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Samstag, 28. November 2010

Zwei Monate waren seit der Beerdigung von Julian und Nick vergangen. Die ersten Wochen davon verbrachte Zoe wie in Trance.

Sie redete kaum und wenn man mit ihr ein Gespräch führte, wirkte sie abwesend und nahm nicht wirklich daran teil.

Lina, ihre jüngere Schwester, beendete ihre Beziehung zu Pete, denn er konnte nicht verstehen, warum Zoe noch immer trauerte und bezeichnete sie als psychisch krank. Deshalb packte Lina ihre Sachen und zog zu Zoe. Für Außenstehende war das unvorstellbar, wie traurig und erschütternd die Ereignisse in den letzten Wochen gewesen waren. Deswegen wollte Lina ihrer Schwester voll und ganz zur Seite stehen, und ihr einen starken Rückhalt geben. Doch Lina merkte, dass Zoes Zustand sich nicht besserte, sondern immer schlechter wurde. Jede Nacht musste sie ihre Schwester wecken, denn Zoe schrie sich die Seele aus dem Leib.

„Nick! Nick, komm zurück. Nick! Nick, wo bist du? Ich brauche dich, Nick.“ Danach begann Zoe heftig zu weinen.

Lina sprach oft mit ihren Eltern darüber und alle dachten sich, es sei die ersten Wochen normal, Alpträume zu haben. Doch nun waren schon über zwei Monate vergangen und dennoch hat sich nichts gebessert, im Gegenteil, die Träume wurden immer mehr und intensiver. Darum war es für Lina heute ein heikles Thema, das sie mit Zoe am Frühstückstisch besprechen musste.

Die Geschwister saßen gemütlich im Esszimmer und Zoe merkte, dass Lina angespannt war.

„Was ist denn los, du wirkst so bedrückt?“, fragte sie sie.

Lina starrte sie an und überlegte kurz, doch es musste sein.

„Süße, ich muss dir was sagen.“ Zoe sah sie erschrocken an und wartete gespannt auf das, was ihre Schwester zu sagen hatte.

„Ich weiß, die letzten Wochen waren nicht einfach, sondern das Traurigste, das einem im Leben nur widerfahren kann. Doch, hm, wie soll ich es dir erklären, ohne dich damit zu verletzten? Ich habe nun lange abgewartet und wollte dir auch die Zeit geben, es zu verarbeiten, um besser damit umgehen zu lernen. Mittlerweile befürchte ich aber, dass es dir psychisch immer schlechter geht und das Geschehene dir immer mehr zur Last fällt.“ Lina machte eine kurze Pause, um das Gesagte etwas wirken zu lassen, denn Zoe war kreidebleich im Gesicht. Aber nach ein paar Sekunden fuhr sie fort.

„Deine Träume und Ausbrüche häufen sich, du weinst wieder viel mehr und verschließt dich uns komplett. Anfangs traute ich mir zu, ich könnte es alleine hinbekommen, dich wieder aufzupäppeln und ins Leben zurück zu bringen, aber enttäuscht muss ich feststellen, dass ich es nicht schaffe.“ Zoe war bedrückt und Tränen kullerten ihr über die Wangen. Lina rückte mit dem Stuhl heran und nahm ihre große Schwester in die Arme.

„Unsere Eltern und ich wollen nur das beste für dich, wir möchten dich wieder lächeln sehen und möchten, dass du wieder am Leben teil nimmst“, sagte sie feinfühlig und Zoe seufzte.

„Deswegen möchten wir gerne, dass du in eine Therapie gehst, damit du bei der ganzen Verarbeitung der letzten erschütternden Wochen psychologische Unterstützung bekommst. Ich denke, dass es dir einfacher fällt mit außenstehenden Personen darüber zu sprechen und du dir dort deine ganze Last von der Seele reden kannst,“ erklärte sie ihrer Schwester und wartete angespannt auf eine Antwort.

Zoe hob den Kopf und sah ihre kleine Schwester verweint in die Augen und nickte.

„Was soll ich darauf jetzt sagen? Ich will nicht in eine Therapie gehen, aber ich merke ja selber, dass es schlimmer geworden ist und finde mein Leben unerträglich“, flüsterte sie erschöpft.

„Ich möchte versuchen, in psychologische Behandlung zu gehen, aber darf ich dich darum bitten, bei den ersten Sitzungen mitzukommen?“, fragte Zoe ängstlich. Nun konnte man spüren und sehen, dass Lina ein Stein vom Herzen fiel. Sie küsste ihre Schwester auf die Stirn.

„Was für eine Frage, natürlich komme ich mit, du wirst sehen, dass es dir dadurch bald besser gehen wird.“ Das waren die letzten Worte, bevor sie nun gemeinsam das Frühstück genossen.

Sie diskutierten darüber, wie wohl so eine Therapie verlaufen würde und nun platzte Lina mit einer weiteren Frage heraus.

„Weißt du, in ein paar Wochen ist Weihnachten. Mama und ich wollten heute noch die Einkäufe erledigen, weil jetzt in den Geschäften noch nicht ganz so viel los ist. Was hältst du davon, wenn du uns begleitest? Unseren Eltern würdest du damit eine große Freude machen und mir sowieso“, fragte sie vorsichtig und Zoe überlegte lange. Doch ihr kam ein kleines Lächeln über die Lippen.

„Hm, naja, vielleicht wäre das der richtige Start in meine Therapie und falls es mir zu viel wird, fahr ich einfach wieder nach Hause“, gab sie Lina als Antwort, die jetzt bis über beide Ohren grinste.

„Super, dann werde ich kurz zuhause anrufen und Papa fragen, ob er heute Abend was für uns kocht, wenn wir vom Weihnachtsbummel zurückkommen.“ Zoe nickte und war zufrieden. Nach dem Telefonat machten sich die Schwestern fertig und begaben sich zum Haus ihrer Eltern.

Sie fühlte sich etwas eigenartig, denn seit Julian und Nick beerdigt worden waren hatte sie das Haus nicht mehr verlassen.

Als sie am Haus ihrer Eltern vorfuhren, stand Sophie bereits in der Einfahrt. Sie strahlte über das ganze Gesicht.

Zoe wollte kurz aussteigen, um ihren Vater zu begrüßen, doch Sophie stieg sofort ins Auto.

„Hey, meine Lieben, ich habe schon auf euch gewartet, wir können gleich losstarten.“

Ihre Mutter hörte nicht mehr auf zu plaudern, bis Lina sie unterbrach.

„Mama, du weißt noch gar nicht, was Zoe und ich heute besprochen haben, das wird dich genauso beruhigen wie mich.“ Nun war Sophie still und wartete auf das, was sie zu hören bekommen sollte.

„Also, Zoe hat sich dazu entschlossen, ab nächster Woche in eine Therapie zu gehen. Denn sie möchte selber nicht mehr so weiter machen wie bisher“, erzählte sie ruhig. So ein Strahlen hatte man auf Sophies Gesicht schon lange nicht mehr gesehen.

„Oh, Schatz, ich freue mich so für dich. Es wird dir guttun, da kannst du dir deine ganzen Sorgen von der Seele reden und die Therapeuten werden dir dabei helfen, bald wieder glücklicher sein zu können.“

„Danke, Mama, ich bin auch wirklich froh darüber, mich dazu entschieden zu haben. Das habe ich ausschließlich Lina zu verdanken.“

Die drei plauderten noch ein wenig über die geplante Therapie, bis sie im großen weihnachtlich geschmückten Einkaufscenter ankamen. Da überkam Zoe plötzlich wieder ein unbehagliches Gefühl und alles kam wieder in ihr hoch.

Sie dachte an das Leuchten in Nicks Augen, wenn er Weihnachten ins Wohnzimmer schlich und den großen Weihnachtsbaum sah mit den vielen bunten Geschenken darunter. Doch sie wollte nicht, dass Lina und ihre Mutter merkten, wie schlecht es ihr gerade ging, deshalb sprach sie wie ein Wasserfall, um alles zu verdrängen und zu vergessen. Der Tag verging wie im Flug.

Nach dem Einkaufen fuhren sie zum Haus ihrer Eltern und freuten sich auf das gemeinsame Abendessen.

Sie sprachen auch mit ihrem Vater noch kurz über die Therapie, über Weihnachten und darüber, wie im diesem Jahr alles ablaufen würde.

Nach einem schönen aber anstrengenden Tag verabschiedeten sich die Schwestern und machten sich auf den Weg nach Hause.

Am nächsten Tag war der berühmte „Schwesterntag“ angesagt. Ein Tag des Faulenzens und Schlemmens.

Als Fans der bekannten Twilight Saga beschlossen sie spontan, den Sonntag dafür zu nutzen, um sich alle Teile anzusehen.

So verflog das Wochenende im Nu und Zoes Nervosität stieg.

Am nächsten Morgen war es soweit, sie fuhr mit ihrer Schwester zum Therapiezentrum.


Der Weg nach Roseworthy

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