sie hätte es besser wissen müssen und kein Mitleid von ihm erwarten dürfen. Ein Gefühl unendlicher Verzweiflung legte sich schwer auf ihre Brust. War es das, was das Schicksal sich für sie ausgedacht hatte? Ihre Jungfräulichkeit an einen zu verlieren, der nur daran dachte, seine eigene fleischliche Begierde zu befriedigen?

Gabriel hatte sich bereits entschlossen, sie nicht zu zwingen. So begehrenswert sie auch sein mochte, es gab zu viele andere willige Frauen in der Welt, um sich mit einer herumzuärgern, die von ihm nichts wollte. Aber bei Gott, diese Dirne war wirklich ein tolles, kleines Ding, und er sollte nichts davon haben?

»Ein Kuß«, sagte er plötzlich. »Ein Kuß, und du kannst gehen.«

Ihr Blick flog zu ihm hoch. Sein Blick war unerbittlich, und in seinen Augen schwelte eine seltsame Glut. Cassie durchfuhr es erst heiß und dann eiskalt. Sein an sich schön geschwungener Mund war zu einer harten, grausamen Linie zusammengepreßt. Nein, dieser Mann kannte keine Nachsicht.

Starke Hände legten sich um ihre Handgelenke. Er zog sie jetzt noch näher zu sich heran. Immer näher …

Ihr Atem ging schnell. Es war doch nur ein Kuß. War das wirklich zuviel verlangt? Sie fröstelte. Immer noch weitaus besser als das andere …

Sein Mund legte sich auf ihre Lippen. Ein kleiner Schauer durchrieselte sie, doch sie hielt ihre Lippen fest zusammengepreßt. Ihr Körper wehrte sich instinktiv gegen das, was sie nur allzu gut zu kennen meinte: einen schmierigen, sabbernden Kuß, wie ihn ihr schon so viele andere gegen ihren Willen auf die Lippen gedrückt hatten.

Gabriel hob den Kopf. Der Griff um ihre Handgelenke wurde ein klein wenig härter. »Komm schon, Yank, du mußt schon etwas zulegen. Ich habe keine Lust, eine verschrumpelte Pflaume zu küssen.«

Seine scharfen Worte verletzten sie. Sie starrte ihn an. »Sir«, begann sie, »ich möchte Sie daran erinnern …«

Sein Arm legte sich wie ein Band aus Stahl um sie. Ihre Körper verschlangen sich miteinander. Ein seltsames Gefühl der Schwerelosigkeit erfaßte sie, und dann spürte sie die Weichheit der Matratze unter ihrem Rücken und die unerwartete Schwere seines Oberkörpers auf ihrer Brust.

Seine Lippen verschlossen ihren Mund. Einen flüchtigen Moment lang tauchte in ihrem Bewußtsein der Gedanke auf, daß dieser Kuß mit keinem anderen Kuß vergleichbar war, aber dann schien sich ihr Körper von ihrem Bewußtsein loszulösen. Seine Lippen waren warm und drängend, preßten sich fast animalisch und dennoch seltsam überzeugend auf ihren Mund, machten sie schwach und willenlos. Cassie spürte, wie ihr Innerstes in nie gekannter Weise erzitterte. Sie hatte das absurde Gefühl zu schweben.

Es dauerte eine Weile, bis ihr bewußt wurde, daß er seinen Kopf gehoben hatte.

»Willst du nicht doch deine Meinung ändern, Yank?« Er zog mit der Fingerspitze leichthin die anmutige Linie ihres Halses nach. »Ich verspreche dir eine Nacht, die du nicht so schnell vergessen wirst.«

Unsicher und verwirrt starrte sie ihn an. Gütiger Gott, sie lag auf seinem Bett, und er lag auf ihr! Plötzlich setzte ihr Verstand wieder ein. Sie trommelte mit ihren Fäusten gegen seine Schultern. »Ich möchte nur Sie ganz schnell vergessen.«

Ihre Püffe hätten auch auf eine Wand aus Stein prasseln können. Er sah sie prüfend an, wobei er den Kopf zuerst auf die eine und dann auf die andere Seite neigte. Schließlich zog er mit einem teuflischen Grinsen eine Augenbraue hoch.

»Das wird nicht funktionieren, nein, das funktioniert ganz bestimmt nicht, Yank. Du siehst nicht aus wie eine Frau, die gut gevögelt worden ist … Wenn Black Jack mal nur nicht die Wahrheit errät …«

Cassie stockte der Atem, als er anfing, die Klammern aus ihrem Haar zu lösen. Seidig glänzend, wild und ungebändigt fielen ihre Locken über seine Hände.

Er neigte erneut den Kopf, doch diesmal hatte er es nicht auf ihre Lippen abgesehen. Cassie stieß einen kleinen erstickten Schrei aus, als er seinen Mund seitlich an ihren Hals preßte und sacht saugend seine Zähne in ihre zarte Haut grub, ehe er die Verletzung mit seiner Zunge kühlte. Ihre Finger krallten sich in sein Haar und zogen mit aller Kraft daran, doch er ließ sich davon nicht beeindrucken. Sein Mund hielt weiter an seiner süßen Beute fest. Und urplötzlich waren seine Lippen wieder auf den ihren, doch diesmal fordernd und rücksichtslos, so roh und besitzergreifend, daß sie kaum noch Luft bekam.

Etwas explodierte in ihrem Kopf. Aber schließlich schaffte sie es irgendwie doch, ihren Mund wegzuziehen.

Sie schleuderte ihre kleinen Fäuste gegen seine Schultern. »Du blaublütiger Bastard! Laß mich los!«

Gabriel gab sie frei. Nell hatte recht, stellte er belustigt fest, die Kleine spielte sich wirklich auf.

»Meine Liebe, wenn du wüßtest, wer mein Vater ist, dann würdest du meine eheliche Abkunft kaum in Frage stellen.«

Cassie rappelte sich hoch. Ihr Mund fühlte sich geschwollen und zerschunden an. Die feine Haut um ihre Lippen brannte. »Es interessiert mich nicht, wer Ihr Vater ist!« schrie sie. »Das gibt Ihnen auch nicht das Recht, mich so zu berühren!«

Gabriel zuckte die Achseln. »Meine Liebe, ich habe dich weit weniger berührt als diese Kerle da unten.«

»Was erwarten Sie von mir?«, verteidigte sie sich hitzig. »Black Jack überwacht jeden meiner Schritte.«

Er sah sie einen Moment prüfend an. Sein Blick war gleichgültig und kalt, so als habe sich zwischen ihnen nie etwas abgespielt. »Du kannst gehen, Yank. Ein Mädchen, das nicht will, ist genauso lästig wie ein Mädchen ohne Erfahrung. Keine von dieser Sorte ist nach meinem Geschmack.«

Sie war entlassen. Er stand jetzt am Fenster, die Hände auf dem Rücken gekreuzt und starrte in die schwarze Nacht hinaus. Haß flammte in ihr auf, denn es war ganz offensichtlich, daß er sie bereits vergessen hatte.

Langsam trat sie den Rückzug an. Sie fluchte und ließ kein Schimpfwort aus, das sie je im Schankraum gehört hatte, auch wenn sie kaum eine Ahnung hatte, was jedes einzelne bedeutete. Doch selbst wenn er es mitbekam, ließ er sich nichts anmerken. Er drehte sich nicht um, und er sagte auch nichts, und das war für Cassie die Chance, die sie brauchte …

Sie schnappte sich seine Uhr von der Kommode und floh.

Die andere Braut

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